Titel: | Leerlaufpapierleitungen an Druckmaschinen. |
Autor: | Kn. |
Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 443 |
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Leerlaufpapierleitungen an
Druckmaschinen.
Patentklasse 15. Mit Abbildungen auf Tafel 24.
Leerlaufpapierleitungen an Druckmaschinen.
Bei Schön- und Widerdruckmaschinen, auch Complettmaschinen genannt, welche das Papier
erst auf der einen und dann unmittelbar hinterher auf der anderen Seite bedrucken,
besteht bekanntlich der namentlich bei qualitativ gutem Drucke störend auftretende
Uebelstand, daſs die Farbe vom ersten Drucke sich beim Drucke der zweiten Seite
absetzt, wodurch, nachdem sich dies mehrmals wiederholt hat, der Druck so sehr
verschmiert wird, daſs ein Fortarbeiten unmöglich ist. Um diesen Uebelstand zu
beseitigen, verwendet man geschnittene Bogen, sogen. Leerlaufpapier, welche
gleichzeitig mit dem beiderseitig zu bedruckenden Bogen eingeführt werden, so daſs
jeder Bogen stets seine besondere frische Unterlage erhält.
Dieses Verfahren hat jedoch groſse Nachtheile. Zunächst muſs stets noch ein zweiter
Arbeiter an einer derartigen Maschine in Thätigkeit sein; ferner ist der Gebrauch
solcher geschnittener Leerlauf bogen sehr kostspielig, da dieselben leicht Falze
erhalten und unbrauchbar werden. Auch haben derartige Bogen beim Illustrationsdruck die Neigung, an den
Farbeflächen anzukleben, was zeitraubende Verstopfungen und Störungen in der
Maschine verursacht, und schlieſslich müssen die aus der Maschine kommenden Bogen
mühsam durch einen dritten Arbeiter wieder vom Leerlaufbogen getrennt werden.
Diese Miſshelligkeiten sind naturgemäſs Veranlassung gewesen, daſs man andere Mittel
und Wege versuchte, das Abschmutzen beim Widerdruck zu verhindern, und ist es in
neuester Zeit Koenig und Bauer in Kloster Oberzell bei
Würzburg gelungen, einen prinzipiell völlig neuen Weg mit Erfolg einzuschlagen. Ehe
indeſs auf diesen Fortschritt eingegangen wird, sei noch eines Verfahrens von F. L.
Guéneau in Paris gedacht (* D. R. P. Nr. 47608 vom 4. März
1887). Derselbe verwendet einzelne Abschmutzbogen, welche indeſs nicht
aus der Maschine mit dem beidseitig bedruckten Bogen heraustreten, sondern welche in
der Maschine eine Art Kreislauf zurücklegen und dabei, zur Verhütung des
Abschmutzens bei längerer Benutzung, getrocknet werden.
Fig. 3 zeigt
eine diagrammatische Ansicht dieses Schmutzbogentrockners, aus welcher die Anordnung
des Trockencylinders A zu dem Schön- und
Widerdruckcylinder C und B, sowie die Bandführung für den Schmutzbogen ersichtlich wird.
Der um den Widerdruckcylinder B zwischen den
Bandführungen 1 und 2 und
zwischen der bedruckten Seite des Druckbogens und dem Cylinder B eingelegte Schmutzbogen wird beim Widerdruck von den
genannten Führungen nach oben dem Trockencylinder A
zugeführt und anderthalbmal um denselben behufs Trocknung der auf ihm abgelagerten
Farbe herumgeführt, sodann freigegeben und dem Cylinder B wieder zugeführt, wo er in die oben gekennzeichnete Stellung wieder
eintritt.
Der Trockencylinder besteht aus zwei Kopfscheiben, die durch Schienen mit einander
verbunden sind, während der Cylindermantel durch ein auf den Kopfscheiben und
Schienen befestigtes Metallgewebe gebildet ist; die Mittelachse des Cylinders wird
durch ein feststehendes Rohr gebildet, auf dem nach oben gerichtete Gasbrenner
angebracht sind. Dieses Rohr steht mit einer Gasleitung in Verbindung.
