Titel: | Neues Nivellirinstrument mit wagerechter Tangentialschraube. |
Autor: | R. |
Fundstelle: | Band 278, Jahrgang 1890, S. 509 |
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Neues Nivellirinstrument mit wagerechter
Tangentialschraube.
Mit Abbildungen.
Neues Nivellirinstrument mit wagerechter
Tangentialschraube.
Die bekannte Firma Ertel und Sohn in München fertigt
nach dem Vorschlag Prof. Dr. Otto Decher's
Nivellirinstrumente an, deren Zweck, auſser zur Ausführung genauer geometrischer
Nivellements zu dienen, noch darin besteht, für die meisten der dem praktisch
thätigen Ingenieur häufig vorkommenden Aufgaben, als Abstecken von (in Procent oder pro Mille)
gegebenen Neigungen, Messen solcher und von Höhen und Entfernungen u.s.w., einfach
und ohne complicirtere Rechnung verwendbar zu sein, und zur Erreichung dieses
Zweckes ist das Instrument mit einer kleinen wagerechten Tangentialschraube
ausgestattet.
Textabbildung Bd. 278, S. 510
Die Einrichtung dieses Instrumentes ist aus der nebenstehenden
Abbildung zu ersehen; Unterbau, beweglicher Instrumententheil u.s.w. bedürfen keiner
weiteren Erklärung. Das Fernrohr AA liegt in einer
halbcylindrischen Lagerrinne, und zwar mit zwei gleich groſsen Ringen R in y-förmig ausgeschnittenen, gleich gearbeiteten, an
den Enden der Lagerrinne angeschraubten Flanschen und hat centrische Drehungsachse
2), während die meisten der mit solchen Mikrometerschrauben versehenen
Nivellirinstrumente in der Regel excentrische Fernrohrdrehungsachse haben. Der
Schutz der auf den Ringen R aufzusetzenden
Reiterlibelle vor dem Herabfallen ist der auch von anderen Mechanikern, wie z.B. Sickler in Karlsruhe u.a., gebräuchliche und aus der
Abbildung ersichtliche. Um das Fadenkreuz deutlich sichtbar zu machen, wird hier
nach Lüftung eines kleinen Befestigungsschräubchens das Diaphragma in der Richtung
der Längsachse des Fernrohres etwas verschoben (Huyghen's Ocular). Der Spiegel an der Libelle dient zur Beurtheilung des
Einspielens der Libelle, ohne daſs der Beobachter genöthigt ist, zur Seite zu
treten, wodurch der Stand des Instrumentes verändert werden könnte, insbesondere in
weichem elastischem Terrain. E1 ist für die grobe, M1 für die feine Bewegung des Fernrohres
im wagerechten Sinne, K2 grobe, M feine Bewegung für die Drehung des
Fernrohres in senkrechter Ebene, und dient insbesondere die Schraube M dazu, um die Reiterlibelle genau zum Einspielen zu
bringen, was bei Ausführung geometrischer Nivellements nothwendig ist. Eine
Dosenlibelle L ist dazu da, um die senkrechte
Instrumentenachse rasch richtig stellen zu können. Das Besondere an diesem
Instrumente besteht in der Einrichtung der wagerechten Mikrometerschraube; diese ist
mit einer Trommel versehen, die in 100 gleiche Theile getheilt ist, und wirkt auf
einen Arm, der sich mit Hilfe von K2 mit der Lagerrinne fest verbinden läſst. Die
ganzen Umdrehungen der Schraube werden an einer bei der Drehung der Schraube
mitgeführten Scala an einem festen Index, an dem die Scala vorbeigleitet, abgelesen,
die Bruchtheile, von welchen Tausendstel noch geschätzt werden können, an einem an der Trommel
spielenden Index. Die Bezifferung an der vorerwähnten Scala ist von 0 bis 20
durchlaufend. Damit man nun, und darauf ist bei diesem Instrumente, welches für den
praktischen Ingenieur eine einfache Verwendung ermöglichen soll, Gewicht gelegt, die
Neigungen unmittelbar in Procent bezieh. pro Mille erhält, ist das Verhältniſs
zwischen der Ganghöhe g der Schraube und ihrem
senkrechten Abstande a von der Drehungsachse D des Fernrohres ein bestimmtes, und zwar entweder mit
\frac{g}{a}=\frac{1}{100} oder
\frac{1}{200} gewählt; im ersteren Falle gibt eine
Schraubenumdrehung 1 Proc., im letzteren ½ Proc., oder zwei Gänge geben 1 Proc.
