Titel: | Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in Bremen 1890. |
Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 167 |
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Von der Nordwestdeutschen Gewerbe- und
Industrie-Ausstellung in Bremen 1890.
(Fortsetzung des Berichtes S. 69 d.
Bd.)
Nordwestdeutsche Gewerbe- und Industrie-Ausstellung in
Bremen.
Die Marine-Ausstellung.
Die Marine-Ausstellung ist in einem besonderen Gebäude untergebracht. Dieselbe hat
ihren hauptsächlichsten Inhalt seitens der Kaiserlichen Marineverwaltung erhalten,
welche die in ihrem Besitze befindlichen Modelle von Kriegsfahrzeugen aller Art,
ferner Ausrüstungsgegenstande, einige Barkassen und Boote und endlich als
interessantestes Stück den Originalbrandtaucher Wilhelm
Bauer's aus dem Jahre 1851 ausstellte. Die Ausstellung ist keineswegs reich
oder auch nur in einem Theile der Marinetechnik vollständig, doch ist sie insofern
trotzdem von Interesse, als sie eine immerhin zutreffende, wenn auch nicht
lückenlose Geschichte unserer Kriegsmarine veranschaulicht.
Durch die vorgeführten Modelle wird wohl jeder in unserer Marine vorhandene bezieh.
vorhanden gewesene Schiffstypus vergegenwärtigt und damit ein Vergleich zwischen den
bescheidenen Anfängen und dem jetzigen stolzen Stande unserer Kriegsmarine
ermöglicht. Gleichzeitig ist ein Ueberblick über die gewaltigen Fortschritte in der
Kriegsschiffsbaukunst und deren veränderter Formgebung gestattet.
Die Ausstellung zeigt uns ein Modell des ersten preuſsischen Kriegsschiffes, der in
den vierziger Jahren nach den Plänen des verewigten Prinzen Adalbert gebauten Segelkorvette Amazone,
welche im November 1861 während eines Orkanes an der holländischen Küste mit Mann
und Maus unterging. Wir finden ebenso das Modell der ersten Dampferkorvette unserer
Marine, eines hölzernen Raddampfers, der Danzig, deren
plumper, übrigens im Auslande ausgeführter Holzbau seltsam absticht von den daneben
stehenden Eisen- und Stahlkolossen, den Panzerschiffen.
Die ehemaligen gedeckten Korvetten erhielten in neuerer Zeit die Bezeichnung
„Kreuzerfregatten“. Den Typus dieser Kreuzerfregatten finden wir in dem
Modell des Prinz Adalbert und Stosch veranschaulicht. Die Schiffe sind auf deutschen Werften gänzlich
aus deutschem Material gebaut; sie besitzen ein Deplacement von 3925 bezieh. 2856t und Maschinen von 4800 und 2500 . Die
Besatzung des Prinz Adalbert besteht aus 451, diejenige
des Stosch auf 420 Mann.
Im Gegensatze zu den gedeckten Korvetten, welche eine vollständig abgeschlossene
Batterie unter Deck führen, stehen die Glattdeckskorvetten, deren Geschütze auf Deck
angeordnet sind. Der Typus der Glattdeckskorvetten, jetzt „Kreuzerkorvetten“
benannt, wird dargestellt durch die Modelle der Carola
und Marie. Die Schiffe haben je 2169t, besitzen Maschinen von 2100 und führen
eine Besatzung von 268 Mann. Der Habicht, zu dessen
Modell wir jetzt kommen, gehört zur Classe der Kreuzer, von denen unsere Marine
augenblicklich vier aufzuweisen hat. Das nächste Modell stellt den Aviso Zieten dar, welcher ausschlieſslich für Torpedozwecke
erbaut ist. Zur Classe der Avisos gehört auch der Blitz, das erste auf einer deutschen Werft erbaute Stahlschiff;
augenblicklich dient der Aviso als Flottillenschiff der Torpedoflottille. Das letzte
der vom Reichsmarineamte ausgestellten Modelle ist das des Artillerieschulschiffes
Mars. Auf diesem Schiffe, welches mit allen Arten
der in unserer Marine gebräuchlichen Geschütze ausgerüstet ist, erhalten die
Marineofficiere ihre artilleristische Ausbildung. Das Artillerieschulschiff Mars selbst stellt verschiedene Modelle aus, nämlich:
eine 17cm-Halbrahmenlaffete, eine 10,5cm-Mittelpivotlaffete, eine 15cm-Brockwelllaffete, eine 8,7cm-Gelenklaffete, ferner eine 8cm-Landungslaffete und eine 3,7cm-Revolverkanone, wie sie an Bord der
Kriegsschiffe zur Verwendung gelangt.
