Titel: | Die Wiener Ausstellung des königl. sächsischen meteorologischen Institutes zu Chemnitz. |
Autor: | R. Rittmeyer |
Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 409 |
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Die Wiener Ausstellung des königl. sächsischen
meteorologischen Institutes zu Chemnitz.
Wiener Ausstellung des kgl. sächs. meteorolog. Institutes zu
Chemnitz.
Aristoteles'„Meteorologie“ umfaſste in vier Büchern: 1) Die Lehre von den Elementen, die
Betrachtung des Himmels, besonders der Milchstraſse und Kometen, die Natur der
Gestirne, des Weltäthers, der Luft und der von ihr herrührenden Niederschläge und
der Winde und flieſsenden Gewässer der Erde. 2) Die Beziehungen zwischen Luft und
Meer, die Winde, die Erdbeben und die damit in Zusammenhang gedachten
Gewittererscheinungen. 3) Die meteorologische Optik nebst den Orkanen und
Wirbelstürmen, und endlich 4) die Grundeigenschaften, die allen materiellen Körpern
gemeinsam sind. Somit war und bedeutete die μετεωρολογία ursprünglich eine umfassende Lehre von den
Naturerscheinungen, welche ebenso wohl von den Himmelskörpern und von den Wellen des
Meeres, als von den Erscheinungen im Luftkreise handelte. Diese Art Meteorologie war
bis zur neueren Zeit im Allgemeinen grundlegend und wurde noch vermehrt durch eine
zahllose Menge meist astrologisch-meteorologischer Wetterregeln.
Es ist noch nicht lange, daſs sich die Meteorologie als „der Zweig der Naturlehre,
welcher sich mit den Zuständen der Atmosphäre und den Erscheinungen der Luft
befaſst“ (Ebermayr), frei gemacht hat von Vorurtheilen und rein fruchtlosen Bestrebungen und
sich auf den sicheren Boden der Erfahrung und der gesunden nüchternen Anschauung
begeben hat. Die Meteorologie konnte erst dann eine feste wissenschaftliche und zu
erfolgreichem Weiterarbeiten geeignete Grundlage gewinnen, nachdem die Hilfsmittel
der Statistik und Analysis sich verfeinert hatten, und nachdem zur genaueren
Feststellung der einzelnen meteorologischen Erscheinungen ausreichend scharfe
Instrumente geschaffen waren.
Das königl. sächsische meteorologische Institut zu Chemnitz hat in Wien in der
Westgalerie der Rotunde (Gruppe 17: „Land- und forstwirthschaftliches
Unterrichts- und Versuchswesen und Literatur“) die sechs Instrumente, mit
welchen zur Zeit die ja schon über ganze Länder vertheilten meteorologischen
Stationen ausgerüstet sind, zur Schau gestellt, so gleichsam das Wesen, aber auch
die Arbeit einer „meteorologischen Station“ zeigend.
1) Das Quecksilberbarometer ist ein mit
Mikroskopeinstellung versehenes Heberbarometer (von J. G.
Greiner jr. in Berlin), von dem jetzigen Direktor des Institutes, Prof. Dr.
Schreiber, mehrfach praktisch verbessert. Früher
hingen die Barometer frei an den Fenstern und waren hier leicht Beschädigungen,
namentlich aber Schmutz und Staub ausgesetzt, jetzt werden sie in Schutzschränken an
drehbaren Gestellen aufgehängt und sind – um doch ein deutliches Ablesen zu
gestatten – an den Blenden mit Reflectoren versehen. Die Scalen, welche früher
ungenügend geführt waren
und deshalb gebogen erschienen, haben ordentliche Führung in der Mitte und am
unteren Ende erhalten. Stets sind eine Anzahl mit Quecksilber gefüllter
Barometerröhren vorräthig, während alle Holzgestelle für diese eine bestimmte Röhrenform angefertigt sind. Die Füllung
der Röhren geschieht im Institute selbst, und zwar in der Weise, daſs dieselben mit
der Quecksilberluftpumpe vollständig luftleer gemacht und dann auf etwa 150° C.
erhitzt werden, dann wird das Quecksilber in feinem Strahle durch sehr feine
Glasröhrchen langsam eingelassen.
2) An zwei Stationen sind Aneroidbarometer im Gebrauche,
die sich in Kästen mit Glasdeckeln befinden. Um die Barometer ab und an erschüttern
zu können, sind die Kästen an Scharnieren befestigt, welche eine geringe Bewegung
gestatten. Die Correctionsgleichungen für die Instrumente sind vorher im Chemnitzer
Institute bestimmt worden. Nach den bisherigen Erfahrungen liefern diese
Aneroidbarometer recht gute Angaben und halten die Correction fast unverändert,
trotzdem sollten zu wissenschaftlichen Beobachtungen – zunächst wenigstens –
ausschlieſslich Quecksilberbarometer verwendet werden, da die Elasticität der
Metalldose zu vielen uncontrolirbaren Aenderungen ausgesetzt ist, so daſs die
erforderliche Genauigkeit in der Construction dieser Instrumente – bis jetzt
wenigstens – nicht erreichbar ist.