Neigung. Da man noch Tausendstel einer Trommel Umdrehung abzuschätzen vermag, so ist
es leicht zu ersehen, welche Neigungsunterschiede noch gemessen werden können.
Das so eingerichtete Instrument dient [zur unmittelbaren Angabe von in Procent oder
pro Mille gegebenen Neigungen, Messung von Höhenunterschieden und absoluten Höhen
zugänglicher oder unzugänglicher Punkte, sowie endlich auch, allerdings erst in
zweiter Linie, zur Distanzmessung und trigonometrischen Höhenbestimmung, und ergeben
sich die zwischen den beobachteten und den zu suchenden Gröſsen bestehenden
Beziehungen wie folgt:
Textabbildung Bd. 278, S. 511 Wir denken uns bei richtig aufgestelltem Instrumente den Punkt 10 der
Scala genau senkrecht unter der Drehungsachse D und den
Arm a senkrecht zur Visirlinie mit dieser in fester
Verbindung. Bezeichnen wir mit s1
= n1g, s2 = n2g (g die Höhe eines
Ganges, n die Anzahl der Gänge) die an Scala und
Trommel gemachten Schraubenablesungen, wenn die Visirlinie an einer in einem Punkte
aufgestellten Latte die Lesungen L1 und L2 gibt, so folgt:
L1 :
E = s1 : a und hieraus
L_1=\frac{s_1}{a}\,E=\frac{n_1\,g}{a}\,E=\frac{E\,.\,n_1}{C}
ferner
E=\frac{C\,.\,L_1}{n_1}\ \mbox{und}\
s_1=\frac{a\,L_1}{E}
Ist eine Visur wagerecht und L1 das zwischen dieser und der zweiten befindliche Lattenintervall, so sind im
Vorstehenden die Formeln für die Höhe, Entfernung u.s.w.: z.B. C = 100 ergibt L1 = En1 Proc. u.s.w.
Trifft die wagerechte Visur die Latte nicht, so ist auch:
L2– L1 : E = s2
– s1 : a oder L2
– L1 = L und s2 – s1 = s gesetzt:
L : E =
s : a und
E=\frac{C\,L}{n}.
Da auch H : L = s1 : s = n1 : n ist, so folgt
weiter H=\frac{L\,n_1}{n}.
Ist z.B. n = 1 und C = 100,
so ist E = 100 L und H = n1L.
Wenn jedoch die Visuren nicht mit zur Visirlinie senkrecht geklemmtem Arme a gegeben werden können, was bei steileren Visuren
eintreten wird, wenn eben die Neigung 10 Proc. übersteigt, so sind die für diesen
Fall geltenden allgemeinen Formeln nach einer einfachen Rechnung leicht
aufzustellen. Sie sind, wenn man mit β die Neigung der
einen Visur bezeichnet:
E=\frac{C\,L}{n}\,cos^2\,\beta-L\,\frac{sin\,2\,\beta}{2}
H=\frac{C\,L}{n}\
\frac{sin\,2\,\beta}{2}-L\,sin^2\,\beta..
In diesen Formeln kann man in den meisten Fällen, in welchen man dieses als
Nivellirinstrument gebaute Instrument in Anwendung ziehen wird, die letzten Glieder
vernachlässigen, und setzt man cosβ = 1 und führt man
eine kleine Transformation aus, so ergeben sich schlieſslich die sehr einfachen und
sofort verständlichen Formeln:
E = 100L – n2 Proc. L
H = n . L
Ueber die Grenzen, bis zu welchen diese Vernachlässigungen bezieh. die Aufstellung
dieser genäherten Formeln zulässig, wollen wir hier keine näheren Untersuchungen
anstellen, sondern vielmehr auf das über dieses Instrument erschienene Schriftchen:
Neues Nivellirinstrument von Dr. Otto Decher, Professor am eidgenössischen Polytechnikum
in Zürich, München 1890, verweisen. (Vgl. S. 528.)
