Titel: | Die Constructionen der Schützenwechsel an den neuesten mechanischen Webstühlen; von Otto Hallensieben. |
Autor: | Otto Hallensieben |
Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 317 |
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Die Constructionen der Schützenwechsel an den
neuesten mechanischen Webstühlen; von Otto
Hallensieben.
(Schluſs des Berichtes S. 168 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Die Construction der Schützenwechsel.
Es ist nicht zu bestreiten, daſs der Hartmann'sche
Schützenwechsel sehr viel Aehnlichkeit mit demjenigen des Schönherr'schen Kurbelbukskinstuhles hat. Wie aus der Zeichnung desselben
(Fig. 5) ersichtlich ist, hat auch der Hartmann'sche Wechsel die mit den Excentern verbundenen
Platinen, welch letztere gleichfalls an beiden Seiten mit entgegengesetzt stehenden
Nasen versehen sind. Nur sind diese Platinen Hegend angeordnet und zur Verschiebung
derselben werden, anstatt der Schieber, zwei entgegengesetzt schwingende Hebel a und b verwendet. Die
Bewegung des einen dieser Hebel b erfolgt direkt von
der Kurbelwelle C aus durch ein Excenter, welches auf
die Rolle des mit dem Hebel verbundenen Schiebers e
wirkt. Mit letzterem ist ein zweiarmiger Hebel dd1 verbolzt, dessen unterer Arm mittels der Zugstange
f die entgegengesetzte Schwingung des Hebels a erzeugt.Anmerkungszeichen zu dieser Fußnote fehlt im Text.Nach Mittheilungen aus den Königl. techn.
Versuchsanstalten, 8. Jahrg. Heft 1, mit freundlicher Genehmigung
des Verfassers, Herrn Prof. Martens.
Die Hebel a und b sind mit
Nasen versehen, welche, je nachdem die Platinen gg1 niedergelassen, oder nach oben gezogen sind die
untere oder obere Nase dieser Platinen fassen und dieselben nach links oder rechts schieben, womit
eine entsprechende Drehung der Excenterscheiben h und
h1 erfolgt. Auf
diesen beiden Excentern ruhen die Rollen des doppelarmigen Hebels ii1, dessen Mittelpunkt
mit der Stütze k verbolzt und in dem Schlitze des
Stelleisens m geführt ist. Der an der Stuhlwand
gelagerte Hebel l ruht auf der Stütze k und trägt mittels einer an der Stange n befestigten Zugstange die Schützenkasten. Das
Einstellen der Schützenzellen erfolgt nun in ähnlicher Weise wie bei den beiden
zuvor beschriebenen Wechseln. Sind beide Arme des Hebels ii1 durch entsprechende Drehung der
Excenter h und h1 niedergelassen, so steht Zelle 1 vor der Ladenbahn; hebt das Excenter h den Arm i, so kommt
Zelle 2 vor, während, wenn der Arm i untenbleibt und der Arm i1 gehoben wird, das auf doppelte Hubhöhe
construirte Excenter h1
die dritte Zelle in die Höhe der Ladenbahn bringt. Das gleichzeitige Arbeiten beider
Excenter bringt die in der Zeichnung ersichtliche Stellung der vierten Zelle in die
Ladenbahnrichtung hervor. Zum Heben oder Niederlassen der Platinen finden wir auch
bei diesem Schützenwechsel die Rollenkette festgehalten, deren Bewegung von einer
auf der Welle C befestigten Kurbelscheibe aus
erfolgt.
Fig. 5., Bd. 276, S. 318
Auch mit der schon zuvor von der Groſsenhainer Webstuhlfabrik
vorm. Anton Zschille gebrachten Wechselconstruction (Fig. 6) hat diejenige des Hartmann'schen Stuhles Aehnlichkeit. Wir finden auch beim Groſsenhainer
Wechsel die Anordnung der beiden Excenter unter dem die Kastenstange a tragenden Hebel b;
dagegen wirken beide Excenter nicht auf die Arme eines Hebels, sondern in folgender
Weise.