3) Auſser der Luftschwere wird die Luftwärme und die Luftfeuchtigkeit mit
Thermometern und dem Psychrometer gemessen. Das
Psychrometer besteht aus zwei in ihrem Gange übereinstimmenden Thermometern, welche
neben einander aufgehängt sind, und von denen die Quecksilberkugel des einen mit
einem Zeugstoffe umwunden ist, welcher in ein unmittelbar darunter angebrachtes
Gefäſs mit reinem Wasser reicht, so daſs diese Kugel beständig feucht gehalten
wird.
Je trockener nun die Luft ist, um so rascher erfolgt die Verdunstung und um so
gröſser ist der Temperaturunterschied beider Thermometer oder die
„psychrometrische Differenz“, aus welcher sich die Luftfeuchtigkeit
berechnen, bezieh. für welche sie sich in besonders zu diesem Zwecke berechneten
Tafeln aufschlagen läſst.
Früher wurden diese Psychrometer in einfachen Gestellen vor Fenstern, frei allen
Einflüssen der Witterung ausgesetzt, aufgehängt, jetzt werden sie, wie das
ausgestellte Instrument, geschützt. Bei der Herrichtung dieses von Prof. Dr. Schreiber herrührenden Schutzgestelles wurde auf
möglichste Festigkeit und Wetterbeständigkeit der einzelnen Theile ein Hauptwerth
gelegt; zur Erzielung möglichster Billigkeit wurde, was nur anging, aus Guſseisen
hergestellt; namentlich suchte man die Einrichtung so zu treffen, daſs die
Thermometergefäſse zwar gegen Regen und Sonne geschützt, dabei aber doch möglichst
frei waren, und daſs die Ablesung möglich ist, ohne die Instrumente vom Platze
bewegen zu müssen.
Die Thermometer sind für Beleuchtung von vorn und so eingerichtet, daſs man sie vom Fenster aus
ablesen kann, es ist dieses für Abendablesungen vortheilhaft, welche bei
Thermometern mit Milchglasscala, die ja von hinten beleuchtet werden müssen, oft mit
Schwierigkeiten und mit aus diesen sich ergebenden Fehlern verbunden sind. Die
Theilung ist in halbe Grade ausgeführt und so beziffert, daſs der Eispunkt die Zahl
100 erhält; – 10° ist demnach mit 90°, +10° mit 110° beziffert, was sich namentlich
bei dem Minimumthermometer und besonders für noch ungeübte Beobachter als praktisch
bewährt haben soll. Die Kugelumhüllung der feuchten Thermometer besteht aus einem
gewirkten Baumwollenschlauch. Jedes Thermometer wird von 5 zu 5 Graden mit
Normalinstrumenten verglichen, und werden die Fehler bei der Berechnung der
Beobachtungen mittels der den Beobachtern beigegebenen Fehlertabellen verbessert.
Alle Thermometer sind von gleichen Abmaſsen, um leicht ausgewechselt werden zu
können.
4) Die Minimumthermometer haben die gleiche Form wie die
Psychrometer-Thermometer und sind auch in einem widerstandsfähigen Gestelle
untergebracht. Zur beständigen Controle ist neben dem Weingeistthermometer ein
Quecksilberthermometer angebracht. Die Beobachter lesen Mittags die Lage des Stiftes
im Weingeist und die Kuppen beider Thermometer ab, wodurch man die Minimal- und die
Mittagstemperatur und den Vergleich zwischen beiden Thermometern erhält. Auch diese
Weingeistthermometer werden vor Ausgabe an die Stationen in dem Chemnitzer Institute
von 5 zu 5 Graden mit Normalthermometern verglichen.
5) Der ausgestellte Regenmesser hat eine Auffangfläche
von 1000qc, das Wasser fällt in den Trichter und
läuft durch eine Röhre in eine Blechkanne, die in einem gröſseren Umhüllungsgefäſse
steht. Zur Messung hebt man den Trichter ab, gieſst das Wasser aus der Kanne in das
Meſsglas und liest an diesem die Niederschlagsmenge bis auf Zehntelmillimeter Höhe
ab. Die Meſsgläser sind 500cc groſs und fassen
demnach 10mm Niederschlag (1mm entspricht 1l
auf 1qc). Den Bruhns'schen Regenmesser hat Prof. Dr. Schreiber,
wie die ausgestellte Form zeigt, in der Weise abgeändert, daſs er zur Verminderung
der Verdunstung des aufgefangenen Wassers in den Trichter ein Kugelventil eingelegt,
das Umhüllungsgefäſs vergröſsert und die Art der Einsetzung in das Gestell
verbessert hat. Das Gestell hat eine Höhe von 1m,4.