Aber diese einfachen Beziehungen, welche durch die vorstehenden Formeln ihren
Ausdruck finden, bleiben nicht mehr aufrecht, wenn bedeutend steilere Visuren zu
geben sind. Dies wird man leicht einsehen, wenn wir auf den Vorgang, der hierbei
einzuschlagen ist, näher eingehen. Zunächst hat man für das Abstecken von Neigungen
bis zu 10 Proc. folgendes Verfahren zu beobachten:
Das vorher berichtigte Instrument wird mit Benutzung der Dosenlibelle gut aufgestellt
(oder, wenn man will, verzichtet man auf die Dosenlibelle und ermittelt die Ablesung
an Scala und Trommel, bei welcher die auf dem Fernrohre aufgesetzte Reiterlibelle
senkrecht zur lothrechten Umdrehungsachse steht, was bei geklemmter Schraube K2in bekannter Weise geschieht,
und stellt mit Hilfe der empfindlicheren Reiterlibelle das Instrument richtig auf),
dann wird K2 gelüftet,
M genau auf 10,00 gestellt und K2 geklemmt; wird nun
M um 1, 2, 3... 10 Gänge gedreht, so werden die
Visuren unter Neigungen von 1, 2, 3... 10 Proc. theoretisch genau erhalten.
Für Neigungen zwischen 10 und 20 Proc. kann mit ausreichender Genauigkeit folgender
Weg eingeschlagen werden. Ist eine Neigung von n Proc.,
wobei n > 10 ist, abzustecken, so rechnet man 20 – n, stellt die Trommel auf diese Ablesung (statt auf
10,00) bei gelüftetem K1 und einspielender Reiterlibelle ein, zieht K2 an und dreht dann die Schraube M auf 0,00. Ist die Neigung von n Proc. in entgegengesetztem Sinne abzustecken, so läſst sich das
Verfahren aus dem früheren leicht absehen.
Für gröſsere Neigungen, also steilere Visuren, wie sie in coupirtem Terrain häufig
vorkommen werden, schlägt Prof. Dr. Decher in dem
citirten Werkchen, in welchem zahlreiche Anwendungen eingehend erörtert sind und
Regeln für viele praktisch wichtige Fälle gegeben werden, ein Verfahren vor, das
einige Aehnlichkeit mit der Repetition bei der wagerechten Winkelmessung hat. Lüftet
man nämlich die Klemmschraube K2, so kann man M
drehen, ohne daſs hierdurch eine Veränderung der Stellung der Visur bewirkt würde,
da das Fernrohr gut ausbalancirt ist und der durch die federnden Lagerdeckel auf die
Zapfen der wagerechten Fernrohrachse ausgeübte Druck eine Reibung verursacht, welche
das Fernrohr unbeweglich erhält. Darauf gründet Dr. Decher das Verfahren, Neigungen von über 10 Proc. abzustecken; und
geschieht dies dadurch, daſs genau, wie früher aus einander gesetzt, östlich 10
Proc. Neigung abgesteckt werden, d.h. die Visur in diese Lage gebracht wird, welche
nach dem Vorstehenden unverändert bleibt, wenn man nun K2 lüftet und M wieder auf 10,00 zurückschraubt: dann wird K2 geklemmt und M wieder auf 20 gedreht u.s.f.
