Titel: | Neuerungen in der Gasindustrie. |
Fundstelle: | Band 279, Jahrgang 1891, S. 64 |
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Neuerungen in der Gasindustrie.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 278 * S.
176.)
Neuerungen in der Gasindustrie.
Ueber Gasreinigungsmassen; von E.
Schilling jun.
Bekanntlich gibt die Analyse der Gasreinigungsmassen keinen Anhalt über deren
Wirkungswerth in der Aufnahme von Schwefelwasserstoff; KnublauchJournal für Gasbeleuchtung, 1881 S.
450. arbeitete deshalb eine Methode der Werthbestimmung aus, bei
welcher er nach mehrmaliger Sättigung der Masse mit Rohgas und Regenerirung den
Schwefelgehalt bestimmte und so vergleichbare Zahlen erhielt. Die Factoren, welche
die Wirkungsweise von Massen beeinflussen, sind chemischer und physikalischer Natur,
von ersteren hauptsächlich der Gehalt an wirksamen Bestandtheilen, von letzteren
Gewicht, Korngrösse, Feuchtigkeit der Masse, Auflockerung, Schichtenhöhe,
Geschwindigkeit des Gases, Druckdifferenz vor und nach dem Reiniger. Verf. stellte
nun Versuche an in Bezug auf die Maximalaufnahmsfähigkeit von Massen, wobei die
physikalischen Verhältnisse in allen Fällen dieselben blieben. Leitet man über
feingepulverte Masse trockenen Schwefelwasserstoff, so bildet sich Schwefeleisen und
Wasser (Fe2(OH) + 3H2S = 2FeS + S + 6H2O), welches letztere
in Phosphorsäureanhydrid zurückgehalten wird. Es lässt sich so die Schwefelaufnahme
durch direkte Wägung ermitteln; wird die Sättigung bis zur Gewichtsconstanz
fortgesetzt, so ist dies die Maximalaufnahmefähigkeit der
Masse bei einmaliger Sättigung. Der verwandte Schwefelwasserstoff wird aus
reinem Schwefeleisen mit Salzsäure hergestellt mit folgender Reinigung durch
Phosphor, sowie Waschflaschen mit Wasser und alkalischer Pyrogalluslösung nebst
folgendem Trocknen in Chlorcalciumrohren und mit Phosphorsäureanhydrid. Die
Behandlung der Masse geschieht mit feinem Glaspulver gemischt in Glasröhren mit
Hahnen auf beiden Seiten. Nach etwa drei Stunden dauernder Einwirkung des
Schwefelwasserstoffes war bei Anwendung von etwa 1,7 g Substanz die eigentliche
Sättigung beendet; allerdings zeigte sich bei weiterer Einwirkung stets noch eine geringe
Zunahme. Es wurden bei Anwendung verschiedener Reinigungsmassen für die erste
Sättigung folgende Zahlen erhalten: A. 17,87 Proc. Schwefel und 18,35 Proc.; B.
28,81 und 28,51 Proc.; C. 14,02 und 14,09 Proc.; D. 9,07 und 9,42 Proc.; E. 11,2
Proc.; reines Eisenoxydhydrat (vier Versuche im Mittel) 31,03 Proc. Schwefelgehalt.
Procentmässig verringert sich nach jeder Sättigung der Gehalt der Masse an
Eisenoxydhydrat; nimmt man an, dass bei der Regenerirung nicht bisher unwirksames
Eisenoxyd aufgeschlossen wird, sondern stets die gleiche Art von Sättigung eintritt,
so kann man nach jeder Regeneration die aufzunehmende Menge Schwefel berechnen. Die
Versuche in dieser Hinsicht ergeben gute Uebereinstimmung mit den Berechnungen.
Dass die Massen durchaus nicht voll ausgenutzt werden, zeigt folgende Tabelle, in
welcher der Eisenoxydgehalt der trockenen Substanz, die dementsprechend berechnete
Menge Schwefel, sowie die Maximalaufnahmsfähigkeit nebst Knublauch's Probe bei einmaliger Sättigung neben einander gestellt
sind:
EisenoxydProc.
Entsprech.berechneterSchwefelProc.