Das Panzerschiff Württemberg, eines der stärksten
Schlachtschiffe unserer Marine, ist 1881 auf der deutschen Werft Vulcan in Stettin erbaut. Das Schiff hat eine
Wasserverdrängung von 7400t, Maschine von 5600
und 376 Mann Besatzung. In dem Modelle der Panzerdeck-Kreuzerkorvette Prinzeſs Wilhelm sehen wir das neueste Schiff unserer
Marine. Auch dieses Schiff, ein Schwesterschift der längere Zeit von dem Prinzen Heinrich befehligten Korvette Irene, ist in Deutschland, und zwar auf der Germania-Werft zu Kiel erbaut.
Eine Eigenthümlichkeit der beiden genannten Schiffe ist das unter der Wasserlinie
befindliche Panzerdeck, welches die Maschinen-, Kessel-, Pulver- und Munitionsräume
schützt, und ferner ein Kofferdamm, in Gestalt eines Korkgürtels, der sich über und
unter der Wasserlinie um das Schiff herumzieht und das Durchschlagen der Geschosse
erschwert. Die 4400t groſse Korvette hat eine
äuſserst starke Maschine von 8000 mit deren Hilfe das Schiff eine
Fahrgeschwindigkeit von über 18 Knoten in der Stunde erreicht.
Die Kaiserliche Seewarte in Hamburg stellt eine Anzahl
Schiffsmodelle meist holländischer Abstammung aus dem 16. und 17. Jahrhundert aus,
sowie 12 Schiffsmodelle, welche die Entwickelung des Segelschiffbaues der
Handelsmarine darstellen. Das Studium dieser Modelle ist höchst interessant; alle
möglichen Schiffstypen von dem plumpen holländischen Vollschiffe aus der Mitte des
18. Jahrhunderts bis zum modernen schneidigen Klipper, zum scharfgebauten schlanken
Stahlschiffe der Gegenwart werden uns hier vorgeführt. Auſser den Modellen hat die
Seewarte eine vollständige Instrumenten- und Signalausstattung eines
Kauffahrteischiffes ausgestellt, als Signallaternen, die verschiedenen Kompasse,
Barometer, Thermometer und dergleichen interessante Sachen mehr; des weiteren einen
Schrank mit allen Druckarbeiten der Seewarte, eine sehr interessante physikalische
Karte des indischen Oceans, ferner einen Pendelapparat, mehrere magnetische
Instrumente und schlieſslich eine ganze Reihe von Modellen, welche uns die
Entwickelung und Vervollkommnung nautischer Instrumente veranschaulichen.
In naturgetreuen Darstellungen finden sich ferner noch verschiedene Einrichtungen,
welche das Leben auf Kriegsschiffen darstellen. Die Küchen und Badekammern für die
Mannschaften zeigen den möglichsten Grad des Erreichbaren. Ein Lazareth und
Tragbahren erinnern an die ernste Bestimmung unserer Kriegsmarine.
Unter den vielfachen weiteren Schaustücken der Ausstellung verdient der Bauer'sche Brandtaucher nähere Beachtung, weil derselbe
das erste in praktischen Gebrauch genommene Unterseeboot ist und deshalb ein
hervorragendes Interesse namentlich angesichts der jüngsten Bestrebungen auf dem
Gebiete der Unterseeboote verdient. Dieser Bauer'sche
Brandtaucher war im J. 1851 gebaut und hatte die Bestimmung, unterhalb der
Wasserfläche an feindliche Fahrzeuge gebracht zu werden, um an diese Torpedos
anzulegen. Das Tauchboot, von welchem vielfache Abbildungen in der Literatur
vorhanden sind, hat eine Länge von 8m und ist
luft- und wasserdicht abschlieſsbar. Im Inneren ist ein Drehrad zur Bethätigung des
Schraubenpropellers angebracht; ferner finden sich Bewegungsvorrichtungen für
wagerechte Schrauben zum Heben und Senken des Bootes, zur Lösung von Ballast,
Wasser- und Luftpumpen u.s.w. Mannlöcher gestatteten, daſs ein Mann unter Wasser aus
dem Fahrzeuge stieg, um die Torpedos anzulegen.
