Titel: | Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung 1889; von Fr. Freytag, |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 289 |
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Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung 1889;
von Fr. Freytag,
Lehrer der Technischen Staatslehranstalten in
Chemnitz.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 276 * S.
402)
Mit Abbildungen auf Tafel
16.
Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung 1889.
Die wegen der nachahmenswerthen Constructionen ihrer den elektrischen
Beleuchtungszwecken angepaſsten schnell laufenden Dampfmaschinen und Gramme-Dynamomaschinen bekannte Firma Sautter, Lemonnier et Cie. in Paris hatte auſser der
Bd. 276 S. 242 wegen ihrer eigenthümlichen Vorrichtung zur Regulirung des
Einströmdampfes erwähnten Eincylindermaschine noch verschiedene direkt mit Dynamo
verkuppelte, nach dem Compound- bezieh. Woolf'schen
System arbeitende Maschinen ausgestellt.
Die in Fig. 1
und 2 Taf. 16
dargestellte, ohne Condensation arbeitende Compoundmaschine zeigt die Construction
einer Schiffsmaschine; dieselbe soll mit 5k
Admissionsspannung, sowie der normalen Geschwindigkeit von 350 Umdrehungen in der
Minute eine Leistung von 30 Pferden entwickeln, welche zum Betreiben einer mit ihr
direkt gekuppelten Gramme-Dynamomaschine von 200 Ampère
und 70 Volt nöthig ist.
Die mit ihren Schieberkasten und dem Zwischenbehälter aus einem Stücke gegossenen
Cylinder von 206 bezieh. 310mm Durchmesser und
170mm Kolbenhub werden von sechs Säulen
getragen, die auf einer wegen der angeschlossenen Dynamomaschine mit
verhältniſsmäſsig hoch liegenden Schwungradlagern versehenen Grundplatte befestigt
sind. Die in diesen Lagern geführte Kurbelwelle ist hinter der Dynamomaschine noch
durch ein viertes Lager gestützt, welches mit der zur ersteren gehörigen Grundplatte
verschraubt ist.
Die Dampfvertheilung im groſsen Cylinder regelt ein Trick'scher Kanalschieber, während der kleine Cylinder mit von Hand
stellbarer Meyer-Steuerung versehen ist.
Der an dem einen Ende der Kurbel angeordnete Geschwindigkeitsregulator ist äuſserst
empfindlich und so construirt, daſs man auch während des Ganges durch gröſsere oder
geringere Spannung einer mit ihm verbundenen Feder die Geschwindigkeit der Maschine
beliebig ändern kann. Der Dampfverbrauch beträgt bei normalem Betriebe 10k in der Stunde und effectives Pferd.
Um die totale Höhe der zum direkten Betreiben von Dynamo dienenden stehenden
Maschinen so viel als möglich auf einen niedrigen Betrag zurückzuführen und damit
auch innerhalb ganz beschränkter Räumlichkeiten, wie sie z.B. bei Kriegsschiffen
meist nur zur Verfügung stehen, ein Unterbringen derartiger Maschinen möglich zu
machen, haben Sautter, Lemonnier et Cie. eine neue
Dampfmaschinentype entworfen und zur Ausführung gebracht, deren charakteristische
Construction, wie die Fig. 3 bis 5 Taf. 16 erkennen lassen,
darin besteht, daſs die Kurbelwelle in die mittlere wagerechte Ebene der gesammten Maschine gelegt ist,
sowie die mit ihren Mänteln, Schieberkasten und dem Zwischenbehälter ein Guſsstück
bildenden Cylinder direkt mit dem Fundamente verschraubt sind.
Die totale Höhe der auf den Abbildungen ersichtlichen in Paris ausgestellten, mit
Condensation arbeitenden Maschine beträgt nur 1m,4, ihre Länge mit Dynamomaschine 2m und
die gröſste Breite 1m,05; sie leistet mit 350
Umdrehungen in der Minute und einer Admissionsspannung des Arbeitsdampfes von 6k ebenfalls 30 , die zum Betreiben einer
direkt mit ihr verbundenen Dynamomaschine von 150 Ampère und 70 Volt dienen.
