Titel: | Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen 1890. |
Fundstelle: | Band 277, Jahrgang 1890, S. 589 |
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Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung in Bremen 1890.
(Fortsetzung des Berichtes S. 401 d.
Bd.)
Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in
Bremen.
Die Handelsausstellung.
Kann man als idealen Zweck einer Industrieausstellung den Wunsch der Industrie
betrachten, durch Nebeneinanderstellung der concurrirenden Leistungen zu lehren und
zu lernen und sodann – was nunmehr allerdings Hauptzweck aller ausstellungsartiger
Veranstaltungen geworden ist – die ausgestellten Erzeugnisse zu verkaufen, so
verschwindet ein derartiger Hintergrund bei sogen. Handelsausstellungen vollständig.
Der fast marktähnlich gewordene Charakter der Gewerbeausstellung wird verdrängt
durch den mehr pädagogischen, jedes geschäftlichen Beigeschmackes baren Grundzug
einer solchen fast als Museum zu bezeichnenden Ausstellung. Eine Handelsausstellung
kennzeichnet sich als eine Schaustellung, welche unter Vermeidung rein
geschäftlicher Absichten nur belehrend für breitere Schichten des Volkes wirken
will.
In Deutschland sind solche Handelsausstellungen seltene Ereignisse aus dem einfachen
Grunde, weil der überseeische, der Kolonialhandel allein das Thema einer
derartigen Schaustellung für uns sein kann, und dieser Handel sich ausschlieſslich
auf Hamburg und Bremen einschränkt, beides Städte, welche erst durch den jüngst
erfolgten Zollanschluſs in so enge Beziehungen zum Binnenlande traten, daſs ein
lebhafteres Interesse für deren Handelsbeziehungen auftaucht; nicht zu unterschätzen
bleibt übrigens der Einfluſs, welcher die neue deutsche Kolonialpolitik zur
Erweckung der Antheilnahme am Kolonialhandel ausübte.
War die Eigenart des überseeischen Handels für Hamburg und Bremen mit dem gesammten
Leben und Denken in diesen Städten durchaus verwebt, so war die deutliche
Veranschaulichung derselben für das groſse Publikum des Binnenlandes trotzdem eine
schwierige Aufgabe, weil eben für ein solches Unternehmen fast alle Vorgänge und
Erfahrungen fehlten. So war die vorjährige Hamburger Handelsausstellung wenig
geeignet gewesen, gröſseres Interesse für den Beschauer zu erwecken, während sie
jedoch für die Gestaltung der Bremer Ausstellung eine wesentliche Vorschule
bildete.
Eine Handelsausstellung erhält viel leichter einen langweiligen Charakter, als irgend
eine andere Veranstaltung, wenn sie eben nur das Product des Handels, also die
Waarenprobe zur Anschauung bringt; und da sie viel mehr als die meisten anderen
Arten der Fachausstellungen für ein weitschichtiges groſses Publikum bestimmt und
berechnet ist, so muſs hier die Langweiligkeit einer Productensammlung durch
besondere Reizmittel überwunden werden.
Dies ist in Bremen nicht ungeschickt gemacht, vielleicht ist sogar in der Verwendung
solcher Reizmittel ein wenig zu viel geschehen und mehr Schaubild und Rahmen als
Facherzeugniſs und Kern gegeben.
Die Ausstellung bietet nur zu einem Theile eine trocken wirkende Sammlung von
Handelsproducten, also Waarenproben; im Uebrigen ist es versucht, die Waarenprobe in
ihrer Entstehung, Entwickelung und gelegentlich auch in ihrem Gebrauche, ihrer
Verwerthung für die Kultur darzustellen. Es ist meist recht zweckmäſsig
veranschaulicht, welchen Entstehungsgang die hier gehandelte Waare am Erzeugungsorte
durchzumachen hat, unter welchen Bedingungen und Verhältnissen dieselbe gewonnen,
gehandelt und verfrachtet wird, so daſs zu einem guten Theil die Ausstellung ein
Stück Völkerkunde versinnbildlicht. Wirkt die Ausstellung dadurch vielleicht zu viel
als Schaubild, so darf nicht vergessen werden, daſs die Interessirung eines groſsen
Publikums – und darauf wird ja heutzutage wohl jede Ausstellung berechnet – solche
Mittel verlangt.