Das Tauchboot verunglückte bei Versuchen im Kieler Hafen und wurde erst vor 3 Jahren
bei Baggerarbeiten wieder aufgefunden, gehoben und in das Marinemuseum in Kiel
gebracht.
Die privaten Schiffsbauanstalten sind sehr schwach vertreten. Nur eine geringe Anzahl
von Modellen und Halbmodellen gibt Zeugniſs von dem ernsten Streben unserer
Privatindustrie auch auf diesem Gebiete. Auch der Norddeutsche Lloyd, unsere gröſste deutsche Dampfschifffahrtsgesellschaft,
hat keine seiner Bedeutung entsprechende Vertretung gefunden. Nichtsdestoweniger sei
hier auf Grund einer vom Lloyd vertheilten Broschüre,
sowie einer umfangreichen Arbeit von Haack und Busley in der Zeitschrift des
Vereins deutscher Ingenieure näher über den Lloyd berichtet.
Gegründet im J. 1857, begann der Norddeutsche Lloyd
seine Fahrten mit einer kleinen, durch drei Schiffe betriebenen Linie nach England.
Im J. 1858 erfolgte die Eröffnung der New Yorker Linie, und bereits im folgenden
Jahre erhielten die deutschen Schiffe die Beförderung der amerikanischen-englischen
Post; 1863 zeigte der Personenverkehr bereits die Ziffer von 9714 Passagieren, 1866
wurde die wöchentliche Abfertigung eines New Yorker Dampfers erforderlich, im
folgenden Jahre zählte die Flotte acht transatlantische Dampfer und sechs nach
England. Die Zahl der Reisen belief sich auf 47 nach Amerika und 127 nach London und
Hüll; im J. 1868 kam zu den bestehenden Linien die Linie Bremen-Baltimore, 1869 die
Linie Bremen-New Orleans, im Herbst 1870 die Linie Bremen-Westindien, zugleich die
Eröffnung regelmäſsiger Fahrten zwischen Bremen, Rotterdam und Antwerpen. Das Jahr
1871 brachte die Eröffnung einer dritten englischen Linie, im J. 1875 folgte eine
Linie nach Brasilien und dem La Plata, welche im J. 1878 in zwei gesonderte Linien
geschieden wurde, wogegen die westindische Fahrt eingestellt ward. Im J. 1885
endlich übernahm der Norddeutsche Lloyd die
Reichspostlinien nach Ostasien und Australien mit den Zweiglinien im Mittelmeer,
zwischen China und Japan und in der Südsee.
