Titel: | Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung 1889; von Fr. Freytag, |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 162 |
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Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung 1889;
von Fr. Freytag,
Lehrer der Technischen
Staatslehranstalten in Chemnitz.
(Fortsetzung des Berichtes S. 65 d.
Bd.)
Mit Abbildungen auf Taf.
11.
Dampfmaschinen der Pariser Weltausstellung 1889.
Die englische Firma Davey, Paxman et Cie. hatte in der
Gramme-Station der Ausstellung, welcher der wichtigste Theil der Beleuchtung, die
der groſsen Maschinenhalle und der Fontänen anvertraut war, drei, zum Betreiben von
sechs paarweise hintereinander geschalteten Dynamomaschinen dienende, liegende
Compoundmaschinen (Fig. 24 bis 28) ausgestellt, die aus
fünf festgesetzten Locomotivkesseln mit rauchverzehrender Feuerung, sowie
selbsthätiger Beschickung (System Godillot) mit Dampf
versorgt wurden, und zwar konnte derselbe von den Kesseln zu jeder Maschine geleitet
werden.
Die Schaltung der Dynamomaschinen war, um die Betriebssicherheit möglichst zu
erhalten, so eingerichtet, daſs jede Maschinengruppe ihren Strom in jeden der drei
Stromkreise leiten konnte, so daſs bei einem Unfall an einer Maschine die
Gesammtbeleuchtung um deren Betrag vermindert werden muſste, das völlige Erlöschen
eines Stromkreises jedoch nicht eintreten konnte. Die ganze Anlage hat vom April
1889 bis zum Schlusse der Ausstellung trotz groſser Betriebsschwankungen und
weitgehender Anforderungen stets tadellos gearbeitet, und dies ist nicht zum
wenigsten den mit der gröſsten Gleichmäſsigkeit laufenden überaus leistungsfähigen
Motoren zu verdanken.
Die ansehnlichste der ohne Condensation, mit einem Admissionsdruck von 8k arbeitenden, einfach construirten, sowie in
allen Theilen leicht zugänglichen Maschinen der Gramme-Station entwickelte eine
Leistung von 360 und besitzt, wie theilweise auch die Abbildungen Fig. 24 bis
28 auf
Taf. 11 erkennen lassen, die folgenden Abmessungen:
Cylinderdurchmesser
558 bezieh.
889mm
Kolbenhub
1218mm
Minutliche Umdrehungen
65
Schwungrad
DurchmesserRingbreiteUmfangsgeschwindigkeitGewicht
4m,270 0m,45714m,530à 7500k
Jedes der beiden Schwungräder betrieb direkt mittels Riemen eine
Gramme-Dynamomaschine von 200 Volt und 900 Ampère.
Die Dampfvertheilung des kleinen Cylinders veranschaulichen Fig. 27 und 28; der auf
dem Schieberspiegel von einem festen Excenter bewegte Hauptschieber A ist ebenso wie derjenige bei der Meyer-Steuerung mit zwei Dampfdurchlaſskanälen
versehen, und bestimmt das innere und äuſsere Voreilen sowie die Compression. Auf
dem Kücken dieses Schiebers befindet sich ein durch den Dampfdruck angepreſster,
innerhalb angegossener Knaggen des Schieberkastens festgestellter Zwischenschieber
BC, der auf der gemeinschaftlichen Berührungsfläche
ebenso wie der Hauptschieber mit zwei Durchlaſskanälen versehen ist, die sich jedoch
auf der entgegengesetzten Seite nochmals theilen; auf diesem Zwischenschieber
gleitet dann der mit zwei Kanälen versehene kleine Expansionsschieber D. In seiner, auf der Figur ersichtlichen
Mittelstellung besitzt der letztere keine Ueberdeckungen; er öffnet beim Verlassen
dieser Stellung die beiden zusammengehörigen Kanäle der einen Seite des
Zwischenschiebers und schlieſst dieselben wieder, wenn er sich in entgegengesetzter
Richtung als vordem bewegt. Hätte dieser Schieber kein lineares Voreilen, so würde
er Füllungen von 0 bis 1, je nach der Voreilung, welche man ihm geben würde,
zulassen, die jedoch in Wirklichkeit nicht immer vollkommen ausfallen würden.