Die Bremer Handelsausstellung bietet jedenfalls ein anschauliches und werthvolles
Bild des Bremer Handels. Dieses Endergebniſs ist wohl nur dadurch ermöglicht worden,
daſs die Bremer Kaufmannschaft als Körperschaft die Ausstellung veranstaltete, also
ein einheitlicher Geist die Schaustellung leitete.
So ist denn unter Zurückdrängung jedes rein geschäftlichen und persönlichen
Auftretens möglich geworden, nicht nur die hauptsächlichsten für den Verbrauch in
Deutschland benöthigten Handelsstoffe Bremens, also Reis, Tabak, Baumwolle, Jute,
Erdöl nach der Art ihrer Entstehung und Gewinnung zu veranschaulichen, sondern es
ist auch gelungen, die Antheilnahme der verschiedenen überseeischen Länder,
eingeschlossen natürlich unsere deutschen Kolonien, an dem Bremer Handel in groſsen
Zügen festzulegen.
Wegen dieser Eigenart schätzen wir die Handelsausstellung als den Glanzpunkt der
Bremer Ausstellung.
Der Tabak nimmt den gröſsten Theil des Bremer Handels
ein. Bremen ist nicht nur der erste Marktplatz Europas für Tabak, sondern auch bis
heute der bedeutendste Markt der Welt geworden und geblieben. Nicht zu vergessen
bleibt hierbei, daſs thatsächlich auch ein groſser Theil des über Hamburg
eingeführten Tabaks dem Bremer Handel gutgeschrieben werden muſs, weil Bremer
Kapital die hauptsächliche Triebfeder auch dort bildet.
Im J. 1889 wurden an Rohtabak über Bremen 40624t,2
im Werthe von 47261209 M. eingeführt, eine Ziffer, welche von sämmtlichen
Einfuhrhäfen irgend eines anderen Landes nicht erreicht wird. Ganz besonders wichtig
ist aber der Umstand, daſs fast der gesammte Bremer Tabakverkehr sich als
Eigenhandel kennzeichnet.
Der Tabak ist auf etwa 300qm Grundfläche durch etwa
600 verschiedene Proben veranschaulicht. Zumeist sind diese Proben
nordamerikanischer Herkunft. Im Allgemeinen stellt sich der Verkehr Bremens mit
Nordamerika etwa so, daſs ein Drittel der gesammten Bremer Tabakseinfuhr aus den
Vereinigten Staaten kommt, dem Werthe nach etwa ein Viertel.
Kentucky ist mit 5, Seedleaf mit 4,2, Virginien mit 2 Millionen Mark Einfuhrwerth
betheiligt. Der früher hauptsächlichste Stammort für Tabak, Sumatra, ist somit an
die zweite Stelle gerückt; der Einfuhrwerth beträgt nur 11 Millionen Mark. Die
dritte Stelle nimmt Brasilien mit gegen 10 Millionen, Kuba mit 6,7 Millionen Mark
Einfuhrwerth ein. San Domingo, Kolumbien und Java liefern zusammen noch für 5,5
Millionen Mark Tabak.
Die Baumwolle beginnt für Bremen eine ähnliche Bedeutung
zu gewinnen wie der Tabak. Ist es doch der kaufmännischen Thatkraft der Bremer
gelungen, sich unmittelbar hinter den Liverpooler Markt zu stellen und alle anderen
Hauptmärkte, wie namentlich Havre, welcher Hafen bislang als erster Markt auf dem
Festlande sich behauptete, zu schlagen. Im J. 1889 erreichte die Einfuhr von
Baumwolle die Ziffer von 720812 Ballen im Werthe von 136 Millionen Mark.
Den stärksten Verkehr in Baumwolle unterhält Bremen auch wieder mit den Vereinigten
Staaten, mit welchem Lande erst neuerdings Ostindien in beachtenswerthen Wettbewerb
tritt. Unmittelbare Dampferstrecken zwischen Bremen und Bombay unterstützen diese
neue Bezugsquelle sehr wesentlich.
Die Gewinnung der Baumwolle ist durch eine Art Panorama veranschaulicht. Die eine
Darstellung zeigt ein in der Aberntung begriffenes amerikanisches Baumwollefeld, die
andere ein ostindisches. Der ausführende Künstler hat es verstanden, neben der
Veranschaulichung der Ernte und des Aussehens der Baumwollestauden auch die Typen
der erntenden Arbeiter und Arbeiterinnen charakteristisch darzustellen.
