Titel: | Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken. |
Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 181 |
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Neuere Verfahren und Apparate für
Zuckerfabriken.
Neuere Verfahren und Apparate für Zuckerfabriken.
Ueber neue Süſsstoffe berichtet Dr. Kronberg (Deutsche
Zuckerindustrie, Bd. 15 Nr. 31. S. 959).
Nachdem einmal seit der Einführung des Fahlberg'schen
Saccharins die Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Welt darauf gerichtet ist, daſs die Zuckerarten bei
weitem nicht als die Träger des höchsten Grades von Süſsigkeit anzusehen sind,
werden fort und fort, bald hier, bald da, neue Stoffe von groſser Süſsigkeit
beobachtet, und man könnte bald eine ganze Tabelle von „Saccharinen“ (in
allgemeinerer Bedeutung) zusammenstellen und Versuche wagen, den Zusammenhang
zwischen der Eigenschaft der Süſsigkeit und der chemischen Constitution dieser
interessanten Stoffe zu erforschen. Beispielsweise berichtete Herr Berlinerblau, Professor an der Universität in Bern, in
der Sektion für Chemie bei der Französischen Gesellschaft zur Förderung der
WissenschaftenAssociation française pour l'avancement des
sciences, fusionnée avec l'association scientifique de France
(fondée par Le Verrier en 1864); Compte rendu de la 18me Session (1889–90), I, p.
278. über einen neuen Süſsstoff der aromatischen Reihe von der Formel
C6H4.OC2H5.NH.CO.NH2, welche er durch Einwirkung von Kaliumcyanat auf
die Salze des Amidobenzols (?? soll wohl heiſsen „Amidophenetols“, vgl.
unten) erhalten hat. Die isomere (d.h. hier: sowohl procentual als auch nach
Atomgruppen gleich zusammengesetzte, aber in ihren Atomgruppen anders angeordnete)
Orthoverbindung ist geschmacklos, und der analoge schwefelhaltige Körper C6H4.OC2H5.NH.CS.NH2 bitter. Herr Berlinerblau glaubt, daſs es kein zweites Beispiel für eine so
ausgesprochene Verschiedenheit in den Eigenschaften der Sinneswahrnehmung zwischen
Isomeren oder Homologen gibt. Bei der Discussion über diese höchst eigenthümliche
Thatsache bemerkte Herr Cazeneuve, daſs er einen
Amidocampher von ausgesprochen süſsem Geschmack erhalten habe; Herrn Grimaux war der süſse Geschmack schon vor 15 Jahren an
einem von ihm dargestellten Nitropyruvinureïd ("uréide pyruvique nitrée)
aufgefallen, und Herr Franchimont erinnerte bei dieser
Gelegenheit daran, daſs auch der Dimethylharnstoff ("diméthyl urée") süſs ist.
Das Nitropyruvinureïd, welchem die Formel C4H3N3O4 oder \mbox{CO}\left\{ {{\mbox{N }\ \
:\mbox{C.CH}_2(\mbox{NO}_2)\ \ \ }\atop{\mbox{NH . CO}}\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \
\ \ } \right. zukommt (vgl. Beilstein,
organische Chemie, 2. Aufl. 1886, Bd. I S. 1038, sowie Wurtz, Dictionnaire de chimie pure et appliquée. Band
III, Paris 1878, S. 579, 580: „monouréide pyruvique nitrée“ C4H3(AzO2)Az2O2Oder:\mbox{CH}_2(\mbox{AzO}_2)\left.
{{\dot{\mbox{C}}=\mbox{Az}}\atop{\dot{\mbox{CO}}.\mbox{AzH}}}
\right>\mbox{CO}, erhält man aus dem „Pyruvil“ durch Rochen mit 4 bis 5 Th.
