Titel: | Die Erdölabfälle und ihre Verwerthung für die Sodaerzeugung. |
Autor: | Alex. Veith, Const. Schestopal |
Fundstelle: | Band 279, Jahrgang 1891, S. 22 |
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Die Erdölabfälle und ihre Verwerthung für die
Sodaerzeugung.
Von Director Dr. Alex.
Veith und Dr. Const. Schestopal.
Die Erdölabfälle und ihre Verwerthung für die
Sodaerzeugung.
Die bei der chemischen Reinigung der Erdöle (Leucht- und Schmieröle) erhaltenen
Abfallsäuren und Laugen bilden das lästigste Product der Erdölfabrikation. Ihre
Verwerthung ist nur eine beschränkte und von den localen Verhältnissen
abhängige.
Die Erdöldestillate enthalten, neben Kohlenwasserstoffen als Hauptbestandteil, welche
der Gruppe der Paraffine, hydrogenisirten Kohlenwasserstoffe oder einer besonderen
Reihe von ungesättigten Hydrocarbüren angehören, noch Beimengungen, die durch die
Wirkung der Schwefelsäure und Lauge entfernt werden; es sind dies aromatische
Kohlenwasserstoffe, Fettsäuren und die Säuren der Reihe CnH2n–2O2,
Phenole, Theerproducte und Schwefelverbindungen etc.
Die Schwefelsäure nimmt einen Theil dieser Beimengungen aus den Destillaten heraus,
indem sie mit diesen Sulfonsäuren (aromatische Kohlenwasserstoffe) oder directe
Additionsproducte (ungesättigte Kohlenwasserstoffe) bildet, oder indem sie dieselben
(Theerproducte) auflöst und dadurch braun bis schwarz gefärbt wird. Gleichzeitig
wirkt sie auf die Kohlenwasserstoffe selbst oxydirend, was durch den
characteristischen Schwefligsäuregeruch erkennbar.
Die Natronlauge, die in erster Linie zur Neutralisirung der suspendirten
Säurepartikelchen verwendet wird, löst die durch die Säure unverändert gebliebenen
Naphthasäuren, Phenole etc. auf.
Die Regenerirung der dünnflüssigen Abfallsäure der Leuchtölreinigung, ihre Verwendung
zur Erzeugung von Metallsalzen, künstlichem Dünger etc. ist allgemein bekannt. Viel
schwieriger gestaltet sich die Verwerthung der sauren Abfälle der
Schmierölreinigung; diese sind zähflüssige bis steife Massen, reich an
Schwefelsäure, Sulfonsäuren und anderen organischen Producten.
Die Verfasser haben die Frage der Weiterverwerthung einem eingehenden Studium
unterworfen und gefunden, dass diese Abfälle, mit den Laugen der Reinigung
neutralisirt, ein ausgezeichnetes Rohproduct für die Erzeugung von Soda bilden.
Bekanntlich beruht die Le Blanc'sche Sodaerzeugung auf
der Wechselwirkung von Kalk (CaCO3), Sulfat (Na2SO4) und Kohle.
Nach Scheurer-Kestner wirkt die Kohle hauptsächlich
durch Reduction des Sulfates zu Schwefelnatrium, indem sie selbst zu Kohlensäure
oxydirt wird. – Das Schwefelnatrium setzt sich mit dem Calciumcarbonat zu Soda um,
wobei Schwefelcalcium, Calciumoxyd, Kohlensäure u.s.w. gebildet werden, gleichzeitig
wird durch die Verbrennung der Kohle die nothwendige Reactionstemperatur
erreicht.
Diese Betrachtungen führten zur Idee, statt der Kohle Kohlenwasserstoffe zu benutzen
und die in den Abfällen enthaltenen Säuren zur Erzeugung von Sulfat zu verwerthen.
Die Abfälle enthalten Kohlenwasserstoffe – mit grossem Kohlenstoffgehalt – die bei
höheren Temperaturen unter Bildung von niedrigen Kohlenwasserstoffen zerfallen,
deren reducirende Wirkung eine intensivere ist, als die der Kohle, gleichzeitig
entwickeln die Rückstände bei ihrer Verbrennung mehr Calorien, so dass auch die
Reactionstemperatur gesteigert wird. Ein weiterer nicht zu unterschätzender
Vortheil, der für diese Verwendung der Rückstände spricht, ist ihr halbflüssiger
Zustand, der bei gewöhnlicher Temperatur schon ein weit innigeres Mischen
ermöglicht, so dass der Verlauf der Einwirkung viel glatter und rascher ist, als bei
Verwendung der trockenen Producte. Denn trotz Anwendung von Rotiröfen kann in
letzterem Falle die Wechselwirkung zwischen Kohle, Kalk und Sulfat nicht vor dem
Schmelzen des letzteren beginnen, einer Temperatur von 867° C.Lechatelier, 1887 265598. entsprechend. – Die Bildung der Kohlenwasserstoffe und
Entwickelung von Wasserdämpfen endlich lockert die Reactionsmasse auf, macht sie
poröser und zur rascheren Auslaugung geeigneter.
Die dickflüssigen Abfallsäuren, mit den concentrirten Laugen gemischt, bilden
schwarze, asphaltige, neutrale Producte. Sie enthalten neben schwefelsaurem Natrium
noch, sulfonsaures Natrium und organische Verbindungen in grosser Menge; alle diese
Bestandtheile bilden ein werthvolles Material für die Sodaerzeugung.
Zahlreiche Versuche mit diesem Product ergaben die günstigsten Resultate. Mit etwa ⅔
des Gewichtes kohlensaurem Kalk (Kreide) gemischt und geglüht war eine reichliche
Sodaausbeute nachweisbar. Die Resultate waren die gleichen, ob im geschlossenen oder
offenen Tiegel geglüht wurde. Die Schmelzmasse selbst war durch lockeres, blasiges
Aussehen characterisirt und erwies sich ganz frei von Cyanverbindungen, ein nicht
minder wichtiger Umstand für die Sodaerzeugung.
Neben diesen Eigenschaften der Abfälle ist auch der geringe Preis derselben nicht
unwichtig. Zahlreiche Fabriken vergraben die Rückstände, werfen sie in den
Flusslauf, oder benutzen sie in selteneren Fällen zu Heizzwecken, so dass sie weit
unter dem Gestehungspreis der Kohle erhältlich wären.
Durch Versuche im Grossen, die durchgeführt werden, sollen die
Mengenverhältnisse dieser Rückstände und das Rendement an Soda festgestellt
werden.
Ihnen anschliessen werden sich die Resultate der Verwendung von Rückständen aus
minderwerthigen Roherdölen für die Erzeugung von Soda und als Ersatz für Kohle.
Sicher werden, von gleichen Bedingungen ausgehend, der geringe Preis, der hohe
Heizwert, der Flüssigkeitsgrad der Rückstände sich vortheilhaft bemerkbar
machen.