Titel: | Lüftungsanlagen im Anschluss an die gebräuchlichen Heizungssysteme und eine kritische Beleuchtung dieser letzteren. |
Autor: | F. H. Haase |
Fundstelle: | Band 279, Jahrgang 1891, S. 39 |
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Lüftungsanlagen im Anschluss an die
gebräuchlichen Heizungssysteme und eine kritische Beleuchtung dieser
letzteren.
(Eine Artikelfolge von F.
H. Haase, gepr. Civilingenieur, Patentanwalt in Berlin.)
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 278 S.
351.)
Lüftungsanlagen im Anschluss an die gebräuchlichen
Heizungssysteme.
V. Luftwechsel durch Mauern und Maueröffnungen.
Es wurde unter I und II darauf hingewiesen, dass man bei Beschaffung einer guten
Lüftungsanlage ausser der im Inneren der zu lüftenden Räume selbst bewirkten
Luftverschlechterung auch die dabei etwa mitbetheiligten äusseren Verhältnisse zu
berücksichtigen hat.
In der Regel wird nicht nur die letztere Rücksichtnahme vollständig ausser Acht
gelassen, sondern auch die in den Räumen selbst erzeugte Luftverunreinigung nur
unvollständig in Rechnung gezogen und der erforderliche Luftwechsel nur nach der
unter günstigen Verhältnissen von den Raumbewohnern ausgeathmeten Kohlensäuremenge
veranschlagt, während sowohl alle aussergewöhnlichen Kohlensäureentwickelungen als
auch alle anderen Vorkommnisse unberücksichtigt bleiben.
Würde übrigens bei Ermittelung der einzuführenden Frischluftmenge immer die wirkliche
grösstvorkommende Raumbewohnerzahl in Rechnung gesetzt, so würde das Ergebniss der
letzteren, auch bei sonst ungenügender Berücksichtigung der wirklichen Verhältnisse,
nicht selten die Beschaffung weit besserer Lüftungsanlagen zur Folge haben, als man
sie thatsächlich vielfach findet; allein da dem Fachmanne die genaue Durchführung
der Rechnung für jeden Einzelfall zu zeitraubend ist und sie ihm zudem – wie sich
jeder erfahrene Techniker sagt – doch immer nur eine ungefähre Vorstellung von dem
unter Umständen nöthigen Luftwechsel zu geben vermag, so begnügt er sich gewöhnlich
mit der Wahl eines – seiner Meinung nach dem etwaigen Ergebniss einer eingehenden
Berechnung angedeuteter Art genügend entsprechenden – Vielfachen des Inhalts der zu
lüftenden Räume.
Dieses Verfahren von erfahrenen Fachleuten angewendet, ergibt – bei zeitweiliger
Prüfung einer getroffenen Wahl durch eingehendere, nach der gebräuchlichen
Bestimmungsart ausgeführte Berechnung – mindestens ebenso brauchbare Resultate, wie
die letztere selbst; wird es jedoch von wenig erfahrenen Fachleuten (ohne
eingehendere Nachrechnung für einzelne Räume) angewendet, so kann es grosse
Missgriffe zur Folge haben, die den Werth einer ganzen Lüftungsanlage bedeutend
beeinträchtigen und unter Umständen sogar verursachen, dass durch zufällige Oeffnungen
hindurch erfolgende Luftströmungen eine der Lüftungseinrichtung entgegengesetzte,
grössere Wirkung auf die Raumluft ausüben als diese Lüftungseinrichtung selbst.
Solche Vorkommnisse findet man in grosser Zahl, insbesondere da, wo für die
Sommerzeit nur Drucklüftung verwendbar ist, welche bei genügend bemessener
Druckluftmenge ein Zuströmen unerwünschter Luft durch zufällige Oeffnungen, Thür-
und Fensterspalten und Wände verhindert, bei viel zu gering bemessener
Druckluftmenge aber solche Zuströmung unter Umständen sogar begünstigen kann.
So ist beispielsweise dem Verfasser eine mit ungenügender Lüftungseinrichtung
versehene Bierhalle bekannt, welche im Hochsommer bei geschlossenen
Strassenwandfenstern und geschlossener Haupteingangsthür ganz und gar unter dem
Einfluss der Luft der Wirthschaftsküche und eines sehr engen Hofes steht, sobald
aber die besagte Thür oder eines der ihr benachbarten Fenster der Strassenwand
geöffnet wird, einem empfindlichen Zugluftstrom ausgesetzt ist, dessen
Bewegungsrichtung der vorherigen Luftbewegung entgegengesetzt ist.
