Titel: | Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung 1889; von Fr. Freytag, |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 402 |
Download: | XML |
Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung 1889;
von Fr. Freytag,
Lehrer der Technischen Staatslehranstalten in
Chemnitz.
(Fortsetzung des Berichtes S. 241 d.
Bd.)
Mit Abbildungen auf Tafel
20.
Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung 1889.
Die von der Straight Line Engine Company in Syracuse, N.
Y., in der amerikanischen Abtheilung ausgestellte 80pferdige schnellgehende
Dampfmaschine von 14 Zoll Cylinderdurchmesser und 16 Zoll Hub verdient wegen ihrer
ungewöhnlichen Construction Erwähnung.
Der von auſsen prismatische Cylinder ist, wie die Industries, 1889 * S. 464, entnommene Abbildung (Fig. 1 Taf. 20) zeigt, mit
zwei einander gegenüberliegenden Schieberkasten versehen, in welchen sich die, zur
Verringerung des Excenterhubes mit zwei Schlitzen versehenen dünnen und vollständig
entlasteten Schieber bewegen. Der eine, von einem festen Excenter beeinfluſste
Schieber vermittelt den Austritt des Dampfes aus dem Cylinder, während der andere,
von einem lose auf der Schwungradwelle sitzenden Excenter bewegte Eintrittsschieber
die im Cylinder liegenden Einlaſskanäle je nach der von einem isochronischen
Centrifugalregulator abhängigen Excenterstellung früher oder später schlieſst;
letzterer ist in einer der beiden, zwischen dem doppelten Rahmen der Maschine
liegenden und gleichzeitig als Schwungrad dienenden Kurbelscheiben untergebracht. Er
besteht, wie die Revue universelle, 1889 Taf. 12,
entnommene Abbildung (Fig. 2) erkennen läſst,
aus einem durch Gelenke mit der frei schwingenden Excenterscheibe verbundenen
Gegengewichte und einer starken Feder. Sobald bei einer bestimmten
Umdrehungsgeschwindigkeit die Centrifugalkraft des Gegengewichtes den Widerstand der
Feder aufhebt, wird der Mittelpunkt der excentrischen Scheibe dem Wellenmittelpunkte
näher gerückt und damit der Schieberhub beeinfluſst.
Das Gegengewicht ist hohl, mit Blei ausgegossen und aus schmiedbarem Eisenguſs
hergestellt: sein Arm ist gabelförmig und umfaſst die Speiche der Kurbelscheibe, in
welcher er einen Drehzapfen hat.
Die Stopfbüchsen sind an Stelle der Verpackung mit langen eingeschliffenen Hülsen aus
Babbitmetall versehen.
Die Maschine machte 200 Umdrehungen in der Minute und hatte ein Gesammtgewicht von
6000k.
Thomas Powell in Rouen hatte eine 300pferdige, mit
Corliſsschiebern arbeitende, dreifache Expansionsmaschine und eine schnelllaufende
Dampfmaschine nach dem System der Firma Armington und
Sims in New York ausgestellt, deren Verdienst es bekanntlich ist, eine der
ersten schnelllaufenden Dampfmaschinen construirt zu haben.
Die Corliſsmaschine hatte vier, auf beiden Seiten zu je zwei hintereinander liegende Cylinder von
280, 400, 470 und 510mm Durchmesser, deren
Volumina sich hiernach wie 1 : 2 : 2,8 : 3,8 verhalten, und kann sowohl als
dreifache Expansionsmaschine wie auch bei eintretenden Unfällen auf der einen Seite
als Verbund-Tandemmaschine mit Condensation arbeiten, da zwei Luftpumpen und
Condensatoren vorhanden sind. Im ersteren Falle geht der Kesseldampf aus dem der
Kurbel am nächsten liegenden Cylinder I der einen Seite in den entsprechenden
Cylinder II der anderen Seite und dann in die hinteren Niederdruckcylinder III und
IV jeder Seite, so daſs sich in diesem Falle die Volumina des Hoch-, Mittel- und
beider Niederdruckcylinder wie 1 : 2 : 6,6 verhalten, während andernfalls, beim
Alleinarbeiten jeder Maschinenseite die Cylindervolumina im Verhältniſs 1 : 2,8
bezieh. 2 : 3,8 wachsen; ferner kann, wenn der vorhandene Kesseldruck eine geringere
Spannung besitzt, als für dreifache Expansionsmaschinen vortheilhaft ist, die
Maschine auch als gekuppelte zweifache Expansionsmaschine ihren Dienst verrichten.
