Titel: | Locomotiv-Steuerung von M. A. Bonnefond. |
Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 55 |
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Locomotiv-Steuerung von M. A.
Bonnefond.
Mit Abbildungen auf Tafel
5.
Bonnefond's Locomotiv-Steuerung.
Die französischen Staatsbahnen haben eine groſse Anzahl ihrer Locomotiven mit einer
Steuerung nach dem System Bonnefond ausgerüstet, welche
behufs Verringerung der schädlichen Räume mit getrennten Ein- und Auslaſsschiebern
arbeitet, constante Compression und Vorausströmung des Dampfes gestattet und die
durch den schleichenden Abschluſs der gewöhnlichen Schiebersteuerungen entstehenden
Dampfdrosselungsverluste aufhebt.
Eine von der Verwaltung der Staatsbahnen in Paris 1889 ausgestellte
Schnellzuglocomotive war mit der Steuerung versehen und es zeigen die Engineering 1889 * S. 710 entnommenen Abbildungen Fig. 1 bis 7 Taf. 5 eine
Gesammtanordnung, sowie in gröſserem Maaſsstabe gezeichnete Einzelheiten
derselben.
Die von einem Excenter bewegte, zum Umsteuern dienende Coulisse A ist durch Stange C mit
einem doppelarmigen Hebel D verbunden, dessen unteres
Ende mit den Auslaſsschiebern in direkter Verbindung steht, während das obere Ende
mit einem starken, wagerecht verschiebbaren Rahmen GG
verbunden ist, in welchem zwei rechtwinklige Mitnehmer F für die Einlaſsschieber drehbar befestigt sind; letztere werden durch
zwischenliegende Federn so beeinfluſst, daſs sich ihre kürzeren, die Stangen der
Einströmschieber betätigenden Schenkel wagerecht, die anderen senkrecht hierzu
einstellen.
Die mit schraubenförmigen Vorsprüngen J versehene
Steuerwelle wird in ähnlicher Weise wie bei der Steuerung von Heusinger von Waldegg vom Kreuzkopf aus hin und her
bewegt und sobald die senkrechten Schenkel der Mitnehmer F mit den Vorsprüngen in Berührung kommen, erfolgt eine Drehung der
ersteren, und die Verbindung zwischen ihnen und den Schieberstangen wird ausgelöst;
die Schieber schlieſsen dann mittels kleiner Differentialkolben E unter Mitwirkung kräftiger Federn schnell die
Einströmkanäle.
Das von der Stellung der Auslöser J abhängige, frühere
oder spätere Schlieſsen der Dampfzuführungskanäle wird vom Führerstande aus
geregelt, indem mittels Zugstange M unter
Zwischenschaltung der Zahngetriebe L und K eine Drehung der Steuerwelle in dem einen oder
anderen Sinne möglich ist.
Die Schieberstangen, sowie Mitnehmer F sind aus Stahl
gefertigt und an ihren Berührungsstellen gehärtet.
Die von der Elsäſsischen Maschinenbaugesellschaft in vorzüglicher Ausführung gebaute
Locomotive mit 400mm Durchmesser der Cylinder und
650mm Kolbenhub zeigte bezüglich der
Dampfvertheilung die folgenden Verhältnisse:
Dampfvoreinströmung
1½ Proc.
des
Kolbenhubes
Compression
10 „
„
„
Füllung
0 bis
80 „
„
„
Aeuſseres lineares Voreilen
10mm
Inneres „ „
20mm
Als Hauptvortheil dieser Steuerung, der auch zu ihrer Construction Veranlassung
gegeben hat, wird die Vermeidung des Drosselungsverlustes bezeichnet und dies
veranlaſste Prof. Salomon auf Grundlage von Diagrammen
gut construirter Maschinen, da Indicatordiagramme der Ausstellungsmaschine leider
nicht vorlagen, eine Untersuchung darüber anzustellen, wie groſs obiger Verlust im
Allgemeinen und höchstens sein wird.
Hiernach soll, wie die Zeitschrift des Vereins deutscher
Ingenieure 1890 * S. 253 berichtet, jedoch abgenommene Diagramme erst
bestätigen müſsten, der erzielte Gewinn auf so niedrige Beträge sinken, daſs die
Anwendung dieser, für den Betrieb auſserdem als wenig zuverläſsig anzusehenden
Präcisionssteuerung nicht zu empfehlen ist – selbst wenn sie sich, wie angegeben
wird, an einer Locomotive mit 25542km Gesammtfahrt
bewährt haben soll.
Die Trennung der Ein- und Auslaſsschieber muſs dagegen als zweckmäſsig bezeichnet
werden und es wäre wünschenswerth, wenn behufs möglichster Dampfersparniſs weitere
Versuche mit derartigen Steuerungen angestellt würden.