Natürlich findet auch der Fachmann willkommenen Stoff in der Vorführung von
Originalpacken, von den verschiedenartigen Proben über die Beschaffenheit der
einzelnen Abstammungen, endlich eine Wiedergabe der Standarts, nach denen die Beschaffenheit und Güte einer gewissen Baumwolle
handelsgemäſs festgestellt wird.
Die Schafwolle nimmt keine unbedeutende Rolle im Bremer
Handel ein. Im J. 1889 wurden 51029t,3 im Werthe
von 81 Millionen Mark eingeführt. Diese Ziffer ist so hervorragend, daſs der Markt
sich dicht an den hervorragendsten Wollplatz des Festlandes, Antwerpen,
anschlieſst.
Für den Bezug von Wolle kommen besonders für Bremen Australien, die Kapkolonie und
die Laplatastaaten in Betracht. Namentlich letztere Staaten decken fast die halbe
Einfuhr Bremens.
Der sachliche Inhalt der Wollausstellung setzt sich aus 97 Proben, meist durch Ballen
in Originalpackung dargestellt, zusammen. Mit Ausnahme von dreien – 2 Muster Alpacca
und 1 Muster Kameelhaare – entstammen sämmtliche dem Schafe. Diese 94
Schafwollproben vertheilen sich nach dem Ursprungslande in der Weise, daſs 35 aus
Südafrika stammen; 27 rühren aus Australien und 21 aus den La Plata-Ländern her. Der
kleine Rest bezieht sich auf Afrika (ohne nähere Bezeichnung), Marocco, Bolivia,
Deutschland, Frankreich und Spanien. Es sind von jenen 35 südafrikanischen Ballen 24
als Kap, 9 als westliche Kap und 2 als Natal bezeichnet. In Betreff der
Beschaffenheit der südafrikanischen Wolle bezieh. des Waschstadiums, liegen nicht
weniger als 11 Arten vor, welche entsprechend der einmal bestehenden Geschäftspraxis
meist mit englischen Bezeichnungen versehen sind, nämlich: snow white extra Superior (3), snow white
Superior (9), snow white (2), country scoured (2), mixed
(2), Schweiſs (9), white
coarse (1), mixed Schweiſs (1), fleece (3) und in Bremen gewaschen (2). Die angeführten
Prädicate bedürfen zum Theil einer kurzen Erklärung. Unter Schweiſs versteht man
diejenige Wolle, welche ohne vorherige Reinigung von dem Schafe geschoren und in
diesem Zustande ausgeführt ist. Scoured-Wolle ist
solche, welche nach dem Abscheeren im Erzeugungslande selbst gewaschen worden ist.
Fleece, zu deutsch „Rückenwäsche“, bedeutet,
daſs das betreffende Schaf mit dem Vlieſs im Erzeugungslande kalt, in einem Flusse oder
Teiche, gewaschen und dann geschoren worden ist.
Die Schafzucht, noch immer einer der wichtigsten Erwerbszweige des Caplandes, ist
dort ziemlich alt. Die ersten Ansiedler fanden eine einheimische Art fettschwänziger
Schafe vor, welche noch heute in groſser Zahl vorhanden ist. Ein beträchtlicher
Aufschwung fand aber doch erst statt, als Merinoschafe eingeführt wurden, welche
theils rein gezüchtet, theils mit der einheimischen Rasse erfolgreich gekreuzt
wurden. Das Verdienst, jene in das Kapland gebracht zu haben, gebührt dem Oberst Gordon (1790). Aber erst seit 1830 nahm die Ausfuhr
kräftig zu. In diesem Jahre wurden 33000 Pfund Wolle ausgeführt; 1850 schon 5,9
Millionen, 1860: 23,2 Millionen und 1872: 48,8 Millionen Pfund im Werthe von 3,2
Millionen Lstr. Letzteres Jahr bezeichnet den Höhepunkt sowohl der Menge als dem
Werthe nach. In den letzten Jahren hat sich die Sache so gestaltet, daſs in der
Saison 1887 (24. November 1886 bis 22. November 1887): 236888 Ballen, 1888: 289552
Ballen und 1889: 309919 Ballen zur Ausfuhr gelangten. Von der letztgenannten Menge
stammten 203223 aus Ostkapland, 28223 aus Westkapland und 78465 aus Natal und dem
Inneren; was aber die Bestimmungsländer anbelangt, so gingen etwa 202000 Ballen nach
England, 100000 nach dem continentalen Europa und 8000 nach Amerika.
