Titel: | Zerstörung einer Schiffsmaschine. |
Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 213 |
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Zerstörung einer Schiffsmaschine.
Mit Abbildung.
Zerstörung einer Schiffsmaschine.
Ein beispielloser Unfall hat die Maschine eines der gröſsten Schnelldampfer
betroffen, welche den Ocean durchkreuzen. Das stattliche Schiff' der Inman-Line, die City of
Paris, deren Maschinen 20000 leisteten, hat während ruhiger Fahrt
einen vollständigen Zusammenbruch der einen und zwar der Steuerbord-Maschine
erfahren, ein Unfall, der in unserer Technik völlig ohne Vorgang dasteht. Das
Fahrzeug galt für einen der stolzesten Vertreter der englischen Schiffsbaukunst und
wurde gerade bezüglich seiner gewaltigen Dampfmaschinen seiner Zeit besonders
gerühmt.
Bevor wir auf den Unfall eingehen, sei das Schiff, welches ein Schwesterschiff der
City of New York ist, in seinen Abmessungen kurz
beschrieben.
Die City of Paris ist ein völlig neues Schiff, welches
seine glänzend verlaufene Probefahrt erst am 27. Juli 1888 vollzogen hatte. Das
Schiff ist 565 Fuſs lang, 64 Fuſs breit und 62 Fuſs hoch. Das Fassungsvermögen
beziffert sich auf 13500t. Für 1000 Fahrgäste ist
Unterkunft vorgesehen. Erbauer des Schiffes wie auch der Maschinen sind J. und G. Thomson in Glasgow, denen besonders tüchtige
Erfahrungen im Schiffs- wie auch Schiffsmaschinenbau zur Seite stehen.
Die City of Paris ist mit Doppelschraubenpropellern
versehen, deren jede durch eine besondere Dreifach-Expansionsmaschine von 10000
betrieben wird. Die drei Dampfcylinder jeder Maschine haben bei 5 Fuſs Hub
die Durchmesser von 45, 74 und 113 Zoll. Der Dampfdruck beträgt 150 Pfund (etwa
11at), die Schraubenwellen erhalten 85
Umdrehungen in der Minute. Zur Oberflächen Condensation dienen wagerecht angeordnete
Cylinder.
Die Cylinder jeder Maschine haben folgende Anordnung. Die drei Cylinder sind mit A, B und C bezeichnet. Der
Hochdruckcylinder A besitzt im Kolben den
Mitteldruckcylinder 2 und den Niederdruckcylinder 4. Die Lager dieser Ventile sind mit dem Buchstaben F bezeichnet. Jeder Cylinder wird von zwei Λ-Rahmen
getragen, deren jeder aus einem Stück Guſsstahl von 6t Gewicht (!) besteht. Die Cylinder sind unter einander, wie auch die
beiderseits der Kiellinie angeordneten beiden Dampfmaschinen mit einander durch
kräftige Streben verbunden. Die Maschinen hatten eine Höhe von 45 Fuſs.
Textabbildung Bd. 278, S. 214 Am 25. April 1890 lief die City of Paris etwa
216 Seemeilen von der irländischen Küste bei voller Geschwindigkeit und schönstem
Wetter ruhige Fahrt. In jedem Maschinenraum befanden sich 3 Mann.
Plötzlich zertrümmerte kurz nach 5 Uhr Nachmittags unter ungeheurem Getöse an der
Steuerbordmaschine der Niederdruckcylinder von 113 Zoll = 2870mm Durchmesser. Ebenso zeigten sich die mächtigen
Λ-Ständer sowie der Condensator völlig zerstört. Die umherfliegenden mächtigen
Bruchstücke hatten die wasserdichten Schottwände und die Bordwände durchschlagen und
die Seeventile zerstört, so daſs sofort Wasser in riesiger Menge in beide
Maschinenräume drang und das Schiff anfüllte zum Entsetzen der Fahrgäste, für deren
Rettung sofort Alles in Bereitschaft gesetzt wurde. Da die Dampfpumpen sämmtlich
unter Wasser standen, muſste das Schiff 40 Stunden lang mit den Handpumpen flott
gehalten werden, bis ein anderer Dampfer zu Hilfe kam und das seiner Maschinenkraft
beraubte Schiff, welches trotz gesetzter Segel trieb, nach Queenstown schleppte.