Den wesentlichsten Abschnitt in der neueren Geschichte der Schifffahrt bildet das
Jahr 1880, in welchem zuerst der Schnelldampferbetrieb in die transatlantischen
Reisen aufgenommen wurde. Während bis dahin nur Schiffe von einer Schnelligkeit von
höchstens 13 bis 14 Meilen den transatlantischen Verkehr vermittelten und selbst
schon als Triumphe der Maschinentechnik betrachtet wurden, fingen im gedachten Jahre
einige englische Rhedereien an, einzelne Schiffe von gröſserem Tonnengehalte und
bedeutend gröſserer Geschwindigkeit als bisher in Fahrt zu stellen. Während es sich
aber hierbei meistens um vereinzelte Fälle handelte, erkannte die Direktion des Norddeutschen Lloyd, daſs im Schnelldampferbetriebe die
Zukunft der Passagierfahrt und des Postverkehres gelegen sei, daſs der gesammte
Verkehr, wenigstens auf der Hauptlinie, ausschlieſslich Schnelldampfer erfordere,
und zwar Schiffe von
einer Bauart, welche den Passagieren die gröſstmögliche Sicherheit neben der
ausgesuchtesten Eleganz und Bequemlichkeit der Einrichtung bieten könne. Diese
Erwägung führte zum Bau einer ganzen Flotte von Schnelldampfern. Bereits im J. 1882
wurde die Elbe in Fahrt gesetzt, ihr folgten 1883 Werra und Fulda, 1884 Eider und Ems, 1885 Aller, Trave und Saale,
Ende 1887 die Lahn. In der Gröſse von 4600 bis 5200t anwachsend, schwankt die Länge zwischen 420 und
460, die Breite von 45 bis 52 Fuſs. Während die Maschinen der Elbe 5600 zeigen, besitzen diejenigen der Lahn 9000, in der Schnelligkeit steigern sich die
einzelnen Jahrgänge der Schiffe von 16½ englischen Meilen in der Stunde (Dampfer Elbe) bis 19½ Meilen (Lahn).
Gleichzeitig wurde der von England überkommene Styl der inneren Einrichtung für die
Salons gänzlich verlassen. Während früher lediglich die Rücksichten der
Raumersparniſs zu Gunsten der Fracht der leitende Grundsatz waren, während ferner
die Salonausstattung sich in den Grenzen der auf das Aeuſserste beschränkten
Nothwendigkeit hielt, d.h. nichts weiter darstellte als öde rechteckige Räume für
das Einnehmen der Mahlzeiten, Räume, in denen auf Ausschmückung so gut wie gar nicht
Bedacht genommen war, wurde dieser Styl seitens des Norddeutschen Lloyd gänzlich verlassen. Von der richtigen Ansicht
geleitet, daſs mit den wachsenden Bedürfnissen der Gegenwart, mit der wieder
erweckten Neigung zu einer Umgebung voll Geschmack, auch den Passagieren ein anderer
Aufenthaltsort auf den Schiffen geboten werden müsse, als bisher, ging man dazu
über, neben einer jede Bequemlichkeit darbietenden Ausstattung der Kabinen,
besonders in den Salons, den Speisesälen, Damenzimmern und Rauchzimmern wahre
Meisterwerke des Kunstgewerbes der Gegenwart zu schaffen und dieselben auſserdem mit
den Werken von Künstlern ersten Ranges in der Malerei und Holzbildnerei zu
schmücken.
Gegenwärtig befinden sich im Bau zwei Schnelldampfer von etwa 7000t jeder, deren contractliche Geschwindigkeit sich
auf 20 Seemeilen die Stunde belaufen wird. Die Namen der vom Vulcan in Stettin demnächst zu liefernden Dampfer sind Spree und Havel. In
derselben Weise, wie es der Lloyd sich angelegen sein
lieſs, auf der New Yorker Linie alle anderen Linien zu übertreffen, ging derselbe
auch auf der ostasiatischen Reichslinie vor. Die drei für diese Fahrt neuerbauten
Dampfer Preuſsen, Bayern und Sachsen wurden von vornherein statt mit der contractlichen Geschwindigkeit
von 12 Seemeilen für eine Schnelligkeit von 15 Meilen erbaut, und übertreffen an
Dimension, innerer Ausstattung und aufgewandten Kosten bei Weitem die von der
Reichsregierung gestellten Anforderungen. Auf der australischen Reichslinie
verwandte der Lloyd zuerst ältere Dampfer, überzeugte
sich aber bald, daſs der Wettbewerb mit den englischen und französischen Linien auch
hier gröſsere Anforderungen stellte, als dies im Reichscontract verlangt wurde. Der Lloyd erbaute daher im J. 1888/89 für die australische
Fahrt den bis jetzt gröſsten Schnelldampfer seiner Flotte, den Kaiser Wilhelm II (6400t) von einer Geschwindigkeit von 16 bis 17 Meilen in der Stunde. Der Kaiser Wilhelm II stellt zugleich einen ganz neuen