Der Grund für diese Erscheinungen ist theils in ungenügender Frischluftzuführung und
theils darin zu suchen, dass die Strassenwand im Verhältniss zu der sehr grossen
Tiefe des Wirthschaftsraumes nur eine sehr geringe Breite hat und fast ganz von zwei
mächtigen versenkbaren, sehr dichtschliessenden Fenstern eingenommen wird, während
die eine der beiden langen Seitenwände den besagten engen Hof begrenzt und über den
Küchenfenstern liegt, die übrigen Wände aber ungelüftete Wohnräume begrenzen.
Demzufolge strömt vorwiegend Küchenluft durch die besagte eine Seitenwand und deren
Oeffnungen in den Wirthschaftsraum ein und durch eine in der Nähe der Strassenwand
befindliche Abzugsöffnung unter der besonderen Zugwirkung einiger Gasflammen mit der
wenigen Lüftungsluft ab. Wird dagegen die Haupteingangsthür geöffnet, so bewegt sich
sofort ein weit stärkerer Luftstrom in entgegengesetzter Richtung durch die
Oeffnungen der besagten Seitenwand in den Hof hinaus. –
Der Einfluss der Durchlassfähigkeit der Mauerung und der Undurchlässigkeit von
Glasflächen für Luft auf die Beschaffenheit der Raumluft ist oft sehr bedeutend, so
dass man bei Bestimmung der durch die Kanäle der Lüftungsanlagen zu führenden
Luftmenge immer darauf Rücksicht nehmen muss.
Dabei findet man für Zuglüftungsanlagen allgemein:
Räume, welche grosse freiliegende Mauern mit massig gossen
Glasflächen in den letzteren haben, bedürfen unter sonst gleichen Verhältnissen
zu ihrer Lüftung geringerer Luftzuführung durch die Lüftungsanlage als
gleichgrosse Räume, welche kleine freiliegende Mauern mit grossen
dichtschliessenden Glasflächen haben.
Für Druckluftanlagen ist dieser Satz, unter der Voraussetzung reiner Luft ausserhalb
der freiliegenden Mauern, unter besonderen, später zu besprechenden Verhältnissen
nur richtig, wenn die Abzugsöffnungen der Lüftungsanlage von diesen Mauern möglichst
weit entfernt liegen. Unter allen Umständen aber ist hierbei, unter gleichen
Verhältnissen, die den Räumen zuzuführende Luftmenge immer reichlicher zu bemessen
als bei Zuglüftung.
Nach Märker und Pauli ist
die Durchlassfähigkeit der genannten Wände bei Windstille nur der Differenz der
an beiden Mauerseiten herrschenden Temperaturen proportional, von der Mauerdicke
aber unabhängig.
Dieses anscheinend mit den Gesetzen der Mechanik im Widerspruch stehende
Versuchsergebniss findet seine Erklärung in dem Umstände, dass der Widerstand,
welcher sich der Luftbewegung in der Mauermasse entgegensetzt, der Mauerdicke nur
einfach, der Geschwindigkeit der Luft aber quadratisch proportional, und somit eine
Zunahme der Mauerdicke von weit geringerem hemmendem Einfluss auf die Luftbewegung
in der Mauer ist, als die in derselben wachsende Geschwindigkeit, ihrerseits aber in
dicken Mauern viel allmählicher zunimmt als in dünnen, weil in letzteren die beiden
durch die Mauer von einander getrennten Temperaturen viel schneller in einander
übergehen als in ersteren und dementsprechend auch das Volumen der Luft in dünneren
Mauern viel rascher zunimmt als in dicken. Wenn demnach auch, genau genommen, eine
vollständige Unabhängigkeit der Durchlassfähigkeit der Mauern für Luft von der
Mauerdicke thatsächlich nicht besteht, so wird es doch innerhalb gewisser
Mauerdickengrenzen immerhin zulässig sein, von dem Einfluss dieser Dicke abzusehen,
so lange Windstille herrscht, während bei Windbewegung überhaupt Verhältnisse
eintreten, die sich wegen ihrer Verschiedenheit der Rechnung entziehen. Immerhin
darf man aber bei Bestimmung der grössten von der Lüftungsanlage zu führenden
Luftmenge auch die vorherrschenden Winde nicht immer ganz ausser Berücksichtigung
lassen. Hierzu genügt es jedoch, gegebenen Falles eine etwas höhere
Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Aussenluft in Rechnung zu setzen, als sie
thatsächlich jemals eintritt. Ob eine solche Berücksichtigung nöthig ist, ergibt
sich je nach der Art der Lüftung aus der Richtung des vorherrschenden Windes
hinsichtlich der Mauerrichtung, wobei nur zu beachten ist, dass der an einer Mauer
vorbeistreichende Wind immer eine saugende Wirkung auf die Luft in derselben ausübt,
und der dagegen stossende Wind eine gegentheilige Einwirkung auf die Raumluft hat,
und dass in beiden Fällen die besagte Wirkung des Windes eine um so grössere ist, je
dünner die in Betrachtung stehende Mauer ist.