Hier wurden die Löcher in den Bordwänden durch Taucher geschlossen und das Schiff
bis auf seinen normalen Tiefgang von 26 Fuſs ausgepumpt. Die Backbordmaschine erwies
sich als so weit unbeschädigt, daſs die City of Paris
mit Hilfe derselben nunmehr nach Liverpool dampfen konnte.
Ein Fahrgast auf der City of Paris schildert im Engineering den Unfall mit folgenden Worten:
„Das erste Geräusch war, wie wenn ein Excentrikreifen oder ein anderer kleiner
Maschinentheil gebrochen wäre; das nächste klang, wie wenn der Cylinderdeckel
herausflog; und dann folgten ununterbrochen Krach auf Krach, untermischt mit dem
schleifenden und polternden Getöse, welches den Zusammenbruch einer Maschine
charakteristisch macht . . .
„Später erfuhr ich, daſs die Steuerbord-Maschinenkammer überschwemmt war, daſs der
Niederdruckcylinder bei seinem Zusammenbruche den Condenser zertrümmert hatte,
daſs das Injectordruckrohr mit dem Kingston-Ventil
und den Bordwechseln zerstört war, daſs die unmittelbar unter dem
zusammengebrochenen Cylinder gelegene Dampfpumpmaschine ebenfalls beschädigt,
und daſs die, die beiden Maschinenräume trennende Längsschottwand von den
umherfliegenden Stücken durchschlagen worden war.
„Es scheint, daſs unmittelbar vor dem Cylinderbruche – 7 oder höchstens 10
Secunden zuvor – der Kolben des Niederdruckcylinders eine Anzahl von Hüben mit
einer fürchterlichen Geschwindigkeit gemacht hat, und wenn, wie vermuthet wird,
die Pleuelstange sich vom Kurbelzapfen getrennt hatte, so muſste die erstere wie
ein Dreschflegel nach links und rechts wirken. Die beiden Λ-Ständer unter dem
Cylinder wogen jeder 14t – sie sind
verschwunden. Der Kolben wog 10t, die
Kolbenstange 3t, der Kreuzkopf 2t, die Pleuelstange 7t, die Kurbelachse 14t und der Cylinder 45t.
„Im Augenblicke des Bruches befanden sich 7 Maschinenwärter und Heizer in der
Maschinenkammer. Einer befand sich auf der obersten Plattform über den
Cylindern, zwei standen an der Umsteuerung auf der mittleren Plattform, und die
übrigen waren zerstreut in dem 45 Fuſs langen und etwa 30 Fuſs breiten
Maschinenraume. Mannlöcher mit Plattenverschluſs führen zu den
Wasserballastzellen; die Entfernung vom Fuſsboden des Maschinenraumes bis zum
Boden dieser Zellen beträgt 4 Fuſs 6 Zoll, die Stärke der Fuſsbodenplatten ⅜
Zoll, jene der Schiffsplatten 1⅛ Zoll.
„Die Steuerbordmaschine blieb nach dem Bruche von selber stehen, – der Dampf wurde
erst später abgeschlossen. Der nebenseitige Maschinenraum E (der unversehrt gebliebenen Maschine) füllte sich
binnen 5 bis 7 Minuten mit Wasser. Die gröſste Gefahr lag in der mittels
blecherner Streben mit den Kesseln verbundenen Querschottwand, welche sich um 4
Zoll federte und um 2 Zoll verschoben war. Drei von den Kesseln wurden
ausgeblasen in der Hoffnung, daſs sie als Schwimmzellen gegen die Ueberfluthung
wirken würden. 2800t Wasser, die sich später
auf 3000t vergröſserten, befanden sich in den
Abtheilungen hinter den Maschinen.“
Ueber die Ursachen des beispiellosen Unfalls wird schwerlich eine sichere Angabe
gezeitigt werden. Die wunderbarer Weise geretteten Maschinisten haben bei ihrer
wiederholten Vernehmung behauptet, daſs bis zum Augenblick der Zerstörung die
Maschine gut und ohne auffällige Nebenumstände gelaufen sei, daſs die Zerstörung
also völlig plötzlich erfolgt ist.
