Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. |
Autor: | St. |
Fundstelle: | Band 276, Jahrgang 1890, S. 568 |
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Neuere Verfahren und Apparate für
Zuckerfabriken.
Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Bei der Bestimmung des Zuckers im Rübensafte (der
Wassersaftpolarisation) werden gewöhnlich 100cc
Saft mit 10cc Bleiessig geklärt, man erhält dann
meistens ein fast ungefärbtes Filtrat, das sich leicht polarisiren läſst.
In manchen Fällen aber, namentlich bei unreifen oder kranken Rüben, oder solchen, die
längere Zeit gelegen haben, färbt sich dieses Filtrat rasch braun, wird schlieſslich
schwarz und kann nicht polarisirt werden. Hier scheint also durch den Bleiessig
nicht alles Chromogen gefällt worden zu sein und sich dasselbe an der Luft zu
oxydiren. In einzelnen Fällen genügt es, das Filter durchzustoſsen, das Filtrat mit
dem Niederschlag nochmals gut durchzuschütteln, rasch zu filtriren und zu
polarisiren.
In vielen Fällen nutzt aber auch dieser Vorgang nichts mehr, die Filtrate bleiben
dunkel gefärbt und sind nicht zu polarisiren. A. Frolda
(Oesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie und
Landwirthschaft, 1889 Heft 6 S. 594) machte nun die Beobachtung, daſs die
Bleiverbindung des Chromogens der Rübe in alkalischer Flüssigkeit weit schwerer
löslich ist als in neutraler oder saurer, und fand so, daſs ein Zusatz von 1 bis 2
Tropfen concentrirten Ammoniaks zu diesen dunkel gefärbten Filtraten genügte, um
ganz helle Filtrate zu erhalten, die leicht polarisirt werden können.
Bei Zusatz von Ammoniak zu solchen Filtraten entsteht nach nicht zu unterlassendem
guten Durchschütteln eine Trübung, welche man durch Filtriren entfernt. Ist dieses
Filtrat noch trübe, so genügt ein nochmaliges Zurückschütten auf das Filter, um
vollkommen wasserhelle, gut polarisirbare Filtrate zu erhalten. Die Verdünnung,
welche das Filtrat durch den Zusatz von zwei Tropfen Ammoniak erhält, ist gewiſs
eine kaum in Betracht kommende, überdies hat eine Reihe von Versuchen gezeigt, daſs
der Zusatz von Ammoniak überhaupt ohne Einfluſs auf das Endresultat der Analyse
ist.
In den wenigen Fällen, wo zwei Tropfen nicht genügten, setzt man drei Tropfen zu, um
vollständig helle Säfte zu erhalten; es ergeben sich hierbei in manchen Fällen wohl
Differenzen von 0,1 bis 0,2, in 8 Fällen unter mehr als 200 betrugen dieselben sogar
0,3°; rechnet man jedoch die Polarisation auf den Zuckergehalt des Saftes um, so
ergibt sich bei diesem ein Unterschied gegen den wirklichen Gehalt, welch er so
gering ist, daſs er wohl kaum in Betracht gezogen, daher vernachlässigt werden kann.
–
In Belgien, wo die Rüben vielfach nach dem Zuckergehalt bezahlt werden, und daher
Analysen und Gegenanalysen derselben Proben regelmäſsig in verschiedenen
Laboratorien ausgeführt werden, hat sich seit einiger Zeit ein Mangel an
Uebereinstimmung der verschiedenen Zuckerermittelungen herausgestellt, der auf eine
Veränderung in den Rübenproben bei mehrtägiger
Aufbewahrung hinweist, welche nicht auf das Austrocknen allein zurückgeführt werden
kann.
Auf dem Wege von der Zuckerfabrik nach dem Laboratorium, welches die Gegenanalyse
ausführen soll, trocknen die Rübenproben aus, und zwar in besonders bemerklicher
Weise, wenn diese, wie jetzt üblich, aus Rübenvierteln bestehen. Es ist daher
vorgeschlagen worden, eine der. Gewichtsverminderung entsprechende Berichtigung an
dem gefundenen Zuckergehalt anzubringen, wozu man sich der Formel
\frac{P\,.\,R}{P'}
bedienen kann, worin P das zur Zeit der zweiten, P' das zur
Zeit der ersten Analyse gefundene Gewicht und R den gefundenen Zuckergehalt
bedeutet.