Dadurch, daſs der Schmutzbogen beim Arbeiten der Maschine anderthalbmal um den
Trockencylinder A herumgeführt wird, gelangt er völlig
getrocknet zum Widerdruckcylinder B zurück und
erscheint demnach eine Uebertragung von Farbe vom vorhergehenden Bogen auf den
folgenden ausgeschlossen. Natürlich setzt diese Führung ein besonderes Arbeiten der
Greifer a des Trockencylinders A voraus, deren rechtzeitiges Oeffnen und Schlieſsen mittels eines
Schaltwerkes erzielt wird, auf das hier nicht weiter eingegangen werden kann.
Während bei dieser Anordnung einzelne Bogen verwendet werden, benutzt die Firma Koenig und Bauer in Kloster Oberzell bei Würzburg
neuerdings eine endlose Leerlauf- oder Abschmutzpapierleitung, welche sich von einer Walze ab-
und auf eine andere Walze aufwickelt.
Das Wesentliche und Neue der Koenig und Bäuerischen
Anordnung liegt indeſs nicht in der Benutzung einer endlosen Leerlaufpapierleitung,
welche ja bereits bei Rotationsmaschinen Verwendung gefunden hat (vgl. 1889 273 * 346), sondern darin, daſs diese endlose
Leerlaufpapierleitung in den Druckcylinder hineingelegt
ist und sich selbsthätig beim Arbeiten der Maschine ab- und aufwickelt. Für diese
Anordnung ist ein D. R. P. Nr. 52090 vom 16. Oktober 1889 ertheilt.
Die Anordnung ist in den Fig. 4 bis 6 Taf. 24 dargestellt, und
zwar an einem schwingenden Druckcylinder mit zwei Druckflächen S und W und zwei in einer
Grube liegenden Greifersystemen, wie er an der neuesten Schön- und
Widerdruckmaschine von Koenig und Bauer bekannt ist
(vgl. 1889 274 * 451). Die endlose Papierleitung β ist, wie ersichtlich, auf zwei Achsen d1 und e1 aufgewickelt, damit
die Papierrollen d und e
bildend, und läuft das Papier von d aus über die Welle
w hinweg zur Widerdruckfläche W und von dieser zurück zur Walze e1 bezieh. Rolle e. Die Walze d1 ist in den Armen m
zweier an je einem Ende des Cylinders befindlichen Hebel mn gelagert, welche lose auf der Cylinderachse w sitzen, und deren Arme n mit Zahnbogen
ausgestattet sind, die in je ein Zahnrad x1 eingreifen. Die beiden Räder x1 sitzen fest auf
einer im Cylinder gelagerten Welle x, welche durch
Spiralfedern y derart mit dem Cylinder verbunden ist,
daſs mittels der Räder x1 und der gezahnten Hebel nm die Papierrolle
d gegen eine Walze a
gedrückt wird (Fig.
4), die ebenfalls im Cylinder gelagert ist. Von einem gleichen
Mechanismus, bestehend aus den die Walze e1 tragenden und ebenfalls mit Zahnbogen versehenen
Hebeln kl, den Zahnrädern y1, der Welle
y und den Federn δ
wird die Papierrolle e gegen die Walze a gepreſst (Fig. 6).
Dieses Anpressen der Papierrollen an die Walze a
geschieht aber nicht gleichzeitig, sondern abwechselnd, und zwar wird allemal die
Rolle, von der das Papier abläuft (d in Fig. 6), von der Walze a entfernt gehalten. Die hierzu dienende Einrichtung
besteht in einem Arm p, welcher auf dem Ende einer
Welle a sitzt, die mit einem Vierkant versehen ist, um
mittels eines Schlüssels verstellt zu werden. Die Endfläche p1
p0
p2 des Armes p ist bogenförmig und derart excentrisch zur Welle α gestaltet, daſs deren Mitte p0 weiter von α entfernt ist als die Endpunkte p1
p2. In der Ebene dieses
Armes p ist der betreffende Arm l (Fig.
6) mit einer Rolle o versehen, gegen welche –
bei voller Papierrolle e – die excentrische Fläche p1
p0 zu wirken vermag,
während die Fläche p0
p2 in gleicher
Beziehung zu einer an dem Arm n befindlichen Rolle q steht, wenn die Papierrolle d gefüllt ist. Wird mithin der Arm p in die
in Fig. 4
angegebene Stellung gebracht, so drückt die Fläche p1
p0 die Papierrolle e von der Walze a fort,
während die Rolle d von den Federn y an die
Walze a gepreſst wird. Bei der in Fig. 6 dargestellten Lage
des Armes p wird dagegen die Walze d von a entfernt gehalten
und die Walze e an die letztere angedrückt.