gewöhnlicher Salpetersäure, Verdampfen zum Syrup, Erkaltenlassen, Waschen des
Rückstandes mit 2 bis 3 Th. Wasser und Lösen in 25 Th. siedendem Wasser, in Form
hellgelber glänzender Blättchen, welche in kaltem Wasser nur wenig löslich und auch
erst in 25 Th. kochendem Wasser löslich sind. Das Pyruvil für diese Darstellung gewinnt man aus
Harnstoff und Brenztraubensäure, indem man 2 Th. von ersterem und 1 Th. von
letzterer 1 bis 2 Stunden auf 100° erhitzt, dem erhaltenen Gemenge gleichzeitig
gebildetes brenztraubensaures Ammoniak und unveränderten Harnstoff durch kochenden
Alkohol entzieht und den Rückstand aus 10 Th. kochendem Wasser krystallisirt. Der
Harnstoff', ein wesentlicher Bestandtheil des Harns, ist bekanntlich nach der so
berühmt gewordenen Entdeckung Wöhler's auch künstlich
darzustellen, nämlich aus cyansaurem Ammoniak durch Molekularumlagerung, und man
führt diese Darstellungsweise in der Regel so aus, daſs man Kaliumcyanat mit der
äquivalenten Menge Ammoniumsulfat versetzt, das Gemisch, in welchem sich durch
Wechselzersetzung neben Kaliumsulfat Ammoncyanat bildet, im Wasserbade zur Trockne
verdampft und den Rückstand mit Alkohol auszieht, in welchem der Harnstoff in der
Hitze leicht löslich ist, während das Kaliumsulfat zurückbleibt. Die erforderliche
Brenztraubensäure stellt man durch Destilliren von Weinsäure mit saurem
schwefelsaurem Kali und Fractioniren als Flüssigkeit vom spec. Gew. 1,29 dar.
Man gelangt also hier von relativ einfachen Rohstoffen: cyansaurem Kali,
schwefelsaurem Ammoniak, Weinsäure und Salpetersäure zu dem Atomcomplex
\mbox{CO}\left\{
{{\mbox{N }:\mbox{C.CH}_2(\mbox{NO}_2)}\atop{\mbox{NH}\,.\,\dot{\mbox{C}}}\ \ \
\ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ \ }, wieder einer jener so eigenthümlichen
complicirten Atomconfigurationen, welche, bis jetzt noch nicht näher erklärbar, die
Eigenschaft bedingen, in den Geschmacksnerven die Empfindung der Süſsigkeit
hervorzurufen.
Der Dimethylharnstoff, welchen Franchimont im Auge hat,
ist der von ihm dargestellte unsymmetrische Dimethylharnstoff NH2.CO.N(CH3)2, welchen man aus Kaliumcyanat und
Dimethylaminsulfat in sehr süſsen groſsen Krystallen erhält, nicht der von Wurtz aus Methylcyanat und Methylaminsulfat erhaltene
symmetrische Dimethylharnstoff.
Die Angabe des Herrn Berlinerblau bezieht sich
namentlich auf diejenigen Körper, welche er im Journal für
praktische Chemie, Bd. 30 S. 97 bis 115 (vgl. Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, Jahrg. 17 [1884] Referate
S. 609 bis 610) als Aethoxyphenylharnstoff und Aethoxyphenylthioharnstoff
erwähnt.
Der Para-Aethoxyphenylharnstoff
C9H12N2O2 =
C2H5O.C6H4.NH. CONH2
(vgl. Beilstein 1888 Bd. 2 S.
466; J. pr. Chem., N. F. Bd. 30 S. 104) wird aus
salzsaurem p-Amidophenetol und Kaliumcyanat in schwer löslichen, sehr süſs
schmeckenden Blättchen erhalten.
Der Para-Aethoxyphenylthioharnstoff
C9H12N2SO = C2H5O.C6H4.NH.CS.NH2
oder Aethyläther des Oxyphenylthioharnstoffes (vgl. J. pr. Chem., Bd. 30 S. 108; Beilstein l. c. S. 466) entsteht aus salzsaurem p-Amidophenetol und Rhodanammonium und
schmeckt nach der Angabe von Berlinerblau (l. c. J. pr. Chem., Bd. 30 S. 108) sehr bitter (nach Beilstein dagegen süſs – jedenfalls zu berichtigen, da
dieser Berlinerblau citirt).
Die zugehörige Ortho-Verbindung (vgl. J. pr. Chem., Bd.