Gefundener Schwefel
Maximal-Aufnahme
nachKnublauch
Künstliches Eisen- oxydhydrat, feucht
71,16
42,69
30,77
–
Masse A trocken
59,8
35,88
18,11
9,0
„ B „
57,4
34,44
28,41
–
„ C „
51,1
30,66
14,06
14,0
„ D „
66,3
39,78
9,25
4,7
„ E „
30,1
18,06
11,2
10,3
Man sieht, dass in keinem Falle, selbst bei reinem Eisenoxydhydrat, das
Maximalaufnahmsvermögen der theoretischen Schwefelaufnahme gleich kommt; ferner dass
zwischen Eisengehalt und Schwefelabscheidung kein bestimmtes Verhältniss zu finden
ist. Die Maximal aufnähme liefert natürlich stets höhere Werthe als Knublauch's Methode; auffallend ist, wie wenig Eisen in
manchen Massen wirklich wirkungsfähig ist. Es zeigte sich auch im Grossbetriebe,
dass die Aufnahme von Schwefel durch Massen sehr schwankte, indem z.B. bei fünf
solchen die Schwefelabscheidung zwischen 7,13 und 16,47 Proc. sich bewegte.
Unter den verschiedenen physikalischen Einflüssen, welche auf die Verwendung von
Reinigungsmassen von Einfluss sind, wurde der Druckwiderstand herausgegriffen und in einem kleinen Reinigerkasten
darüber Versuche angestellt, indem die Masse mittels durchlochtem Bleche verschieden
stark zusammengedrückt wurde. Dabei mass Verf. das durchtretende Gasquantum und den
Druckwiderstand. Es zeigte sich, dass die Steigerung des Druckes nahezu proportional
dem Gasdurchgange wächst, und zwar ist die absolute Zunahme eine um so höhere, je
mehr die Masse zusammen gepresst wird. Mit zunehmendem Schwefelgehalte der Masse
nimmt die Drucksteigerung zu, so dass dieselbe nach achtmaligem Gebrauche fast
dreimal so gross war als bei frischer Masse; ebenso nimmt auch das Gewicht eines
gleichen Volumens der Masse zu.
Mit der Drucksteigerung ist stets eine geringere Aufnahmsfähigkeit der Massen
verbunden; es schliessen sich die Zwischenräume und die Oberfläche wird in Folge
dessen eine geringere. Deshalb ist die Auflockerung von Massen sehr wichtig, da sie
oft die Benutzung einer solchen ermöglicht, welche im reinen Zustande nicht zu
gebrauchen wäre. Die steigernde Verdünnung der Masse mit Sägespänen gab aber
durchaus nicht eine proportionale Druckabnahme. (Journal für
Gasbeleuchtung, 1890 Bd. 33 S. 322.)
Cyan in der Gasfabrikation; von W.
Leybold.
In neuerer Zeit hat die Gewinnung von Cyansalzen eine sehr grosse Bedeutung erlangt
und es ist die Gasfabrikation der Hauptlieferant der erforderlichen Rohproducte. Es
werden in Deutschland und Oesterreich zusammen jährlich etwa 30000 Centner gelbes
Blutlaugensalz hergestellt, im Auslande noch etwa 20000 Centner; ausserdem werden
enorme Quantitäten Berlinerblau direct aus Rohlaugen von alten Reinigungsmassen
ausgefällt. Das für Photographie und Galvanoplastik so wichtige Cyankalium wird
jährlich zu etwa 80 bis 100 t aus Blutlaugensalz fabricirt.
Der Stickstoffgehalt der in Deutschland gebräuchlichen Gaskohlen ist gering; er
wechselt nach Untersuchungen von G. SchillingD. p. J. 1887 265
218. zwischen 1,06 und 1,50 Proc., dieser Stickstoff zerfällt bei
der Destillation der Kohlen in flüchtigen und nichtflüchtigen, welch letzterer
vollständig im Koks zurückbleibt. Der Gehalt des Koks wechselt zwischen 1,22 und
1,39 Proc. so dass die Menge des flüchtigen Stickstoffes nur 20 bis 43 Proc. des
Gesammtstickstoffes beträgt. Aber auch dieser flüchtige Stickstoff, wecher mit dem
Rohgase vorwärts geht, wird nicht vollständig gewonnen, etwa die Hälfte geht
gasförmig ins Leuchtgas, ein geringer Theil bleibt im Theer, ein weiterer Theil
destillirt als Ammoniak über, nur eine kleine Menge wird in Cyan umgebildet. Ist
dessen Menge auch procentmässig nur gering, so summirt es sich in grossen Betrieben
doch bedeutend, und empfiehlt sich schon deshalb zur Gewinnung, weil Stickstoff im
Cyan viel werthvoller ist als im Ammoniak; 1 k im Blutlaugensalz ist werth etwa 6
M., im Ammoniumsulfat dagegen nur 90 Pf.
