Titel: Ueber Neuerungen in der Papierfabrikation.
Autor: Alfred Haußner
Fundstelle: Band 277, Jahrgang 1890, S. 118
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Ueber Neuerungen in der Papierfabrikation. Von dipl. Ingenieur Alfred Haußner, Privatdocent an der k. k. technischen Hochschule Graz. (Fortsetzung des Berichtes Bd. 276 S. 49.) Mit Abbildungen auf Tafel 10. Ueber Neuerungen in der Papierfabrikation. Gehen wir nunmehr zu dem wichtigsten Rohstoffe für die Fabrikation der Papiere, zu den Lumpen über. Trotz der verschiedensten Ersatzstoffe bleibt der Vorzug der Lumpen, das vorzüglichste Rohmaterial zu sein, unbestritten. Der Begriff „Lumpen“ ist dabei allerdings einzuschränken und sind insbesondere Jutelumpen, nach den von der preuſsischen Regierung erflossenen Begutachtung, als Rohstoff für die Papiere nicht aufzufassen, wenn es gilt, die aufgestellten Papierklassen einzuhalten. Es ist dies begreiflich, wenn man das starke Verholztsein der Jutefaser bedenkt. In der vorbereitenden Behandlung der Lumpen ist nichts wesentlich Neues zu erwähnen. Doch sei darauf hingewiesen, daſs mancher Orten von den Lumpenhändlern sogen. messerfertige Lumpen gehandelt werden, welche bereits soweit sortirt und in kleine Stücke getheilt geliefert werden, daſs in der Papierfabrik nur mehr das Durchgehen durch einen Stäuber nothwendig ist und gleich das Kochen folgen kann. Damit wird aus den Papierfabriken eine sehr unangenehme Arbeit ferngehalten, jedoch ist diese ungesunde Arbeit nur von einem Orte an einen anderen verlegt. Auch ist es nicht unbegründet, wenn die messerfertig gelieferten Lumpen von den Papierfabrikanten etwas miſstrauisch betrachtet werden und ein, wenn auch nur flüchtigeres, Nachsortiren sehr empfohlen wird. Für das Kochen der Lumpen ist in letzter Zeit ein Vorschlag aufgetaucht, welcher bezweckt, dasselbe eigentlich zu umgehen, indem nur eine Temperatur von etwa 60° angewendet wird. Dafür ist statt des Kalkes das sogen. Ammonin anzuwenden. Es besteht nach einer Untersuchung von Dr. Dennewitz in Heidelberg aus kieselsaurem und kohlensaurem Natron, welchem eine bedeutende Menge von Schwefelkohlenstoff zugeführt worden ist, und erscheint als ein im Wasser nicht ganz lösliches silbergraues Pulver. Es übt, nach im Groſsen vorgenommenen Proben, auf thierische und auf pflanzliche Fasern eine sehr reinigende Wirkung aus, ohne dieselben anzugreifen. Die Inkrusten werden schnell entfernt und ist nach diesen Erfolgen die Erwartung berechtigt, daſs das Ammonin bei der oben angegebenen Temperatur statt des sonst üblichen Kochens vortheilhaft zu verwenden sei. Der Vorgang hierbei ist folgender. Nachdem die Ammoninlösung, 5k Ammonin mit 300l Wasser, auf 100k Lumpen hergestellt worden ist, wird in einem eigens diesem Zwecke dienenden gröſseren Waschholländer, der dann auch als Halbzeugholländer verwendet werden kann, die richtige Lumpenmenge eingetragen, und zwar in die bereits eingefüllte Ammoninlösung. Nach dem Waschen, welches etwa 30 bis 60 Minuten dauert, kann sofort gemahlen werden. Für farbige Lumpen ist wohl noch ein gesondertes Kochen mit Soda erforderlich, welches bei passender Einrichtung in demselben Apparate durchgeführt werden könnte. – Empfohlen wird die Verwendung des Ammonins auch beim Auslaugen der gekochten Zellstoffe, indem die eigenthümliche Eigenschaft des Ammonins, die Adhäsion zwischen Pflanzenfasern und anderen Stoffen aller Art aufzuheben, bewirkt, daſs eine geringere Auslaug-Wassermenge ausreicht und somit concentrirtere Abdampf laugen folgen, welche bei Natronzellstoff auch die Wiedergewinnung der Soda wesentlich billiger gestalten werden. Für das Waschen der Lumpen lassen sich auch Stimmen aus der Praxis vernehmen, welche dem gesonderten Waschen der Lumpen das Wort reden. Es ist bekanntlich bisher wohl in den allermeisten Fällen der Halbzeugholländer hierfür in Verwendung, bei dem die Messerwalze so hoch gestellt wird, daſs kein Mahlen