Die Regelung der Dampfvertheilung in den beiden Cylindern von 170 bezieh. 250mm Durchmesser und 170mm Kolbenhub, sowie die Construction des auf einen Drosselschieber
arbeitenden Regulators ist dieselbe, wie bei der vorigen Maschine. Die Uebertragung
der durch den gespannten Dampf erzeugten Kolbendrücke auf die Kurbeln geschieht in
der auf der Abbildung Fig. 3 und 4 ersichtlichen Weise
mittels 'Traversen, welche durch auf beiden Seiten der doppelt gekröpften
Kurbelwelle liegende Stangen mit einander verbunden sind. Die Kurbelwelle dreht sich
in vier Lagern, von denen das neben dem Excenter des Niederdruckcylinders sitzende
ein Durchbiegen der Kurbelwelle wegen des zwischen Maschine und Dynamo auf ihr
befestigten kleinen Schwungrades verhüten soll. Die Lager sind mit Querstücken
zusammengegossen, welche von sechs auf dem untenliegenden Guſsstücke befestigten
Säulen getragen werden, und drei von diesen nach oben verlängerten Säulen nehmen
eine Traverse auf, an welcher die einseitigen Kreuzkopfführungen sowie ein mit Oel
angefüllter Behälter befestigt sind; an ihrem unteren Ende sind die
Kreuzkopfführungen gegen die vorstehenden Platten kleiner Böckchen geschraubt,
welche auf den hinteren, zwischen den Querstücken liegenden kurzen Längsriegeln des
Maschinengestelles befestigt sind.
Das Gewicht der gesammten Maschine mit Dynamomaschine beträgt 2600k.
Auch die aus Fig.
6 bis 9 Taf. 16 ersichtliche liegende Condensations-Tandemmaschine (System Woolf) von 170 bezieh. 250mm Cylinderdurchmesser und 170mm
Kolbenhub ist wieder mit einer zweipoligen Gramme-Dynamomaschine von 200 Ampère und 70 Volt direkt verkuppelt, und es
sind derartige Maschinen, da ihre gröſste Höhendimension nur 0m,9 beträgt, namentlich in letzterer Zeit mehrfach
auf Fahrzeugen der französischen Marine zur Ausführung gekommen. Die Abbildungen
lassen die Construction der Maschine ohne Weiteres erkennen.
Die Dampfvertheilung des kleinen Cylinders ist veränderlich und durch eine von Hand
stellbare Meyer-Steuerung regelbar, während diejenige
des groſsen Cylinders fest ist.
Der mit einem über dem Dampfabsperrventile der Maschine gelegenen Drosselschieber in
Verbindung stehende und in derselben Ausführung an sämmtlichen von der Firma
ausgestellten Maschinen angebrachte Regulator ist mit einer Spiralfeder verbunden,
welche durch Drehung eines Handrades mehr oder weniger gespannt werden kann, und
dadurch, wie bereits oben bemerkt, eine beliebige Aenderung in der normalen
Geschwindigkeit der Maschine auch während des Ganges gestattet.
Die beim normalen Betriebe 350 Umdrehungen in der Minute machende, mit
Condensationseinrichtung versehene Maschine leistete bei 7k Admissionsspannung wieder 30 .
Bemerkenswerth ist noch, daſs der Regulator innerhalb der zwischen voller Belastung
und Leerlauf der Maschine liegenden Grenzen nur Geschwindigkeitsänderungen von
höchstens 2,5 Proc. zuläſst.
Eine zum direkten Betreiben von Dynamo dienende stehende Verbundmaschine ähnlicher
Construction, wie die zuerst beschriebene Maschine von Sautter, Lemonnier et Cie. hatte auch die Firma Bréquet ausgestellt; die Maschine war ebenfalls für eine Geschwindigkeit
von 350 Umdrehungen in der Minute und eine Admissionsspannung von 5 bis 6k des in den Schieberkasten eintretenden Dampfes
construirt.
Die Cylinder werden von vier auf der Fundamentplatte befestigten Säulen getragen, und
an den hinteren beiden Säulen sind behufs Führung der Kreuzköpfe guſseiserne Platten
angeschraubt.
Die mit der Schwungradwelle zusammengeschmiedeten Kurbeln sind mit dreieckigen
Gegengewichten versehen.
Der vom Kessel kommende Dampf tritt zunächst durch ein Einströmventil in den um die
Cylinder gegossenen Mantel und geht von hier nach einem auf der Mitte des
Schieberkastens vom Hochdruckcylinder gelegenen, von einem Schwungradregulator
beeinfluſsten Drosselventil.
Die Dampfvertheilung des kleinen Cylinders wird durch eine Meyer-Steuerung geregelt, welche unter Zwischenschaltung einer Schraube
ohne Ende je nach der von der Maschine zu entwickelnden Arbeit oder je nachdem der
Abdampf in den Condensator oder in die freie Atmosphäre geleitet wird, von Hand
eingestellt werden kann. Die direkte Mitnahme der Dynamomaschinen geschieht unter
Benutzung gekuppelter elastischer Platten, System Raffard, oder wenn die Dynamomaschine nicht dieselbe Geschwindigkeit
erhalten soll, wie der Motor, mit Hilfe eines Riemens.
(Fortsetzung folgt.)