Das Cyan entsteht hier aus Ammoniak, wie sich im kleinen Versuch leicht zeigen lässt.
Leitet man mit Hilfe von Wasserstoff Ammoniakgas über glühenden Koks, so findet eine
Zersetzung statt, es bildet sich eine grosse Menge freier Stickstoff und
Wasserstoff, aber nur wenig Cyan; letzteres kann in Natronlauge und Eisenvitriol
aufgefangen und bestimmt werden. Bei kleinen Versuchen fanden sich 0,5 bis 0,8 Proc.
des angewandten Ammoniaks in Cyan umgewandelt; im grossen Betriebe der Gasanstalt
ist die Ausbeute eine bessere, je nach dem Grade der Ofentemperatur; es ist hier die
Berührung des Ammoniaks mit der glühenden Kohle in den Retorten eine innigere als im
kleinen Versuche. Weissglut zersetzt auch schon gebildetes Cyan wieder. Im grossen
Betriebe geht das wie angegeben gebildete Cyan mit dem Rohgase in die Vorlage und
weiter in die Apparate. Um zu sehen, wo das Cyan im Betriebe verbleibt, wurden nach
jedem Apparate Bestimmungen angestellt, indem wenigstens 100 l Gas durch eine
Mischung von Natronlauge und Eisenvitriol in drei Woulff'schen Flaschen geleitet wurden; es bildet sich Ferrocyannatrium
neben Schwefeleisen. Nach kurzem Kochen wurde filtrirt, das Filtrat auf 500 cc
gebracht; in einem Theil davon wurde nach dem Ansäuern mit Eisenchlorid Blau
gefällt, dies mit Natron zersetzt und schliesslich nach den Angaben von Moldenhauer und LeyboldD. p. J. 1889 273
565. Cyan bestimmt. Die Absorption in den drei Flaschen ist eine
vollständige, indem sich in der ersten 95 Proc., in der zweiten 5 Proc. des Cyans,
in der dritten nichts vorfand. – Im Rohgase findet sich der Cyangehalt als
Cyanammonium; dasselbe ist schon bei 36° C. flüchtig und kann deshalb nicht in der
heissen Vorlage bleiben, es wird vom Gase mit fort gerissen. Nur ein geringer Theil,
welcher sich mit dem condensirten Wasser niederschlug, bleibt hier in Verbindung mit
Schwefel als Rhodanammonium, neben viel Chlorammonium. Nun löst Cyanammonium wie
freie Blausäure Eisen auf und so findet sich im Gaswasser auch etwas
Ferrocyanammonium. Fast alles Cyan wird in die Kühlung getrieben; auch hier setzt
sich wenig Cyan ab unter Aufnahme von Schwefel zu Schwefelcyanammonium und Bildung
von wenig Ferrocyan. Das Gas gelangt durch Exhaustor und Pelouze-Theerabscheider zu den Scrubbern, noch mit dem grössten Theil des
Cyangehaltes. Auch hier wird merkwürdig wenig Cyan absorbirt, obwohl Cyanammonium in
Wasser leicht löslich ist; dieses wird durch die Kohlensäure des Gases zersetzt in
kohlensaures Ammoniak und freie Blausäure, welch letztere mit dem ammoniakfreien
Gase in die Reinigung wandert. Im Scrubberwasser bleibt neben viel kohlensaurem
Ammoniak und Schwefelammonium wenig Rhodan-, Ferrocyan- und Cyanammonium. In der
Eisenreinigung bleibt der grösste Theil des Cyanwasserstoffes hängen, während noch
eine geringe Menge in das Behältergas gelangt, zum Theil auch im Uhrwasser und
Behälterwasser verbleibt.Es sei hier bemerkt, dass in England, wo die Gasindustrie am höchsten
entwickelt ist, kein Cyan gewonnen wird; die Reinigung geschieht dort fast
ausschliesslich mit Kalk, in wenigen Fällen noch zuletzt mit Eisenmasse. Der
ausgenutzte Kalk hält das Cyan als Rhodan, welches neben Kalk und
Schwefelverbindungen schwierig zu gewinnen ist, ausserdem auch nicht in
bedeutenden Mengen. Gewonnen wird nur der Schwefel, so z.B. wird in den Beckton Works, London, alte Eisenmasse auf
Schwefelsäure verbrannt.