Bei 12at Eintrittsspannung im kleinen Cylinder und
einer Füllung von 0,45 des Kolbenhubes entwickelt die eine Cylinderseite mit 70
minutlichen Umdrehungen 110, die andere 150 , demnach die Maschine
insgesammt 260 .
Wie die Engineer, 1890 * S. 32, entnommene Abbildung
(Fig. 3
Taf. 20) veranschaulicht, sitzen die zur Dampfregelung dienenden Ein- und
Auslaſsschieber, ähnlich wie bei der Wheelock-Maschine
im unteren Theile jedes Cylinders; die in äuſseren Gehäusen liegenden
Auslaſsschieber werden von besonderen Excentern beeinfluſst, während die in den
inneren Gehäusen sich bewegenden Einlaſsschieber des Hochdruckcylinders je nach der
Regulatorstellung gröſsere oder kleinere Cylinderfüllungen gestatten.
Zu dem Zwecke ist die Maschine mit einer Steuerung nach dem System Correy versehen, welche nach Fig. 4 und 5 Taf. 20 aus einer
mittels Winkelhebel von der Regulatorzugstange zu einer hin und her gehenden
Bewegung veranlaſsten wagerechten Stange a besteht,
welche einen, auf seiner oberen gebogenen Fläche mit Einkerbungen versehenen Schuh
b trägt, auf welchen die mittels Schwinge geführte,
an ihrem unteren Ende mit eingesetztem Stahlkörner o
versehene und mit dem oberen Ende an den Hebel m
anschlieſsende auf und nieder gehende Stange c stöſst
und je nach der Stellung des Schuhes früheres oder späteres Abschlieſsen der
Einströmkanäle durch die Schieber bewirkt.
Der Hebel m ist bei i in
der Aussparung einer auf der Schieberstange festgekeilten Scheibe s drehbar befestigt und greift mit seinem anderen Ende
in einen Schlitz der in der Scheibe s geführten Klinke
l, welche durch eine Feder in die mit Stahl
ausgelegte Nuthe des durch Stange f vom Excenter aus
bewegten, über den äuſseren Theil der Scheibe s
greifenden Bügels d gedrückt wird und die Bewegung des
letzteren so lange
mitmacht, bis die Stahlspitze o der Stange c in ihrer abwärts gehenden Bewegung auf den Schuh b trifft. Der durch die Weiterbewegung von d auf die Stange c
ausgeübte Druck veranlaſst eine derartige Drehung des Hebels m, daſs die Klinke l aus der Nuthe des Bügels
herausgezogen wird und die Scheibe s unter Mitwirkung
eines Luftbuffers sofort eine der vorigen entgegengesetzte Drehbewegung ausführt, so
daſs der mit ihr verbundene Schieber den Dampfeinlaſskanal plötzlich schlieſst.
An den Berührungsstellen sind der Bügel d und die Klinke
l mit Stahlleisten armirt und sobald der erstere
bei seiner schwingenden Bewegung mit der Nuthe wieder über die Klinke l zu liegen kommt, erfolgt durch die in l sitzende Feder die Einklinkung und damit die Mitnahme
von s, sowie die Eröffnung des Dampfeinlaſskanales im
Cylinder. Die Einlaſsschieber der beiden Niederdruckcylinder werden ebenfalls von
den für die Auslaſsschieber angeordneten Excentern beeinfluſst, während diejenigen
des Mitteldruckcylinders wieder von einem besonderen Excenter bethätigt werden.
Jedes Paar hintereinander liegender Cylinder ist, wie auch Fig. 3 Taf. 20 erkennen
läſst, behufs gehöriger Absteifung durch drei kräftige, zwischen angegossenen Kloben
der Cylinder gelegene Stangen mit einander verbunden.
