Titel: | Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen 1890. |
Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 402 |
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Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung in Bremen 1890.
Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in
Bremen.
Die am 31. Mai 1890 eröffnete, aber erst Anfang Juli zur annähernden Vollendung
gebrachte Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung soll ein Bild von
Gewerbe und Industrie der Stadt Bremen, der Provinz Hannover, sowie des
Groſsherzogthums Oldenburg geben, gleichzeitig aber auch den über Bremen geleiteten
Welthandel in seiner besonderen Eigenart zur Darstellung bringen.
Mit dem 15. Oktober 1889 wurde bekanntlich die freie und Hansestadt Bremen in das
Zollgebiet des Deutschen Reichs eingezogen und dadurch wirthschaftlich wie
industriell in engere Fühlung mit ihren benachbarten Gebieten und dem gesammten
Reiche gebracht. Die seitherige Freihafenstellung Bremens hatte naturgemäſs eine
gewisse Abgeschiedenheit zur Folge, welche sich weniger in den wirthschaftlichen
Verhältnissen, als in einer gewissen Unabhängigkeit und Specialisirung des
Bremensischen Handwerksbetriebes sichtbar machte. Gestützt auf altgewohntes
Herkommen und gefördert durch die Wohlhabenheit der Bremer Bürgerschaft entwickelte
sich das Handwerk in ganz eigenartiger Weise, um besonders im Kunstgewerbe gewisse
charakteristische Kennzeichen auszubilden, welche für die Bremer Verhältnisse eigenthümlich
sind.
Wesentlich im Hintergrunde steht dem Handwerke gegenüber die Industrie. Hat die
Bremer Bürgerschaft das Handwerk für ihre eigenen Zwecke des Lebens und der
Behaglichkeit groſs gezogen und gestützt, so lag eine Entwickelung des industriellen
Lebens mehr auſserhalb des Interesses der maſsgebend nur Groſshandel treibenden
Kaufmannschaft, wenn auch nicht verkannt werden darf, daſs die allerjüngste Zeit in
letzterer Beziehung eine wesentliche Wandelung herbeizuführen scheint.
Aber gerade die hier vorgeführte Ausstellung – so unvollkommen und dürftig sie
genannt werden muſs – zeigt das Miſsverhältniſs zwischen dem Handwerk, der Industrie
und dem Handel. So kernig das erstere entwickelt ist, so überwältigend der letztere
sich darstellt, so kümmerlich erscheint die Industrie. Der Sinn für letztere ist
eben noch nicht hinreichend groſs gezogen, um sich maſsgebend namentlich den
Handelsinteressen gegenüber geltend zu machen.
Zweifellos erscheint aber die nunmehrige Einbeziehung Bremens in das deutsche
Zollgebiet hinreichende Gelegenheit zu bieten, um offenbar zu machen, wie sehr sich
an einem so hervorragenden Knotenpunkte des Welthandels eine Industrie zur
Verarbeitung der eingeführten Rohstoffe nützlich und gewinnbringend bethätigen
kann.
Namentlich die hauptsächlichsten Einfuhrstoffe Bremens, wie Tabak, Reis, Wolle,
Baumwolle u.s.w. gewähren die denkbar günstigste Gelegenheit zur Entwickelung
groſser Industrie, ganz abgesehen davon, daſs sich im Anschlusse hieran die
Hilfsindustrien, namentlich Maschinenfabriken, nothwendig mit zu kräftiger Blüthe
entfalten müssen. –
Die Ausstellung hatte ihren Ursprung in sehr stattlichen „kunstgewerblichen
Weihnachtsmessen“, als deren Urheber Prof. Reuleaux hingestellt wird. Das glückliche Ergebniſs dieser Messen lieſs
naturgemäſs das innerhalb der Mauern jeder gröſseren Stadt herrschende
Ausstellungsfieber zur freien Entwickelung kommen, so daſs die Thatsache einer in
der Concurrenzhandelsstadt an der Elbe erfolgten Ausstellung mit Gewalt zur
Veranstaltung drängte. Hamburg durfte vor Bremen nichts voraus haben.