Nach Märker beträgt die Durchlassfähigkeit von 1 qm
Wandfläche bei 1° Temperaturdifferenz zwischen Innen- und Aussenluft in einer
Stunde
bei
Sandsteinmauern
0,169
cbm
Luft,
„
Kalksteinmauern
0,232
„
„
„
Backsteinmauern
0,283
„
„
„
Kalktuffsteinmauern
0,364
„
„
„
Lehmsteinmauern
0,512
„
„
Diese Zahlen geben allerdings die Mittel an die Hand, die Durchlassfähigkeit
verschiedener Mauern für bestimmte Temperaturdifferenzen zwischen Innen- und
Aussenluft annähernd zu bestimmen und man findet hiernach beispielsweise, dass bei
10° Temperaturdifferenz eine Backsteinmauer von 21,2 qm Wandfläche stündlich eine
Luftmenge von
21,2 × 10 × 0,283 = 60 cbm
durchlässt. Würde man sich hiernach aber zur Annahme verleiten
lassen, dass ein Stall für ein Pferd, für welches man gewöhnlich einen stündlichen
Bedarf von 60 cbm frischer Luft rechnet, nur einer freiliegenden Backsteinmauer von
21,2 qm Wandfläche bedarf, um bei 10° Temperaturdifferenz zwischen der Stallluft und
der Aussenluft genügende Lüftung ohne weitere Hilfsmittel zu sichern, so würde man
sich im Ausführungsfalle durch den Thatbestand bald enttäuscht finden. Denn
abgesehen davon, dass 60 cbm frische Luft noch eine ziemlich unbestimmte Grosse ist,
so lange man sich darüber nicht klar ist, was man hierbei unter frischer Luft zu
verstehen hat, bedingt die Durchlassfähigkeit der besagten Mauer für 60 cbm Luft
noch lange nicht, dass diese Luftmenge wirklich mit Sicherheit in den Stall hinein
gelangt. Ebenso wenig ist aus dieser Durchlassfähigkeit ohne weiteres zu schliessen,
dass auch 60 cbm der verdorbensten Luft dafür aus dem Stall entweichen, und endlich
hängt die Wirkung der durch die freiliegende Mauer einströmenden Luftmenge noch
wesentlich von der Reinheit des Stalles und davon ab, ob ausser der Wandfläche
dieser Mauer noch andere Wandflächen vorhanden sind, welche etwa gleichzeitig
verunreinigte Luft in den Stall einströmen lassen.
In erster Linie ist darauf aufmerksam zu machen, dass die Luft beim Durchströmen der
Mauer schon ihre Beschaffenheit ändert und frische Luft weniger rein in einen Raum
hineingelangt, als sie es ausserhalb derselben war.
Ausserdem aber kann ohne das Vorhandensein besonderer saugend oder drückend
beeinflussender Elemente oder Hilfsmittel von einem einfachen Durchströmen der
kälteren Aussenluft nach dem wärmeren Innenraum oder der etwa kühleren Innenluft zu
der wärmeren Aussenluft durch die Mauer hindurch nicht entfernt die Rede sein;
vielmehr findet hierbei nur eine Diffussion, d. i. ein gegenseitiger Austausch
zwischen den beiden durch die Mauer getrennten Luftarten, durch die Mauer hindurch
statt. Deshalb muss man, wenn keine besonderen Hilfsmittel vorhanden sind, welche
den Durchzug der Luft durch die Mauer in der einen Richtung ganz oder theilweise
verhindern, die Hälfte der Mauerwand als luftzuführend und die andere Hälfte als
luftabführend in Rechnung ziehen.
Dasselbe gilt natürlich auch von Wänden solcher Mauern, die nicht freiliegen und
deshalb für den Luftwechsel des Raumes nicht immer von günstigem Einfluss sind.
Bei diesem gegenseitigen Austausch der ausserhalb eines Raumes befindlichen Luft mit
der Raumluft kann es nicht fehlen, dass die frische Luft auf ihrem Wege durch die
Mauer bereits einen mit der Dicke der Mauer zunehmenden Verunreinigungsgrad erlangt,
welcher bis zum Mittel zwischen ihrem ursprünglichen Verunreinigungsgrad und dem der
abziehenden Raumluft (und selbst darüber) steigen kann, so dass, wenn die Raumluft
etwa mit 0,001 cbm ungesunder luftförmiger Beimischung pro Cubikmeter entweicht und
die frische Luft ausserhalb der Mauer nur 0,0004 cbm solcher Beimischung pro
Cubikmeter enthält, ihr Verunreinigungsgrad beim Eintritt in den Raum etwa 0,0007
betragen kann.
