Titel: | Weichensperrschloss von S. v. Götz und Söhne. |
Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 69 |
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Weichensperrschloſs von S. v. Götz und
Söhne.
Weichensperrschloſs von v. Götz und Söhne.
Zu Verhütung der Gefahren, welche durch unrichtige Stellung oder durch mangelhaftes
Anschlieſsen der Weichenzunge an die Mutterschiene entstehen können, haben Stefan v. Götz und Söhne in Wien ein
Weichensperrschloſs hergestellt, das unmittelbar an dem Schienenstrang angebracht
und bloſs mit einem gewöhnlichen Schlüssel bethätigt wird. Das Schloſs ist derart
eingerichtet, daſs der zugehörige Schlüssel nur dann abgezogen werden kann, wenn die
Weiche auf „freie Fahrt im Hauptgeleise“ gestellt und verriegelt ist; sobald
also der entsprechende Controlschlüssel sich im Gewahrsam der Centralsignalstelle
befindet, hat man dort die Sicherheit, daſs die Weiche richtig steht.
Nach Uhland's Technischer Rundschau 1890 * S. 178 ist an
der Schiene eine starke Eisenplatte festgeschraubt, welche zwei kräftige
Führungsleisten für den Schloſsriegel trägt. Der Riegel hat einen Ausschnitt für den
Eingriff des Schlüssels in Form eines Dreiecks mit gekrümmten Seiten, so daſs bei
Drehung des Schlüssels um 180° der Riegel selbst das Schlüsselloch hinter dem
Schlüssel versperrt und auch ein Weiterdrehen desselben hindert. Erst nachdem der
Schlüssel auf demselben Wege zurückgedreht worden ist, kann er wieder aus dem
Schlosse entfernt werden. Da der Riegel mit einem halbrunden Maul in eine
entsprechende Eindrehung des Sperrbolzens einzutreten hat, so kann er nur, wenn
diese Eindrehung sich vor ihm befindet, durch den Schlüssel bewegt werden. Es muſs
der Sperrbolzen also entsprechend weit vorgeschoben werden, was wieder nur möglich
ist, nachdem die Weiche in der richtigen Weise umgelegt worden ist. Befindet sich
also der Schlüssel im Schlosse, so muſs zunächst die Weiche umgelegt werden; dann
erst kann der Bolzen vorgeschoben, das Schloſs zurückgedreht, d.h. der Bolzen
verriegelt und hierauf erst der Schlüssel wieder aus dem Schlosse entfernt werden.
Durch eine Sperrfeder wie bei den gewöhnlichen Schlössern wird der Schloſsriegel in
seiner jeweiligen Lage festgehalten. Diejenigen Theile des Schlosses, welche nach
dem Verschlieſsen einem etwaigen Versuche, die Weiche zu öffnen, Widerstand zu
leisten haben, sind hinreichend stark. Die Möglichkeit eines Falschstellens der
Weiche mit Ueberlegung, etwa durch Lösen von Schrauben oder nach Zerstörung des
Schloſskastens, welche bei anderen Einrichtungen nicht minder ausgeschlossen ist,
darf bei dieser Anordnung auſser Acht bleiben. Um einem allmählichen Verschleiſs
Rechnung zu tragen, ist der Bolzen mit einer Druckschraube versehen, welche
ermöglicht, den Bolzen der Lage der Weichenschiene entsprechend genau einzustellen,
ohne daſs dieselbe jedoch so viel Spielraum hat, um nach dem Einschrauben ein
Verstellen der Weiche zu gestatten.
Jede Weiche kann nur mit dem eigens für sie bestimmten Schlüssel geöffnet und
geschlossen werden; die Schlüssel werden wie die der Thürschlösser mit von einander
möglichst verschiedenen Barttypen gefertigt.