Der vollzogene Akt des Zollanschlusses war eine gute Gelegenheit, eine Ausstellung zu
veranstalten, in welcher eine Vereinigung der nordwestdeutschen Gebiete, und zwar in
den zunächst berührten Interessen des Handels, der Industrie und des Gewerbes zum
Ausdruck gebracht werden sollte.
Dieser Ausstellungsgedanke ist denn nun auch seitens der Kreise der Bremer
Bürgerschaft mit groſser Sympathie aufgenommen und mit bewunderungswürdiger
materieller Hilfe verkörpert worden. Nicht allein, daſs eine stattliche
Garantiesumme schnell gezeichnet wurde, daſs ausschlieſslich aus privaten Mitteln
rund 50000 M. an Geldpreisen ausgesetzt wurden, nein auch durch prächtige Gestaltung des
Ausstellungsplatzes, der gröſsten Zierde Bremens, wurde der Ausstellung ein Rahmen
gegeben, wie er bisher in Deutschland noch nicht gesehen wurde.
Leider liegt es in den Verhältnissen, daſs dieser prächtige Rahmen das Bild selbst
drückt und fast gar nicht zur Geltung kommen läſst, weil eben der Werth von Rahmen
und Bild gar zu gewaltig unterschieden ist. Andererseits wird aber der
Durchschnittsbesucher sich an diesem Rahmen freuen, sich an dessen herrlicher
Gestaltung genügen lassen und über den Rahmen nicht zur Betrachtung und Prüfung des
Bildes gelangen.
Für die Ausstellung ist der Bürgerpark hergegeben, eine groſsartige, besonders durch
wasserreiche groſse Teiche imponirende und gefallende Parkanlage in unmittelbarer
Nähe des Bahnhofes. In diesen Park ist ein architektonisch hervorragendes, für
spätere Zeiten zu erhaltendes Gebäude, das sogen. Parkhaus gesetzt, welches der
gröſste Bau des Platzes ist und eine der zahlreichen Restaurationen aufnimmt. Der
Besucher empfängt beim Eintritt in den Ausstellungsraum, der nebenbei gesagt in
seiner Ausdehnung alle seitherigen Ausstellungsplätze weit überragt, durch den
Anblick dieses fein gegliederten, monumentalen Parkhauses mit dem vorliegenden
groſsen Teiche einen Eindruck, wie er wohlthuender kaum möglich ist.
Wiederholt muſs darauf hingewiesen werden, daſs die geschickte Gliederung der
Ausstellungsgebäude, die Anpassung an die vorhandenen Verhältnisse, die Ausnutzung
des Parkes vortrefflich gelungen ist. Die Krone für die äuſserlich so gewinnende
Veranstaltung gebührt ausschlieſslich den bauleitenden Architekten, welche ebenso
viel Geschick wie Geschmack entwickelten, um ein hervorragendes Werk zu schaffen,
welches sowohl am Tage, wie im Glänze der überaus reichen und guten elektrischen
Beleuchtung von eindringlichster Wirkung auf den Beschauer sich erweist.
Man muſs das hier Gebotene dankbar genieſsen und den Ruhm des Architekten nicht
verkümmern, wenn er vielleicht in gewisser Vorahnung dem Aeuſseren seiner Bauwerke
den Charakter einer industriellen Veranstaltung nicht aufdrückte. Wer aber ohne
Kenntniſs des wirklichen Charakters diesen Platz besucht, die zahllosen
Restaurationslokale in ihren bunten, aufdringlichen Häusern, die vielen
Verkaufsläden für alle möglichen Gegenstände, die Naschbuden, Carroussels,
Schieſsbuden, das Theater, Rutschbahn, die Lachcabinette u.s.w. u.s.w. ansieht, wer
beobachtet, wie zwischen diesen einzelnen Orten das Publikum wogt in dem
augenscheinlich einzigen Streben, sich thatkräftig zu unterhalten, der wird ganz
entschieden glauben, sich auf einem hübsch angelegten Schützenfestplatze zu
befinden, oder annehmen, daſs die Bremer eine Kirmeſs abhalten.