Vor und nach jedem Apparate wurden Cyan-, Ammoniak- und
Schwefelwasserstoffbestimmungen angestellt, welche in den drei folgenden Tabellen
verzeichnet sind, nebst der procentmässigen Vertheilung in den verschiedenen
Apparaten: Vergast wurden schottische Woodville, englische Silkworth, australische
Shale-Boghead nebst wenig Saar- und Ruhrkohle, jede Sorte in getrennten Retorten,
wobei das Gas sich in der Vorlage mischt.
Cyan im Gase.
Gasprobe
g Cyan-wasserstoffin 100
cbmGas
Vol.-Proc.Cyan-wasserstoff
d.i. g Ber-linerblauauf 100
cbmGas
Vertheilung desCyanwasserstoffes.Es
sind abgeschieden
aus100 cbmg
in Proc.
aus der Vorlagenach der Kühlung
265,9255,9
0,2170,209
470,5452,8
10,0 4,3
3,76 1,62
„ dem Scrubber „ „ 1. Reiniger
„ „ 2. „
251,6131,7 83,3
0,2050,1070,067
445,2233,1147,4
119,9 48,4 21,7
45,0918,20 8,16
Reinigung71,45 Proc.
„ „ 3. „im Behältergas
61,6 41,2
0,0500,033
109,0 72,9
20,4 41,2
7,6715,50
Summe
265,9
100
Ammoniak im Gase.
g NH3 in100
cbm
g Differenz
Proc. Differenz
in der Vorlage
396,6
nach der Kühlung
325,7
70,9
17,88
„ dem Scrubber
3,8
321,9
81,16
„ der Reinigung
Spur
3,8
0,96
Behältergas
Spur
––––––––––––
100.
Schwefelwasserstoff im Gase.
Vol.-Proc.H2S
DifferenzVol.-Proc.
Proc. Differenz
in der Vorlage
1,38
nach der Kühlung
1,10
0,28
20,29
„ dem Scrubber
1,05
0,05
3,62
„ „ 1. Reiniger
Spur
1,05
76,09
„ „ 2. „
–
––––––––––
100.
Der Cyangehalt des Gases ist ausser in Gramm und Volum-Procent auch noch in einem
allgemein bekannten, im Handel gehenden Körper, Berlinerblau, angegeben, das ja aus
dem aus Gas gewonnenen Cyan hergestellt wird. Gewonnen wird von dem Cyangehalte nur,
was in der Reinigung bleibt, hier also 71 Proc. während 29 Proc. im Gaswasser,
Uhrwasser, Behälterwasser verloren gehen. Die Hauptmenge des Cyans bleibt im ersten
Reinigungskasten, nämlich 45 Proc., während der zweite noch 18, der dritte 8 Proc.
aufnimmt. Je mehr Kästen mit Reinigungsmasse man hinter einander schaltet, um so
besser ist die Gewinnung von Cyan; auch wenn Schwefelwasserstoff nicht mehr im Gase
ist, wird doch Cyan noch herausgenommen. Vortheilhaft ist es, einen ersten Kasten
sehr lange als solchen zu belassen und die übrigen Kästen zu gebrauchen wie
gewöhnlich; derselbe nimmt dann längere Zeit Cyan auf und bekommt einen hohen Gehalt
an Berlinerblau. Selbstverständlich ist die Gasgeschwindigkeit in den Kästen auf die
Cyanaufnahme von grösstem Einfluss. – Um also auf trockenem Weg eine möglichst hohe
Ausbeute aus dem noch zur Reinigung gelangenden Cyan zu erzielen, sind die
wichtigsten Factoren, die ja zum Theil auch für Schwefelwasserstoff Gültigkeit
haben: Grosse Kästen, also geringe Gasgeschwindigkeit, wenigstens 3 oder 4 Kästen
nach einander geschaltet, längeres Stehenlassen eines ersten Kastens nur zur
Aufnahme von Cyan.
Was wird nun aus dem Cyanwasserstoff, welcher in die Reinigungsmasse gelangt?
Frische, ungebrauchte Masse nimmt denselben nicht auf, wohl aber mit
Schwefelwasserstoff gesättigte und auch regenerirte Masse. Es bildet sich Cyaneisen,
welches sich, besonders bei Luftzutritt, in verschiedene Arten Berlinerblau
umwandelt. Es wurde aus Cyankali mit Schwefelsäure Blausäure entwickelt und diese
mit Hilfe von Wasserstoff oder Wassergas 1) in mit Schwefelwasserstoff gesättigte
und regenerirte Reinigungsmasse, 2) in nicht regenerirte Masse geleitet, im zweiten
Fall mit grösserer Geschwindigkeit als im ersten; die erhaltenen Massen hatten nach
Verdunsten von überschüssiger Blausäure folgende Zusammensetzung:
I
II
Wasser
36,17 Proc.