Als von 1878 an eine wesentliche Vermehrung der Stationen zur Regenmessung stattfand,
wurde die Auffangefläche auf 500qc und die
Gestellhöhe auf 1m vermindert.
6) Das interessanteste Instrument der Station ist wohl die von Prof. Dr. Schreiber construirte Windfahne
mit elektrischer Uebertragung. Dieselbe erhält ihre leichte Beweglichkeit
dadurch, daſs sie mittels einer abgerundeten Stahlspitze auf einer kugelförmigen
Pfanne aus Glockenmetall spielt, so daſs sie stets in Oel gehalten werden kann. Oben
bewegt sich die aus
einem einfachen Gasrohre bestehende Fahnenstange in einer Rothguſsbüchse, in welcher
eine Reibung nicht entstehen kann, da sie bei genau senkrechter Stellung sich ohne
jeden Druck an die Wand der Büchse nur anlehnt. Drauſsen sind die beiden
Lagerstellen durch Zinkblechkappen überdeckt.
Mit der Fahne dreht sich ein Schleifcontact über acht isolirte Knöpfe, welche durch
Drähte mit den acht entsprechenden Knöpfen am Taster verbunden sind. „Dreht man
die Kurbel am Taster, so läſst das Ertönen einer Glocke erkennen, daſs die
Kurbel auf dem Knopfe steht, welcher mit demjenigen Knopfe an der Fahne
verbunden ist, über welchem sich der Schleifcontact befindet“
(Ausstellungsverzeichniſs). So wird die Stellung der Fahne bestimmt. „Der
Schleifcontact hat 1½ Knopfabstände Länge, bei Zwischenstellungen der Fahne wird
er also zwei Knöpfe berühren, und werden solche durch Ertönen der Glocke bei je
zwei Knöpfen am Taster zu erkennen sein. Die acht Drähte geben so 16
Windrichtungen“ (Ausstellungsverzeichniſs). Solche Fahnen sind in Chemnitz,
Leipzig und Reitzenhain bereits aufgestellt, und sollen im laufenden Jahre noch drei
zur Aufstellung kommen. Später sollen diese Instrumente zur Registrirung der
Windrichtungen eingerichtet werden.
Derartiger ständiger meteorologischer Stationen sind im Königreiche Sachsen 160
vertheilt, auſserdem sind sämmtliche Vorstände der Stadt- und Landgemeinden
angewiesen, dem Chemnitzer Institute auf vorgedruckten Postkarten Mittheilungen über
stattgehabte Hagelfälle zu machen. Die Zahl dieser Meldestellen beläuft sich auf
etwa 4200.
Die Veröffentlichungen des Institutes bestehen aus:
a) Ergebnisse der Beobachtungen an den
königl. sächsischen meteorologischen Stationen. Herausgegeben von Prof. Dr.
C. Bruhns in Leipzig.
10 Bände mit 12 Jahrgängen enthalten die Beobachtungsergebnisse der Jahre 1864 bis
1875 nebst den wichtigsten Ergebnissen aus den früheren Beobachtungen an mehreren
Orten Sachsens.
b) Jahrbücher. Herausgegeben von
Prof. Dr. Paul Schreiber.
Von diesen sind die ersten fünf von 1883 bis 1887 und die erste Hälfte von 1888
erschienen, sie bestehen aus je drei Theilen, von denen der erste die
Beobachtungsergebnisse von 12 Stationen in internationaler Form, der zweite Auszüge
aus den ausführlichen Beobachtungen der Station Chemnitz und der dritte den
Geschäftsbericht des Direktors enthält und in Anhängen die Ergebnisse aus
sämmtlichen Beobachtungen in Form von Einzelarbeiten der Institutsbeamten
bringt.
c) Decadenberichte, zwei
Jahrgänge.
Diese waren nach dem „Ausstellungsberichte“ ursprünglich bestimmt, die
Ergebnisse einer Anzahl von Beobachtungsstationen rasch zur allgemeinen Kenntniſs zu
bringen und erschienen anfangs im Chemnitzer Tagblatt.
Nach und nach nahmen sie festere Formen an, wurden später als selbständige
Veröffentlichungen herausgegeben, bilden jetzt aber einen Theil der dritten
Abtheilung des Jahrbuches.
d) Tägliche Wetterberichte. (Drei
derselben sind ausgestellt.)