Will man aus den verschiedenen Gewichten den eigentlich nach dem Austrocknen zu
erwartenden Zuckergehalt finden, so gilt die Formel
R=\frac{Z\,.\,P'}{P}, worin Z den ursprünglichen Zuckergehalt
bedeutet.
Ohne Zweifel ist dies für den Fall richtig, dass sich die Rübe während des
Austrocknens nicht veränderte, da alsdann der Zuckergehalt in dem Verhältniſs der
Wasserabnahme zunähme.
Dies ist aber nicht der Fall, wie die Zahlenergebnisse auf S. 569 deutlich machen,
welche C. Masson (Gembloux) veröffentlichte (Sucrerie belge, Bd. 18 Nr. 4 und 6, November
1889).
Bei allen Zuckerbestimmungen wurde die Alkoholdigestion angewandt. Die Rübenviertel
wurden gewogen, dann sofort zusammengebunden in eine geschlossene Kiste gelegt und
diese in einen Schuppen gestellt.
Die nachstehenden Zahlen ergaben nur sehr selten eine Erhöhung der Polarisation,
sondern meistens, trotz der Gewichtsverminderung, eine Abnahme derselben. Offenbar
muſs dann die „Berichtigung“ einen gröſseren Fehler als die Nichtanwendung
derselben liefern. Selbst in den 7 Fällen der Polarisationszunahme hat die
Berichtigung nur zweimal eine genaue Zahl ergeben. Es scheint, daſs die
durchgeschnittene Rübe
sich rasch verändert, wie denn auch die Reaction auf Glucose mit der Dauer der
Aufbewahrung zunimmt.
Nummer
Jahreszeit
Tage Zwischen-raum
zwischenbeidenBestimmungen
Anzahlder Rüben
UrsprünglichesGewicht
Gewicht bei derAnalyse
Gewichtsverlustin Procentender
Rüben
Zuckergehalt
Zuckergehaltnach der
Formelberichtigt
Fehler, wenndie
Berichtigungnichtvorgenommen
Fehler, wenndie Berichtigungausgeführt
wird
1888
1
NovemberDecember
14
16
1521
1475
3,02
12,3311,80
11,44
– 0,53
– 0,89
2
NovemberDecember
14
16
1649
1613
2,18
12,3311,93
11,67
– 0,40
– 0,66
3
NovemberDecember
14
13
1083
1056
2,49
14,3013,90
13,55
– 0,40
– 0,75
4
NovemberDecember
14
13
1185
1158
2,28
14,3013,73
13,42
– 0,57
– 0,88
1889
5
August„„„
2 5 6
4
570 525 495
548 498 472
3,855,144,65
8,67 8,67 8,87 9,00
8,33 8,41 8,58
–+ 0,20+ 0,33
– 0,34– 0,26– 0,09
6
August„„„
2 5 6
4
451 376 418
437 354 382
3,105,858,61
10,4010,5310,6010,47
10,23 9,98 9,57
+ 0,13+ 0,20+ 0,07
– 0,17– 0,42– 0,83
7
August„„„
1 2 3
1
232 267 226
229 261 217
1,292,253,98
7,27 7,20 7,40 7,33
7,11 7,23 7,04
– 0,07+ 0,13+ 0,06
– 0,16– 0,04– 0,23
8
August„„
2 3
1
244 279
237 267
2,874,30
7,80 7,40 7,13
7,19 6,83
– 0,40– 0,67
– 0,61– 0,97
9
September„„„
1 2 4
1
146 173 177
144 168 171
1,372,893,39
5,73 5,47 5,67 5,27
5,39 5,51 5,09
– 0,26– 0,06– 0,46
– 0,34– 0,22– 0,64
10
September„„„
1 2 4
1
200 189 195
197 185 183
1,502,126,51
10,9310,7310,9310,87
10,5710,6910,20
– 0,20–– 0,06
– 0,36– 0,24– 0,73
11
September„„„
1 2 4
1
221 157 128
218 154 123
1,361,913,91
8,53 8,33 8,33 8,40
8,21 8,17 8,07
– 0,20– 0,20– 0,13
– 0,32– 0,36– 0,46
12
September„
1
10
1203
1195
0,67
13,0712,70
12,62
– 0,37
– 0,45
Woher stammt nun die Verminderung des Zuckergehaltes bei den durchgeschnittenen
Rüben? Die Ursache ist noch unbekannt, jedenfalls linden aber chemische
Veränderungen statt. Dies beweisen die Wasserbestimmungen in dem Brei aus den
Rübenproben, dieselben ergaben statt der der Gewichtsverminderung entsprechenden Verminderung
meistentheils eine Vermehrung des Wassergehaltes, wie z.B.