Dieses vollständige Ueberwiegen der Genuſsplätze für das groſse Publikum ist gewiſs nicht
unbewuſst. Ist doch leider in den letzten Jahren oft genug augenscheinlich geworden,
daſs die Veranstaltung einer Industrie-Ausstellung ganz und gar Nebenzweck ist, daſs
es mehr darauf abgesehen ist, für ein breites Publikum möglichst viel Unterhaltungs-
und Vergnügungsstoff zu bieten, als ein Bild heimischen Gewerbefleiſses zu geben;
man will recht viel Leute zum Besuche veranlassen, um ein hohes Kassenergebniſs zu
gewinnen, und muſs die weiteren Schichten der Bevölkerung, welche für industrielle
Veranstaltungen ihrer ganzen Berufsveranlagung nach keinen Sinn haben, durch Mittel
anlocken, welche doch gewiſs recht fragwürdiger Natur sind.
Die Industrie hat aber ein volles, gutes Recht, wenn sie sich sehr vorsichtig
abwartend solchen Veranstaltungen gegenüber verhält; sie soll ja auch oft nur ein
Mittel zum Zweck sein, indem sie den Deckmantel hergibt für das Streben einzelner
Kreise, einem groſsen Publikum einen neuen Vergnügungsplatz und Vergnügungsreiz zu
gewähren. Wenn jemand sagen will, daſs man beide Zwecke – den Ernst wie das
Vergnügen – in dieser Beziehung verbinden könne, so müssen wir dies entschieden
bestreiten. Der Name „Industrie-Ausstellung“ wird bald eine noch
unangenehmere Nebenbedeutung gewinnen, als er jetzt schon besitzt, und das
Endergebniſs wird sein, eine Ausstellung ohne
Fabrikanten, an deren Stelle vielleicht einige Händler bleiben.
Die Architektur hat für die Ausstellung den Löwenantheil. Wenn auch nur das Parkhaus
in edlem Material fest aufgeführt wurde, so zeugen doch die übrigen, ausschlieſslich
in Holz mit Leinwandüberzug hergestellten Ausstellungsbaulichkeiten von ungemeinem
Geschmack. Die Architektur fand eine besonders lohnende Aufgabe in der
künstlerischen Behandlung der Restaurationen und Schauläden. Für erstere waren
verschiedene Einzelhäuser aufgeführt im Charakter der in den Bereich des
Ausstellungsgebietes fallenden Länder, so namentlich ein westfälisches Bauernhaus
und ein Nordsee-Fischerhaus. Den Haupttrumpf spielt jedoch die Architektur mit der
Straſse „Alt-Bremen“ aus, welche zum Theil aus vollständigen im Charakter des
16. Jahrhunderts aufgeführten und in den Ausstellungsverkehr gezogenen Häusern, zum
Theil nur aus Erdgeschoſsräumen mit blinden Façaden besteht. Das
Hauptausstellungsgebäude, welches ausschlieſslich fertige Erzeugnisse der Industrie
und des Handwerks enthält, nimmt den Hauptraum hinter dem Parkhause ein. Der
eingeschlossene freie, sehr groſse Platz wird einerseits von dem Gebäude für die
Kunstausstellung, andererseits von einem solchen für die Marine-Ausstellung
begrenzt. Der Raum selbst ist durch groſsartige Springbrunnen-Anlagen und Wasser
Kaskaden belebt, welche namentlich Abends in Folge der geschickten Anordnung von
zahlreichen bunten elektrischen Glühlampen einen wundervollen Anblick gewähren.
Auſser den genannten Räumen besteht noch ein Gebäude seitlich des Hauptausstellungsgebäudes
für die Handelsausstellung, sowie seitlich des Parkhauses, aber glücklicherweise von
hier dem Anblick völlig entzogen, die am unansehnlichsten ausgestattete – und zwar
auſsen wie innen – Maschinenhalle; endlich ist noch einer kleinen Halle für eine
Gartenbau-Ausstellung im Inneren des Parks zu gedenken. Ein die
Architektur-Abtheilung aufnehmendes Gebäude kennzeichnet sich als Anbau einer
Kneipe, der sogen. Architektenhalle.
Die Baulichkeiten sind unter Leitung des Bremer Architekten J. G. Poppe nach dessen eigenem Entwürfe ausgeführt.
Die Ausstellung, an welcher sich insgesammt dem Kataloge zu Folge rund 1100
Aussteller betheiligt haben, ist im Kataloge, wenn auch nicht in der Wirklichkeit,
in 21 Gruppen eingetheilt.