Typus der für die Tropenschifffahrt bestimmten Schiffe dar. Die Prachtsäle für die
erste und zweite Klasse liegen auf dem Hauptdeck, von zwei bezieh. drei Seiten der
Luft freien Zugang gewährend: Ueber dem Hauptdeck erstreckt sich in einer Länge von
etwa 250 Fuſs für die erste und 100 Fuſs für die zweite Klasse das Promenadendeck,
welches in seinen Deckhäusern die Damen- und Musiksäle, sowie die Rauchzimmer für
beide Klassen enthält, während zu beiden Seiten der eisernen Deckhäuser ein wahrhaft
groſsartiger Raum für die freie Bewegung übrig gelassen ist. Gewonnen ist dieser
Raum zum Theil dadurch, daſs das Promenadendeck nochmals von einem hölzernen Decke
überdacht wird, auf welch letzterem die zwölf eisernen Boote in ihren Anhängebalken
untergebracht sind und über welchen sich die Dampfschlote erheben. Die feste
Bedachung des Promenadendecks ist an Stelle der früheren und sonst überall üblichen
Sonnensegel gewählt worden, um die Tropensonne wirksamer abzuhalten und den
Aufenthalt auf Deck bei jeder Witterung zu ermöglichen, endlich um die Belästigung
der Fahrgäste durch den Rauch gänzlich auszuschlieſsen.
Gleichzeitig mit dem Kaiser Wilhelm II wurde die Elbe in die australische Fahrt während der
Hauptreisezeit eingestellt. Das Jahr 1889 brachte jedoch noch eine weitere
Vermehrung der Flotte des Lloyd durch die Einstellung
der Dampfer München, Dresden, Karlsruhe und Stuttgart, welchen im laufenden Jahre vier weitere
Dampfer derselben Klasse folgen werden. Die Schiffe dieser Klasse bilden ebenfalls
einen neuen Typus der Seeschiffe; von ungeheuren Abmessungen und von einer
Geschwindigkeit von 13½ bis 14 Knoten in der Stunde sind dieselben hauptsächlich für
die Zwischendeckfahrt gebaut und im Stande, neben etwa 40 Kajütspassagieren 2000
Zwischendecker und auſserdem etwa 4 bis 5000t
Ladung zu befördern. Die gesammten nach allen Erfahrungen der neuesten Zeit und mit
allen Bequemlichkeiten versehenen Zwischendeckseinrichtungen lassen sich schnell und
leicht entfernen, so daſs dann der gesammte Raum für Ladungszwecke zur Verwendung
kommen kann. Die gesammten Neubauten während der fünf letzten Jahre allein bedeuten
die ungeheuere Vermehrung der Flotte des Lloyd um etwa
82000t, eingerechnet die sechs im Bau
befindlichen Schiffe. Von älteren Dampfern des Lloyd
ist während dieser Zeit nur ein einziger auſser Fahrt gesetzt (verkauft) worden.
Hand in Hand mit den Bestrebungen für Schnelligkeit der Beförderung und
Bequemlichkeit gingen diejenigen für die Sicherheit der Passagiere und der
Schiffsmannschaften. Abgesehen davon, daſs in der Wahl des Materials für den Bau die
allergröſste Vorsicht beobachtet wird, daſs jedes zur Verwendung kommende Material vorher
in den Werkstätten des Lloyd in Bremerhaven der
eingehendsten Prüfung auf Festigkeit und Güte unterworfen wird, abgesehen davon,
daſs man allmählich von der Verwendung des Eisens im Schiffsrumpfe zum besten Stahl
übergegangen ist, sind als allgemeine Sicherheitsmaſsregeln vor allen Dingen die
Vermehrung der eisernen Querschotten zu erwähnen, welche den gesammten Schiffsrumpf
in eine Anzahl von einander wasserdicht getrennter Theile scheiden (die Lahn besitzt solcher wasserdichter Abtheilungen
beispielsweise elf). Im Falle einer Collision können daher etwa 9/10 des ganzen
Schiffes vor dem Eindringen des Wassers vollkommen geschützt bleiben. Hand in Hand
mit diesen Sicherheitsmaſsregeln geht die Einführung der doppelten Schiffsböden,
zwischen denen wiederum eine Menge einzelner Abtheilungen durch Querschotten
geschaffen sind, welche, mit Wasserballast gefüllt, bei einer Strandung das
Eindringen des Wassers in den Schiffsraum behindern; endlich gehören als groſse und
allgemeine Sicherheitsmaſsregeln die Pumpenanlagen hierher, welche, mit den riesigen
Maschinen in Verbindung stehend, im Stande sind, in kürzester Frist etwa
eindringende Wassermassen wieder hinaus zu werfen.