Damit die Steuerung unter der Beeinflussung des Regulators zu einer variabeln wird,
ist der kleine Schieber mit einer Coulisse in Verbindung gebracht, welche durch den
Regulator in senkrechter Richtung auf und nieder bewegt wird und deren äuſsere Enden
durch Stangen mit zwei Excentern von ungleichem Hube verbunden sind.
Wenn der Regulator zufolge geringerer Geschwindigkeit fällt, so sinkt die Coulisse,
das obere Excenter mit 64mm Hub führt dann den
Schieber und gestattet Füllungen bis zu ⅝ des Kolbenhubes; wenn dagegen der
Regulator steigt, so bewegt sich auch die Coulisse aufwärts, das untere Excenter mit
32mm Hub bringt den Schieber in seine
Mittelstellung, die Kurbel kommt in ihre Todtepunkt-Lage und die Dampfeinströmkanäle
sind jetzt geschlossen.
Diese Einrichtung gestattet dem Regulator der Maschine bei jeder Umdrehung die zur
Erhaltung der Geschwindigkeit nöthige Menge Dampf zukommen zu lassen.
Der Regulator bewegt sich mit groſser Geschwindigkeit und die der Centrifugalkraft
unterworfenen Regulatorkugeln sind, wie Fig. 26 erkennen läſst,
an den äuſsersten Enden zweier winkelförmig gebogenen Hebel befestigt, welche noch
auf jeder Seite kleine Rollen tragen, die bei geöffnetem Regulator mit den Hebeln
von unten nach oben steigen und indem sie auf angebrachte Gleitflächen der centrisch
um die Spindel gelagerten Massen treffen, diese heben. Hierdurch wird erreicht, daſs
das statische Moment der centralen Massen in demselben Maſse wie die Centrifugalkraft
wächst; gleiche Aenderungen in den äuſsersten Geschwindigkeiten erzeugen jetzt auch
gleiche Einwirkungen auf die Regulatormuffe bezieh. gleiche Bewegungsänderungen
derselben. Die von der letzteren zurückgelegten Wege stehen zu denjenigen der
Coulisse im Verhältniſs 1 : 2,25 und die mit den Schwingungen und Ortsveränderungen
der letzteren verbundenen springenden Bewegungen werden durch eine kleine Oelbremse
abgeschwächt.
Die auf dem oberen Theile des Regulators angebrachte Spiralfeder gestattet zufolge
ihrer gröſseren oder geringeren Spannung eine veränderliche Bewegung der centralen
Massen und damit auch eine beliebige Einwirkung auf die Geschwindigkeit der
Maschine.
Die Dampfvertheilung des groſsen Cylinders regeln zwei an den Enden desselben
getrennt arbeitende Trick'sche Kanalschieber.
Die zweite, 250pferdige Maschine der Gramme-Station zeigte die folgenden
Verhältnisse:
Cylinderdurchmesser
470 bezieh.
724mm
Kolbenhub
609mm
Minutliche Umdrehungen
95
Die Cylinder waren auf einer aus mehreren Theilen zusammengeschraubten,
balkenförmigen Grundplatte befestigt, die ihrer leichteren Transportfähigkeit wegen
namentlich dann zur Anwendung kommt, wenn die betreffenden Maschinen nach
überseeischen Ländern verschickt werden.
Das auf der einen Seite der Maschine liegende Schwungrad von 3m,050 Durchmesser hatte eine Breite von 0m,610 und die auf der anderen Seite sitzende
Riemenscheibe bei demselben Durchmesser eine Felgenkranzbreite von 0m,406, beide dienten zum Betreiben zweier
Dynamomaschinen von 220 Volt und 450 Ampère.
Die dritte, 125pferdige Maschine war ebenso gebaut wie die vorhergehende; ihre
Dimensionen waren:
Cylinderdurchmesser
324 bezieh.
508mm
Kolbenhub
610mm
Minutliche Umdrehungen
105
Schwungrad der einen Seite
2m,590
Durchmesser
bei 0,432
Breite
Riemenscheibe der anderen Seite
2m,590
„
„ 0,330
„
Diese Maschine betrieb zwei Dynamomaschinen von 220 Volt und 250 Ampère.