Bei der Besprechung können wir uns an diese Eintheilung nicht halten, weil
einestheils einige dieser Gruppen fast unvertreten geblieben sind, während
andererseits verhältniſsmäſsig so wenig Neues und Auffallendes geboten ist, daſs im
Interesse der Allgemeinheit eine Erörterung nicht angebracht erscheint.
Der Inhalt des Hauptausstellungsgebäudes zeigt im Allgemeinen nicht mehr, als die
Schauläden gut ausgestatteter Verkaufsgeschäfte in gröſseren Städten zu bieten
pflegen. Die Einzelleistungen sind zwar durchschnittlich recht gut, erheben sich
aber nicht über das auf Ausstellungen gewohnte Maſs.
Das Handwerk in Bremen ist auf Grund der oben erwähnten örtlichen Zustände zu manchen
geschäftlichen Einrichtungen und Maſsnahmen gekommen, welche es von demjenigen
anderer Plätze mehr oder weniger unterscheiden. Die sogen. Nahrungsgewerbe haben der
gröſseren Ausdehnung der Stadt, den vielfach feineren Ansprüchen u. dgl. Rechnung zu
tragen; insbesondere ist es das Kunsthandwerk, dem durch die in Bremen
vorherrschende stabile Wohnung, die Gleichmäſsigkeit der Bauart, die
gesellschaftlichen Sitten und die bürgerlichen Gewohnheiten ganz bestimmte Aufgaben
gestellt werden, von welchen nur ausnahmsweise eine geringe Abweichung zulässig
erscheint. Als eine natürliche Folge ergibt sich bei dieser Gleichartigkeit des
Erfordernisses eine gewisse Solidität der Arbeit und die langsame Veränderung der
einmal angenommenen Geschmacksformen, das Festhalten einer bestimmten Stilrichtung
und der daraus sich ergebenden Consequenzen hinsichtlich der Massenwirkungen und
Farbenstimmungen; endlich die Beibehaltung einmal eingebürgerter Materialien und
Verwendungsweisen.
Alle diese Einzelheiten unterschieden Bremens Industrie und Gewerbe nicht
unwesentlich von derjenigen der angrenzenden Nachbargebiete, die
Unterscheidungsmerkmale hie und da noch verschärft durch die lange Zeit bestandenen
Zoll Verhältnisse, welche einen anregenden geschäftlichen Verkehr mit der näheren
oder ferneren Umgegend nicht nur sehr erschwerten, sondern theilweise unmöglich
machten. Dieselben Umstände begünstigten zum Theil den industriellen Aufschwung der näheren Umgegend,
namentlich der Stadt Hannover.
Das Kunstgewerbe Bremens zeigt sich auf der Ausstellung am auffallendsten in den
zahlreichen Zimmereinrichtungen, weniger in der Formgebung in Metall, Leder, Holz,
Porzellan und Glas. In letzterer Beziehung ist die auswärtige Industrie
maſsgebend.
Wenig hervortretend, aber sehr interessant unter geschichtlichem Gesichtspunkte
erweist sich die auf die Korkindustrie bezügliche Ausstellung.
Die Korkfabrikation, von den Hausindustrien des
Groſsherzogthums Oldenburg wohl die bedeutendste, besteht in Delmenhorst und
Umgegend schon seit etwa 160 Jahren und wurde ums Jahr 1730 in Hasbergen von C. H. Cordes und Johann
Lürssen ins Leben gerufen. – Mitglieder dieser beiden Familien haben sich
seit jener Zeit ununterbrochen in der Korkfabrikation bethätigt. Man findet die
unmittelbaren Nachkommen jener beiden Begründer der Korkindustrie noch jetzt als
Firmen träger der Firmen J. C. Lürssen, Carl Lürssen
und Cordes und Ellgaſs. Aus kleinen Anfängen heraus hat
sich die Korkindustrie zu ihrer jetzigen Bedeutung entwickelt und beschäftigt
augenblicklich wohl etwa 1200 Haushaltungen bezieh. etwa 4000 Personen, da bei der
Hausfabrikation in vielen Haushaltungen nicht allein die männlichen Familienglieder
sich mit der Korkschneiderei befassen, sondern auch die Frauen und Töchter mit Hand
anlegen. Ursprünglich wurde die Korkschneiderei nur als Hausindustrie betrieben,
indem die Arbeiter das Rohmaterial, das Korkholz, von der betreffenden Fabrik
abholten, zu Hause verarbeiteten und dann die fertigen Korken wieder zur Fabrik
brachten, wo ihnen der Arbeitslohn ausbezahlt wurde. Dieses Verfahren ist auch jetzt
noch bei der Mehrzahl der Arbeiter im Gange. Indessen sind auch schon seit langer
Zeit Maschinen eingeführt: gerade in letzter Zeit hat die Maschinenfabrikation einen
bedeutenden Aufschwung genommen. Einzelne Firmen wenden für ihre
Maschinenfabrikation mechanische Antriebskräfte an, so arbeiten zur Zeit zwei
Firmen, Julius Bieting und Eduard Pundt, mit Gasmotor, und eine, Carl
Lürssen, mit Dampfbetrieb.