Indessen stehen diesem Verfahren zwei Bedenken entgegen: Erstens ist das bei steilen
Visuren erforderliche lästige lange Schrauben nicht beseitigt, sondern eher vermehrt
und erfolgt eben in Abtheilungen; zweitens entbehrt das Verfahren insbesondere bei
steileren Visuren der theoretischen Grundlage und Schärfe; denn indem die ersten 10
Proc. richtig abgesteckt wurden, K2 gelüftet und M auf
10,00 zurückgedreht und nun K2 wieder angezogen wurde, ist jetzt der senkrechte Arm nicht senkrecht zur
Visirlinie mit dieser in fester Verbindung, sondern unter einem Winkel 90 ± α, wobei α der den 10
Proc. entsprechende Winkel (d. i. α = 5°43') ist. Dreht
man nun M wieder von 10,00 auf 20, so macht der
senkrechte Arm eine Winkelbewegung um a und daher die
nut diesem fest verbundene Visirlinie dieselbe Winkelbewegung; die Visur ist dann
unter 2α geneigt. Wiederholt man weiters diesen
Vorgang, so ist klar, daſs man, anstatt Neigungen von 20 Proc., 30 Proc., 40 Proc., ... 100 Proc.,
oder den ihnen entsprechenden Winkeln von 11°19', 16°42', 21°48', ... 45°
abzustecken, die Winkel 11°26', 17°9', 22°52', ... 57°10' oder die Neigungen von
20,3 Proc., 30,9 Proc., 42,1 Proc., ... 155,0 Proc. absteckt.
In ähnlicher Weise stellen sich Schwierigkeiten in der Distanz- und Höhenbestimmung
entgegen, wenn stark geneigte Visuren gegeben werden müssen; solange die Neigung der
Visuren derart ist, daſs cosβ =. 1 gesetzt werden darf,
wird das Instrument ausreichen, und die praktischen Regeln und die Methoden der
Anwendung, die der Verfasser in dem citirten Schriftchen gibt, werden dem
Instrumente in der Praxis Verbreitung verschaffen, und dies um so mehr, als sich die
Einrichtung auch an älteren Instrumenten verhältniſsmäſsig leicht anbringen läſst
und von Ertel und Sohn in München, welcher solche
Neigungsschrauben in drei Arten, und zwar für gröſsere Nivellirinstrumente mit g : a = 1 : 100, für
kleinere mit 1 : 50 und für Tachymeter mit g : a = 1 : 200 anfertigt, mit Scala und Trommel zum
ungefähren Preis von 40 M. besorgt wird. Wenn es jedoch (gilt, in coupirtem Terrain,
wo stark geneigte Visuren häufig vorkommen, ja vielleicht die Regel bilden werden,
derartige Messungen auszuführen, und wenn man auch noch auf die Distanzmessung
selbst gröſseres Gewicht legt, als dieses bei dem vorbeschriebenen
Nivellirinstrumente beabsichtigt ist, wird ein ähnlich eingerichteter Theodolit in
Verwendung treten müssen.
Die Anwendung der Mikrometerschraube zur Distanz- und Höhenbestimmung und zu anderen
damit zusammenhängenden Messungen ist nicht neu. Angeregt wurde dieselbe am Anfange
unseres Jahrhunderts durch den Hannoveraner Hogrewe und
in den 50er Jahren wurden von Stampfer in Wien die
bekannten und weit verbreiteten Nivellirinstrumente mit Sehnenschrauben in die
geodätische Praxis eingeführt, die sich ausgezeichnet bewährten. Dann hat Prof. KoristkaStudien über die Methoden und Benutzung
hypsometrischer Karten von Carl
Koristka, Gotha, Justus Perthes,
1858. ein Instrument in Theodolitform mit Mikrometerschraube
ausführen lassen zum Zwecke von Höhenbestimmungen, entstanden aus dem Bedürfnisse,
ein Instrument zu haben, welches, wenn auch mit geringerem, doch ausreichendem Grade
von Genauigkeit die senkrechte Winkelmessung mit der Schraube vorzunehmen auch bei
gröſseren Neigungen, als dies mit dem Stampfer'schen
Nivellirinstrumente möglich ist, gestattet, und so ein Instrument zu schaffen,
welches für trigonometrische Höhenbestimmungen in coupirtem Terrain brauchbar
ist.
Dann haben Breithaupt in Cassel das sogen.
Compensationsniveau mit senkrechter Tangentenschraube, sowie Miller in Innsbruck (nach Geppert, vgl. Carl's Repertorium, 1874 und 1880) und Sickler in Karlsruhe ebenfalls Nivellirinstrumente mit
senkrechter Tangentialschraube angefertigt, und ist insbesondere bei dem letzteren
die Scala und Trommel so
getheilt und beziffert, daſs direkt Neigungen in Procent abgelesen werden.