Auch in der groſsen Maschinenhalle hatten Davey, Paxman et
Cie. auſser einer 100pferdigen eincylindrigen Condensationsmaschine eine
Compoundmaschine ähnlicher Construction wie die in Fig. 24 bis 28 abgebildete
350pferdige Maschine ausgestellt, deren Hauptabmessungen die folgenden waren:
Cylinderdurchmesser
324 bezieh.
508mm
Kolbenhub
610mm
Schwungrad
DurchmesserBreite
2m,5900m,432
Diese beiden Maschinen dienten zum Betreiben der Transmissionen in der englischen
Abtheilung.
Die Hauptverhältnisse der mit Condensation arbeitenden stehenden Compoundmaschine der
Société des anciens établissements Cail in Paris
waren die folgenden (Fig. 29 bis 35):
Effective Leistung
200
Absolute Admissionsspannung
7k
Minutliche Umdrehungen
100
Rechengeschwindigkeit
2m,333
Totale Expansion
0,12
Durchmesser
des
Hochdruckcylinders
0m,435
„
„
Niederdruckcylinders
0m,700
Kolbenhub
0m,700
Füllung im Hochdruckcylinder
0,31
Indicirte Leistung
263
Wirkungsgrad
\frac{200}{263}
0,76
Schwungraddurchmesser
3m,000
Durchmesser der einfach wirkenden Luftpumpe
0m,450
Hub der einfach wirkenden Luftpumpe
0m,350
Die mit ihren Mänteln, Schieberkasten und dem Zwischenbehälter aus einem Stück
hergestellten Cylinder werden, in ähnlicher Weise wie bei Schiffsmaschinen, von
kräftigen, hohl gegossenen Säulen getragen, die durch ebenfalls guſseiserne
Querverbindungen gegenseitig gehörig abgesteift und mit einer gemeinschaftlichen
Grundplatte verbunden sind, an welche auch die zum Tragen der Schwungradwelle
erforderlichen Lager gegossen sind.
Zur Führung der beiden Kolben dienen je zwei Paar Gleitbalken aus Stahl, welche oben
mit vorstehenden angegossenen Lappen der Cylinder und unten mit an den
Querversteifungen angebrachten Stücken verschraubt sind.
Die aus Stahl hergestellte Schwungradwelle trägt an dem einen Ende das aus zwei
Theilen zusammengesetzte Schwungrad und am anderen Ende ein zum Betreiben des
Regulators dienendes conisches Rad. Die Kurbeln sind zur Ausgleichung der Gewichte
der bewegten Massen mit Gegengewichten versehen.
Der in den Schieberkasten A des kleinen Cylinders
strömende Dampf gelangt durch zwei oder mehrere Kanäle aa in einen den flachen oder auch cylindrischen Vertheilungsschieber B kreisförmig umgebenden Raum bb und von hier je nach der Stellung eines entlasteten Expansionsschiebers
cc ähnlicher Construction, wie bei der Rider-Steuerung, auf die Gleitfläche des Cylinders
bezieh. in diesen selbst. Die vom Regulator beeinfluſsten Expansionsschieber halten
die Kanäle aa je nach der Geschwindigkeit der Maschine
während eines groſseren oder kleineren Betrages vom Kolbenhube geöffnet.
Um die Abmessungen des Vertheilungsschiebers sowie des Schieberkastens so klein als
möglich zu erhalten, ist der erstere mittels zweier seitlich angeordneten Stangen
geführt, welche auſserhalb des Schieberkastens durch eine Traverse d verbunden sind, die vom Vertheilungsexcenter
mitgenommen wird; hierdurch ist es möglich geworden, die Entfernung von Mitte
Schieber bis Mitte Cylinder auf einen sehr niedrigen Betrag zurückzuführen.
Durch die Anordnung der kreisförmigen, in ihrem cylindrischen Inneren mit zwei oder
mehreren Kanälen a versehenen Röhre b erhält man sehr groſse Einströmquerschnitte für den
Arbeitsdampf bei verhältniſsmäſsig kleinen Dimensionen der Rider-Schieber.
