Titel: | Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation. |
Fundstelle: | Band 279, Jahrgang 1891, S. 260 |
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Ueber Fortschritte in der
Spiritusfabrikation.
(Patentklasse 6. Fortsetzung des Berichtes S. 235
d. Bd.)
Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation.
II) Versuche in der Brennerei zu Siegersleben. Diese
Brennerei arbeitet unter sehr günstigen Verhältnissen, ist vorzüglich geleitet und
gewinnt auch ohne Flusssäure aussergewöhnlich hohe Ausbeuten. Es liegt also hier
derselbe Fall als in Falkenrehde (vgl. 1890 277 80) vor,
wo es auch nicht gelungen war, die Ausbeuten durch die Anwendung der Flusssäure zu
steigern. Auch in Siegersleben blieb die Flusssäure wirkungslos, nur die günstige
Einwirkung auf den Säuerungsprocess ist auch hier deutlich zu bemerken, aber sie
hält sich doch nur innerhalb sehr enger Grenzen, wie folgende Zahlen zeigen:
Es wurden verbraucht Cubikcentimeter Normalnatron:
Süsse Maische
Saure Maische
Säurezunahme
Ohne
Flusssäure
0,56
1,05
0,49
Mit
„
0,68
0,88
0,20
Die Säurezunahme in der sehr gut geleiteten und unter günstigen Verhältnissen
arbeitenden Brennerei zu Siegersleben war überhaupt eine so geringe, dass durch die
Eindämmung derselben nicht viel erwartet werden konnte. Wir gewinnen also aus diesen
Versuchen das Resultat, dass die Flusssäure in einer sehr gut geleiteten und unter
günstigen Verhältnissen arbeitenden Brennerei bemerkbare Erfolge nicht aufzuweisen
hat.
III) Versuche in der Brennerei zu Hadmersleben. Hier
waren die Verhältnisse für die voraussichtliche Wirksamkeit der Flusssäure bei
weitem günstiger, denn es wurde ein Kartoffelmaterial verarbeitet, wie es schlechter
nicht gedacht
werden konnte. Ausserdem erstreckte sich ein Theil der Versuche weit in den Sommer
hinein. Bei der ersten Versuchsreihe vom 1. bis 14. April fanden zu Ende
verschiedene Betriebsstörungen statt, so dass nur die Versuche bis zum 8. April als
einwandsfrei zu bezeichnen sind. Diese gaben im Mittel folgende Resultate:
Mit Flusssäure
Ohne Flusssäure
Vergährung, Sacch.-Grad.
1,93
1,87
Säure, Cubikcentimeter Nor- malnatron
1,06
1,96
Alkoholausbeute, Proc.
9,61
8,29
Nach Beseitigung der Betriebsmängel wurden die Versuche in einer zweiten Reihe vom 5.
bis 9. Juni wiederholt und dabei folgende Durchschnittswerthe gefunden:
MitFlusssäure
OhneFlusssäure
Mehr durchFlusssäure
Vergährung, Sacch.-Grad
2,2
2,4
+ 0,2
Säure, Cubikcentimeter Normalnatron
0,92
2,13
– 1,21
Alkoholausbeute, Proc.
9,73
8,85
+ 0,88
Diese Zahlen, welche als einwurfsfrei angesehen werden können, zeigen mit
Deutlichkeit, dass die Flusssäure unter schwierigen Verhältnissen der Brennerei von
einem sehr grossen und sicheren Nutzen werden kann. Die antiseptische Wirkung,
welche die Säure ausübt, wird überall da von Nutzen sein, wo es schwer oder
unmöglich ist, der Säuerung auf anderem Wege Herr zu werden, und in diesem Sinne hat
die Flusssäure in der Brennerei voraussichtlich eine nicht zu verachtende
Zukunft.
IV) Gährversuche im Kleinen mit und ohne Flusssäure. 1)
Versuche mit Mais. 2 k grob geschrotener Mais
wurden in einem für Laboratoriumszwecke eingerichteten Henze'schen Apparat kunstgemäss gedämpft, ausgeblasen und mit 200 g
Darrmalz verzuckert. Von der so gewonnenen und auf etwa 18° abgekühlten Maische wog
man in zwei etwa 6 l fassende Glasnaschen je 3 k, nach dem Zusatz von 25 g Presshefe
auf die ganze Masse, ab. Eine dieser Portionen wurde sodann mit 7,5 cc 5procentiger
Flusssäure versetzt, während die andere ohne einen Flusssäurezusatz blieb. Beide
Maischen wurden zunächst bei Zimmertemperatur sich selbst überlassen. Nach 12
Stunden brachte man sie in ein grosses Wasserbad, dessen Temperatur auf 30° gehalten
wurde. Um ein ungefähres Bild über den Verlauf der Gährung zu erhalten, wurde der
Kohlensäureverlust durch Wägen der Flaschen nach je 12 Stunden festgestellt. Die
fertig angestellte Maische enthielt 11,13 Proc. Dextrosewerth, wovon 8,34 Proc.
Maltose waren, demnach waren vorhanden 20,2 Proc. Dextrin und 79,8 Proc. Maltose.
Die Kohlensäureentwickelung nahm folgenden Verlauf:
MitFlusssäure
OhneFlusssäure
g CO2
g CO2
nach
12
Stunden
14
26
„
24
„
87
81
„
36
„
17
1
„
48
„
2
–
––––––––––––––––––
Summa
120
108 g
Kohlensäureverlust,
entsprechend
245,5
220,9 g
vergohr. Dextrose.