23,42 Proc.
Berlinerblau (Fe7Cy18)
6,57 „
3,01 „
Rhodan
Spur
Spur
Schwefel
15,70 „
13,01 „
Dies sind die Verhältnisse, welche in den Reinigungskästen herrschen sollten; aber
häufig ist die Entfernung des Ammoniaks aus dem Gase eine unvollständige, so dass
auch dieses Gas in die Masse gelangt. Dieser Fall wurde nachgeahmt durch Einleiten
von Cyanwasserstoff und Ammoniak in die Versuchsmasse. Es wurden folgende Zahlen
erhalten:
Wasser
26,62
Proc.
32,33
Proc.
Berlinerblau
1,71
„
3,57
„
Rhodanammonium *
3,03
„
6,25
„
Ammoniak
2,05
„
2,08
„
Schwefel
24,98
„
18,98
„
* Rhodan auf Rhodanammonium berechnet.
Hier überwiegt die Rhodanbildung über die Blaubildung. Die Gegenwart von Ammoniak hat
also zur Folge, dass sich mehr Schwefelcyan, weniger Ferrocyan bildet; ersteres
bleibt beim Verkauf von alten Massen ganz ausser Betracht, da dieselben nur nach dem
Berlinerblaugehalt bezahlt werden. Ungenügende Scrubberung hat also weniger
werthvolle Massen zur Folge.
Als statt Ammoniak Schwefelammonium eingeblasen wurde, um den wirklichen
Verhältnissen näher zu kommen, ergab sich ebenfalls starke Rhodanbildung. Dasselbe
zeigte sich, als die Masse mit 10 Proc. Eisenvitriol getränkt wurde, also von
schwach saurer Reaction war. Es lag nahe, Massen mit einem Gehalt an fixem Alkali,
wie Luxmasse, zu versuchen, und auch hier trat Rhodanbildung ein, wobei auch der
Vorgang noch complicirter wurde. Die erhaltene Masse enthielt:
Wasser
32,52
Proc.
Schwefel
6,39
„
Berlinerblau
0,93
„
Rhodannatrium
0,73
„
Cyannatrium
1,13
„
Kllst. Ferrocyannatrium
0,89
„
Tritt zu solcher Masse noch Ammoniak, so bilden sich stark
rhodanhaltige Reinigungsmassen von fast gar keinem Verkaufswerth.
Alle Proben zeigten, dass für die Erhöhung des Berlinerblaugehalts und damit des
Werths alter Massen die günstigste Reaction die neutrale ist. Ammoniak und fixes
Alkali erniedrigt den Blaugehalt, bildet Rhodan. Es fand sich Gelegenheit, in einer
Gasanstalt die Einführung eines neuen Scrubbersystems zu empfehlen; die
Reinigungsmasse veränderte sich hierdurch wie folgt:
mit dem altenScrubbersystem
mit dem neuenScrubbersystem
auf gleichenWassergehaltberechnet
Wasser
19,90
29,44
19,90
Schwefel
28,51
29,37
32,46
Berlinerblau
3,00
5,64
6,23
Rhodanammonium
5,96
2,92
3,22
Ammoniak
2,86
0,43
0,47.
Es folgen noch einige Analysen ausgebrauchter Gasreinigungsmassen, welche ebenfalls
die Rhodanzunahme bei hohem Ammoniakgehalt zeigen:
AlteLux-Masse1
Dauber-Masse
Dauber-Masse2
SchröderundStadelmann
Mattoni-Masse
GutesBasenerz3
Wasser
26,52
24,72
29,84
16,48
26,36
26,00
Schwefel
29,95
27,82
29,58
28,48
28,26
25,04
Berlinerblau
2,27
2,70
4,86
4,26
5,40
10,32
Rhodanammonium4
3,78
8,06
7,19
6,58
2,41
2,24
Ammoniak
1,66
2,82
1,01
2,84
0,41
0,38
1 Sehr kleine Reinigungskästen,
sehr grosse Gasgeschwindigkeit. 2 Im Kasten
regenerirt. 3 Sehr grosse Reinigung. 4 Rhodan als Rhodanammonium berechnet.
Wie aus der früher angegebenen Tabelle ersichtlich, wird in diesem Fall nur 71 Proc.
des erzeugten Cyans gewonnen, und auch das zur Eisenreinigung tretende nicht einmal
vollständig; Knublauch versucht (D. R. P. Kl. 12 Nr.