Im Allgemeinen neigt man sich der Ansicht zu, daſs ein somit als zweifellos
anzunehmender plötzlicher Bruch dem beim Aufbau der Maschine ausschlieſslich
verwendeten Stahl zuzuschreiben ist. Stahl ist nun einmal kein Stoff, der auf die
Dauer einer so ungeheuren Beanspruchung gewachsen ist, wie sie der Betrieb einer so
gewaltigen Schiffsmaschine mit sich bringt. Weiches zähes Eisen ist jedenfalls besser in der
Lage, die Millionen starker, unelastischer Stöſse aufzunehmen, als der spröde Stahl,
der hier bei den Maschinen der City of Paris für alle
beweglichen Maschinentheile, ferner aber auch für die Dampfkolben und die
Lagerschrauben Verwendung gefunden hat. Man berechne nur die wahrhaft riesige
Beanspruchung der Schraubenbolzen an den Pleuelstangenköpfen bei der
Kolbengeschwindigkeit von beinahe 4m, dem
Kolbendruck von 95t beim Aufgange und von 130t beim Niedergange des Kolbens!
Ueber den Befund des Maschinenraumes, als das Schiff im Liverpooler Dock etwa 14 Tage
nach erfolgtem Unfälle eingebettet war, gibt Engineering, 1890 Nr. 1268, einen längeren Bericht, aus welchem wir
folgende Mittheilungen hier wiedergeben wollen, um über den Vorgang der Zerstörung
einige Aufklärung zu erzielen.
Man fand nach der Entleerung des Schiffes vom Wasser, daſs die Schraubenwelle der
Steuerbordmaschine nicht richtig liege. Um nun die Ursache der Unordnung zu
erkennen, muſste die zur Umhüllung der Schrauben welle von der hinteren Schiffs wand
bis zur Schraube sich erstreckende Stahlblechhülse abgestreift werden. Als dies kaum
geschehen war, rutschte die Schraube sammt ihrer Welle in Folge der geneigten
Bettung des Schiffes im Dock nach hinten heraus. Es ergab sich, daſs die über 20
Zoll starke Schraubenwelle hart hinter der Kuppelung, welche ihren äuſseren Theil
mit der im Schiffe liegenden Welle verbindet, abgebrochen war. Das hintere Lager der
Schraube hat 6 Fuſs lange Lagerbacken und wiegt 26t. Während die mit der Schiffswand verbundenen Arme des Lagers unversehrt
waren, erwies sich in der oberen 3,5 Zoll dicken Lagerbacke die nur 1 Zoll starke
mit Pockholzausfütterung versehene Büchse, welche zerbrochen im Schiffsraume lag,
stellenweise völlig durchgerieben. Auch die Welle selbst war stark abgerieben.
Dieselbe muſs sich, wie die stark unrund ausgeriebene untere Lagerbacke nachweist,
fast 8 Zoll unterhalb ihrer normalen Achse befunden haben. Aus diesem Befunde kann
geschlossen werden, daſs die Futterhülse längst zerbrochen war und dadurch der
starke Verschleiſs der Welle stattfinden konnte.
Als nun der oben bemerkte Bruch der Welle an der Kuppelung erfolgte, muſste die
Maschine nothgedrungen durchgehen, weil – wie jetzt durch verschiedene Zuschriften
nachgewiesen ist – kein Regulator zur Verhinderung des Durchgehens an der Maschine
angebracht war.
Im Tunnel der Steuerbordschraubenwelle liegen ferner vier Lager, deren Deckel sich
sämmtlich zerbrochen vorfanden, während sich jedoch die Lagerstellen der Welle
unversehrt erwiesen. Die den Schraubenwellentunnel nach vorn begrenzende Blechwand,
sowie auch die Wandschotte zwischen Tunnel und Maschinenraum waren über der Welle
eingerissen und nach oben gedrückt, so daſs aus diesem Befunde mit Sicherheit auf ein gewaltsames
Aufwärtsdrücken der Schraubenwelle geschlossen werden muſs. Innerhalb des
Maschinenraumes sind die Lager völlig zerstört.