30 S. 106, Beilstein S. 460: Aethyläther des
o-Oxyphenylthioharnstoffes) entsteht aus salzsaurem o-Amidophenetol und
Rhodanammonium bei 2- bis 3 maligem Abdampfen und schmeckt nach Berlinerblau ebenfalls sehr bitter.
Die Stellungen der Atome zu einander (in den verschiedenen isomeren Verbindungen),
der Ersatz eines einzigen Atoms unter zahlreichen anderen durch ein anderes
ähnliches Atom (Schwefel durch Sauerstoff) u. dgl. Dinge, welche von Haus aus nur
für die abstrakte Theorie überhaupt von Interesse zu sein scheinen, spielen also für
die Eigenschaft der Süſsigkeit, welche zuerst die Aufmerksamkeit des Menschen gerade
auf den Zucker gelenkt hat, eine ganz hervorragende Rolle und fordern zu weiterer
Vertiefung in dies für den organischen Chemiker schon an sich so hochinteressante
Gebiet auf.
Lindet empfahl eine Methode zur Darstellung von
Raffinose aus Melasse, insbesondere zur Trennung von Raffinose und Rohrzucker (Comptes rendus, Bd. 110 S. 795), welche sich durch
Schnelligkeit und Sicherheit des Erfolges auszeichnet und auſserdem den Vorzug hat,
sich auch noch auf andere Stoffe als die Raffinose anwenden zu lassen.
Bevor man die Raffinose abscheiden und von der Saccharose trennen will, muſs man
(abweichend von allen bisherigen Methoden) die Melassen reinigen und entfärben, um
sie von der Hauptmenge der den Zucker verunreinigenden und am Krystallisiren
hindernden Stoffe zu befreien. Dies bewirkt der Verfasser nicht durch Bleiessig,
sondern durch schwefelsaures Quecksilberoxyd. Wenn man eine Lösung von Melasse im 5-
oder 6fachen Gewichte Wasser in der Kälte mit schwefelsaurem Quecksilber schüttelt,
so sieht man neben der Bildung eines Niederschlages von basisch schwefelsaurem Salz
eine solche einer flockigen, braunen Verbindung, deren Zusammensetzung verwickelt
ist, die aber Ulminstoffe, Stickstoffverbindungen und Quecksilber enthält. Die
Flüssigkeit klärt und entfärbt sich manchmal vollständig, manchmal theilweise. Man
filtrirt, sättigt die aus der Zersetzung des schwefelsauren Quecksilbers herrührende
Schwefelsäure und läſst kochen unter Beibehaltung einer geringen Alkalität. Die
entfärbte Lösung wird dann in Luftleere zu einem dicken Syrup eingedampft und dieser
mit starkem Methylalkohol vermischt, wodurch abermals Unreinigkeiten abgeschieden
werden.
Die Behandlung mit dem Quecksilbersalz, dem Baryt und dem Methylalkohol hat die
Melasse so gereinigt, daſs nur noch die Raffinose von der Saccharose getrennt zu
werden braucht. Dies kann entweder durch nachstehend beschriebene Behandlung der
methylalkoholischen Lösung oder auch so geschehen, daſs man den Alkohol verjagt, die nunmehr leicht
sich abscheidende Saccharose krystallisiren läſst und den Ablaufsyrup im
Methylalkohol löst und weiter behandelt.
Zur Trennung der Saccharose und Raffinose wird dann die verschiedene Löslichkeit
dieser Zucker einerseits im Methylalkohol, andererseits im Aethylalkohol
benutzt.
Scheibler hat gezeigt, daſs die Raffinose viel löslicher
in absolutem Methylalkohol ist, als die Saccharose (100 Th. Methylalkohol lösen 9,5
Raffinose und 0,4 Saccharose), allein die Löslichkeit der Saccharose nimmt sehr
rasch mit dem Wassergehalte des Alkohols zu, so daſs die Trennung der beiden Zucker
durch unmittelbare Behandlung des beide enthaltenden Syrups durch starken
Methylalkohol sehr schwierig ist. Der Löslichkeitsunterschied wird so benutzt, daſs
nicht der Syrup vor dem Vermischen mit wasserfreiem Methylalkohol, sondern die
methylalkoholische Lösung selbst entwässert wird. Man sieht dann, in dem Maſse wie
sie ihr Wasser verliert, die Saccharose ihre normale Löslichkeit in concentrirtem
Alkohol wieder gewinnen und sich krystallinisch abscheiden.