erfolgt und die Walze nur den Umlauf des Stoffes, bezüglich der eingetragenen Lumpen, bewirkt. Es ist dies also ein Zweck, welcher bei der Construction der Messerwalze, die ja mahlen soll, nicht so recht berücksichtigt werden kann, indem beide Zwecke nicht gleich gut erfüllt werden können. Es liegt der Gedanke nahe, eigene Waschmaschinen zu verwenden. Doch tritt bei diesen, wenigstens bei jenen Arten, welche hier gut gebraucht werden könnten, gewöhnlich eine stark schlagende Wirkung von Flügeln u. dgl. ein, welche bei dem lockeren Zusammenhange, den die gröſste Menge der Lumpen besitzt, schädlich ist, indem zu viel Faserbruch die Folge sein kann. Deshalb dürfte es bei den jetzt bekannten Mitteln noch am besten sein, eigene Waschholländer mit Waschtrommeln und Walzen anzuwenden, welche mit Schneidzwecken nichts zu thun haben, sondern möglichst tiefe Zellen besitzen und nur gegen eine Grundplatte und nicht gegen ein Grundwerk arbeiten. Etwa Walzen mit Winkeleisen, welche statt der Messer angebracht sind, könnten recht gut entsprechen. Die Waschtrommeln sollen nicht zu tief eintauchen. Denn in dem Falle, daſs sie auch den Lumpenanlauf fördern sollen, kann dies nur derart gedacht werden, daſs die Lumpen vom Strome etwas an das Sieb gedrückt, so von diesem mit- und unterhalb durchgenommen werden; daher ist genügender Raum unter der Walze nothwendig. Werden die Lumpen derart für sich allein gewaschen, so können offenbar auch Siebe von gröſserer Maschenweite angebracht werden, also solche, welche für das Waschen von Halbzeug nicht mehr tauglich wären. Engmaschige Siebe sind aber derzeit nothwendig, weil eben im Halbzeugholländer auch die Lumpen gewaschen werden. Für das Bleichen der Lumpen scheint in Amerika Hermite's Verfahren Eingang zu gewinnen, wenigstens liegen hierüber Berichte vor. Doch möchte die Zurückhaltung, welche diesem Verfahren gegenüber im letztgegebenen Referate empfohlen wurde, am Platze sein, weil deutsche Fabrikanten, welche dieses Verfahren versuchsweise einführen wollten und sich mit den Patentinhabern wegen Besichtigung in Gang befindlicher Einrichtung in Verbindung setzten, fort und fort auf die Fertigstellung derartiger Fabriken vertröstet wurden. Auf einzelne Abänderungen der bestehenden Patente, die jedoch den Kernpunkt nicht betreffen und letzterer Zeit patentirt wurden, sei nur hiermit hingewiesen. Ein ganz eigenthümliches Verfahren wird neuerer Zeit mit besonderem Erfolge in England angewendet; es ist die sogen. Oel-Bleiche. Zufällig wurde auf praktischem Wege gefunden, daſs eine gewisse Menge von Oelen, welche aus bituminösen Schiefern gewonnen werden, während des Kochens den Lumpen zugesetzt, eine stark reinigende Wirkung ausüben und eine wesentliche Ersparniſs an Bleichmitteln bedingen. Die Menge des Oelzusatzes ändert sich mit der Art des Rohstoffes. So ist etwa erforderlich: für 100k Sackleinen 0,7 bis 0l,9, gefärbte Baumwolllumpen 0l,7, bei weiſsen Lumpen etwa 0l,5, bei Esparto 1,4 bis 1l,8. Mit Vortheil ist der Oelzusatz auch für Holz- und Strohstoff verwendet worden. Anderen Mittheilungen zu Folge wird sogar für 100l Kochwasser 4 bis 5l Oel zugesetzt. Die Wirkung soll eine überraschend günstige sein und dürfte eine Gefahr bei Anwendung schwer flüchtiger Oele von etwa 300° Anzündungstemperatur ausgeschlossen sein. Dagegen erscheint es begreiflich, daſs mit leicht entzündlichen Oelen üble Erfahrungen gemacht wurden. Ganz sichere Erklärungen der Wirkungsweise liegen noch nicht vor. Doch dürfte wohl die Wirkung mehr physikalischer Art sein, indem die Oele, indem sie Pflanzenwachs, Fette und ähnliche Stoffe, welche die Fasern umhüllen, lösen, diese freilegen und dem Einflüsse des zugesetzten Alkalis zugänglicher machen. Besonders bei der in Deutschland üblichen Anwendung von Kalk scheint der Oelzusatz noch besondere Vortheile zu versprechen, indem die Verbindungen von Fett und Kalk an den Fasern durch das zugeführte Oel von der Faser abgelöst