Die drei letztgenannten Instrumente haben excentrische Fernrohrdrehungsachse und
senkrechte Mikrometerschraube, während das neue Instrument von Dr. Decher centrische Fernrohrdrehungsachse und wagerechte
Tangentialschraube hat' und diese auch nur auf eine geringe Anzahl von Gängen (20)
beschränkt ist, was bei den anderen nicht der Fall ist, diese vielmehr mit längeren
Mikrometerschrauben versehen sind. Diese Nivellirinstrumente erweisen sich nicht
mehr als ganz zweckentsprechend, wenn steilere Visuren auftreten; entweder versagen
sie vollständig oder es ist deren Anwendung in Folge des dabei erforderlichen langen
Schraubens zeitraubend und auch mühsam.
Die Distanz- und Höhenbestimmung mit der Mikrometerschraube bietet in Folge des
einfachen Zusammenhanges, der zwischen den beobachteten und den gesuchten Gröſsen
besteht, gewisse Vortheile, die aber erst dann vollständig erreicht werden, wenn es
gelingt, die entgegenstehenden Nachtheile zu überwinden; diese bestehen einerseits
darin, daſs, wie schon gesagt, soll das Instrument auch in coupirtem Terrain ebenso
leicht verwendbar sein, die Schraube lang ausfällt und bei steilen Visuren langes
mühsames Schrauben erforderlich ist, andererseits in der Art der Distanzmessung
selbst. Diese ist nämlich hinsichtlich ihrer GenauigkeitVgl.: Ueber den Einfluß
der Größe der Lattenschiefe bei Distanzmessungen und über die
Genauigkeit von Schraubendistanzmessern von Prof. Lorber Zeitschrift für Instrumentenkunde, VI.
Jahrg. 1886. wesentlich davon abhängig, mit welcher Schärfe man
im Stande ist, das zwischen zwei um eine gewisse Anzahl von Schraubengängen von
einander abweichenden Visuren befindliche Lattenintervall anzugeben. Während die
hierauf Einfluſs nehmende fehlerhafte Lattenaufstellung, die Ablese- und
Einstellfehler bei den verschiedenen Distanzmessermethoden sich geltend machen, wird
bei dieser hier in Rede stehenden Methode noch der ungünstige Umstand hinzukommen,
daſs die beiden Einstellungen bezieh. Ablesungen nicht gleichzeitig überblickt
werden können, d.h. man beim Ablesen der zweiten Einstellung nicht im Stande ist,
sich Sicherheit zu verschaffen, daſs die erste noch dieselbe unveränderte geblieben;
diesem Uebelstande kann nur durch Anwendung einer Latte mit einem geeigneten Stativ
wirksam abgeholfen werden, welches einigermaſsen Gewähr für die Unveränderlichkeit
der Lattenstellung während der Ausführung der zur Messung erforderlichen
Beobachtungen bietet, ob man nun auf Zieltafeln einstellt oder Latten zum
Selbstablesen anwendet. Kann man die genannten Uebelstande unschädlich machen und
beseitigen, dann bietet diese Methode der Distanz- und Höhenbestimmung wegen den
einfachen Operationen wirklich Vortheile. Auf der Ausstellung mathematischer
Instrumente zur Zeit der IV. Hauptversammlung des deutschen Geometervereins in
Berlin im J. 1875 war
ein Universal-Hohen- und Distanzmesser-Instrument von Hahn in Cassel (Construction Patent Bende) zu
sehen mit senkrechter Tangentialschraube, welche die Winkelmessung auf eine Secunde
genau gestattete und Neigungen bis zu 45° noch zulieſs. Prof. Jordan hat mit einem solchen Instrumente Versuche
durchgeführt und rühmt ebenfalls den einfachen Zusammenhang zwischen Beobachtung und
Resultat (Zeitschrift für Vermessungswesen, 1875 S.