Während die bisher genannten Sicherheitsmaſsregeln sich gegen die Wassergefahr
wenden, dienen eine Menge anderer dem Schütze vor dem Feuer. Dahin gehören zunächst
die mächtigen Dampffeuerspritzen, welche mit der Maschine in Verbindung stehen,
deren Röhrenleitungen in allen Theilen des Schiffes zum sofortigen Gebrauche zur
Hand sind, und welche natürlich keinerlei Vorheizung bedürfen. Es gehört dahin aber
vor allen Dingen eine Vorrichtung, welche es gestattet, durch einen einzigen
Hebeldruck im Maschinenraume jede einzelne Abtheilung des Schiffes unter Wasserdampf
zu setzen.
Ebenso ausgedehnt sind die Sicherheitsmaſsregeln. welche zur Anwendung kommen, wenn
im Falle der höchsten Noth ein Verlassen des Schiffes angezeigt erscheint. Jedes
Schiff ist natürlich zunächst mit einer Anzahl von Rettungsbooten ausgerüstet,
welche im Stande sind, die Mannschaft aufzunehmen. Die Boote sind durchweg aus
Stahlblech gebaut, mit Luftkästen versehen, mit Mast, Segeln, Steuer, Proviant und
Wasser ausgerüstet, so zwar, daſs letzteres ebenso wie der Proviant sofort beim
Antritte der Reise in den Booten untergebracht wird, deren jedes im Stande ist, 60
bis 80 Personen aufzunehmen. Um ferner die Boote schnell und sicher zu Wasser
bringen zu können, ein Manöver, welches oft nur sehr schwierig ausführbar ist,
besitzt die Mehrzahl derselben einen von dem Capitän Bruns des Norddeutschen Lloyd erfundenen
Patent-Fallapparat, durch welchen das Boot mittels eines einzigen Hebelzuges in den
Davits (Aufhängebalken) nach auſsen geschwungen und selbsthätig in etwa 11 Secunden
zu Wasser gelassen wird. Als Neuerung mag bemerkt werden, daſs beispielsweise auf
der Lahn alle 12 Boote auf der Reeling selbst stehen und durch das
bloſse Durchschneiden je einer Leine zu Wasser gebracht werden. Die Bemannung der
numerirten Boote wird sofort beim Aussegeln aus dem Hafen vorgenommen und die Liste
der für jedes Boot bestimmten Mannschaften und die Zahl der aufzunehmenden
Passagiere in allen Räumen des Schiffes aufgehängt.
Auſser den stählernen Rettungsbooten besitzt jeder transatlantische Dampfer des Lloyd eine Anzahl sogen. Sheperd'scher Patentflöſse – groſse eiserne und mit Luft gefüllte, an den
Enden kegelförmig zugespitzte Cylinder, welche durch Holzlattenwerk verbunden sind,
während in dem letzteren der Proviant, das Wasser und der Segelapparat geborgen ist.
Dieselben stehen für gewöhnlich frei auf Deck, wo sie als Bänke benutzt werden
können, und brauchen im Falle der Gefahr nur über Bord geworfen zu werden. Zu den
neuesten Anschaffungen des Lloyd gehören dann die
Patent-Segeltuchboote. Dieselben bestehen aus zwei parallel laufenden Stahlrahmen,
von der Form eines Bootquerschnittes; dieselben sind mit getheertem, durchaus
wasserdichtem Segeltuche überzogen und für gewöhnlich zusammengelegt, so daſs sie
einer groſsen Reisetasche nicht unähnlich sehen. Im Falle der Gefahr werden durch
wenige Handgriffe die Rahmen aufgeklappt, stählerne Spanten stellen sich selbsthätig
auf, das Segeltuch wird straff angezogen und ein Rettungsboot für etwa 40 Personen
ist fertig. Die Boote sind durchaus seetüchtig und werden, da sie sehr leicht
unterzubringen sind, stets in einer Anzahl von Exemplaren mitgeführt. Endlich mag
erwähnt werden, daſs bei Antritt der Reise jeder Passagier eine Korkweste erhält,
welche im Stande ist, ihn mit der gröſsten Leichtigkeit über Wasser zu halten.