Was nun die Fabrikation selbst anbelangt, so werden die Korken, wie bekannt ist, aus
dem Korkholz geschnitten. Letzteres, die Rinde der Korkeiche (Quercus suber) wird in Ballen von etwa 150 Pfd.
meistens durch Vermittelung Bremer und Hamburger Commissionshäuser bezogen aus den
Productionsländern, Portugal, Spanien, Algerien, Südfrankreich, Sardinien. –
Augenblicklich liefert Portugal das meiste Korkholz nach Deutschland, während für
die weitere Zukunft Algerien ihm erhebliche Concurrenz machen dürfte.
Das Korkholz wird verkauft nach Marken und Nummern, die eine ganz bestimmte Qualität
und Dicke repräsentiren, indessen sind diese Qualitäten und Stärken in sich sehr verschieden, und in
Folge dessen auch die Preise sehr verschieden, z.B. wird prima Korkholz mit 140 bis
150 M. für 100k bezahlt, es gibt einzelne
ausgesuchte Marken, die über 200 M. kosten – während ordinäres Korkholz 20 M. für
100k und theilweise noch weniger kostet. Im
Kaliber des Korkholzes kennt man im Allgemeinen drei Unterschiede, regulär, dick,
dünn. Aus dem Korkholz regulärer Stärke schneidet man Wein-, Selterswasser-,
Bierkorken, während das dicke Korkholz zur Anfertigung von Faſskorken, das dünne zu
Medizinkorken, flachen Spunden u.s.w. benutzt wird. Das Korkholz besteht aus
Platten, die bei der Verarbeitung in Streifen und Würfel zerlegt werden, aus welch
letzteren der Kork geschnitten wird; man rechnet, daſs ein fleiſsiger Handarbeiter
durchschnittlich 2000 Korken täglich schneidet, welche Zahl bei der Fabrikation von
Bier- und Medizinkorken wohl etwas überschritten, bei der von langen Weinkorken
nicht ganz erreicht wird; dementsprechend sind auch die Arbeitslöhne für Weinkorken
höher. Hat nun der Arbeiter das ihm von der Fabrik zugetheilte Korkholz, meistens
100 bis 200 Pfd., aufgearbeitet, so liefert er die fertigen Korken an die Fabrik
wieder ab und erhält den Lohn dafür; diese Korken aber sind nun noch keineswegs für
den Consum brauchbar, im Gegentheile müssen sie noch die verschiedensten
Behandlungen erfahren. Da nämlich das Korkholz einer Marke nicht ganz gleichmäſsig
stark ist, sondern wieder dünnere und dickere Stücke enthält, so fallen
dementsprechend auch die Korken dünner oder dicker aus. Sie werden nun, damit man
gleiche Kaliber erhält, in der Fabrik über groſse Siebe mit verstellbaren Stangen
geschüttet; so daſs durch diese Manipulation die dünnen von den stärkeren Korken
gesondert werden, indem die ersteren durch die Zwischenräume der Stangen fallen,
während die letzteren auf den Stangen liegen bleiben. Diese verstellbaren Stangen
müssen natürlich sehr sorgfältig gearbeitet sein; das hervorragendste auf diesem
Gebiete ist wohl eine von dem Maschinenfabrikanten A.