und in der Kochflüssigkeit vertheilt werden können. Doch ist es möglich, daſs auch chemische Wirkungen mitspielen, indem nur gewisse Oele jene Vortheile gewähren. Eine deutsche Firma in London, G. M. Bauer, liefert in Fässern von 180l Inhalt derartiges Oel zum Preise von 22 bis 23 M. das Faſs gelandet in Hamburg. Dr. Frank spricht die Vermuthung aus, daſs auch bei Sulfitzellstoff vortheilhaft von diesen Oelen Anwendung gemacht werden könne, daſs damit vielleicht jene Schwierigkeiten umgangen werden, welche manchmal durch Harzausscheidungen verursacht werden. Hierfür hat man allerdings schon andere Mittel, doch keines, welches an Einfachheit diesem gleich käme. Ueber den Arbeitsvorgang zwischen Holländerwalze und Grundwerk ist ein lesenswerthes Büchlein von Ferdinand Jagenberg, „Das Holländer-Geschirr“ in Briefen an einen Papiermacher, erschienen. Zum erstenmal dürfte es sein, daſs da dem Vorgange in rechnungsmäſsiger Weise nahe getreten wird, und ist in dem Folgenden der Kernpunkt der Sache erörtert. Denken wir uns sg Schienen von der Breite (Dicke) bg (ganz oben gemessen) im Grundwerke, sw Schienen auf der Walze von der Breite (Dicke) bw (am äuſsersten Umfange gemessen) angebracht. Die Walze habe den Durchmesser D, das Gewicht G, die Länge L. Nehmen wir vorerst an, die Walze sei voll, einfach rund, ohne die Erhöhungen und Vertiefungen, welche durch ihre Messer bedingt sind, so wäre der specifische Auflagerdruck (für die Flächeneinheit): p_0=\frac{G}{L\,.\,b_g\,.\,s_g}, wenn wir annehmen, daſs das Gewicht G sich gleichmäſsig vertheilt auf die obere Fläche der Grundwerksmesser, welche Fläche eben = L . bg . sg ist. Nun ruht aber auf dieser Fläche kein Vollcylinder auf, es wird also von derselben nur ein Theil zur Druckübertragung benutzt, nämlich jener, wo auf den Grundwerksschienen Walzenmesser aufruhen. Somit wird der wirklich auftretende specifische Arbeitsdruck gröſser. Diesen allgemein zu bestimmen geht wohl nicht an und ändert sich derselbe offenbar mit den einzelnen Stellungen der sich drehenden Messerwalze. Doch kehren die einzelnen Stellungen nach je einem Umlaufe wieder und ist es deshalb zur Kennzeichnung des Arbeitsvorganges vollständig ausreichend und sicher ganz entsprechend, einen Mittelwerth dafür zu suchen. Diesen finden wir aber, wenn wir die volle Umfläche vergleichen mit jener Fläche, welche wirklich durch die vorhandenen Messerflächen eingenommen wird. Es wird mithin der mittlere wirklich auftretende specifische Flächendruck p in demselben Verhältnisse gröſser zu nehmen sein, als wie die Oberfläche der voll gedachten Messerwalze zu jener der sämmtlichen Walzenmesser sich verhält, somit: p0 : p = sw  . bw   . L : π . D . L, folglich auch: p=p_0\,.\,\frac{\pi\,.\,D}{s_w\,.\,b_w}=\pi\,.\,G\,\frac{D}{L\,.\,s_g\,.\,b_g\,.\,s_w\,.\,b_w}. Diesen Ausdruck bezeichnet Jagenberg als die Holländer-Quetschformel. Nun ist wirklich das Quetschen der Rohstoffe im Holländer von besonderer Bedeutung für den Papiermacher, indem ja leicht einzusehen ist, daſs der specifisch auftretende Druck, wenn wir einfach an das Beispiel der Abnutzung durch Reibung denken, wesentlich für das Zerfasern ist. Es dürfte wohl die Zerfaserungsarbeit nahe proportional demselben anzunehmen sein. Bemerkt werde nur, daſs für das Gewicht G nicht das ganze Walzengewicht, sondern das um den Auftrieb verminderte anzunehmen ist. Ohne vorläufig auf die Anwendbarkeit dieser Formel für alle Fälle einzugehen, wie es Herr Jagenberg als zulässig zu erachten scheint, sei doch jetzt schon hervorgehoben, daſs uns bei verhältniſsmäſsig kleinen Grundwerken, deren Gesammtbreite also keine besonders groſse ist und welche wohl die Mehrzahl der heute in Verwendung befindlichen Holländer in sich begreift, der Gebrauch der Formel wohl angebracht zu sein scheint. Das einfache Diskutiren derselben liefert ganz interessante Resultate, welche durch die Erfahrungen der Praxis bekannt sind, aber noch nicht