Die Verbindung der Expansionsschieberstange r mit dem
Regulator ist in der gewöhnlichen Weise durch Hebel und Stange geschaffen, nur ist
bei dieser Maschine noch die allerdings merkwürdige Einrichtung getroffen, auch mit
der Hand die Stellungen der Expansionsschieber ändern zu können.
Es ist zunächst ersichtlich, daſs die selbsthätige Einstellung der letzteren durch
den Regulator nur innerhalb eines Winkels (Fig. 29) möglich ist, der
allerdings bis zu einem gewissen Betrage Veränderungen in der Füllung gestattet,
indeſs nicht genügt, wenn die Leistungen der Maschine innerhalb bedeutender Grenzen
schwanken. Man ist deshalb gezwungen, den Expansionsschieber in mehrere Stellungen
zu bringen, so daſs, wenn z.B. für die ausgestellte 200pferdige Maschine der
Regulator nur für die Füllungen 0 bis 2/10, entsprechend einer Leistung der Maschine bis zu
40 , die Expansionsschieber selbsthätig einstellt, durch Drehung der
Schieberstange und Stellungsänderung der mit ihr verbundenen Schieber auch die den
gröſseren Leistungen entsprechenden Füllungen von 1/10 bis 5/10 des Kolbenhubes erreicht werden
können.
Zu dem Zwecke ist der auf der Schieberstange r frei
bewegliche Handhebel t (Fig. 35 auf Taf. 12) mit
einer Klinke n versehen, welche in Einschnitte 1, 2, 3 der Nabe des mit dem Regulator durch eine
Stange s verbundenen, auf der Schieberstange
befestigten Hebels o greift. Es ist einleuchtend, daſs,
wenn der Riegel n z.B. im Einschnitt 2 liegt, die Bewegung des Hebels o begrenzt ist und unter dem Einfluſs des Regulators in
diesem Falle nur Füllungen von 0 bis 2/10 vom Kolbenhube möglich sind – ähnlich ist es mit
den anderen Einschnitten.
Die Dampfvertheilung im groſsen Cylinder regeln zwei gewöhnliche Flachschieber,
welche, um die Excentricität zu vermindern und damit namentlich beim Beginne des
Kolbenhubes die Einlaſskanäle möglichst weit geöffnet sind, mit doppelten Ein- und
Ausströmkanälen versehen sind.
Die Verlängerung der Schieberstange gleitet, um jede Drehbewegung derselben zu
verhüten, in einem an der Querversteifung angeschraubten, viereckig ausgebüchsten
Lager und wird von einem Excenter, welches durch eine an dem seitlichen Zapfen der
verlängerten Schieberstange angreifende Stange mit dieser verbunden ist,
mitgenommen.
An dem oberen Ende des Schiebers ist ebenso, wie auch bei dem Vertheilungsschieber
des Hochdruckcylinders eine kurze Stange befestigt, deren am äuſsersten Ende
befestigte kleine Kolben sich in je einem Flüssigkeit enthaltenden kleinen Cylinder
auf und nieder bewegen und so eine Art Bremse zur Aufnahme der von der anderen Seite
kommenden Stöſse repräsentiren.
Der Regulator, System Andrade, beeinfluſst direkt, wie
wir gesehen haben, die Dampfeinströmung in den Hochdruckcylinder, und gestattet
durch Verschiebung des auf dem längeren Arme eines Winkelhebels sitzenden
Gegengewichtes eine beliebige Aenderung in der normalen Umdrehungszahl der
Maschine.
Der im groſsen Cylinder wirksam gewesene Dampf geht durch ein senkrechtes Kupferrohr
nach dem auf der gemeinschaftlichen Grundplatte stehenden Condensator, dessen
einfach wirkende Luftpumpe mittels Winkelhebel vom Kreuzkopfzapfen des
Hochdruckcylinders aus betrieben wird.
Das zur Condensation nothwendige kalte Wasser flieſst mittels zweier Rohre in das
kupferne Abdampfrohr, und zwar das eine mit kleinem Durchmesser am oberen Theile,
das andere Rohr von groſsem Durchmesser an der Vereinigungsstelle dieses Rohres mit
der Grundplatte.
(Schluſs folgt.)