Der Maschinenraum selbst gewährt folgendes furchtbare Bild der Verwüstung:
Auf der Kurbelwelle lag der Niederdruckcylinder in zwei Hälften zersprungen. Die
beiden Theile enthielten die zerrissenen kupfernen Dampfzulaſsrohre von dem
Mitteldruckcylinder. Die Kolbenstange war völlig verbogen und enthielt nur noch
einen kleinen Theil des Dampfkolbens. Vom Mitteldruckcylinder war einer der groſsen
Verbindungsflanschen zum Niederdruckcylinder weggebrochen. Die Kurbel des
Niederdruckcylinders stand auf dem oberen Todtpunkte; sie war noch mit der
abgebrochenen und stark verbogenen Pleuelstange verbunden.
Die Deckel der Kurbelwellenlager waren sämmtlich zerbrochen. Am hinteren Lager war
die eine Lagerdeckelschraube von 5,5 Zoll, also 140mm (!) Dicke glatt abgebrochen. Ebenso waren die Λ-Ständer von etwa 1¾
Zoll Fleischdicke glatt abgebrochen. Dabei wird verschiedentlich betont, daſs
sämmtliche Bruchstellen völlig gesundes Aussehen zeigen und auf bestes Material
schlieſsen lassen.
Der Niederdruckcylinder ist an seinem schwächsten Punkte, nämlich zwischen den
Steuerungsgehäusen parallel zur Achse geborsten. Der Deckel ist mehrfach zerschlagen
vorgefunden. Der Kolben selbst ist von der Nabe abgerissen und in zwei Theile
zerbrochen. –
Die Ursache der Zerstörung findet der Berichterstatter des Engineering in dem Durchgehen der Maschine, veranlaſst durch den Bruch der
Welle. Er bemerkt hierzu aber sehr richtig, daſs eine weitere Veranlassung
vorgelegen haben müsse, welche den Einfluſs des Durchgehens der Maschine
beschleunigt und erheblich verstärkt haben müsse. Er sagt, daſs unter gewöhnlichen
Umständen ein Durchgehen der Maschine immer noch zeitig genug bemerkt und durch
Abstellung des Dampfzulasses rechtzeitig behoben werden kann, wenn nicht eine andere
Ursache auf Beschleunigung des Durchgehens hinarbeite.
Als solche Ursache bezeichnet der Berichterstatter die übergroſse Kompression des
Dampfes, welche an dieser Maschine eingetreten sei. Er sagt, daſs die besonders
angeordnete und betriebene Maschine für die Umlaufspumpe ihren gewöhnlichen Gang
nach dem Durchgehen der Schraubenmaschine beibehalten habe, so daſs der benutzte
Dampf nicht hinreichend habe condensiren können, daſs ferner in Folge der
übermäſsigen Geschwindigkeit der Schraubenmaschine die Ableitungsrohre nicht
genügend Dampf haben fortschaffen können, so daſs sich hieraus ein übermäſsiger
Gegendruck im Cylinder habe entwickeln müssen. Aus diesem Umstande ergibt sich eine
hohe Anfangs- und Endspannung des Kampfes, welche die Sicherheitsventile am Cylinder
nicht auszugleichen fähig waren, so daſs ein Sprung des Cylinderdeckels die Folge
war.
Dieser Auffassung des Berichterstatters vom Engineering
tritt O. H. Müller in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure entgegen, indem er gerade zu
den gegentheiligen Schluſsfolgerungen kommt.
In Folge des riesig groſsen schädlichen Raumes bei Kolbensteuerungen schnellgehender
Maschinen (er betrug beim Niederdruckcylinder des Meteor von J. und G. Thomson schon bei zwei
Steuerungskolben 8 Proc., muſs also bei vier Steuerungskolben, wie bei der City of Paris, mindestens 10 Proc. betragen) läſst
sich die Compression bei Vollgang und gewöhnlicher Coulissensteuerung, wie bei der
City of Paris, nicht über das Dreifache des
Anfangsvolums bringen (Meteor 2,5), und wegen der
geringen Anfangsspannung, 0,2 bis 0at,25 abs.,
erreicht die Endspannung der Compression beim Niederdruckcylinder durchschnittlich
nicht über 0at,7 (Mittel von 35 untersuchten
Dreifach-Expansionsschiffsmaschinen), während die Anfangsspannung des
Admissionsdampfes bei natürlichem Zuge der Kessel 1,1 bis 1,65, bei künstlichem Zuge
(geschlossenen Heizräumen) 2 bis 2at,5 (Meteor 2,5) beträgt. Da die City of Paris sich im letzteren Falle befindet – wenigstens früheren
Berichten des Engineering gemäſs – und da auſserdem der
Dampf mit dem Condensat sämmtlicher drei Dampfmäntel als Arbeitsdampf in dem
Niederdruckcylinder mitwirkte, so sollte man die Anfangsspannung hier zu wenigstens
2at,75 annehmen dürfen, welchem Drucke doch
auch der Cylinderdeckel gewachsen sein muſste. Gröſser kann aber auch die
Compressionsendspannung nicht gewesen sein. Denn nehmen wir an, daſs sich der
Gegendruck beim Durchgehen von 0,2 selbst bis zu einer ganzen Atmosphäre gesteigert
hätte, so konnte die Endspannung doch nicht über 1 × 3 = 3at sein. Aber wie hoch müſste dann da die
Compression im Mittel- oder gar im Hochdruckcylinder gewesen sein?! Kehrt man die
Diagramme um, so daſs die Unterlinie des Diagramms der anderen Kolbenseite
eingezeichnet wird, so stellt sich der Unterschied noch viel günstiger für den
Anfangsdruck des Admissionsdampfes.