Die durchgehende Kolbenstange je zweier Cylinder ist zwischen letzteren in einem
Rohre geführt, welches durch Verpackung und übergreifende Stopfbüchse vor dem
Undichtwerden geschützt ist. Die mittels Winkelhebel vom Kreuzkopfzapfen aus
betriebene, unter der Plattform der Maschine aufrecht stehende Luftpumpe ist mit
einer groſsen Anzahl geräuschlos arbeitender und wenig Raum erfordernder Worthington-Ventile versehen.
Das beigefügte, Engineering entnommene Diagramm der mit
dreifacher Expansion arbeitenden Maschine zeigt eine tadellose Dampfvertheilung.
Die schnelllaufende, ebenfalls wagerechte Dampfmaschine derselben Firma besaſs nur einen Cylinder, seitliche Schiebersteuerung und
zwei Schwungräder.
Die Dampfvertheilung erfolgt, wie die Revue universelle,
1889 Taf. 8 entnommene Abbildung Fig. 7 zeigt, mittels
zweier, durch ein cylindrisches Stück miteinander verbundener einfacher
Kolbenschieber, womit allerdings kein allzu ökonomischer Dampfverbrauch erzielt
wird. Der Dampf tritt durch die um die Kolben laufenden Rinnen A in den Cylinder und bei B wieder aus.
Charakteristisch ist bei dieser Maschine der am Schwungrad befestigte Regulator,
welcher bei etwa 300 minutlichen Umdrehungen mit genügender Empfindlichkeit durch
Einwirkung auf den Kolbenschieber einen gleichmäſsigen Gang der Maschine
sichert.
Derselbe ist durch die ebenfalls Revue universelle, 1889
Taf. 8, entnommenen Abbildungen Fig. 8 und 9 in seinen beiden
äuſsersten Stellungen dargestellt.
Die an den Armen des Schwungrades befestigten bügelförmigen Gewichte 1 stehen durch Gelenkstangen 2 mit der auf der Schwungradwelle frei beweglichen excentrischen Scheibe
C in Verbindung, so daſs die letztere bei der
Entfernung der Gewichte 1 von der Welle zu einer
Drehbewegung veranlaſst wird. Ein dritter Hebel 3,
welcher einerseits mit dem einen der beiden bügelförmigen Gewichte 1, anderseits mit dem Excenterbügel D in gelenkiger Verbindung steht, bewirkt bei dem
Ausschwingen von 1 ebenfalls eine, jedoch der vorigen
entgegengesetzte Drehung des Excenterbügels. Zwei angeordnete Federn wirken der
Centrifugalkraft der Gewichtsbügel entgegen; die letzteren nehmen in Fig. 8 ihre innerste, dem
Stillstande oder langsamsten Gange der Maschine entsprechende und in Fig. 9 ihre äuſserste, dem
schnellsten Gange der Maschine entsprechende Stellung ein. Im ersteren Falle besitzt
das durch die beiden Theile C und D gebildete Excenter die gröſste Excentricität, bei
welcher der Dampf während des ganzen Kolbenhubes in den Cylinder strömen würde, und
den kleinsten Voreilungswinkel, im letzteren Falle die kleinste Excentricität und
den gröſsten Voreilungswinkel. Wächst die Geschwindigkeit des Motors, so bewirkt die
Centrifugalkraft nach Ueberwindung der Federspannung einen Ausschlag der Bügel 1; dadurch dreht sich die excentrische Scheibe C in dem einen, der Ring D
in dem entgegengesetzten Sinne und es vermindert sich in Folge dessen die
Excentricität, die Füllungen werden immer kleiner, bis die normale Tourenzahl von
300 in der Minute wieder erreicht ist und die Bügel in ihre normale Lage
zurückkehren.
Der Hauptvorzug dieses Regulators ähnlichen Constructionen gegenüber besteht darin,
daſs bei den veränderlichen vom Excenter eingestellten Admissionen und Compressionen
des Dampfes das lineare Voreilen stets einen nahezu constanten Werth beibehält.