Die Wetterberichte werden auf Grund der Depeschen der Seewarte, welche gegen 2 Uhr
Nachmittags die Beobachtungen desselben Morgens melden, unter Hinzuziehung der
Mittheilungen von zehn sächsischen Stationen über den Witterungsverlauf am Vortage
entworfen, sofort mittels des autographischen Steindruckverfahrens in der Druckerei
des Institutes in etwa 100 Auflage vervielfältigt und sogleich mit der Bahn
versandt, um in den Empfangsorten öffentlich angeschlagen zu werden.
e) Veröffentlichungen der
Institutsbeamten. Von solchen liegen aus:
Prof. Dr. Schreiber:
Handbuch der barometrischen
Höhenmessungen,mit Atlas;
„ „ „
Die Windrosen von Leipzig;
„ „ „
Die Witterung in Europa und seiner
Umgebung;
„ „ „
Abhandlungen über meteorologische
Registrirapparate.
Assistent Dr. Hoppe:
Das Klima des Erzgebirges.
„ Dr. Birkner:
Bericht über die Ueberschwemmungen in der
Lausitz
im Mai 1887.
An graphischen Darstellungen sind ausgestellt: eine die
topographischen Verhältnisse des Beobachtungsgebietes veranschaulichende Karte; zwei
Karten über das Beobachtungssystem, von denen die eine die Namen, die andere die
Ordnung und die Höhenlagen (des Erdbodens über der Ostsee) der meteorologischen
Stationen angibt; sieben Karten stellen die Vertheilung der
Niederschlagsjahressummen während der Jahre 1883 bis 1889 dar. „Um den Einfluſs
des Gebirges hervortreten zu lassen, wurden auch die Messungsergebnisse in den
angrenzenden Gebieten, so weit dieselben zu erlangen waren, zur Darstellung
verwendet. Die Messungen in Böhmen wurden den
höchst verdienstlichen Arbeiten des Prof. Studnizka
zu Prag entnommen;“ ferner ist auf einer Wandtafel die Zeichnung eines
kleinen Thermometerprüfungsapparates in natürlicher Gröſse gegeben, und schlieſslich
sind als Beispiele der Tafelbeilagen zu den Jahrbüchern ausgestellt: 1) Darstellung
von Gewitter- und Hagelerscheinungen. 2) Zeichnungen des versuchsweise an der
Centralstation Chemnitz in Thätigkeit befindlichen Windstärkemessers, eine
Abänderung der gewöhnlichen Form des Robinson'schen
Schalenkreuzes. 3) Der Plan der Diensträume des Institutes im Schloſse zu Chemnitz.
4) Die Zeichnung der von Professor Dr. Schreiber
eingeführten Form der Röhren zu den Stationsbarometern. 5) Die Zeichnung der von
demselben construirten Apparate zur Messung der Kuppenhöhen der Barometer Wild-Fueſs. 6) Desselben Apparat zur Prüfung von
Aneroidbarometern. 7) Desselben groſser Thermometerprüfungsapparat. 8) Desselben
Siedepunktsbestimmungsapparat. 9) Desselben Eishobelapparat zur Eispunktsbestimmung.
10) Die Zeichnung des Regenmessers Bruhns-Schreiber.
11) Haupttheil zu Schreiber's registrirendem Regenmesser. 12)
Schreiber's Quecksilber-Destillirapparat. 13)
Thermograph der Gebrüder Richard zu Paris. 14)
Barograph derselben. 15) Schreiber's Barothermograph,
welcher seit 1877 an der Seewarte zu Hamburg in Thätigkeit ist. 16) Tafel zu Schreiber's Arbeit über Windrosen von Leipzig und 17)
mehrere Karten, welche die Vertheilung der monatlichen Niederschläge in Sachsen zur
Darstellung bringen.
Schlieſslich sind noch fünf groſse Wandtafeln ausgestellt, welche die Ergebnisse
gröſserer klimatographischer Arbeiten, Darstellung der Temperaturverhältnisse in
Leipzig durch die sogen. „Temperaturflächen“, Darstellung der
Niederschlagsmengen, der „ganz trockenen“ etc. Tage, Darstellung des
periodischen Verlaufes der Niederschlagserscheinungen im Laufe der Jahre u.a. zur
Anschauung bringen.
Diese Ausstellung des königl. sächsischen meteorologischen Institutes zu Chemnitz ist
eine nicht nur vollständige, sondern sehr reiche und bei der so ungemein groſsen
Bedeutung der sich aus den Beobachtungen der meteorologischen Stationen für die
gesammte Landescultur ergebenden Schlüsse sehr anzuerkennende. Möge sie zur Pflege
und Förderung dieses so wichtigen Wissenszweiges und zur Errichtung noch zahlreicher
weiterer meteorologischer Stationen in allen Ländern aneifern!
R. Rittmeyer.