Man bringt die methylalkoholische Zuckerlösung in einen Kolben und erhitzt diesen im
Wasserbade. Die Alkoholdämpfe mit Wasserdampf gehen in einen ersten Kühler, unter
welchem ein zweiter mit Kalk gefüllter und ebenfalls im Wasserbade erhitzter Kolben
sich befindet. Die condensirte Flüssigkeit wird durch den Kalk entwässert und
entweicht in Gestalt alkoholreicher Dämpfe, die sich in einer zweiten Kühlschlange
condensiren, woraus diese Flüssigkeit in den ersten Kolben zurückgeht. Beim Abkühlen
krystallisirt die Saccharose gröſstentheils aus.
Auf diese Arbeit, welche die Flüssigkeit an Raffinose anreichert, folgt eine zweite,
welche im Zusatze von Aethylalkohol besteht.
Die Raffinose ist im Methylalkohol von 95° G. L. zu 11,4 Proc. löslich, in
Aethylalkohol derselben Dichte aber nur zu 0,06 Proc. Wenn man also zu einer
methylalkoholischen Lösung gewöhnlichen Alkohol hinzufügt, so fällt ein
syrupähnliches Product nieder, welches so viel Raffinose enthält, daſs man diese
leicht entweder durch Krystallisation aus Wasser oder aus gewöhnlichem Alkohol
gewinnen kann.
Letzteres ist vorzuziehen, nur muſs man dazu nicht starken Alkohol, sondern solchen
von höchstens 80 bis 85° anwenden. Es nimmt nämlich die Löslichkeit der Saccharose
im Alkohol rasch mit dessen Wassergehalt zu, während diejenige der Raffinose unter
diesen Verhältnissen sich kaum verändert.
Saccharose
Raffinose
Alkohol
von
95°
löst
Proc.
0,30
0,06
„
„
90°
„
„
1,00
0,08
„
„
85°
„
„
2,23
0,10
„
„
80°
„
„
6,20
0,21
Man kann also, ohne groſsen Raffinoseverlust befürchten zu müssen, derart verdünnten Alkohol
anwenden, daſs die Saccharose in die Mutterlauge der Krystallisation übergeht.
Es sind hiernach folgende vier Arbeiten nach einander auszuführen, um Raffinose aus
Melasse abzuscheiden:
1) Reinigung und Entfärbung der Melassen durch schwefelsaures Quecksilber, Baryt und
Methylalkohol.
2) Entwässerung der methylalkoholischen Lösung mittels Kalk beim Siedepunkt dieses
Alkohols.
3) Fällung der methylalkoholischen Lösung durch gewöhnlichen Alkohol.
4) Krystallisation des Niederschlages in Aethylalkohol von 80 bis 85°. Das
Direktorium des Vereins für die Rübenzucker-Industrie des Deutschen Reiches erlieſs
ein Rundschreiben an die Handelschemiker (Zeitschrift
des Vereins 1890 Bd. 40 S. 439 ff.), aus welchem wir den von einer
Sachverständigen-Commission vereinbarten Entwurf für eine Anleitung zur Bestimmung
des Gehaltes an Raffinose und Invertzucker in den Producten der deutschen
Rübenzuckerfabrikation entnehmen. Zweck derselben soll sein, den Herren
Handelschemikern bei ihren Untersuchungen als Norm zu dienen, da die Nothwendigkeit
eines übereinstimmenden Verfahrens nicht wohl bestritten werden kann und im
Interesse der Zuckerfabrikanten sowohl wie der Herren Handelschemiker selbst
liegt.
1) Polarisation.
a) Erwärmung der Proben. Gegen das Erwärmen der Proben sind wissenschaftliche
Bedenken nicht zu erheben, es ist bei Einzeluntersuchungen vielmehr vorzuziehen. Bei
gleichzeitiger Inangriffnahme einer gröſseren Zahl von Analysen wird die Rücksicht
auf Zeitersparniſs über die Wahl zwischen der Arbeit mit kalten bezieh. mit
erwärmten Proben entscheiden.
b) Anwendung von Bleiessig bei Erstproducten ist, besonders bei Benutzung der Ventzke-Soleil-Scheibler'schen Apparate, nicht wohl zu
entbehren. Der Bleiessig ist aber nach der Vorschrift der deutschen Pharmacopoe II.