Wenn nun dem Gewichte nach ein Rückgang in der Ausfuhr gegen früher hervortritt, so
ist dieser nur scheinbar, und zwar aus den folgenden Gründen. In früheren Zeiten
nahm ein groſser Theil der Schafwolle der benachbarten Oranjefreistaaten seinen
Ausfuhrweg durch die Kapcolonie; seit aber die Diamantgräberei einen starken
Bevölkerungszug nach dem westlichen Griqualande gebracht hat, eröffneten sich für
die Ausfuhr der nachbarlichen Freistaaten auch andere Verkehrswege. In früheren
Jahren wurde wohl ausschlieſslich oder vorzugsweise Schweiſswolle aus dem Kaplande
ausgeführt. Aber bald fing man hier selbst zu waschen an und gegenwärtig sind
zahlreiche Wäschereien über das Territorium der Kolonie zerstreut. Der Erfolg
derselben war im J. 1885 derartig, daſs unter der Gesammtausfuhr (34,4 Millionen
Pfund) nicht weniger als 21,2 Millionen Pfund gewaschene Wolle sich befanden. In den
Wollwäschereien des Kaplandes wird vielfach eine Maschine benutzt, welche im Lande
selbst erfunden und unter dem Namen „Nivens' Patent“ bekannt ist. Diese soll
für die kurzharige Wolle besonders geeignet sein. Eine Hauptrolle kommt aber nach
vorgenommener Waschung noch der Operation des Bleichens zu, und hierbei thuen die
afrikanische Sonne und die Klarheit der Luft das Ihrige, um dem Kaperzeugnisse die
so geschätzte blendende Weiſse zu verleihen.
Die Einfuhr von Kapwolle nach Bremen hat sich in den letzten Jahren nicht
unbeträchtlich gehoben, wie aus den nachfolgenden Zahlen hervorgeht:
1883
1331088k
1886
2080505k
1887
3095657k
1888
3934461k
Australien ist auf der Ausstellung mit 27 Nummern vertreten. Der Herkunft nach sind
davon 12 als Sidney, 8 als Austral, 4 als New-Zealand, 2 als Port Philipp und 1 als
Adelaide bezeichnet. In Bezug auf die Beschaffenheit finden sich Schweiſs (8), Fleece (3),
scoured (10), carbonisirt (1), Kämmlinge (3) und carbonisirte Kämmlinge (2) vor.
Für Australien ist die Schafzucht in noch höherem Maſse bedeutungsvoll als für das
Kapland, denn die Wolle stellt von dem Gesammtausfuhrwerthe nahezu die Hälfte dar,
während sie bei letzterem nur ein Viertel derselben ausmacht.
Die Ausfuhr von Australien, welche im J. 1810 mit 71k begann, belief sich in der Saison 1889 (28. November 1888 bis 26.
November 1889) auf 1384979 Ballen, von denen 1166000 nach England, 180605 nach dem
continentalen Europa und 38652 nach Amerika gingen. Bremen bezog im J. 1888 für 3,98
Millionen Mark, 1889 aber für 7,6 Millionen Mark Wolle aus Australien.
Das Laplatagebiet ist durch 21 Ballen vertreten, von denen einer aus Montevideo, die
übrigen aus Buenos Aires stammen. Nach der Beschaffenheit sind je 6 als Schweiſs, 6
gewaschen und Kämmlinge, 3 als carbonisirt bezeichnet.
Reis. Bremen ist der bedeutendste Reismarkt der Erde und
hat auch hierin Liverpool lange überholt.
Die Einfuhr von Reis über Bremen belief sich im J. 1889 auf 227032t im Werthe von 36,1 Millionen Mark. Der
zweitgröſste Reishafen, Liverpool, erreichte in demselben Zeitraume nur eine
Einfuhrmenge von 162383t, London blieb an dritter
Stelle mit 144587t, die holländischen Häfen
zusammen an vierter mit 106144t, Hamburg an
fünfter Stelle mit 76446t. In der Abtheilung,
welche auf der Handelsausstellung der Reis einnimmt, wird, dem Gesammtcharakter der
Ausstellung gemäſs, das Product in seinen verschiedenen Gewinnungs- und
Verarbeitungsstufen vorgeführt; wir lernen die frische und getrocknete Reispflanze,
die Art ihres Anbaues, ihrer Einerntung, ihrer Verschiffung kennen.