Der Dampfer Amerika erhielt die erste von Krupp in Essen gefertigte Guſsstahlwelle für den
Schraubenpropeller; dieselbe war im J. 1862 in London ausgestellt und legte mit den
Grund zu Krupp's heutiger Gröſse. Heute gibt es nur
wenig Schiffsmaschinen, welche nicht auf Guſsstahlwellen arbeiten. Im J. 1863 war
die Amerika das schnellste deutsche Schiff, da es die
Reise nach Amerika in 10½ Tagen zurücklegte; heute wird die Reise in beinahe der
Hälfte dieser Zeit gemacht.
Interessant ist, daſs die Amerika bereits
Oberflächencondensatoren erhielt; letztere wurden dann bald allgemein eingeführt.
Für denselben Dampfer wurde 1871 die erste Compoundmaschine an Stelle der alten
Condensationsmaschine angeschafft. Auch hier waren die günstigen Ergebnisse dieser
Maschinenart die Ursache ihrer aligemeinen Einführung.
Bei diesem Umbaue der alten Condensationsmaschine zog der
Lloyd zum ersten Male die deutsche Industrie mit zur Arbeit heran.
Namentlich die Actiengesellschaft Weser in Bremen,
sowie der Vulcan in Stettin betheiligten sich an der
Neueinrichtung der Maschine.
Auch der erste Schnelldampfer Deutschlands war das Verdienst des Lloyd. Die Elbe, von John Elder in Glasgow 1880 gebaut, verkürzte die Entfernung
Southampton-New York auf 8 Tage 10 Stunden, eine Zahl, die jetzt nur durch die
Leistungen der Hamburger Doppelschraubendampfer Augusto,
Victoria und Columbia übertroffen ist (rund 6
Tage).
Mit Dreifach-Expansionsmaschinen wurde zuerst der Schnelldampfer Aller versehen. Der Dampfer Kronprinz Friedrich Wilhelm erhielt sogar eine
Vierfach-Expansionsmaschine, über deren Erfolg aber die Acten noch nicht
abgeschlossen scheinen.
Von hohem Interesse ist es, an den zum Lloyd seit seiner
Gründung beschafften Ueberseedampfern die verschiedenartigen Ansprüche zu
beobachten, welche zu verschiedenen Zeiten, je nach ihrer Beschäftigung, an sie
gestellt wurden. Zunächst war es besonders die Beförderung von Auswanderern aller
Klassen nach Amerika, welche möglichst groſse Geschwindigkeit der Schiffe
beanspruchte; daneben wurden so viel Güter mitgenommen, wie es der übrig gebliebene
Raum gestattete. Demnächst wurde der Frachtverkehr besonders auf den Linien nach
Mittel- und Südamerika so bedeutend, und zwar so viel lohnender als der mit
Passagieren, daſs man die Kajüten aus den Schiffen herausnahm und die neuen Schiffe
fast ganz auf das Einnehmen von Ladung einrichtete, ohne die Geschwindigkeit zu
vergröſsern. Mit Einführung der Schnelldampfer änderte sich dies sofort wieder in
das Gegentheil; diese dienen fast nur dem Passagierverkehr, der Post und dem Eilgut;
der gröſste Theil ihrer Tragfähigkeit wird durch die Gewichte von Schiff und
Maschine selbst, sowie von der bedeutenden Menge Kohlen, die mitgenommen werden
müssen, aufgebraucht, und alle Mittel wurden bei ihrem Baue zur Erreichung einer
möglichst hohen Geschwindigkeit aufgewendet. Endlich muſsten nun wieder Dampfer
beschafft werden, welche neben den Schnelldampfern nur der Beförderung von Ladung
dienen, wodurch die Arbeit, welche von den ersten Schiffen allein ausgeführt wurde,
jetzt von zwei ganz verschiedenen Arten Schiffen geleistet wird.