Dass man unter solchen Umständen von einer 21,2 qm grossen Mauerfläche eines
Pferdestalls keine genügende Lüftung erwarten kann, liegt auf der Hand.
Weit günstiger gestalten sich hierbei die Verhältnisse, wenn man für die Zeit, in
welcher die Raumluft wärmer ist als die Aussenluft, für eine saugend wirkende
Luftabführung und für den umgekehrten Fall für eine drückend wirkende Luftzuführung
durch einen besonderen günstig angelegten Kanal sorgt, weil dadurch der Werth der
lüftenden Mauer auf das Doppelte erhöht werden kann. Bei günstiger Lage des
Raumes kann man eine annähernd gleiche Wirkung auch schon erlangen, wenn man
niedrige Mauerlöcher in der Nähe der Raum decke und des Fussbodens an solchen
Stellen anordnet, welche von der bestlüftenden Mauer möglichst entfernt liegen,
sofern man dann je nach Bedürfniss die eine oder die andere Reihe dieser niedrigen
Löcher verschliesst.
Maueröffnungen von grösserer Höhe – wie Fenster- und Thüröffnungen – zeigen eine ganz
andere Wirkung a]s niedrige an der Raumdecke und am Fussboden gelegene und sind,
wenn sie in einer einzigen Wand liegen, für die Lüftung von weit geringerer
Bedeutung, als es vielfach angenommen wird.
Bekanntlich erfolgt bei Windstille der Luftaustausch durch eine solche Oeffnung in
zwei über einander hinwegstreichenden Stromschichten, wobei häufig die beiden
entgegengesetzten Luftgeschwindigkeiten an der oberen und an der unteren Grenze der
Oeffnung annähernd einander gleich sind, während die Stromgeschwindigkeiten gegen
die Mitte der Oeffnung hin allmählich abnehmen. Daraus geht hervor, dass die
mittlere Geschwindigkeit, mit welcher der Luftaustausch erfolgt, etwa halb so gross
ist als die grösste durch die Temperaturdifferenz überhaupt entstehende (an der
oberen und an der unteren Grenze der Oeffnung), und dass somit die durch eine solche
Maueröffnung einströmende Frischluftmenge höchstens derjenigen gleich sein kann,
welche mit der grössten durch die Temperaturdifferenz bewirkten Geschwindigkeit
einer Oeffnung entströmen würde, die nur dem vierten Theil der in Betrachtung
stehenden freien Maueröffnung gleich ist. Dadurch erklärt sich wenigstens theilweise
die mitunter sehr gering erscheinende Lüftungsfähigkeit von Fensteröffnungen.
Eine unanfechtbare, allgemein gültige Formel für die Berechnung des in einer
bestimmten Zeit durch eine Maueröffnung hindurch erfolgenden Luftwechsels lässt sich
nach den Regeln der analytischen Mechanik nicht ermitteln, weil hierbei Annahmen
über den Zeitraum erforderlich sind, innerhalb dessen die kühlere der an einander
vorbeiströmenden Luft arten die Temperatur der wärmeren annimmt, welcher Zeitraum,
insbesondere bei Eintritt kühler Frischluft in einen wärmeren Raum, wesentlich mit
von der Einrichtung und Tiefe dieses Raumes abhängt.
Man kann deshalb ein sicheres Urtheil über die Wirkung von Maueröffnungen nur durch
mehrmalige Untersuchung der Raumluft bei verschlossener und freier Oeffnung und
Berechnung des durch die Raumluftbeschaffenheit bedingten Luftwechsels erlangen.
Auf Grund der wenigen Untersuchungen, welche bis jetzt in dieser Richtung gemacht
worden sind, ist es wahrscheinlich, dass eine Maueröffnung von 1 qm Grosse (bei
verklebten Spalten etwa gegenüberliegender Fenster und Thüren) in einer Stunde einen
Luftwechsel bewirkt, der sich ausdrücken lässt durch:
L_w=19\ .\ \beta\ .\ \sqrt{t} . . . . . (1)
wenn t die Temperaturdifferenz
zwischen Innen- und Aussenluft und β einen von der Form
des Mauerausschnitts und von der Mauerdicke abhängigen Coefficienten bezeichnet, der
selten grösser als 0,75 sein dürfte.
So wurde beispielsweise bei einer Fensterflügelöffnung von 0,68 qm bei einer
Temperaturdifferenz von 4° C zwischen Innen- und Aussenluft ein Luftwechsel von 20
cbm als durch diese
Oeffnung bewirkt ermittelt, welche die vorstehende Formel für diese Verhältnisse
ebenfalls ergibt, wenn β = 0,75 gesetzt wird, während
bei anderen beobachteten Fällen das Ergebniss der Formel bei Annahme von β = 0,75 etwas höher ausfällt.
(Fortsetzung folgt.)