Titel: | Ueber Hochofenschlacken und deren Verwerthung. |
Fundstelle: | Band 279, Jahrgang 1891, S. 41 |
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Ueber Hochofenschlacken und deren
Verwerthung.
(Fortsetzung des Berichtes S. 22 d.
Bd.)
Ueber Hochofenschlacken und deren Verwerthung.
Fritz W. Lürmann macht in Stahl
und Eisen, 1890 S. 625, darauf aufmerksam, dass nicht Charles Wood der erste war, der die hydraulischen Eigenschaften der
granulirten Hochofenschlacke festgestellt hat, sondern ein Deutscher, Emil Langen, in der Friedrich-Wilhelmshütte bei
Siegburg. Wood habe mehrfach private Mittheilungen von
Lürmann benutzt und in Vorträgen die Neuerungen so
dargestellt, als ob sie von ihm allein stammten. Dies gilt auch von den aus
granulirter Schlacke hergestellten Mauersteinen, welche, wie wir der Denkschrift Ueber die Herstellung der Mauersteine aus granulirten
HochofenschlackenDruck von Kisling, Osnabrück 1877.
entnehmen, zuerst in Osnabrück auf der Georgs-Marienhütte erzeugt wurden. Diese
Mauersteine, welche sich durch Porosität und Festigkeit auszeichnen, wurden bis 1870
mit Handpressen hergestellt., später aber mit Hilfe verbesserter Ziegelpressen.
Bis Ende 1876 sind daselbst etwa 29 Millionen Stück Mauersteine aus granulirter
Hochofenschlacke fertiggestellt worden und fanden bei den verschiedenartigsten
Bauten Verwendung. Die erste Herstellung von Schlackencement geschah auf der Osnabrücker Stein- und Trassfabrik und sind damit schon
vor vielen Jahren grössere Gebäude in Osnabrück mit Erfolg geputzt worden.
P. GredtStahl und Eisen, 1889 S. 756. suchte
die Bildungstemperaturen der Hochofenschlacken dadurch zu bestimmen, dass er
Kieselsäure, Thonerde und Kalk im Verhältniss eines Singulosilicates (Thonerde als
Base gerechnet) mischte, mit Dextrin formte, in Kegelform brachte und dann mit Seger'schen Normalkegeln verglich. Die Temperatur, bei
welcher ein Kegel mit der Spitze die Chamotteunterlage berührte, wurde als
Schmelzpunkt des Kegels notirt. Letztere übte keinen Einfluss auf das Erweichen der
Kegel aus.
Gredt hebt hervor, dass die Temperaturen, bei welchen
die Normalkegel schmelzen, keine absolut richtigen zu sein brauchen, wenn man diese
selbst als Temperaturscala annimmt. Dies ist ganz richtig, nur müsste man dann bei
jeder Temperaturangabe hervorheben, dass dieselbe sich nicht etwa auf Grade Celsius,
sondern auf Grade der Normalkegel bezieht.
Die Versuche wurden, um eine allmähliche, gleichmässige Temperatursteigerung zu
erzielen, in Porzellanbrennöfen der königl. Porzellanmanufactur zu Berlin
angestellt.
Die Kohlensäure entweicht aus dem Calciumcarbonat bei etwa 800° C. Während dieser
Zeit wird die Temperaturzunahme bei den Schlackenkegeln etwas verzögert. Die
Resultate, welche Gredt erhielt, sind in folgenden zwei
Tabellen zusammengestellt:
Nr.
SiO2
Al2O3
CaO
Bildungs- undSchmelz-temperatur
derSchlacke
1 2 3 4 5 6 7 8 9101112131415
1,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,8762
–0,1070,2140,3210,4280,5350,6420,7490,8560,9631,0701,1771,2841,3911,498
3,4963,3213,1462,9722,7972,6222,4472,2722,0971,9231,7481,5731,3981,2231,049
157015261492146814511439143014221417141214101430146815261613
161718192021
1,87621,87621,87621,87621,87621,8762
1,6061,7131,8201,9272,0342,141
0,8140,6990,5240,3490,175–
über 1671
Nr.