Wird das Excenter c allein gedreht, so hebt es um die
Höhe von einer Zelle, indem es die Rolle des Hebels b
nach oben drängt. Dieses Excenter ist mit seinem Drehpunkte in der Führung eines Stelleisens m so gelagert, daſs es durch eine Drehung des zweiten
unterhalb angebrachten Excenters d nach oben geschoben
wird, wodurch dann auch gleichzeitig der Hebel b
entsprechend gehoben wird und die Einstellung der dritten Schützenzelle erfolgt.
Fig. 6., Bd. 276, S. 319
Wird zugleich mit dem Heben des Excenters c derselbe
auch nach links gedreht, so wird damit wieder die Summe beider Effecte, also das
Einstellen der vierten Zelle erzielt.
Die Drehung der Excenter nach rechts oder links geschieht durch zwei doppelarmige
Hebel k und l, deren jeder
an seinen beiden Armen Haken trägt. Diese beiden Haken e und f bezieh. e1 und f1 eines jeden Hebels sind durch ein Zwischenstück
g derartig geführt, daſs je nachdem dieses Stück
gehoben oder niedergelassen ist, der untere oder obere Haken von dem durch ein
Excenter h in Bewegung gesetzten Schieber i gefaſst wird und dementsprechend sich die
Verschiebung der unteren mit den Excentern c und d verbundenen Arme der Hebel k und l nach rechts oder links ergibt. Auch
hier geschieht das Heben oder Niederlassen der Haken bezieh. des Zwischenstückes g durch eine Rollenkette.
Während bei allen diesen Wechselvorrichtungen Excenterscheiben angewendet worden
sind, um das Heben der Schützenzellen, sowie das Verbleiben derselben in der
gehobenen Stellung zu erreichen, bedient sich Hallensleben in seinem Anfang vorigen Jahres construirten Schützenwechsel
der Kurbelscheiben, welche durch eine halbe Drehung nach rechts oder links auf ihren
todten Punkt eingestellt werden und so ein ruhiges Verharren in der gegebenen
Stellung ebensowohl gestatten wie die Excenterscheiben. Die Halbkreisdrehung
erforderte die Verwendung gezahnter Schienen, welche, in an den Kurbelscheiben
befestigte Stirnräder eingreifend, diesen die gewünschte Drehung ertheilen. In der
Zeichnung Fig. 7 sehen wir je ein Paar dieser mit
hakenartigen Ansätzen versehener Zahnstangen so angeordnet, daſs sie in die obere und untere Seite eines
an der Kurbelscheibe befestigten Zahnrades eingreifen. An einem von der Hauptwelle
aus durch eine Kurbelscheibe bewegten Schieberstück d
sind Doppelfallen c und c1 so befestigt, daſs sie, je nachdem sie
gehoben oder niedergelassen werden, an die Nase der oberen oder unteren Zahnstange
angreifen, wodurch die Halbkreisdrehung der Kurbelscheiben aa1 nach rechts oder links beliebig
bewirkt werden kann. Das Heben oder Niederlassen der Fallen erfolgt in gewöhnlicher
Weise durch die Rollenkette e.
Fig. 7., Bd. 276, S. 320
Die Bolzen der Kurbelräder sind durch Zugstangen mit dem zweiarmigen Hebel ff1 verbunden, dessen
oberer Arm die doppelte Länge des unteren hat. Dieser Hebel ist in der Gabel des
Winkelhebels gg1, dessen Schenkel g1 die Schützenkasten trägt. Durch das
Längenverhältniſs der beiden Hebelarme f und f1 hat das durch die
Scheibe at erfolgende
Anziehen auf den Winkelhebel gg1 die doppelte Wirkung wie dasjenige durch die
Kurbelscheibe a, so daſs also der Hub durch letztere
allein eine, durch Scheibe a1 allein zwei, durch beide zusammen drei Kastenhöhen beträgt.