Ausgabe S. 170 zu bereiten: Spec. Gew. 1,235 bis 1,240; auſser Bleiessig soll
überdies in allen Fällen zur Klärung noch colloidale Thonerde, nach Scheibler's Vorschrift bereitet, zugesetzt werden.
c) Klärung dunkler Nachproducte. Die Anwendung anderer Klärmittel als Bleiessig und
colloidaler Thonerde ist möglichst zu vermeiden. Von Kohlensorten darf nur
extrahirte Kohle angewendet werden, welche nach Vivien's Vorschrift aus guter Knochenkohle durch Auswaschen mit Salzsäure und
Wasser mit nachfolgendem Glühen bereitet ist.
d) Polarisation der Melasse. Das halbe Normalgewicht Melasse gelöst, wird mit
thunlichst viel Bleiessig geklärt und zu 100 aufgefüllt; das Ergebniſs der Analyse
wird, ohne Correctur für das Volumen des Niederschlages, berechnet durch
Multiplication der im 200mm-Rohre beobachteten Ablenkung mit 2 bezieh.
der im 100mm-Rohre beobachteten Ablenkung mit
4.
2) Bestimmung des
Invertzuckers.
a) Qualitativ.
Behufs Ausführung der qualitativen Invertzuckerbestimmung wird bezüglich der
Menge der Substanz und der Fehling'schen Lösung,
sowie der Dauer des Kochens genau so verfahren, wie bei quantitativen
Bestimmungen. Ergibt sich dabei keine oder eine nicht wägbare Ausscheidung von
Kupferoxydul, so ist die Untersuchung nicht weiter zu verfolgen; anderenfalls
wird sie quantitativ zu Ende geführt.
b) Quantitativ.
Wird für Rohzucker oder Melasse die Bestimmung der reducirenden Substanz
gefordert, so kann, falls die Beschaffenheit des Musters dazu nöthigt, dieselbe
in einer vorher mit Bleiessig geklärten Lösung vorgenommen werden.
Die Bestimmung soll auch ferner erfolgen nach dem Verfahren, welches die im J.
1885 eingesetzte Invertzucker-Commission angenommen hat und welches in der
Vereins-Zeitschrift Jahrg. 1886 S. 6 und 7 veröffentlicht ist. Bei Anwendung
dieses Verfahrens ist jedoch ganz besondere Aufmerksamkeit auf die Reinheit der
zur Herstellung der Fehling'schen Lösung benutzten
Reagentien zu richten. Gute Fehling'sche Lösung
soll gegen chemisch reinen Zucker bei Innehalten der Arbeitsvorschrift ein
Oxydationsvermögen von mindestens 16 und höchstens 22mg Kupfer zeigen. Die Verwendung der Soldaini'schen Lösung ist für Handelsanalysen zu
vermeiden.
Wird bei der quantitativen Analyse weniger als 50mg Kupfer gewogen, so gilt Invertzucker als „quantitativ nicht
bestimmbar“.
Melasse mit nicht mehr als 1 Proc. Invertzucker ist wie fester Zucker zu
untersuchen und das Ergebniſs nach der Herzfeld'schen Tabelle zu berechnen.
Melasse mit mehr als 1 Proc. Invertzucker wird zwar in gleicher Weise untersucht,
jedoch unter Anwendung von weniger Substanz von der zur Analyse genommenen
Melasse entsprechend dem steigenden Gehalte an Invertzucker, nach der in den
Ausführungsvorschriften zum Zuckersteuergesetze Anlage B unter I gegebenen
Anleitung. Bei Berechnung des Ergebnisses sind die Tabellen von Meissl bezieh. von Hiller zu benutzen: siehe den Herzfeld'schen Bericht in der Vereins-Zeitschrift 1890 Märzheft S. 191,
bezieh. die als Anhang hier beigefügte Arbeitsvorschrift.
3) Zuckerbestimmung in der Melasse
nach Clerget.