Bezüglich des Handels in Reis ist noch zu erwähnen, daſs auch ein groſser Theil der
Londoner Ziffern dem Bremer Handel zugeschrieben werden muſs. Der nach Bremen
gehende Reis wird wohl ausnahmslos dort auch geschält, zum Theil auch polirt und
gemahlen. Der grobe Reis dient zur menschlichen Nahrung, der Bruchreis wird zu
Stärke verarbeitet, die Abfälle dienen als beliebtes Futtermittel.
Bremen versorgt einen groſsen Theil der Welt mit polirtem Reis.u.a. wurden 1889 von
Bremen direkt abgeladen nach England 5 Millionen, Spanien 5 Millionen, Portugal 13
Millionen, den Vereinigten Staaten 23 Millionen, Argentinien und Uruguay 10
Millionen, Brasilien 13 Millionen, Spanisch-Westindien 8 Millionen Kilo. Ferner
bezogen Preuſsen 57 Millionen, Hamburg 20 Millionen Kilo. Die Fabrikation liegt in
den Händen dreier groſser Firmen in Bremen: R. C. Rickmers,
Anton Nielsen und Co. und Gebrüder Nielsen,
sowie Gerh. Lange in Osterholz-Scharmbeck bei Bremen.
Die Berufszählung gibt leider nicht an, wie viel Arbeiter die Reismühlen allein
beschäftigen; sie verzeichnet: Getreide- und Reismühlen 1885: 583 Arbeiter (1875:
321 Arbeiter). Davon wird indeſs der weitaus gröſste Theil in der Reisindustrie
thätig sein.
Die Reismühlen und Stärkefabriken haben ihre Erzeugnisse im Hauptausstellungsgebäude
vorgeführt.
Der Erdölhandel hat zu groſsartigen Anlagen Veranlassung
gegeben, um namentlich dem starken Wettbewerbe der Elb- und Rheinhäfen gegenüber
bestehen zu können. Der Versand erfolgt fast ausschlieſslich durch sogen.
Tankdampfer, welche in einigen hübschen, durchschnittenen Modellen vorgeführt sind.
Von den groſsartigen Lagerbehältern in Bremen und Bremerhafen gibt namentlich das
Hauptausstellungsgebäude Kenntniſs.
Die Tankdampfer schöpfen das Roherdöl mittels Pumpen in riesige schmiedeeiserne, am
Lande aufgestellte Behälter, aus denen es in die Raffinerie geleitet wird, um
gereinigt und in den Abfällen zu Schmiermitteln verarbeitet zu werden. Der
Landversand erfolgt zum Theil in Fässern aus Holz oder Eisen, aber auch zu einem
groſsen Theil bereits durch Tankwagen.
Das Jahr 1889 brachte eine Erdöleinfuhr von 176970t
im Werthe von 18598258 M.
Von weiteren Einfuhrwaaren ist noch Kaffee mit 15
Millionen Einfuhrwerth im J. 1889 und Getreide mit 24
Millionen Einfuhrwert im J. 1889 zu benennen.
Der Indigo bildet einen wichtigen und werthvollen Zweig
für den Bremer Handel. Wenn auch nicht so bedeutend wie Baumwolle, Tabak, Reis und
Erdöl, so hat doch auch der Indigo für Bremens Ein- und
Ausfuhr groſse Wichtigkeit. Bremen führte im J. 1889 für etwa 4,1 Millionen Mark
Indigo ein und ebenso hoch beziffert sich die Ausfuhr. Mit Recht wurde daher dem
Indigo ein hervorragender Platz in der Ausstellung eingeräumt, indem man durch das
Modell einer Indigofactorei die Bereitung dieses noch heute wichtigen Farbstoffes
zeigte. Mittels eines Gährungsprozesses der in Wasser eingeweichten Pflanzen wird
denselben das Glycosid oder Indican entzogen, das in einem anderen Bottiche einen
Oxydationsprozeſs durchmacht, durch welchen der blaue Farbstoff abgeschieden wird.