Müller ist der Ansicht, daſs gerade das Gegentheil,
nämlich der Mangel an gehöriger Compression, schuld war. Die flache, ganz
unverrippte Form ist wohl die denkbar schwächste, die man einem Kolben geben kann.
Stellt man sich diese 10t schwere Masse mit einer
Geschwindigkeit von sage: 200 Umdrehungen oder 400 Hüben in der Minute, mit einer
ganz ungenügenden Compression bei einem Hube von 5 Fuſs vor, so sagt das Gefühl,
daſs so ein Kolben den jähen Wechsel des Trägheitsmomentes bei der Umkehr der
Bewegungsrichtung nicht ertragen kann. Wächst das Trägheitsmoment mit dem Quadrate
der Geschwindigkeit, und war der Bruchsicherheitscoefficient für 75 Umdrehungen
sage: 9, so muſste derselbe bei 215 Umdrehungen schon auf 1 herunterkommen; und dies
in dem Augenblicke, wo diese Geschwindigkeit erreicht war, wozu 7 bis 10 Secunden
ganz genügen waren. (Man
beobachte eine Reversirmaschine, binnen wie wenigen Secunden bei offenem
Dampfventile sich die Geschwindigkeit in unheimlicher Weise steigert, bevor die
Walzen packen.) Denkt man sich nun, daſs ein Trümmer des Kolbens nach oben flog und
zwischen Cylinderdeckel und das noch an der Kolbenstange festsitzende Stück des
Kolbens gerieth, so konnte bei der Gewalt des Stoſses nicht nur der Cylinderboden
herausgesprengt, sondern gleichzeitig auch die Λ-Ständer zerrissen werden, worauf im
nächsten Augenblicke der 45t schwere Cylinder aus
seiner Höhe herab auf die Kurbelachse stürzte, während die mit rasender
Geschwindigkeit weiter arbeitende Pleuelstange mit dem Kreuzkopfe und der
Kolbenstange so lange nach oben und nach rechts und links in den Trümmern weiter
umherschlug und stach, bis diese sich zwischen Kurbeln und Grundplatte dermaſsen
eingekeilt hatten, daſs die Maschine sich nicht weiter drehen konnte. So wurde sie
auch bei offenem Dampfventile nach dem Bruche gefunden.
Den Bruch eines Cylinderdeckels hat Müller zweimal
beobachtet. 1860 in der Görkauer Baumwollspinnerei bei einer wagerechten 75
-Corliſsmaschine, bei deren Anlassen Müller
vergessen hatte, sich davon zu überzeugen, ob der Wärter den Einspritzhahn.) dessen
Leitung vom Oberwassergraben des Wasserrades kam, nicht etwa zu früh geöffnet hatte.
Richtig war dieses geschehen, so daſs Condensor, Luftpumpe und der Cylinder auf der
Vorderdampfseite ersäuft waren. Kaum hatte die Maschine nach Oeffnung des
Dampfventils etwa eine halbe Umdrehung gemacht, als auch schon der Cylinderboden
unter einem dumpfen Krache mit einem Wasserschwalle hinterher gegen die Wand
flog.