41930) das Cyan auf nassem Weg zu gewinnen mittels Durchleiten des Gases durch
Natronlauge und Eisenvitriol. Die richtige Stelle wäre hierfür noch die Vorlage,
allein der Theer würde das Eisensalz einhüllen, auch die hohe Temperatur wie der
Ammoniakgehalt eine Rhodanbildung hervorrufen. Demnach muss der Apparat nach dem
Scrubbern aufgestellt und auf das vorher abgeschiedene Cyan verzichtet werden. (Journal für Gasbeleuchtung, 1890 33. 239.)
Ueber einen violetten Farbstoff aus Gasreinigungsmasse oder
Leuchtgas; von R. Gasch.
Verf. schied aus den genannten Substanzen einen schönen violetten Farbstoff ab, der
wegen seiner Ausgiebigkeit und seinem festen Anhaften an Papierfaser Anwendung
finden dürfte. Derselbe wurde schon früher von MahlaJournal für Gasbeleuchtung, 1889 S.
313. aus den Mutterlaugen von Blutlaugensalz aus alten
Reinigungsmassen hergestellt. Aus Leuchtgas stellt Verf. das Violett her, indem man
Gas zwischen den Reinigern und dem Gasbehältereingange entnimmt und durch alkalische
Eisenoxydullösung saugt, in der filtrirten, angesäuerten Lösung mit Zinksulfat oder
Eisensulfat das Ferrocyan fällt und filtrirt. Das Filtrat gibt mit verdünntem
Eisenchlorid den violetten Farbstoff, bevor die Rhodanreaction eintritt. Ist nur
wenig Violett vorhanden, so tritt erst die rothe Rhodanfarbe ein, die sich später in
Violett umsetzt. Der Farbstoff ist wasserlöslich, gallertartig und kann mit Kochsalz
ausgefällt werden. Reichhaltige Gasreinigungsmasse extrahirt man mit schwacher
Natron- oder stärkerer Ammoniaklauge und fällt in der filtrirten und angesäuerten
Lauge mit Zinkvitriol oder Eisenvitriol, im Filtrate mit Eisenoxydsalzlösung das
Violett. Versuche mit dem Violett zeigten, dass dasselbe einen rein rothen Farbstoff
enthält und ein Gemisch von Roth und Blau ist.Journal für Gasbeleuchtung, 1890 S.
304.
Ueber Füllung von Gasmessern mit Chlormagnesium; von W. Leybold.
Der Inhalt eines Gasmessers mit Trommel aus Britanniametall, der mehrere Jahre in
Betrieb gewesen war, wurde untersucht; die Lösung hatte, wie vorschriftsmässig, 22°
B., da das Nachfüllen mit derselben Flüssigkeit geschehen war; ein Ammoniakgehalt
war nur in Spuren nachzuweisen. Aus der Flüssigkeit setzte sich ein schwerer,
bräunlicher Schlamm ab, bestehend aus Schwefelzink, Schwefeleisen, Cyaneisen,
Bleioxydhydrat und Zinnoxyd. Es ergab sich, dass der Zinkgehalt nicht der Uhr
entstammte, sondern dem Zinkgefässe, in welchem das geschmolzene Chlormagnesium
gelöst und aufbewahrt wurde. Spuren von Schwefelwasserstoff im Gase hatten dasselbe
aus der Lösung gefällt, ebenso den geringen Eisengehalt, der im festen
Chlormagnesium sich findet und in Lösung geht. Ein Theil des Eisens war auch durch
den Cyangehalt des Gases niedergeschlagen worden. Zinn und Blei dagegen mussten aus
der Uhr stammen. Die Trommel war unversehrt, dagegen das bleierne U-Rohr, sowie der
Ablauf aus dem Vorderkasten in den Ueberlaufbehälter angegriffen. Ebenso waren die
Löthstellen am mittleren Theile der Trommel etwas angegriffen; es zeigte sich, dass
dieselben nicht mit reinem Zinn, sondern mit bleihaltigem Löthzinn gelöthet waren.
Alle Löthstellen mit reinem Zinn waren unversehrt. Aus diesem Loth kam Blei und Zinn
in den Schlamm. –
Der grösste Feind des Chlormagnesiums ist ein bedeutender Ammoniakgehalt des Gases,
da sich in diesem Falle kohlensaure Magnesia absetzt in den Uhren, manchmal in dem
Masse, dass man Hände voll herausnehmen kann. Für Gasanstalten, welche gute
Ammoniakreinigung haben, ist dagegen Chlormagnesium sehr zu empfehlen. (Journal für Gasbeleuchtung, 1890 Bd. 38 S. 424.)