Heel in Delmenhorst erfundene Maschine mit verstellbarer Siebplatte, die es
ermöglicht, Korken bis auf 0mm,5 aus einander zu
sieben. Nachdem die Korken gesiebt sind, werden sie auf Qualität sortirt, dann
gezählt und verpackt, worauf sie für den Versand fertig sind. Bei der Qualität der
Korken kennt man ebenso viele Unterschiede wie beim Korkholz und dementsprechend
variirend sind auch die Preise für die prima und ordinäre Qualität desselben Korkes.
Um es nun zu ermöglichen, die geringeren Korken für gewöhnliche Biere u.s.w., die
sehr niedrig im Preise sind, billiger herzustellen, kam man zur Einführung von
Maschinen, die zwar an Materialausnutzung hinter dem geschickten Handarbeiter weit
zurückstehen, dafür aber eine erheblich gröſsere Production ermöglichen und dadurch
die Herstellungskosten billiger machen. Während, wie gesagt, der geschickte
Handarbeiter durchschnittlich 2000 Korke schneiden kann, kann ein Maschinenarbeiter
bis zu 20000 Stück
schneiden. Wenn man nun nicht ganz zur Maschinenarbeit übergegangen ist, im
Gegentheile für das feine Korkholz Handarbeit entschieden bevorzugt, so liegt das
daran, daſs der Abfall, die Korkspäne, die zur Linoleumfabrikation benutzt werden,
bei der Korkfabrikation eine sehr groſse Rolle spielt, denn man rechnet im
Durchschnitt nicht weniger als 60 Proc. Abfall. Bei der Handarbeit wird dieser
Procentsatz durchschnittlich wohl nicht ganz erreicht, bei der Maschinenarbeit
dagegen häufig überschritten, jedenfalls ist der Mehrabfall groſs genug, daſs man
bei dem hohen Werthe des feinen Korkholzes dieses trotz des höheren Arbeitslohnes
lieber mit der Hand verarbeiten läſst, zumal der geschickte Handarbeiter schlechte
Stellen im Korkholz, Risse u.s.w. vermeiden wird, was der Maschinenarbeiter nicht
kann, und somit der erstere eine reinere Qualität der Korken zur Ablieferung bringen
wird. Auf alle Fälle vorzuziehen ist dagegen Maschinenarbeit bei der Anfertigung von
groſsen Faſskorken u.s.w., die mit der Hand, weil sie zu groſs sind, nur sehr
unvollkommen geschnitten werden können. In Delmenhorst und Umgegend zählt man jetzt
über 20 Firmen, von denen indessen keine die erstgenannten Firmen J. C. Lürssen, Carl Lürssen und Cordes und Ellgaſs an Bedeutung erreicht hat. Von allen Delmenhorster
Korkfirmen zusammen werden täglich reichlich 1 Million Korken fabricirt, die ihren
Absatz zum groſsen Theil in Deutschland selbst finden, indessen wird auch sehr viel
exportirt, besonders von genannten drei Firmen, die stark nach dem europäischen
Ausland, nach Nord- und Südamerika und Australien arbeiten; nach Südamerika und
Australien gehen besonders Exportbierkorken, nach Nordamerika extrafeine
Medizinkorken und feine Weinkorken. Auch fängt seit einiger Zeit die Ausfuhr an,
sich auf Afrika und Asien in gröſserem Maſsstabe auszudehnen, bisher stehen diese
Länder indessen noch an Bedeutung zurück. Die Menge des in Delmenhorst und Umgegend
verarbeiteten Korkholzes beträgt jährlich etwa 20000 Ballen mit einem Werthe von
etwa 1000000 M.:, an Arbeitslohn werden etwa 500000 M. jährlich gezahlt. Die 1200
Arbeiter sind fast alle in der Umgegend Delmenhorsts ansässig, haben kleinen
Landbesitz und arbeiten im Frühjahr, Sommer und Herbst mehr auf dem Lande als mit
dem Korkmesser. Deshalb ist der angeführte Lohn nicht als der alleinige Verdienst
der Korkschneider anzusehen; vielmehr bietet den Hausarbeitern die Korkindustrie
eine willkommene Beschäftigung und guten Verdienst während des Winters und in der
Zwischenzeit, wenn die Landarbeit ruht.
(Fortsetzung folgt.)