Nachdem dieser gekocht und filtrirt, wird er in backsteinartige Formen gepreſst und
getrocknet. Alle diese Vorgänge kann man hier an dem Modelle, das durch hübsch
geformte Figuren ein
reiches abwechselungsvolles Leben erhält, recht anschaulich verfolgen. Und daneben
wird man auch über das Leben und Treiben der Kulis aufs Beste belehrt.
Eigenartig ist noch die Baumwollensamen- und
Erdnuſsindustrie, welche für Bremen eine gewisse, wenn auch nicht
wesentliche Bedeutung besitzt.
Die Baumwollfaser haftet am Samen und wird vom letzteren durch Gin-Maschinen
abgetrennt, was in Amerika stets am Ursprungsorte geschieht, während von Ostindien
viel Baumwolle mit Samen kommt. J. Erling zeigt den
ganzen Samen, sodann zerschnitten, dann durch Rollen zermalmt; aus dem zerkleinerten
Samen zieht der Amerikaner bereits das rohe, schwarze Baumwollsamenöl heraus, das
als Surrogat für allerlei bessere Oele dient, Den Rückstand, die Kuchen, sendet er
nach Europa und in diesem Zustande kommt das Fabrikat in die Erling'sche Mühle. Hier wird es von groben Beimischungen gereinigt; das
eigentliche Mehl dient zur Viehfütterung, während die Abfälle als Düngemittel sehr
gefragt sind. Sie enthalten 7 Proc. Stickstoff garantirt und kosten 24 M. die
1000k. Als ähnliches Halbfabrikat kommen die
aus Mozambique, Bombay und von der Koromandelküste stammenden Erdnuſskuchen über
Genua und Marseille zu uns. Die Haare, Schalen und Beimischungen (oft grobe
Eisentheile) werden entfernt, das Mehl dient in drei Sorten zur Rindviehfütterung,
Schrot erhalten die Pferde. Das Erdnuſsöl geht in die Seifenfabrikation über. Auch
sind weiſse indische Cocoskuchen zu sehen, welche sich in rohem Zustande zur
Viehfütterung eignen.
Die Einfuhr an Jute aus Ostindien über Bremen ist einer
weiteren Entwickelung sehr wohl noch fähig; seit einigen Jahren hat die Menge der
hier eingeführten Jute abgenommen, in allerjüngster Zeit jedoch verspricht sich die
Einfuhr wieder langsam zu heben. Die Zahlen sind für 1886 = 16654200k, 1887 = 13712600, 1888 = 7275500, 1889 =
7811300. Neben der Jute gewinnt auch die ostindische Baumwolle in Bremen langsam
aber sicher wieder an Boden.
Schellack weist eine ziemlich unbedeutende Einfuhrziffer
(1889: 43240 M.) auf; sodann Stuhlrohr, eine nicht unwichtige Importwaare (1889:
1814384k für etwa 1000000 M.). Als
geschmackvolle Decoration einer Eingeborenen-Hütte haben schlieſslich auch die Häute ihren Unterschlupf gefunden; sie bilden mit
(1889) 613737 M. Einfuhrwerth einen der kleineren, aber wichtigen Einfuhrartikel aus
Ostindien.
Ueber den Holzhandel waren Ziffern nicht zu ermitteln,
jedoch wird es interessiren, daſs die Ausstellung mit 347 Holzproben verschiedener
Art wohl die reichhaltigste Sammlung bietet.
Die Handelsausstellung gibt einen ziemlich anschaulichen Ueberblick über den Antheil
der einzelnen Länder an dem Bremer Handel.
Aus Groſsbritannien importirte Bremen 1889 für 401,4 Millionen Mark; davon entfallen 14,3 Millionen
Mark allein auf Schafwolle, d.h. Kolonialwolle (australische und südafrikanische),
1,1 Millionen Mark auf Jute, 1,1 Millionen Mark auf Baumwolle, 1 Million Mark auf
Gummi, ½ Million Mark auf Kaffee, ½ Million Mark auf Thee, ¼ Million Mark auf
Kolonialzucker u.s.f. Die Einfuhr aus Holland bezifferte sich 1889 auf 11,3
Millionen Mark, davon aber entfallen auf überseeischen Tabak allein etwa 9 Millionen
Mark. Ein Aehnliches gilt für Belgien, dessen Gesammteinfuhr nach Bremen 1889 einen
Werth von 5,6 Millionen Mark erreichte, während allein der Einfuhrwerth der über
Antwerpen eingeführten Schafwollen über 4 Millionen Mark betrug. Diese indirekt
eingeführten Waaren aber erscheinen in der Handelsausstellung entweder in den
Sachgruppen oder in der betreffenden geographischen Section, welche ihr
Productionsland darstellt.