Genau dasselbe war einem Monteur fast zur gleichen Zeit und unter ähnlichen Umständen
– ebenfalls bei einer Corliſsmaschine – in Lomnitz passirt, wobei auch noch die
Pleuelstange riesig verbogen wurde. In beiden Fällen hatte sich der (doppelwandige)
Cylinderboden fast kreisrund vom Flansch getrennt, und dieser saſs mit allen
Schrauben als unversehrter Ring am Cylinder fest. Nun berichtet Engineering aber, daſs am Umfange des Cylinderdeckels
ein groſses Stück fehle; folglich konnte der Stoſs nicht, wie in obigen Fällen, ein
centraler, auf die ganze Fläche des Deckels gleichmäſsig vertheilter gewesen, also
auch nicht durch Uebercompression verursacht sein. Er muſs vielmehr ein
excentrischer, wie bei obiger Annahme durch Trümmer veranlaſster gewesen sein,
vorausgesetzt natürlich, daſs das fehlende Stück nicht etwa später, durch Fall o.
dgl., weggeschlagen worden ist.
Die Schiffshaut wurde im Deck unversehrt gefunden. Die gegentheilige Vermuthung des
Engineering, ebenso die Annahme, daſs sich die
Pleuelstange vom Kurbelzapfen getrennt habe, sind also irrthümlich.
Aus dem Unglücke der City of Paris lassen sich jetzt
schon folgende Lehren ziehen:
1) Die Anbringung eines verläſslichen Regulators ist für Schraubenschiffsmaschinen
eine Nothwendigkeit,
sowohl bei See- als auch bei Fluſsdampfern.
Bei Raddampfern kann man das äuſsere Hauptlager ebenso wie das ganze Rad während der
Fahrt beobachten und Reparaturen oder Anbringung von Ersatzstücken auch auf hoher
See ohne Weiteres ausführen. Dahingegen sind die Schraube, das hintere Wellenlager
und das Stopfbüchsenrohr sowohl während der Fahrt als im Hafen unzugänglich und nur
im ausgepumpten Trockendock zu besichtigen. Nach diesem Unfälle muſs jeder Kapitän
eines Schraubendampfers fürchten, daſs jeden Augenblick irgend etwas Unverhofftes
eintritt. Hat man nun schon mit einer Schraube und einem Hinterstevenlager Sorge
genug, so ist diese Sorge eine doppelte bei zweischraubigen Dampfern, und darum,
sowie auch aus manchen anderen, hier nicht weiter zu erörternden Gründen glaubt Müller
2) daſs die Doppelschrauben-Schnelldampfer doch nur ein Experiment sind.
Die Schraube hat unbestreitbare Vortheile gegenüber dem Schaufelrade, schon im
Effecte allein, da sich der Slip bei gleicher Geschwindigkeit und sonstigen gleichen
Verhältnissen etwa wie 11 zu 25 verhält; allein die Gefährlichkeit ihrer
Unzugänglichkeit ist doch eine so dunkle Schattenseite an ihr, daſs sie, wenigstens
für Dampfer mit langer Fahrt, sehr ernstlich in Betracht gezogen werden sollte.
Es ist wohl auch mit aus diesem Grunde, daſs die sämmtlichen Postdampfer, welche den
Verkehr zwischen England und dem Continente, Irland u.s.w. versehen, bisher nur als
Raddampfer ausgeführt sind. Denn der Tiefgang allein kann das Motiv dazu nicht
gewesen sein, da viele continentale Häfen Wassertiefen von mehr als 14 Fuſs das
ganze Jahr hindurch besitzen. Andererseits gestattet die Schaufelradmaschine
allerdings eine viel zweckmäſsigere Ausnutzung des Schiffes für die Unterbringung
massenhafter Passagiere bei geringer Schiffstiefe, da die Schraubenwelle gerade die
werthvollsten Räume des Schiffes durchbricht, und da Postdampfer sich nicht für
Cargoräumlichkeiten einzurichten brauchen, die sich bei Schraubendampfern wegen der
sonstigen Unverwendbarkeit in den unteren Schiffsräumen von selbst ergeben.
Auſserdem sind die Schiffsvibrationen bei Raddampfern fast Null, bei
schnelllaufenden Schraubenmaschinen aber so lästig, daſs sie manchem Passagier die
ganze Fahrt verderben.