Dreht sich nun die Walze a, während wie in Fig. 6 die
Walze e dagegen gepreſst ist, rechts herum (mit Bezug
auf die Zeichnung), so wird a die Walze e durch Reibung mit in Umdrehung versetzen und das
Papier weiter auf diese aufwickeln, während sich dasselbe von der Rolle d abwickelt. Ist auf diese Weise die Rolle d nahezu abgelaufen, so wird die Maschine einen
Augenblick angehalten und die Stellung des Armes p
geändert, worauf dann das Papier rückwärts läuft und sich Walze d aufwickelt, wie dies Fig. 4 zeigt.
Die Walze a wird in Drehung gesetzt mittels eines auf
der Spindel derselben sitzenden Rades a1, eines Zwischenrades
c, welches auf einem mit der Welle w starr verbundenen Arm gelagert ist, und eines am
Maschinengerüst befestigten Rades b (Fig. 5), durch welches die
Cylinderwelle lose hindurchgeht, und das vom Rade c
umkreist wird, wenn der Cylinder sich dreht. Da nun aber – wie leicht ersichtlich –
das Papier β während des Drückens nicht bewegt werden
kann und ein Fortziehen nur dann zulässig ist, wenn kein zu bedruckender Bogen
darauf liegt, so ist das Rad a1 lose auf die Walzenspindel gesetzt und mit
derselben durch ein auf der Spindel festgekeiltes Schaltrad f und eine an dem Rade drehbar befestigte Klinke g verbunden, welch letztere durch eine Feder mit den Zähnen von f in Eingriff gehalten wird. In Folge dieser
Einrichtung nimmt das Rad a1 nur bei seiner Rechtsdrehung die Walze a
mit, also beim Schöndruck, wenn der Bogen auf S liegt,
während bei der Linksdrehung die Walze a und mithin das
Papier β stehen bleibt. Durch Auswechseln der Räder b und a gegen andere von
verschiedenem Durchmesser kann die Geschwindigkeit, mit der das Papier sich bewegt,
geändert werden.
Fast gleichzeitig mit dieser Koenig und Bäuerischen,
innerhalb des Druckcylinders gelagerten endlosen Leerlaufpapierleitung ist nun
kürzlich, wenige Wochen später und offenbar völlig selbständig construirt, durch die
Veröffentlichung der englischen Patentschrift 1890 Nr. 5352 eine
Leerlaufpapierleitung der Firma C. B. Cottrell in New
York bekannt geworden (vgl. auch die Amerikanische Patentschrift Nr. 425 123),
welche ebenfalls im Druckcylinder gelagert ist und sich
beim Betrieb der Maschine selbsthätig ab- und aufwickelt, welche aber im Uebrigen
wesentlich vieltheiliger als die Koenig und Bauer'sche
Construction ist.
Diese Cottrell'sche Anordnung ist in ihren
wesentlichsten Theilen in den Fig. 7 und 8 Taf. 24 in einer
Endansicht und in einem Querschnitt des Druckcylinders zur Darstellung gebracht, und
sei an der Hand dieser beiden Figuren versucht, Anordnung und Arbeitsgang dieser
Leerlaufpapierleitung darzulegen.
Der Druckcylinder A ruht mit seiner Achse A1 in Lagern A2, und trägt auſser dem Rade F einen
durch Schrauben a1 mit
ihm verbundenen Ring A4, in dem ein Theil der die
Leerlaufpapierleitung betätigenden Mechanismen gelagert ist. Wie der Querschnitt
Fig. 8
zeigt, ist die Anordnung an einem Druckcylinder A mit
vier Papierleitungen wiedergegeben, welche sich von der Walze d abwickeln, dann über eine Leitwalze a, über die Druckfläche c
und über Walzen ghi geführt sind, und sich nun durch
Antrieb der Walze h auf eine Walze j wieder aufwickeln; beide Walzen j und h stehen zu dem
Zwecke durch Reibräder in Verbindung. Die Achsen der vier Walzen h reichen nun durch die Cylinderwandung hindurch bis
zum Ring A4 (Fig. 7), und
sitzt auf jeder lose ein Zahnrad s, das bei der Drehung
des Cylinders auf einem feststehenden Zahnrade C rollt.