Eine Klärung durch Bleiessig findet nicht statt. Das halbe Normalgewicht an Melasse
wird direkt im 100cc-Kolben nach der Vorschrift
in Anlage B der
Ausführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetze (vgl. die als Anhang beigefügte
Arbeitsvorschrift) invertirt; nach Auffüllen bis zur Marke wird, falls nöthig, mit
extrahirter Kohle geklärt.
Das Ergebniſs wird nach der Formel \frac{100\,S}{132,66} für 20°
C. Temperatur berechnet; bei abweichender Temperatur erfolgt die Correctur entweder
nach der Tuchschmidt'schen Formel
\frac{100\,S}{132,66-1/2\,t} oder nach der Formel J20 = Jt + 0,0038S(20 – t).
4) Bestimmung der
Raffinose.
a) Die Bestimmung der Raffinose erfolgt nur bei Producten der Melasseentzuckerung. Zu
verfahren ist nach der obigen Inversionsvorschrift bezieh. nach Anlage B der
Ausführungsbestimmungen zum Zuckersteuergesetze. Das Ergebniſs ist jedoch nicht nach
der dort angegebenen Formel zu berechnen, sondern nach der Formel:
Z=\frac{0,5124\,P-J}{0,8390} und
R=\frac{P-Z}{1,852}. Vgl. die Tabelle II im Herzfeld'schen Berichte, Vereins-Zeitschrift 1890
Märzheft S. 199.
b) Bei Producten mit mehr als 2 Proc. Invertzucker ist von Bestimmung der Raffinose
mittels der Inversionsmethode Abstand zu nehmen.
Diesem Entwürfe ist als Anhang nachstehende Arbeitsvorschrift für die Invertzuckerbestimmung beigefügt:
Bereitung der Fehling'schen Lösung. a) 34g,639 krystallisirter Kupfervitriol werden mit
500cc Wasser übergössen und gelöst, der
Kupfervitriol darf nicht verwittert sein.
b) 173g Seignettesalz werden mit 400cc Wasser übergössen, dann 100cc Natronlauge, welche 500g Natronhydrat im Liter enthält, zugesetzt und
nach dem Lösen filtrirt.
Ausführung der Analyse. Zur Invertzuckerbestimmung wird
man im Allgemeinen die mit Bleiessig und Thonerde oder mit letzterer allein geklärte
Flüssigkeit benutzen können, ohne daſs das Blei entfernt zu werden braucht, nur bei
Anwendung eines sehr groſsen Ueberschusses von Blei oder im Falle die Flüssigkeit
viel alkalische Erden enthält, ist es nothwendig, dieselbe noch nachträglich mit
Soda zu behandeln. Im ersteren Falle verwendet man zur Analyse 38cc,4 der Polarisationsflüssigkeit (26g,048 : 100), welche man durch Wasserzusatz auf
50cc bringt, im zweiten z.B. 18g Substanz, welche mit Bleiessig auf 75 aufgefüllt
werden, davon werden 50 mit kohlensaurem Natron zu 60cc verdünnt und hiervon wiederum 50 zur Analyse verwandt. Oder man nimmt
46cc,07 der Polarisationsflüssigkeit, füllt
mit kohlensaurem Natron zu 60cc auf und verwendet
50cc davon zur Analyse.
Stets muſs die Zuckerlösung behufs der Invertzuckerbestimmung filtrirt werden. Enthält ein
Zucker keine mit Bleiessig fällbaren Substanzen, so löst man beispielsweise 20g zu 100, filtrirt und verwendet vom Filtrate
50cc. Die Filtration darf nie unterlassen
werden, da Holztheile und andere mechanische Verunreinigungen das Resultat
beeinflussen können. – Es müssen stets 10g
Substanz zu 50cc gelöst zur Analyse verwendet
werden, falls die Herzfeld'sche Tabelle benutzt werden
soll.