362). Auch Hahn in Cassel hat das Bedürfniſs gefühlt,
dem lästigen langen Schrauben bei steilen Visuren abzuhelfen, und das dadurch, daſs
er eine dreiseitige prismatische senkrechte Röhre angebracht hat, welche mit
Millimetertheilung in Silber versehen ist und die sich sorgfältig in senkrechter
Richtung verschieben läſst und Feineinstellung besitzt. Seitlich am Schlitten
befindet sich ein Mikroskop mit getheilter Trommel. Das Fernrohr hatte excentrische
Drehungsachse und ergab sich die Entfernung aus der Formel
E=0,124+\frac{750}{s}
Eingestellt wurde auf zwei in 3m von einander entfernten Zieltafeln.
Ein Instrument mit wagerechter Tangentialschraube, und
zwar ein Theodolit, wurde vom Mechaniker Miller in
Innsbruck nach Angaben Prof. Lorber's in Leoben
ausgeführt, und in einem in der Wochenschrift des
österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins in Wien, 1881 S. 163,
erschienenen Aufsatze wies Prof. Lorber auf die unter
gewissen Umständen bestehende Zweckmäſsigkeit dieser Art der Distanz- und
Höhenmessung für tachymetrische Zwecke hin. Das in der Sammlung der k. k. Bergakademie in Leoben befindliche Instrument ist
ein vollständiger Repetitionstheodolit mit durchschlagbarem Fernrohr, Höhen kreis
u.s.w. Auf dem Fernrohre läſst sich eine Reiterlibelle aufsetzen und mit dem
Fernrohre wird durch eine Klemmschraube ein senkrechter Arm in feste Verbindung
gebracht. Der senkrechte Arm endet in eine fein polirte Stahlfläche, welche an eine
ebensolche Schneide an einem Schlitten mittels Feder angepreſst wird. In dem
Schlitten ist das Muttergewinde der wagerechten Tangentialschraube geschnitten und
ein Index an diesem Schlitten gestattet die Ablesung der ganzen Umdrehungen der
Schraube an einer wagerechten Theilung. Die Schraube besitzt eine in 100 gleiche
Theile getheilte Trommel, und an einem Index werden Bruchtheile einer
Trommelumdrehung abgelesen. Erstlich ist die Visur mit Hilfe der aufgesetzten
Reiterlibelle genau wagerecht zu richten und dann die Schraube auf Null zu stellen
und die Klemmschraube anzuziehen. Sodann erfolgt die eigentliche, zur Messung
erforderliche Beobachtung. Mit der Tangentenschraube wird die Visur dadurch, daſs
man um eine gerade Anzahl von ganzen Umdrehungen, z.B. um 2n, dreht, auf die Latte (zum Selbstablesen) gerichtet und die Ablesung
gemacht; dann wird um zwei Gänge weitergedreht und wieder abgelesen. Die Constante
des Instrumentes, d. i. das Verhältniſs des senkrechten Abstandes der Mikrometerschraube von der
wagerechten Fernrohrdrehungsachse zur Höhe eines Ganges, ist 200, und daher ergeben
sich sehr einfach E = 100L
und H = n . L, wenn L das
zwischen den beiden Visuren eingeschlossene Lattenintervall bedeutet. In gewissen
Fällen, wo die Verwendung einer Latte zum Selbstablesen nicht zweckmäſsig, etwa bei
Ermittelung einer sehr groſsen Entfernung, kann man natürlich eine solche mit
Zieltafeln benutzen und die trigonometrische Bestimmung vornehmen. Leider fällt,
wenn das Instrument für Höhen- und Tiefenvisuren von starker Neigung verwendbar sein
soll, die Schraube lang aus, und wird die Ausführung der Beobachtungen dadurch, daſs
man lange schrauben muſs, zeitraubend und mühsam. Die lange wagerechte Schraube hat
noch den die Genauigkeit wesentlich beeinträchtigenden Nachtheil, daſs die
Beseitigung des todten Ganges auf groſse Schwierigkeiten stöſst. Würde es gelingen,
bei dem vorbeschriebenen Instrumente derartige Abänderungen zu treffen, daſs
hierdurch die genannten Uebelstände und Schwierigkeiten beseitigt werden, so würde
ein Instrument geschaffen, welches für viele praktische Bedürfnisse, insbesondere
bei Vermessungen im gebirgigen Terrain, gute Dienste leisten könnte.
R.