Dieses Zahnrad s kann aber mit der Walze h gekuppelt werden, und zwar erfolgt diese Ein- und
Ausrückung des Rades s durch die Hin- oder Herdrehung
eines conachsial sitzenden Hebels n, welcher
gleichzeitig mit einer Stange 16 verbunden ist, an
welche wieder, wie Fig. 8 zeigt, mittels der Stange 15 die
Schaltklinke für die Abwickelungswalze angeschlossen ist, so daſs bei der Ein- und
Ausrückung des Rades s (zum Bethätigen und Stillsetzen
der Aufwickelungswalze h) gleichzeitig ein Aus- und
Einrücken der Schaltklinke der Abwickelungswalze d
eintritt.
Zum Bethätigen der Walze h dienen ferner zwei am
Maschinengestelle gelagerte Winkelhebel W und U, welche mit einander derart in Eingriff sind, daſs
U entweder auf der Nase 20 oder 21 von W
aufliegt. Beide Hebel sind an den anderen Enden mit Rollen versehen, auf welche der
Stift o eines Rades E
bezieh. der am Druckcylinder A sitzende Knaggen H einwirken. Der Hebel U
hat somit zwei Lagen, in denen sein Ansatz u in oder
auſser der Bahn der Hebel n liegt. Der obengenannte
Stift o macht dabei zu Folge eines besonderen Antriebes
vom Rade F aus mit 79 Umdrehungen des Druckcylinders
A eine Umdrehung in der entgegengesetzten
Richtung.
Diese Theile arbeiten nun in der Weise zusammen, daſs anfänglich der Hebel U auf der Nase 20 von W aufliegt, und daſs somit, da sein Ansatz u auſserhalb der Bahn der Hebel n liegt, die Leerlaufleitung unbethätigt bleibt. Hat aber der
Druckcylinder nahezu 79 Umdrehungen gemacht, so wirkt der Stift o auf den Hebel W und
dreht letzteren derart, daſs der Hebel U von 20 auf den Ansatz 21 fällt
(Fig. 7),
so daſs sein Ansatz u in die Bahn der Hebel n kommt. Der nächste derselben wird daher bei der
weiteren Drehung des Druckcylinders durch Anlage an U
gedreht, so daſs das Rad s eingerückt wird, und damit
ein Transport dieses Viertels der Leerlaufleitung eintritt, so lange, bis der
betreffende Hebel n durch Anlage an einen Knaggen N wieder zurückgedreht und die Kuppelung wieder
ausgerückt wird. Während dieser Bewegung der Papierleitung wird gleichzeitig der
Hebel U durch den Knaggen H wieder in seine vorherige Lage zurückgedreht, so daſs ein abermaliger Vorschub der
Leerlaufpapierleitung erst wieder eintritt, wenn der Stift o des Rades E wieder auf den Hebel W einwirkt.
In den Figuren wird diese Bethätigung der Papierleitung dadurch ersichtlich, daſs der
in Fig. 7
links befindliche Hebel n in anderer Stellung
erscheint, als die drei übrigen, und daſs in Fig. 8 die Schaltklinke
der zu oberst befindlichen Abwickelungswalze ausgerückt ist, während die übrigen
eingerückt sind.
Gemäſs des Antriebes des Rades E mit Stift o wird immer nur dieselbe Leitung bethätigt werden, und
unsere Quelle läſst nicht erkennen, wann der Hebel U
auf die übrigen drei Leitungen einwirkt. An und für sich würde die Construction
indeſs für einen Druckcylinder mit nur einer Druckfläche genügen, und es ist leicht
ersichtlich, daſs dieselbe ebenso wohl für Rotationsmaschinen als für Maschinen mit
Greifercylinder verwendbar ist. Von der Koenig und
Bäuerischen Construction unterscheidet sich die Cottrell'sche Anordnung, abgesehen von der anderen technischen
Durchführung desselben Grundgedankens, noch dadurch, daſs bei Koenig und Bauer die Leerlaufpapierleitung jedesmal um
einen Bruchtheil des auf der Widerdruckfläche liegenden Theiles verschoben wird,
während bei Cottrell der ganze auf der Widerdruckfläche
liegende Theil der Leitung nach einer bestimmten Anzahl von Umdrehungen des
Druckcylinders mit einem Male ausgewechselt wird. Von beiden Constructionen dürfte
wohl die Koenig und Bauer'sche Anordnung zu Folge ihrer
Einfachheit den Vorzug verdienen.
Kn.