SiO2
Al2O3
MgO
CaO
Bildungs-temperatur
1122232425 25a 25b262728293031
1,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,87621,8762
1,07071,07071,07071,07071,07071,07071,07071,07071,07071,07071,07071,07071,0707
–0,1240,2490,3740,4990,5410,5830,6240,7490,8740,9991,1241,249
1,7481,5731,3981,2241,0490,9910,9320,8740,6990,5240,3490,178–
1410°
C1378° „1365° „1357° „1352° „1351° „1350° „1352° „1359° „1368° „1381° „1410° „1497° „
Die Mischungen der zweiten Tabelle wurden dadurch erhalten, dass der Kalk des
niedrigst schmelzenden Kegels durch progressiv gesteigerte Magnesiazusätze ersetzt
wurde. Aus der letzten Columne ersieht man, dass die Magnesia, wenn sie den Kalk
theilweise ersetzt, die Schmelztemperatur des Gemenges bis zu einem gewissen Grade
erniedrigt. Dies ist nach Péligot auch beim Glase der
Fall.
Erhärtungstheorie der hydraulischen Bindemittel. K.
Zulkowski hat schon vor 26 Jahren in der Zeitschrift des niederösterreichischen Ingenieur-Vereins die Ansicht
ausgesprochen, dass der Cement freien Aetzkalk enthalten müsse (vgl. Knapp, 1889 256 184). Er
liess eine Lösung von Magnesiumnitrat in absolutem Alkohol auf Cement einwirken und
gelangte dabei zu folgenden Schlüssen: 1) Das Brennen des natürlichen oder
künstlichen hydraulischen Kalkes bewirkt eine Aufschliessung des
Thonerde-Eisensilicates (Thon) durch den Kalk unter Bildung eines stark basischen,
im Wasser angreifbaren Silicates. 2) Wird das Brennen nicht bis zur Sinterung,
sondern bis zum Schmelzen getrieben, so wird sämmtlicher Kalk gebunden und die
hydraulischen Eigenschaften gehen verloren. 3) Erfolgt das Brennen nur bis zur
Sinterung, so ist das Product ein Gemenge von freiem Kalk in höchst vertheilter Form
mit einem geschmolzenen oder gefritteten basischen Gemenge, welch letzteres mit dem
übrig bleibenden Kalke unter Mitwirkung des H2O eine
Verbindung einzugehen vermag.
Zulkowski hält noch heute an seinen Schlüssen fest,
obgleich er zur Ansicht gekommen ist, dass sich das Vorhandensein des Aetzkalkes auf
obige Weise nicht beweisen lässt. Die im Feuer gebildeten stark basischen
Thonerde-Kalksilicate werden schon durch die schwächsten Mittel unter Abgabe von
Kalk angegriffen und man wird mit dem „Auslaugen“ derselben nicht recht
fertig. Selbst das Wasser führt Zersetzungen herbei, worauf ja die Wirksamkeit des
hydraulischen Bindemittels beruht. – Die Versuche von Mylius über Glas (vgl. 1889 273 86) sprechen
dafür, dass der Beweis von der Anwesenheit freien Kalkes im hydraulischen Kalke auf
analytischem Wege nicht erbracht werden kann, voraussichtlich aber durch
synthetische Versuche. (Berichte der österreichischen
chemischen Gesellschaft, 1889 S. 57.)
In der Februarsitzung der österreichischen Gesellschaft zur
Förderung der chemischen Industrie hielt Prof. K.
Zulkowski einen Vortrag über die chemische
Constitution der Hochofenschlacken und Cemente nach Dr. Kosmann's
Hydratisationstheorie:
Nach Kosmann ist jede Wasseraufnahme wie jede andere
chemische Vereinigung von einer Wärmeentwickelung begleitet, welche eine Erregung
des umgebenden Wassers zur Folge hat.
Das durch Wärme erregte (polarisirte) Wasser vollzieht, gleichsam als Vorspiel einer
beginnenden Dissociation, die Umlagerung seiner Bestandteile in die Atomgruppirung
H–OH. Daraus bildet sich durch eigene Hydratisirung das sogen. hydratisirte Wasser
H2–(OH)2,
mittels dessen die Wasseraufnahme bei den verschiedenen Körpern bewirkt wird,
z.B.