50cc der wie eben angegeben bereiteten Zuckerlösung
werden mit 50cc
Fehling'scher Lösung (25cc Seignettesalz-Natronlauge und 25cc
Kupferlösung) in eine Erlenmeyer'sche Kochflasche
gebracht, gut umgeschwenkt und möglichst rasch über einem Drahtnetze, welches eine
Asbestpappe mit kreisförmigem Ausschnitte von 6cc,5 im Lichten bedeckt, unter Benutzung eines Dreibrenners zum Sieden
erhitzt. Sobald in 3 bis 4 Minuten der Kochpunkt eingetreten ist, den man von dem
Moment an rechnet, wo Blasen nicht nur aus der Mitte, sondern auch am Rande des
Gefäſses aufsteigen, wird genau 2 Minuten mit der kleineren Flamme eines Einbrenners
im Kochen erhalten. Zur Zeitbestimmung bedient man sich zweckmäſsig, wenn man viele
Bestimmungen ausführen muſs, statt einer gewöhnlichen Secundenuhr einer kleinen
Sanduhr, welche nach 2 Minuten eine Glocke ertönen läſst. Alsdann wird die
Kochflasche sofort von der Flamme entfernt und 100cc kaltes, luftfreies, destillirtes Wasser in dieselbe gebracht, um den
Inhalt rasch abzukühlen und so nachträgliche Abscheidung von Kupferoxydul zu
verhindern, und von einer guten Luftpumpe sofort durch das gewogene Asbestrohr
abfiltrirt. Man befeuchtet den Asbest vorher mit etwas Wasser. Nachdem die
Flüssigkeit abgelaufen ist, bringt man den Niederschlag zweckmäſsig mit kaltem
Wasser unter Zuhilfenahme einer Federfahne auf das Filter, weil bei solcher
Behandlung das lästige Anhaften des Kupferoxyduls an den Gefäſswänden nicht in dem
Maſse eintritt, als bei der Anwendung von heiſsem Wasser, und wäscht erst, nachdem
der Niederschlag vollständig in das Asbeströhrchen gespült worden ist, mit 300 bis
400cc siedend heiſsem Wasser aus. Während des
Abfiltrirens thut man gut, einen kurzhalsigen Trichter lose auf das Asbeströhrchen
zu setzen, den man beim Auswaschen durch einen gröſseren ersetzt, welcher durch
einen dicht schlieſsenden Kautschukstopfen auf dem Rohre befestigt wird. Während des
ganzen Filtrirens hat man Acht, daſs die Flüssigkeit im Asbeströhrchen niemals ganz
abläuft. Ist das Auswaschen vollendet, so deckt man noch mit etwa 20cc absolutem Alkohol, nach Belieben darauf auch
noch mit Aether ab und bringt das Röhrchen in einen auf 130 bis 200° erhitzten
Trockenschrank.
Sobald dasselbe genügend getrocknet ist, erhitzt man denjenigen Theil, wo das
abfiltrirte Kupfer über dem Asbest liegt, über einem Brenner bis zum schwachen
Glühen, um die Oxydation des Kupferoxyduls zu Kupferoxyd zu bewirken und dabei
vorhandene organische Substanz zu verbrennen. Diese Procedur darf nicht unterlassen
werden, da bei
Bestimmung geringer Invertzuckermengen im Zucker augenscheinlich stets eine
organische Kupferverbindung neben Kupferoxydul ausfällt, deren Natur noch nicht
bekannt ist.
Das auf diese Weise präparirte Rohr wird sodann mittels eines Kautschukstopfens vor
einen Wasserstoffapparat gespannt, welcher möglichst arsenfreies Gas entwickelt.
Zweckmäſsig verlängert man die verengerte Stelle des Rohres durch Ansetzen eines
Kautschukschlauches und Glasröhrchens, um den Luftzutritt zu verhindern, und
reducirt das Kupferoxyd durch langsames Erwärmen im Wasserstoffstrome. Sobald die
Reduction vollendet, was in wenigen Minuten der Fall ist, läſst man im
Wasserstoffstrome erkalten, wobei das gebildete Wasser, welches sich zum Theil im
Halse des Rohres angesetzt hat, völlig verflüchtigt wird, ohne daſs besonderes
Erwärmen der betreffenden Stellen nöthig wäre. Das erkaltete Rohr wird in den
Exsiccator gebracht und nach einer Viertelstunde gewogen. Als Exsiccator benutzt man
ein hohes Standgefäſs, zum Wägen befestigt man das Rohr in einer Drahtschlinge.