Die Einfuhr aus den Vereinigten Staaten macht dem Werthe nach mehr als ⅖ der
bremischen Gesammteinfuhr aus auſserdeutschen Ländern aus: 1889 von 437 Millionen
Mark = 187923441 M. Von dieser Einfuhrziffer entfallen aber auf Baumwolle 134826264
M., auf Erdöl 18208125 M., Tabak 11502250 M., Getreide etwa 5000000 M., die vier
Artikel zusammen 169536659 M. Entsprechend der Bedeutung, welche Ostindien für
Bremen besitzt, ist der Section „Ostindien“ auch in der Handelsausstellung
ein bedeutender Raum, etwa 200qm (Section 18 bis
22), zur Verfügung gestellt worden. Belief sich doch die Einfuhr aus
Britisch-Ostindien und Siam nach Bremen 1889 auf 41579189 M.
Brasilien nimmt eine groſse Rolle im Bremer Handel ein. Es liefert etwa die Hälfte
der Kaffeeerzeugung der Welt im Werthe von etwa 400 Millionen Mark. Die
Einfuhrwerthe nach Bremen belaufen sich auf 14 Millionen im J. 1889 und weisen somit
einen Nachlaſs von etwa 6 Millionen gegen die vorhergegangenen Jahre auf. Auf Kaffee
und Tabak fallen etwa 13½ Millionen Mark.
Spanisch-Westindien führt für 6 Millionen Mark Tabak, für 2 Millionen Mark Cigarren,
sowie Hölzer im Werthe von 1,4 Millionen Mark nach Bremen, an Kaffee dagegen nur 0,2
Millionen Mark.
Der Verkehr mit China und Japan ist erst in allerletzter Zeit rege geworden; er hat
sich innerhalb der verflossenen 5 Jahre um das Siebenzehnfache vermehrt, so daſs er
sich jetzt immerhin schon auf 51000t im Werthe von
23¼ Millionen Mark beziffert, China liefert besonders Rohseide, Seidenabfälle und
Seidenwaaren, Galläpfel, Strohmatten u.s.w. Japan liefert allein für 6 Millionen
Mark Reis. Der Katalog bezeichnet 72 verschiedene Gegenstände, welche Bremen aus
China bezieht, und 49, welche aus Japan gehandelt werden.
An der chinesischen Ausstellung, welche in einem besonderen China-Hause von 120qm Grundfläche Platz gefunden hat, ist besonders
die auf den Thee bezügliche Abtheilung von Interesse. Hier fehlt keine Kleinigkeit,
welche zu dem Thee eine Beziehung hat.
Das chinesische Theegeschäft, welches früher das groſsartigste war, hat jetzt unter
scharfem Wettbewerbe zu leiden. So liefert China von dem gesammten aus Ostasien und
Indien ausgeführten Thee im Betrage von 420 Millionen Pfund nur 240 Millionen Pfund,
dagegen Indien schon 100 und Ceylon 36 Millionen Pfund.
Australien und die Südsee lieferten im J. 1889: 8473t im Werthe von 10 Millionen Mark. Hawai ist seines ausgedehnten
Zuckerhandels wegen beachtenswerth.
Es kann unsere Aufgabe nicht sein, die Handelsausstellung weiter als andeutungsweise
zu besprechen. Dieselbe ist ja auch mehr zur Aufklärung und Belehrung des groſsen
Publikums, als zur Bereicherung des fachmännischen Wissens bestimmt. Jedenfalls
wollen wir von diesem Theile der Ausstellung nicht scheiden, ohne wiederholt zu
betonen, daſs hier allein der rein ideale Ausstellungsgedanke festgehalten worden
ist, daſs weder geschäftliche Reklame noch persönlicher Eigennutz eines Einzelnen
hier die Oberhand gewonnen hat, sondern daſs ausschlieſslich ein Bild der
Gesammtheit des Bremer Handels zu geben versucht wurde.
(Fortsetzung folgt.)