Versuch
Tage
Ursprüngl. Wassergehalt
Berechneter
Wirklicher
Wassergehalt
18
3
80,68
80,46
81,44
1
80,95
80,83
81,15
19
2
–
80,66
81,47
3
–
80,65
81,25
Diese Ergebnisse fordern zu einem genauen Studium der Veränderungen durch weitere
Versuche auf.
Einen Apparat zum Behandeln von abzupressenden Zuckerrübenschnitzeln mit Kalkmilch
lieſsen sich Büttner und Meyer (Uerdingen a. Rh.)
patentiren (D. R. P. Kl. 89 Nr. 50990 vom 28. Mai 1889 ab). Der neue Apparat
bezweckt, ausgelaugte Rüben- und Zuckerrohrschnitzel vor dem Auspressen behufs
Trocknens nach dem Verfahren der Genannten (vgl. 1889 272
232) mit Aetzkalk selbsthätig in der Weise zu imprägniren, daſs die aufgenommene
Kalkmenge procentisch stets dieselbe bleibt.
Diese Arbeit ist von Bedeutung für die Pressung dieser Materialien, weil dieselbe nur
dann regelmäſsig durchgeführt werden kann, wenn irgend welche gröſseren Schwankungen
in Bezug auf die Menge des Kalkes ausgeschlossen sind. Beispielsweise führt das
Abwägen des letzteren und der Rübenschnitzel nicht zum Ziel, weil der Wassergehalt
der Rübenschnitzel groſsen Schwankungen unterworfen ist, ganz abgesehen davon, daſs
ein solches Verfahren bei den groſsen in Frage kommenden Mengen eine kaum zu
bewältigende Arbeit verursachen würde. Erfolgt die Kalkimprägnirung aber
ungleichmäſsig, derart, daſs eine Partie zu viel, eine andere zu wenig Kalk erhält,
so entstehen beim Pressen die gröſsten Unzuträglichkeiten: Der Widerstand der
Schnitzel ist sehr unregelmäſsig, es entstehen Stopfungen, durch welche selbst die
stärksten Pressen zum Bruch gebracht werden, und schlieſslich bleibt der
Wassergehalt der ausgepreſsten Schnitzel doch noch recht hoch. Diese Schwierigkeiten
haben die Erfinder nach vielen vergeblichen Versuchen schlieſslich durch Benutzung
des neuen Apparates überwunden.
Die Erfinder haben gefunden, daſs die oben genannten Materialien einer Kalkmilch von
bestimmter Concentration in einer bestimmten Zeiteinheit nahezu dieselbe Kalkmenge
durch chemische Wirkung entziehen, vorausgesetzt, daſs die Kalkmilch in groſsem
Ueberschuſs vorhanden ist. Man führt daher die Schnitzel auf mechanische Weise unter
den Spiegel einer Kalkmilch von 0,5° Bé. (spec. Gew. 1,0035), erzeugt in dieser
einen lebhaften Umlauf, welcher jedes Theilchen mit Kalk versetzt, und hebt die
Schnitzel ebenfalls mechanisch und ununterbrochen wieder aus der Kalkmilch
heraus.
Zur Ausführung dieses Verfahrens dient der in der Patentschrift dargestellte
Apparat.