In ganz gleicher Weise und zwar in Verbindung mit dem Weichenschlosse erfolgt die
Sicherung des Sperrbaumes bezieh. der Ablenkweiche im Zweiggeleise. Um nicht für
denselben Zweck auf dem Bahnhofe zwei Schlüssel beachten zu müssen, ist die
Anordnung so gewählt, daſs der Schlüssel, welcher nach der richtigen Stellung der
Weiche von dem Schloſs derselben abgezogen wurde, auch zum Verschlieſsen des
Sperrbaumes bezieh. der Ablenkungsweiche dient, nach dem Verschlieſsen aber in dem
Schlosse fest bleibt, während ein zweiter Schlüssel durch dieselbe Thätigkeit frei
wird. Nur mit diesem zweiten Schlüssel, dem zur Controle auf dem Bahnhofe
aufzubewahrenden, kann das Sperrbaumschloſs geöffnet werden; derselbe bleibt nach
dem Oeffnen im Schlosse fest und dann erst ist es möglich, den ersten Schlüssel
abzuziehen, um mit demselben die Weiche zu öffnen.
Die Einrichtung des Schlosses kann nicht ganz so einfach sein wie die der
Weichensperre, weil derselbe Schlüssel immer nur öffnen bezieh. nur schlieſsen soll.
Die Ausschnitte im Riegel sind daher weiter als bei dem Weichenschloſs, damit der
Schlüssel, nachdem er seine Aufgabe verrichtet, beim Zurückdrehen das Schloſs nicht
wieder mitnimmt, sondern sich frei herum dreht. Um das Entfernen desselben aus dem
Schlosse aber unmöglich zu machen, sind an dem Riegel kleine Deckplatten angebracht,
in Form von Winkelblechen, welche sich beim Umdrehen des Schlosses vor das
betreffende Schlüsselloch schieben. Die Schloſsfeder ist doppeltwirkend und liegt
mit ihrem Sperrzapfen bei vorgeschobenem Schlosse in der hinteren, bei geöffnetem in
der vorderen Einkerbung des Riegels. Der Riegel des Schlosses greift in einen Riegel
am Sperrbaume ein und kann also nur dann bewegt werden, wenn die entsprechende
Einkerbung an letzterem dem Schloſsriegel gegenüber steht; dies findet aber nur
statt, wenn der Sperrbaum quer über dem Geleise liegt und seine Schlieſsstange in
die entsprechenden Befestigungslöcher an der Anschlagsäule eingeschoben worden ist.
Bei geöffnetem Sperrbaume ist die Schlieſsstange nach rechts geschoben und der mit
ihr verbundene Sperrbaumriegel steht nicht links von der Drehsäule vor, sondern
rechts von derselben aus dem Schlosse heraus. Erst nachdem der Sperrbaum über das
Geleise gelegt, ist es möglich, den Riegel durch das links an der Drehsäule
angebrachte Paſsloch zurückzuschieben und alsdann das Sperrbaumschloſs zu
verschlieſsen.
Das Zusammenwirken der beschriebenen Apparate zur Sicherung des Bahnbetriebes
geschieht nun folgendermaſsen:
Im Allgemeinen ist das Hauptgeleise der Bahn für den durchgehenden Verkehr frei, das
abzweigende oder Industriegeleise ist verschlossen und der Controlschlüssel befindet
sich auf der Signalcentralstelle bezieh. dem Bahnhofe. Es ist unmöglich, ohne
Zerstörung der betreffenden Schlösser den Sperrbaum vom Zweiggeleise zu entfernen,
oder die ins Hauptgeleise führende Weiche zu öffnen. Der die Verkehrssignale
bedienende Beamte des Bahnhofes hat also ohne ein besonderes Signal, nur dadurch,
daſs der Schlüssel in seinem Gewahrsam ist, die Gewiſsheit, daſs die Weiche des
Zweiggeleises richtig steht. Soll ein Zug in das abzweigende Geleise gehen, so gibt
er den Schlüssel aus der Hand und wird zugleich bis zur Zurücklieferung des
Schlüssels das Signal der Hauptbahn auf „Halt“ stellen bezieh. stehen lassen.