Statt über Asbestfilter kann man den Niederschlag auch über ein mit Fluſssäure
ausgewaschenes Papierfilter filtriren. Man wäscht denselben zunächst mit kaltem
Wasser, darauf mit 300 bis 400cc heiſsem aus,
verascht im Platintiegel und reducirt das Kupferoxyd in demselben im
Wasserstoffstrome, welchen man in der bekannten Weise in den mit einem
durchlöcherten Thondeckel bedeckten Tiegel leitet.
Wenn man in dieser Weise verfährt, wird von dem Papiere nur sehr wenig Kupfer aus der
Lösung zurückgehalten. Um über diesen Punkt Klarheit zu gewinnen, eventuell auch
eine Correctur anzubringen, führt man bei Verwendung neuer Papiersorten jedesmal
zunächst eine blinde Bestimmung aus, wäscht das Filter wie vorgeschrieben aus und
bestimmt die Menge des in der Asche verbleibenden Kupferoxyds. Von den bekannten Schleicher und Schüll'schen aschenfreien Filtern von
9cm Durchmesser wird in der Regel nicht mehr
als 1mg Kupferoxyd zurückgehalten.
Beträgt die Menge des reducirten Kupferoxyduls nicht mehr, als 0g,1 Kupferoxyd entspricht, so kann man bei
Handelsanalysen die Reduction zu metallischem Kupfer unterlassen und sich damit
begnügen, das Oxydul durch Glühen behufs Wägung in Oxyd überzuführen. Zur Benutzung
der auf S. 191 stehenden Tabelle muſs die gefundene Menge des letzteren
selbstverständlich zunächst auf Kupfer umgerechnet werden.
Die Untersuchung von Melassen wird genau so ausgeführt wie die fester Zucker, d.h. es
werden 10g Substanz zu 50cc gelöst mit 50cc
Fehling'scher Lösung behandelt. Das Entbleien, welches
hier selten wird unterbleiben können, hat mit Rücksicht auf einen Kalkgehalt stets
mit kohlensaurem, nicht mit schwefelsaurem Natron zu erfolgen.
Gewisse Melassen geben, auf diese Weise untersucht, Abscheidungen
Tabelle zur Berechnung des Procentgehaltes an Invertzucker aus
dem gefundenen Kupfer bei Anwendung von 10g
Substanz zur Analyse.
Cumg
InvertzuckerProc.
Cumg
InvertzuckerProc.
50
0,05
185
0,76
55
0,07
190
0,79
60
0,09
195
0,82
65
0,11
200
0,85
70
0,14
205
0,88
75
0,16
210
0,90
80
0,19
215
0,93
85
0,21
220
0,96
90
0,24
225
0,99
95
0,27
230
1,02
100
0,30
235
1,05
105
0,32
240
1,07
110
0,35
245
1,10
115
0,38
250
1,13
120
0,40
255
1,16
125
0,43
260
1,19
130
0,45
265
1,21
135
0,48
270
1,24
140
0,51
275
1,27
145
0,53
280
1,30
150
0,56
285
1,33
155
0,59
290
1,36
160
0,62
295
1,38
165
0,65
300
1,41
170
0,68
305
1,44
175
0,71
310
1,47
180
0,74
315
1,50
von grünen Kupferverbindungen, wodurch die Bestimmung des
Invertzuckers nach der üblichen Methode darin unmöglich gemacht wird, In der Regel
läſst sich in solchen Producten die Invertzuckerbestimmung ausführen, wenn man
verdünntere Lösungen der Substanz anwendet, also z.B. nur 5g statt 10g
Melasse zu 50cc gelöst mit 50cc
Fehling'scher Lösung behandelt. Man multiplicirt das
erhaltene Kupfer alsdann mit 2 und benutzt erst darauf die Tabelle, um den
Invertzuckergehalt zu berechnen. In Ermangelung eines besseren und genaueren
empfiehlt es sich, dieses Verfahren für die Untersuchung derjenigen Melassen, welche
bei der Untersuchung von 10g zu 50cc den erwähnten Uebelstand zeigen, allgemein
anzuwenden.
(Fortsetzung folgt.)