Die Werft- und Anlageeinrichtungen des Lloyd, welche in
Bremerhaven liegen, sind sehr groſsartig. Die im J. 1857 angelegte
Reparaturwerkstatt bildete sich mangels ähnlicher Fabriken bald zu einer
Maschinenfabrik aus. Das Docken der Schiffe geschah in England, bis 1862 das von Lange in Bremerhaven gebaute Trockendock fertig
gestellt war; erst von jetzt ab konnten die gröſseren Ausbesserungen auch hier
vollzogen werden. 1872 wurde ein weiteres Trockendock in Bremerhaven fertig, welches
den Lloyd endgültig von England unabhängig machte. Für
die Schnelldampfer, namentlich die groſse Lahn, genügt
aber auch dieses groſse Dock nicht mehr; besonders ist es die Wassertiefe auf der
Sohle der Dockeinfahrt, welche bei dem groſsen Tiefgange gerade dieses Schiffes und
bei ungünstigem Wasserstande in dem Hafenbassin, mit welchem das Dock in Verbindung
steht, das Ein- und Ausdocken verhindert. Zur Abhilfe dieses Uebelstandes ist 1888 ein
groſses Pumpwerk angelegt, mittels dessen der Wasserspiegel im Hafenbassin um etwa
30cm innerhalb einer Stunde erhöht werden
kann. Dann ist die Durchfahrt durch das Dockthor auch für die Lahn möglich.
Auch die Wassertiefe auf der Sohle des Einfahrtsbassins genügt jetzt nicht mehr, so
daſs die groſsen Schiffe nicht völlig ausgerüstet den Hafen verlassen müssen, um auf
der Rhede erst ihren Kohlenvorrath einzunehmen. Jetzt schweben Verhandlungen mit dem
Bremer Senat, um diesen Uebelstand dauernd durch Vertiefung der Einfahrt zu
beheben.
Die gesammten Dock- und Werftanlagen sind mit elektrischer Beleuchtung versehen, so
daſs die Arbeiten auch Nachts weitergeführt werden können. Die Werkstätten sind
jetzt so eingerichtet, daſs auch alle Neuausrüstungen mit Kesseln und Maschinen hier
bewirkt werden.
Groſsartige und kostspielige Einrichtungen muſsten im Interesse der Passagiere, sowie
zum schnellen Laden und Löschen der Schiffe getroffen werden. Eine Eisenbahn führt
die Passagiere unmittelbar vor die Schiffe, wo auch noch ein groſser Wartesaal
u.s.w. vorgesehen ist.
Mit der Reparaturwerkstatt ist eine groſse Waschanstalt für die Wäsche der Schiffe
verbunden. Ebenso sind in Bremerhaven die Vorrathshäuser für den Schiffsbedarf
errichtet. Welche riesigen Vorräthe zur Ausrüstung eines Dampfers für eine
Ueberseereise erforderlich sind, zeigt die Bremer Ausstellung, wo ein solcher
einmaliger Reisevorrath seitens der Lloyd-Verwaltung ausgestellt ist. –
Die Bremer Ausstellung ist ferner von der Deutschen
Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger beschickt, welche die auf Schiffen
und an den Küsten zur Rettung vorgeschlagenen Einrichtungen in sehr hübschen
Modellen und Naturausführungen veranschaulicht.
Hinzuweisen ist ferner auf die Bedeutung, welche die Elektrotechnik für die Marine
gewonnen hat und welche sich in zahlreichen Ausstellungsgegenständen bemerkbar
macht. Wir finden auſser allgemeinen Beleuchtungseinrichtungen die bekannten
Scheinwerfer für die Kriegsschiffe und auch einen Signalapparat von Kaselowsky, welcher durch farbige Glühlampen wirkt,
welche in beliebiger Reihenfolge von einer Stellscheibe aus bethätigt werden
können.
(Fortsetzung folgt.)