Der Patentanspruch lautet:
Apparat zum Behandeln von abzupressenden Zuckerrübenschnitzeln mit Kalkmilch,
bestehend aus dem Behälter A mit der Schnecke S, welche unter den Spiegel der Kalkmilch schräg
eingelagert und deren Trog gelocht ist, so daſs die durch ein Flügelrad (F) bewegte Kalkmilch in den unteren Theil der Schnecke
eintreten und der Ueberschuſs aus dem oberen Theil der Schnecke in den Behälter A zurückflieſsen kann. –
Gelegentlich des Referates über die Frage: „Hat der Rübenzucker die ernstliche
Concurrenz eines anderen Süſsstoffes (Saccharin u.s.w.) zu erwarten?“ wurde
in der Generalversammlung des Centralvereines für Rübenzuckerindustrie in der
österreichisch-ungarischen Monarchie am 15. und 16. Mai 1889 in Triest von Fr. Strohmer eine Beobachtung mitgetheilt, welche von
einer groſsen Wiener Liqueurfabrik gemacht wurde. Dieselbe will nämlich bemerkt
haben, daſs mit Saccharin versüſste Liqueure in offenen Gefäſsen (unverkorkten
Flaschen oder nicht verspundeten Fässern) binnen kurzer Zeit ihre Süſse verlieren.
Diese Erscheinung weist darauf hin, daſs sich das Saccharin unter bestimmten
Verhältnissen sehr leicht zersetzen kann. Im Auftrage Strohmer's hat nun A. Stift
(Oesterreichisch-ungarische Zeitschrift für Zuckerindustrie und
Landwirthschaft, 1889 Bd. 18 S. 599) diese Beobachtung näher geprüft und
ist zu nachstehenden Resultaten gekommen.
Aus reinstem rectificirtem Spiritus wurde durch Zusatz von destillirtem Wasser ein
etwa 35volumprocentiger Branntwein hergestellt, von welchem in sechs gleiche Kolben
je ¼l gebracht wurde. Von den Kolben wurden zwei
mit je 0,05, zwei mit je 0,1 und zwei mit je 0g,3
Saccharin versetzt.
Von dem so saccharinirten Branntwein wurde immer eine Probe gut verstöpselt, die
andere jedoch offen an dem gleichen staubfreien Orte aufbewahrt. Der Beginn des
Versuches war am 23. Mai 1889. Es wurden dann durch fünf verschiedene, vollkommen
objective Beobachter von Zeit zu Zeit Kostproben vorgenommen, ohne daſs dieselben
natürlich mit der Beschaffenheit des betreffenden Branntweins bekannt gewesen wären.
Nach acht Tage langem Stehen wurde nach einstimmiger Erklärung zwischen den
verschlossenen und offenen Proben noch kein Unterschied constatirt. Am 8. Juni wurde
aber bei den offenen Flaschen, mit 0,05 und 0g,1
Saccharin angesetzten Proben, gegenüber den verschlossenen Proben mit gleichem
Saccharingehalt eine geringe Differenz constatirt, dagegen bei 0g,3 Saccharin in beiden Fällen kein Unterschied
beobachtet.
Am 15. Juli konnte in den offenen Proben mit 0,05 und 0g,1 Saccharin einstimmig durch Geschmack keine Süſse mehr nachgewiesen
werden, und auch die offen stehen gebliebene Flüssigkeit mit 0g,3 Saccharin schmeckte bedeutend weniger süſs als
die verschlossen gehaltene. Am 6. August konnte mit der empfindlichen Reaction von
lra Remsen in den offen stehenden Kolben mit 0,05 und 0g,1 Saccharin dasselbe nicht mehr nachgewiesen
werden. Bei 0g,3 Saccharin war inzwischen der
Unterschied im Geschmack auch hier ein leicht bemerkbarer. Noch Ende October war
aber in letzterem das Saccharin nicht vollständig verschwunden, da unzweifelhafte
Saccharinreaction erhalten wurde. Am 2. December war jedoch auch hier dasselbe nicht
mehr nachzuweisen.
Die Beobachtung der Fabrik hat also durch diese Versuche ihre vollste Bestätigung
gefunden. Die Frage, in welche Verbindungen das Saccharin zerfällt, bleibt eine
offene, da bei der Unzulänglichkeit des Materials und Zeitmangels halber dieselbe
nicht in Betracht gezogen werden konnte.
Ueber die Beziehungen zwischen der Herstellung von Obstmus (jam) und den Zuckerpreisen schreibt Produce market's
review (15. Februar 1890):
Die Kleinobsternte Englands und die der Vereinigten Staaten erreicht ungefähr den
gleichen Geldwerth, nämlich 18 bis 20 Millionen Dollars. In England wird davon etwa
für 12 Mill. Dollars Werth zu Mus (jam, Marmelade, Kraut) verarbeitet, was dann, in
Folge seiner Wohlfeilheit eines der täglichen Nahrungsmittel der arbeitenden Klassen
geworden ist. Nach einer amerikanischen Mittheilung wird in den Vereinigten Staaten
nur etwa für 2 Mill. Kleinobst zu Mus verarbeitet, denn eine sehr groſse Menge wird
verschleudert und Obstmus wird eher zum Ueberfluſs, denn massenweis als tägliches
Nahrungsmittel verbraucht.