K2O + H2(OH)2
= K2(OH)2
+ H2O
K2(OH)2 + H2(OH)2
= H2K2(OH)4
H2K2(OH)4 +
H2(OH)2
= H4K2(OH)6
und so fort, solange die vermöge der Verbindungswärme des
Kaliumhydroxydes entwickelte Wärmeenergie den Eintritt von Molekülen gestattet. In
gleicher Weise bilden sich die Hydrate der Erdalkalimetalle der monoxydischen
Metalle, soweit die Verbindungswärme derselben eine solche Hydratisirung
ermöglichen.
Die sesquioxydischen Basen liefern folgende Hydroxyde:
Al2O2 . O + H2(OH)2
= Al2O2(OH)2 (Diaspor) + H2O
Al2O . O(OH)2 + H2(OH)2
= Al2O(OH)4 (Bauxit) + H2O
Al2O . (OH)4 + H2(OH)2
= Al2(OH)6
(Hydrargillit) + H2O
Das Charakteristische dieser Theorie besteht in der Annahme, dass das Wasser in dem
entstandenen Hydrate die Form von Hydroxylen annimmt und dass bei diesem Vorgange
der Sauerstoff der zu hydratisirenden Verbindung nach und nach gegen das Hydroxyl
ausgetauscht wird; daher ist hierfür ein Doppelmolekül Wasser erforderlich. – Die
Hydratisirung geht bei den Sesquioxyden bis zu H4R2(OH)6.
Jeder der Hydratstufen entspricht eine bestimmte Bildungswärme, welche sich mit
wachsendem Wassergehalte erniedrigt, und mit der Abspaltung des hydratisirten
Sauerstoffes in den verschiedenen Hydraten muss eine Umlagerung im Molekül gegenüber
dem ursprünglichen Anhydrid und Hydroxyd vor sich gehen.
Treibt man durch Erhitzung das Wasser aus, so verbleibt der zurückgebliebene
Sauerstoff in der früheren Stellung und es entstehen beispielsweise aus den
Aluminiumhydroxyden die Anhydride:
II
Al2O2
. O
IV
Al2O
. O2
VI
Al2
. O3
Wenn nun das Monohydroxyd in Folge der zwei Hydroxylgruppen zweiwerthig und die
übrigen Hydroxyde vier- und sechswerthig sind, so folgt, dass auch im wasserfreien
Zustande eine zwei-, vier- und sechswerthige Thonerde existiren muss, gleichsam
ungesättigte Verbindungen darstellend.
Aus krystallographischen Gründen war man bereits zur Annahme einer verschiedenen
Werthigkeit der Thonerde und der sonstigen Sesquioxyde genöthigt; eine chemische
Erklärung derselben ist durch obige Betrachtungen gegeben. Die Dimorphie zwischen
Disthen und Andalusit lässt sich demnach leicht dadurch begründen, dass im Disthen
die zwei werthige, im Andalusit die vier werthige Thonerde vorhanden ist; demgemäss
wäre also Disthen ein Metasilicat der zweiwerthigen Thonerde, d. i.
Textabbildung Bd. 279, S. 42
und der Andalusit ein Orthosilicat der vierwerthigen Thonerde,
d.h.
Textabbildung Bd. 279, S. 42
Bei den Säuren verläuft die Hydratisation der Sauerstoffsäuren ähnlich wie bei den
Sesquioxyden, z.B. bei Schwefeltrioxyd
SO2 . O + H2(OH)2
= SO2 . (OH)2 + H2O
SO . O(OH)2 + H2(OH)2
= SO(OH)4 + H2O
S . O . (OH)4 + H2(OH)2
= S(OH)6 + H2O.
Alle diese Hydrate sind als für sich bestehende Verbindungen bekannt mit den
Siedepunkten 330°, 205° und 195° C.
Wenn man nun in den Säuren und Basen das Wasser als chemisch gebundenes ansehen muss,
so ist nicht einzusehen, warum man in den Salzen, die daraus hervorgehen, das mit
herüber genommene Wasser nicht auch als chemisch gebundenes ansehen soll, um so
mehr, als bei diesem chemischen Process neuerdings Wärme auftritt, welche abermals
den Eintritt weiterer Wassermoleküle bedingt. Kosmann
gelangt zu folgenden Schlüssen:
Die Aufnahme von Wasser ist mit einer Wärmeentwickelung verbunden und wird durch
Wärmeentwickelung befördert; gleichviel welcher Quelle diese Wärme entstammt. Aus
dem Vorgange der Zerlegung des Wassers, welche das Werk der Wärmeentwickelung ist,
ergibt sich, dass die so gebildeten Hydrate nach der Molekularformel zu schreiben
sind, mithin:
K2(OH)2
und
nicht
K2O + H2O
Al2O2(OH)2
„
„
Al2O3 +
H2O
P2O2(OH)6
„
„
P2O5 +
3H2O
N2O4(OH)2
„
„
N2O5 +
H2O u.s.w.,
und das Wasser denselben in der Form eines Paares von
Hydroxylgruppen äquivalent einem Molekül Hydroxyl eingefügt ist.