Der Weichensteller öffnet mittels des Schlüssels das Sperrbaumschloſs und nimmt den
dabei frei gewordenen Weichenschlüssel heraus, während der Sperrbaumschlüssel, wie
oben bemerkt, zu gleicher Zeit im Schlosse fest bleibt. Der Riegel des Sperrbaumes
wird zurückgeschoben und dieser selbst vom Geleise weg zur Seite gedreht. Mit dem
Weichenschlüssel öffnet der Wärter darauf die Weichensperre und legt die Weiche auf
Einfahrt ins Zweiggeleise um. Der Schlüssel bleibt im Schlosse so lange fest, bis
die Weiche wieder auf freie Fahrt im Hauptgeleise gestellt und in dieser Stellung
wieder verschlossen ist.
Während beide Schlüssel in den betreffenden Schlössern fest sind, ist die Einfahrt
ins Nebengeleise frei und Züge dahin können ungehindert verkehren, wogegen der
Verkehr im Hauptgeleise durch das Haltsignal gesperrt ist. Ist der Verkehr im
Nebengeleise erledigt, so wird die Weiche wieder fürs Hauptgeleise gestellt, in
dieser Stellung verschlossen, der Weichenschlüssel aus dem Schlosse genommen, der
Sperrbaum über das Geleise gelegt, der Riegel desselben vorgeschoben und durch das
Sperrbaumschloſs mit dem Weichenschlüssel in seiner Stellung festgeschlossen. Nach
dem Verschluſs bleibt der Weichenschlüssel in dem Sperrbaumschloſs fest und der
Sperrbaumschlüssel wird frei. Derselbe wird abgezogen und auf dem Bahnhofe
abgeliefert. Der Beamte hat die Gewähr, daſs das Nebengeleise wieder richtig
verschlossen ist, und kann das Signal der Hauptbahn wieder auf „freie Fahrt“
stellen.
Eine Vervollständigung recht nützlicher Art namentlich für Stationen mit sehr
lebhaftem Verkehr wird a. a. O. S. 179 noch angeregt. In der vorliegenden Anordnung
ist es nicht ausgeschlossen, daſs der die Signale bedienende Beamte aus
Fahrlässigkeit das Einfahrtsignal für die Hauptbahn zieht, während das Zweiggeleise
geöffnet ist. Um auch dann eine Gefährdung des Zuges auszuschlieſsen, müſste der
Signalhebel, so lange Gefahr für einen durchfahrenden Zug vorhanden, in der Stellung
des Signals auf Halt nach dem Vorbilde der Blockapparate mechanisch festgehalten
werden. Bei der vorliegenden Sicherung kann diese Arretirung einfach von der
Auslieferung des Schlüssels abhängig gemacht werden, wenn man an dem Signalapparate
für jedes Zweiggeleise ein Schloſs anbringt von ganz derselben Form wie das
Weichenschloſs, nur mit dem betreffenden Controlschlüssel schlieſsbar. Mit diesem
wird das Schloſs geöffnet, während zugleich der Schlüssel in demselben fest bleibt
und dann erst kann
das Signal für „freie Fahrt“ gezogen werden, ganz entsprechend der Weiche,
welche erst nach dem Oeffnen des Schlosses und Zurücklassen des Schlüssels in
demselben umgestellt werden kann. Das Signal „freie Fahrt“ kann dann also
niemals eher gegeben werden, als bis die Controlschlüssel der Zweiggeleise sämmtlich
eingeliefert und die Signalsperrschlösser sämmtlich geöffnet sind. Sowie ein
Schlüssel fortgegeben wird, muſs man, um ihn aus dem Schloſs zu entfernen, dieses
zunächst schlieſsen, was erst möglich ist, wenn das Signal auf „Halt“
gestellt wurde. Für den allgemeinen Verkehr im Hauptgeleise würde die Bedienung des
Fahrsignales genau dieselbe und dieses ebenso frei beweglich bleiben; die
Controlschlüssel befänden sich für gewöhnlich sämmtlich in ihren geöffneten
Schlössern, welche zugleich die sichersten Aufbewahrungsorte für die Schlüssel
bilden würden.