Bericht der Lichtmesscommission des deutschen Vereins von Gas-
und Wasserfachmännern; von S. Schiele.
Es handelt sich um den Ersatz der Kerzen durch die v.
Hefner-Alteneck'sche Amylacetatlampe1889 274 * 540. und um die Festsetzung
des Lichtwerthes derselben gegenüber den verschiedenen Kerzen. Die Commission liess
seiner Zeit sechs gleiche Photometerbänke bauen, sechs Beobachter stellten mehrere
Tausend Beobachtungen an, und zwar mit der deutschen Vereins-Paraffinkerze, sowie
der von den städtischen Gasprüfern in London gebrauchten englischen
Parlamentswallrathkerze, letztere in einer langen und einer kurzen Sorte. Es ergaben
sich nun folgende Zahlen für die Leuchtkraft:
1 deutsche Vereins-Paraffinkerze
= 1,224
Hefnerlampen
1 lange englische Wallrathkerze
= 1,145
„ „
1 kurze „ „
= 1,148
„ „
1 ungetrennt geprüfte englische Wallrathkerze
= 1,160
„ „
1 durchschnittliche englische Wallrathkerze
= 1,151
„ „
oder umgekehrt.
1 Hefnerlampe ist gleich
0,808
deutsche Vereins-Paraffinkerze,
0,879
lange englische Wallrathkerze,
0,875
kurze „ „
0,862
ungetrennt geprüfte englische Wallrathkerze,
0,870
durchschnittliche
Danach stellt sich das Verhältniss der deutschen Vereinskerze zur durchschnittlichen
englischen Kerze wie 1,065 : 1. Die Flammenhöhe der ersteren betrug 50 mm, der
letzteren 45 mm. Die genannten Zahlen können aber nur als annähernde betrachtet
werden, da sich bei den Einzelmessungen Unterschiede in den einzelnen Apparaten
zeigten. Ausser den Verschiedenheiten, welche die einzelnen Kerzen zeigten, fanden
sich Fehlerquellen in der Verschiedenheit der Hefnerlampen, sowie der
Photometerpapiere unter einander. Ferner fand sich nach Versuchen von Nichols1889 274 * 542., dass die Beobachtung
mit einem Auge bedeutend genauer ist als mit beiden Augen, und es wurde eine
dementsprechende Vorrichtung am Photometer angebracht. Bei den photometrischen
Messungen zeigte sich, dass das Umdrehen des Papieres häufig eine grosse Differenz
in den Ablesungen hervorrief. Aus diesem Grunde wurden die vier Schirme, welche
jedem der sechs Photometer beigegeben sind, einzeln geprüft. Statt der Kerze und
Hefnerlampe wurde beiderseits am Apparate ein Spiegel aufgestellt und hinter dem
Photometerkopfe eine constant bleibende Flamme angebracht. Nun wurde eingestellt wie
gewöhnlich, dann der Schirm umgedreht und abermals gemessen, jede Seite mit zehn
Messungen. Aus deren Mittel wurde die Helligkeit berechnet, sowie die Differenz der
gemessenen Leuchtkraft rechts und links am Schirme festgestellt. Das Umdrehen hatte
an den 27 Schirmen eine Differenz der Leuchtkraft von 0,09 bis 6,03 Proc. zur Folge;
sieben Schirme zeigten sich als brauchbar, indem die Differenz beim Umdrehen
unter 2 Proc. lag, 20 als unbrauchbar. Diese Schirme waren geliefert von A. Krüss in Hamburg. Nun wurden 40 Schirme von S. Elster in Berlin geprüft und 35 als brauchbar
gefunden, indem die Abweichung zwischen 0 und 1,94 Proc. im Mittel 0,725 Proc.
betrug; nur acht waren unbrauchbar. Von weiteren vier Krüss'schen Schirmen war einer unbrauchbar, drei hatten Abweichungen von
0,485 bis 1,94 Proc., im Mittel 0,97 Proc. Alle Papiere von Krüss hatten runde Flecken, die Elster'schen
theilweise runden Fleck, andere drei Flecken, andere drei wagerechte Streifen,
andere einen breiten senkrechten oder wagerechten Streifen.
Die besten Schirme wurden nun ausgelesen und an die einzelnen Mitglieder der
Commission zum abermaligen Vergleiche der Kerzen und der Hefnerlampe geschickt. Die
Untersuchung der Schirme zeigte auch, dass man als oberste Grenze für die Zulassung
von solchen unbedenklich 1 Proc. Abweichung beim Umdrehen verlangen kann. Am besten
erwiesen sich die Schirme mit drei in der Mitte einander parallel gestellten, oben
und unten abgerundeten Stäbchen; am schlimmsten die Schirme mit einem runden Fleck.