Woher kommt der Unterschied? Das Mus hat etwa 60 bis 75 Proc. Zucker. Der Unterschied
zwischen New York und London im Preise im Groſshandel für besten Granulated – wie er
zur Musbereitung gebraucht wird – beträgt etwa 3 Doll. für 100 Pfund. Bis zum 1.
October 1889 war der höchste Preis in London 6,30, der niedrigste 4,04 Doll. für 100
Pfund, in New York entsprechend 9,375 und 7,00 Doll. Der gröſste Unterschied
zwischen beiden Städten betrug 3,57, der kleinste 2,50, also wohl 3 Doll. im
Mittel.
Das Mus wird in Gläsern und in irdenen Töpfen verkauft, und hierin liegt auch ein
groſser Nachtheil für die Amerikaner. Er bezahlt 62½ Cts. für das Dutzend Töpfe von
12 Pfund und die dazu gehörige Kiste, der Engländer bezahlt nur 37½ Cts., also 25
Cts. weniger. Zu 12 Pfd. Erdbeermus braucht man 8,4 Pfd. Zucker, wofür in England
39,81, in Nord Amerika 65,10, also 25,29 Cts. mehr bezahlt wird. Dazu die 25 Cts.
für die Gefäſse, macht 50,29 Cts.; der Unterschied beträgt also etwa 40 Proc. des
englischen Groſshandelspreises für Obstmus. Der billige Preis des Zuckers in England
hat eine auſserordentliche Vermehrung des Musgeschäftes bewirkt und der Verbrauch
von Mus ist fast allgemein geworden. Die ärmeren Klassen genieſsen dasselbe als
billiges und zuträgliches Ersatzmittel für Butter, die 4 bis 10 Cts. das Pfund
theurer ist.
Die Hauptorte für Musbereitung in England sind London, Glasgow und Dundee. In London
werden zur Zeit der Ernte etwa 100t süſser Früchte
täglich zu Mus verarbeitet. Jede einigermaſsen wichtige Stadt hat Musfabriken, wovon
die meisten erst in der letzten Zeit entstanden sind. Vor einigen Jahren begann man
in Dundee in kleinem Maſsstabe und jetzt beschäftigt eine einzige Firma (Clarke, Nicholls und Coombs) mehr als 1000 Arbeiter.
In den Fabrikstädten gibt es viele Firmen, welche täglich 12t Mus und eingesottenes Obst fertig machen. Im J.
1887 empfing allein Glasgow täglich auſser groſsen Mengen anderer Früchte 30t Erdbeeren aus einem schottischen Thale zwischen
Hamilton und Lanark, woher auch Dundee einen groſsen Theil des Rohmaterials bezieht.
Die Fabrikation hat sich so ausgedehnt, daſs sie jetzt wohl ⅔ der gesammten Ernte an
Kleinobst verarbeitet und den Anbau desselben mächtig fördert.
Im J. 1887 waren mehr als 48000 Acres mit Kleinobst bebaut; in der Grafschaft Kent
gibt es viele Landwirthe, welche allein 100 Acres Erdbeeren bauen, und manche haben
deren mehrere Hundert. In der genannten Grafschaft beschäftigen sich etwa 50000
Menschen mit der Gewinnung von Kleinobst.
Der Zuckerverbrauch der englischen Mus- und Conservenfabriken beträgt jährlich 300
Mill. Pfd. Wenn das Gleiche in Amerika geschähe, würde man 8 Mill. Doll. mehr für
die Fabrikate bezahlen, und man erkennt leicht, warum in England ⅔ in Amerika nur
etwa 10 Proc. der Ernte dazu verbraucht werden. Englisches Obstmus hat alle Winkel
der Welt erobert – eine unmittelbare Folge der Wohlfeilheit des Zuckers in England;
der amerikanische Markt bezieht reichlich die Hälfte seines Bedarfs aus England und
der englische Mitbewerb hat die meisten französischen Zuckerwaaren verdrängt.
St.