recht erklärt werden konnten. So ist das vermehrte Gewicht der Walze von wesentlichem Belange und ist sofort erklärt, warum alte Papierfabriken, als sie sich mit neuen Holländern von schweren Walzen versahen, nicht mehr ihre alten ausgezeichneten, „klangvollen“ Papiere herzustellen vermochten: die Fasern wurden specifisch zu viel gequetscht. Auch das Schärfen der Messer läſst sich in seinem Einflüsse sofort und leicht erkennen: der specifische Druck wird gröſser, also ein ähnlicher Effect, wie durch schwerere Walzen erreicht. Die Schärfe der Messer wird ja aber durch Abarbeiten der Messer immer geringer bezieh. deren Breite fortwährend gröſser, also der specifische Druck kleiner. Eine gleichmäſsige Arbeit darf man also von einem so ausgestatteten Holländer nicht erwarten; mit an allen Stellen gleich starken Messern wird das Product gleichmäſsiger ausfallen. Das Schiefstellen der Messer, seien es die der Walze oder die des Grundwerks, wird in der Beziehung auf das Quetschen nur den Erfolg haben, daſs die Fläche sg .bg . L oder sw . bw . L gröſser wird, somit der specifische Druck p unter sonst gleichen Verhältnissen etwas kleiner. Bei der Ableitung der Formel wurde eine gleichmäſsige Vertheilung des Gewichtes der Walze auf die ganze Druckfläche angenommen. Wenn auch vielleicht allgemein nichts gegen die Annahme eingewendet werden könnte, daſs der lothrechte Druck dies Gesetz befolge, so folgt doch daraus sofort, daſs der Normaldruck zu den Mahlflächen bei Berücksichtigung der verschiedenen Neigung derselben ein anderer werde, und dieser ist es ja, welcher offenbar für die Arbeit zwischen Mahlflächen von hervorragendem Einflüsse ist. Wenn die Grundwerke klein sind in der Breitendimension, so hat diese Erwägung wenig zu bedeuten. Doch wenn z.B. wie beim Holländer von Korschilgen das Grundwerk hoch hinauf reicht, oder gar bei den Stoffmühlen eigentlich das Grund werk rings um die ganze Trommel gelegt ist, so liefert einfache Ueberlegung die Erkenntniſs, daſs, wenn nur auf das Walzengewicht als Druckerzeuger allein Rücksicht genommen wird, eigentlich an den lothrechten und oben gelegenen Theilen der Mahlfläche kein Druck vorhanden ist, also eigentlich auch nichts abgeschabt werden kann. Doch hilft hier der Zapfendruck mit. Ist der lothrechte Einheitsdruck p, so ist der Druck senkrecht gegen eine unter dem Winkel α geneigte Fläche p . cos α, wie aus der Kräftezerlegung in Fig. 1 (s. Taf. 10 Heft 4) sofort hervorgeht. Für α = 90° wird dann p . cos α = 0. Wir sehen also, daſs, wenn man bei so hoch gelegten Messern überhaupt noch auf Zerfaserung rechnen will, noch unbedingt andere Kräfte als das Eigengewicht der Walze wirkend angenommen werden müssen. Daſs dem auch so ist, und daſs dies einzig der Zapfendruck, hervorgerufen durch die Elasticität der durchzubringenden Fasern, sein kann, scheint klar; denken wir nur an die amerikanischen Stoffmühlen, wo an allen Stellen, auch am obersten Scheitel, Abschaben der Fasern und, wie der praktische Erfolg lehrt, in sehr gleichmäſsiger Weise stattfindet. Referent hatte vielfach Gelegenheit, Grund werke nach dem Mahlen zu beobachten, immer fand derselbe die Zwischenräume zwischen den Messern fast voll gefüllt mit Stoff und kann sich deshalb nicht zu einer anderen Ansicht bezüglich der Wirkungsweise der Holländermesser bekehren, als daſs die Fasercomplexe quer über die Grundmesser sich legen, durch den auftretenden Flächendruck sodann das Walzenmesser sich eindrückt und, indem durch die gleichzeitig auftretende Reibung die Faser festgehalten wird, gleichsam Fasertheile abhobelt, oder falls der Widerstand gegen das Abhobeln gröſser ist als der gegen das Zerreiſsen, die Faser einfach abreiſst. Von einem eigentlichen Scherenschnitt ist also nichts vorhanden, nur insofern dürfte eine gewisse Berechtigung obwalten, als ja das Hobeln verwandt mit dem Abscheren ist. (Fortsetzung folgt.)

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