Drei gleich breite wagerechte Streifen erwiesen sich als unbrauchbar, ebenso ein
breiter wagerechter Streifen; ein solcher, senkrecht gestellt, wurde als sicher und
gut ablesbar gefunden. Selbst zwei Schirme, aus dem gleichen Papier geschnitten,
gaben Abweichung von einander. Aus allen Versuchen geht hervor, wie nothwendig ein
sorgfältiges Herstellen der Schirme ist, besonders für Gasanstalten, in welchen beim
Photometriren kein Umdrehen des Papieres erfolgt, so dass die Abweichung eine
möglichst geringe wird.
Statt des üblichen Bunsen'schen Photometerkopfes mit
Papier wurden auch zwei Apparate von Lummer und Brodhun1889 272 * 179. angewandt. Der erste
ergab in drei Versuchsreihen + 0,489, + 0,098, + 2,604 Proc. Abweichung beim
Umdrehen, der zweite – 1,814 und – 0,283 Proc. in zwei Reihen. Jeder Versuch
verlangte vier Einstellungen und Ablesungen; jeder wurde von mehreren Beobachtern je
zehnmal gemacht. Zwischen dem völligen Verschwinden des hellen und Erscheinen des
dunklen Fleckes liegt ein gewisser Raum, innerhalb dessen der Fleck völlig
verschwunden bleibt, gerade wie bei vielen Photometerpapieren. Es muss also der
Anfang des Verschwindens des hellen Fleckes und derselbe des dunklen Fleckes
festgestellt werden, und zwar für die rechte und linke Beobachtung. Das Mittel aus
den vier Messungen gibt den richtigen Stand. Ein dritter Photometerkopf gab nach den
Messungen von sechs Beobachtern 2,15 Proc. Abweichung zwischen rechts und links.
Es wurden nun mit dem gleichen Schirme die sechs zu den Photometern gehörigen
Hefnerlampen gegen die von der Physikalisch-technischen Reichsanstalt benutzte und
als beste befundene Hefnerlampe Nr. 216 verglichen und dieselbe zu 0,987, 0,993,
0,993, 0,965, 1,016, 0,981 befunden, so dass also Abweichungen von + 1,6 bis – 3,5
Proc. vorkamen. Alle Messungen wurden von drei Beobachtern angestellt. Eine von Siemens hergestellte Hefnerlampe wurde mit einer
solchen von Krüss hergestellten mit dünnem
Dochtröhrchen verglichen und letztere um 2,9 Proc. höher in der Helligkeit gefunden,
ebenso letztere mit
der früher von Krüss hergestellten Hefnerlampe, zum
Vereinsphotometer Nr. 4 gehörig, erstere um 1,6 Proc. höher gefunden. Verschiedene
Siemens'sche und Krüss'sche Lampen kamen noch zum Vergleiche unter einander und gegen die Lampe
der Reichsanstalt; es ergaben sich Abweichungen bis zu + 8,9 Proc. und – 3,2
Proc.
Verf. entwickelt aus drei Versuchsreihen, an welchen alle Mitglieder der
Kerzencommission Theil genommen hatten, den persönlichen Fehler; derselbe sollte bei
den einzelnen Beobachtern stets nach derselben Richtung hin liegen, leider ist dies
aber nicht der Fall. Die Mittelzahlen aus den drei Reihen liegen von – 1,98 bis +
1,71 Proc. Im Mittel aller Einzelmessungen hebt sich der Fehler fast genau auf,
wahrscheinlich zufällig.
Aus allen neueren Messungen ergab sich:
1 Vereinskerze
= 1,223 Hefnerlampe
0,818 „
= 1 „
1 englische Kerze
= 1,129 „
0,886 „ „
= 1 „
Die schliesslich angenommenen Anträge des Verf. enthalten den Vorschlag, die
Amylacetatlampe künftig „Hefnerlicht“ zu nennen und das Verhältniss der
Leuchtkraft der Hefnerlampe, wie im Journal für
Gasbeleuchtung, 1884 S. 741884 252 474., beschrieben, bei 40 mm
Flammenhöhe zu der Vereinskerze wie 1 : 1,20 festzusetzen, mit einer Abweichung von
± 0,05. (Journal für Gasbeleuchtung, 1890 S. 33.)
(Fortsetzung folgt.)