Die Zerlegung des Wassers findet in fortschreitendem Masse mit der Bildung weiterer
Hydratisationsstufen statt, von denen man bei den stärksten Basen, d. i. K2O, Na2O, BaO, SrO,
Hydrate mit 9 Mol. H2O kennt, welch letztere also
\mbox{H}_8\overset{\mbox{I}}{\mbox{R}}_2(\mbox{OH})_{10} zu
bezeichnen wären.
Bei dem Vorgange der Hydratisation findet vom Anbeginn ein stetig fortschreitender,
zusammenhängender Verlauf statt, dessen Beschliessung sich durch eine Ausgleichung
der entwickelten Wärmeenergie mittels der geschehenen Wasseraufnahme
kennzeichnet. Aus diesen und anderen Gründen ergibt sich, dass die Unterscheidung
zwischen chemisch gebundenem oder Constitutionswasser und zwischen Krystallwasser
hinfällig werden muss; jeder Wassergehalt ist als chemisch gebundenes Wasser zu
bezeichnen und immer in Form von Hydroxylen vorhanden. So ist z.B. der Kalialaun als
eine Verbindung des Kaliumpenthydroxydes mit dem isomorphen Hydrate der Thonerde und
der Hexahydroxylschwefelsäure anzusehen und demnach zu schreiben:
\left\{\mbox{H}_4\mbox{K}_2(\mbox{OH})_6\ .\ \mbox{S(OH)}_6\ \ \ \ \ \
\atop \mbox{H}_4\mbox{Al}_2(\mbox{OH})_{10}\ .\ \mbox{[S(OH)}_6]_3.}
\right.
Bezüglich der weiteren Ausführungen verweisen wir auf die Originalabhandlung von Kosmann (1889 271 318) in
diesem Journale. – Nach Zulkowski hat Kosmann in dieser nur die schon lange bekannte
Thatsache der Wasseraufnahme theoretisch begründet und die vielbestrittene Annahme
des Vorhandenseins von freiem Kalk im Cemente einigermassen erschüttert.
Die Erhärtungsfrage ist damit noch lange nicht gelöst, weil die Kosmann'schen Ansichten mit vielen Thatsachen nicht in
Einklang zu bringen sind: ein Aneinanderwachsen der Körnchen sei durch die
Wasseraufnahme noch lange nicht bedingt. Enthält die normale Hochofenschlacke ein
basisches Metasilicat und der gebrannte Cement ebenfalls, warum erhärtet dann nicht
die erstere? Hochofenschlacke bedarf zum Erhärten eines Zuschlags von Kalk, der
Cement nicht u.s.w. – Zulkowski schliesst seinen
Vortrag mit der Bemerkung; dass zur Aufstellung einer befriedigenden Theorie noch
viele Experimente nöthig sein werden, er selbst wolle die Frage, ob der Cement
freien Kalk enthalte oder nicht, auf synthetischem Wege zu lösen suchen und wahrt
sich das bezügliche Arbeitsgebiet.
Was das Erhärten anlangt, so könnte man sich ein Aneinanderkleben der Theilchen des
Cementes durch blosse Wasseraufnahme wohl denken; wir sehen dies ja am Gyps. Die
einzelnen Theilchen der Cemente werden durch Hydratisation vielleicht in einen
halbflüssigen, colloiden Zustand übergeführt, haften an einander und erhärten, indem
das Wasser, welches sie in vorübergehende Lösung gebracht hat, chemisch gebunden
wird. –
Bezüglich des Erhärtens von geschmolzener Schlacke vergl. die Arbeit aus den Annales des mines, dieses Referat weiter unten; Elbers, Thonerde in Silicatschlacken, Berg- und Hüttenmännische Zeitung, 1888 S. 253.
(Schluss folgt.)