Auch die Groſsenhainer Webstuhlfabrik suchte nach einem
Ersatze der Excenterscheiben und lieſs sich eine diesen Zweck verfolgende neue
Vorrichtung patentiren, bei welcher der Mechanismus des Wechsels im Uebrigen der
frühere bleibt, aber anstatt der Excenterscheiben über einander liegende keilförmige
Stücke verwendet werden.
Eine unbeschränkte Anzahl von Schützenkasten läſst sich durch eine von dem Ingenieur
Max Keller der Sächsischen
Webstuhlfabrik construirte Wechselvorrichtung in Anwendung bringen. Bei diesem
Apparate sind in der Hauptsache die Mechanismen des Schönherr'schen Excenterstuhles festgehalten worden. Die durch Excenter
zurückgedrückten Hebel a (Fig.
8) wirken aber auf eine Reihenfolge von eine Art Flaschenzug bildenden
über Rollen geleitete Ketten (Fig. 9), deren jede
folgende die doppelte Wirkung der vorhergehenden ausübt, während weitere Effecte
durch die gemeinsame Wirkung mehrerer Hebel bezieh. Ketten erzielt werden
können.
Fig. 8., Bd. 276, S. 321
Fig. 9., Bd. 276, S. 321
Durch Verwendung von Excentern von verschiedener Hubhöhe läſst
sich schon mit einer geringen Anzahl derartiger Rollen die Anzahl der Schützenzellen
erheblich steigern. Ist z.B. die Hubhöhe der verschiedenen Excenter eine derartige,
daſs der an der Kette b ziehende Hebel um 8, der an der
c ziehende um 4, der an der d ziehende um 2 und der an der e ziehende um
1 Zelle hebt, so ergeben sich folgende Hubhöhen:
e allein hebt um eine Zelle,
d allein hebt um zwei Zellen,
d und e heben
drei Zellen,
c allein hebt vier Zellen,
c und e heben
fünf Zellen,
c und d heben
sechs Zellen,
c, d und e heben
sieben Zellen,
b allein hebt acht Zellen,
b und e heben
neun Zellen,
b und d heben
zehn Zellen,
b, e und d heben
eilf Zellen,
b und c heben
zwölf Zellen,
b, c und e heben
dreizehn Zellen,
b, c und d heben
vierzehn Zellen,
b, c, d und e
heben fünfzehn Zellen.
Es ist also hiermit schon die Verwendung von sechszehn Schützen-Zellen an jeder Seite
der Weblade oder von einunddreiſsig nach ein ander folgenden Schützen
ermöglicht.
Die Verwendung einer derartigen groſsen Anzahl Schützenzellen bleibt aber trotzdem
eine begrenzte und ist man auch bei dem vorgeschriebenen Wechsel bei fünf Zellen an jeder
Seite stehen geblieben. Man verlangt jetzt vor allen Dingen von den mechanischen
Stühlen eine groſse Leistungsfähigkeit und ist dieses ein besonderer Grund, weshalb
der sonst so zweckmäſsige Schönherr'sche Stuhl mit
Excenter-Ladenbewegung immer mehr durch die mit Kurbel-Ladenbewegung versehenen und
deshalb eine gröſsere Tourenzahl gestattenden Webstühle verdrängt wird. Für das
Heben von einer Schützenzelle zur anderen ist aber nur die halbe Kurbeldrehung
verfügbar, während die andere Hälfte für das nach Vollendung des Kastenhubes
erfolgende Durchschieſsen des Schützens in Anspruch genommen wird. Wenn sich nun
durch die gröſsere Geschwindigkeit des Stuhles der für den Kastenhub verwendbare
Zeitraum erheblich verkleinert, die Bewegung selbst aber mit der Zunahme der Anzahl
Zellen, besonders vom ersten auf den letzten Kasten, erheblich vergröſsert, so ist
es klar, daſs sich dabei schnell eine Grenze herausstellen wird.
Auſserdem wird schlieſslich der Webstuhl für den Arbeiter allzu complicirt und
derselbe erfordert für das Auf- und Niederbewegen einer groſsen Anzahl
Schützenzellen eine derartige Höhe, daſs die Behandlung für den Arbeiter eine
beschwerliche und unhandliche wird.