Die Gährung der nicht mit Flusssäure versetzten Maische war also im Anfang derjenigen
der mit Flusssäure versetzten vorausgeeilt, bald aber hatte die Flusssäuremaische
das Versäumte nachgeholt und trat nun in eine gleichmässige und stete Nachgährung
ein, während die Gährung in der nicht mit Flusssäure versetzten Maische längst
beendet war. Dieselbe Erscheinung tritt übrigens auch regelmässig bei den Maischen
der Praxis ein, denn die mit Flusssäure versetzten Maischen erwärmen sich zuerst
bemerkbar langsamer und die Hauptgährung beginnt in ihnen einige Stunden
später. Ueberhaupt verläuft die Hauptgährung in den mit Flusssäure versetzten
Maischen nicht so stürmisch, sondern stetiger und gleichmässiger, was im Interesse
der Ausnutzung des Maischraumes nur von Vortheil sein kann.
Die übrigen Verhältnisse der beiden kleinen Maismaischen waren folgende:
Mit Flusssäure
Ohne Flusssäure
Maltose, unvergohren, Proc.
0,49
0,35
Dextrin, „ „
1,32
2,36
Sacch.-Grad
1,0
1,7
Säure, Cubikcentimeter Nor- malnatron
0,48
1,72
Alkohol, Proc.
5,57
4,88
Beide Maischen enthielten nach der Gährung noch wirksame Diastase, aber die Menge
derselben war, nach der Schnelligkeit der Verflüssigung von Stärkekleister zu
urtheilen, in der Maische mit Flusssäure eine sehr viel grössere. Der bessere
Ausfall des Versuches mit Flusssäure im Vergleich zu dem ohne Flusssäure ist in die
Augen fallend, denn derselbe spricht sich in einer weit geringeren Säuerung, sowie
auch in einer besseren Vergährung und einer beidem entsprechenden höheren
Alkoholausbeute aus. – Dieselben Resultate wurden bei einem Controlversuch erhalten,
bei welchem eine etwas concentrirtere Maische mit weniger Hefe angesetzt wurde.
2) Versuche mit Darrmalz. Diese Versuche wurden
ausgeführt, da erfahrungsmässig Maischen aus reinem Malz sehr schlecht vergähren und
eine mangelhafte Alkoholausbeute liefern, während ein Zusatz von Flusssäure
dieselben nach Effront ebenso gut vergährbar machen
soll als die Maischen aus anderen Materialien. Es wurden 2 k Darrmalz mit 2 bis 3 l
Wasser bei 55° digerirt; man wusste sehr wohl, dass man bei dieser Temperatur
keineswegs eine vollkommene Lösung der Stärke des Malzes erreichen würde, aber man
wählte die niedrige Zuckerbildungstemperatur, um die etwa vorhandenen
gährungsstörenden Organismen nicht vollständig abzutödten, sondern der Flusssäure
diese Arbeit zu überlassen. Der Erfolg war denn auch, dass man eine Maische mit nur
7 Proc. Dextrosewerth erhielt, während eine grosse Stärkemenge unaufgeschlossen
geblieben war. Die erzielte Alkoholausbeute war aber viel höher, als nach der
Dextrose zu erwarten war, so dass während der Gährung eine Menge Stärke gelöst sein
musste. Zur Gährung wurden je 2 k mit 10 g Presshefe für 1 k angestellt und eine der
Maischen mit 5 g 5procentiger Flusssäure versetzt. Der Verlauf der Erscheinungen war
folgender:
Kohlensäureentwickelung
Mit Flusssäure
Ohne Flusssäure
nach
12
Stunden
29 g
29 g
„
24
„
63 g
50 g
„
36
„
17 g
– g
„
48
„
2 g
– g
––––––––––––––––––––––
Summa
111 g
79 g CO2.
Sacch.-Grad
0,4
0,9
Säure, Cubikcentimeter Normal- natron
0,68
2,76
Alkohol, Proc.
7,25
4,35
Hier ist die Säurezunahme in der zur Säuerung mehr geneigten Malzmaische auffallend
viel grösser, wenn kein Flusssäurezusatz stattfand. Die Wirkung dieser grösseren
Säurebildung spricht sich nun darin aus, dass die ohne Flusssäure vergohrene Maische
auch nicht eine Spur von wirksamer Diastase enthielt, während die Diastase der
Flusssäuremaische vollkommen kräftig geblieben war. Hierdurch konnte natürlich von der
unaufgelösten Stärke des Malzes mehr während der Gährung invertirt werden als ohne
den Flusssäurezusatz. Auch hier ergab der mit einer grösseren Concentration und
geringeren Hefemenge ausgeführte Controlversuch dasselbe Resultat.
3) Versuche mit Darrmalz und Fluornatrium. Die Anwendung
der freien Flusssäure bringt in Folge der Eigenschaften dieser Säure manche
Unbequemlichkeiten mit sich, jedenfalls wäre die Anwendung der Salze sehr viel
einfacher und angenehmer. Nach Effront sollen nun die
Salze dieselbe antiseptische Wirkung haben wie die freie Säure. Zur Prüfung dieser
Frage schloss der Verfasser noch einen dritten Versuch mit Darrmalz an, bei welchem
10 g mit Natronlauge genau neutralisirte Flusssäure in Anwendung kamen. Es wurden
folgende Zahlen erhalten:
Kohlensäureentwickelung
mit Flusssäure
ohne Flusssäure
nach
12
Stunden
150
150
„
24
„
120
85
„
36
„
13
8
„
48
„
15
9
„
60
„
1
–
„
72
„
3
1
––––––––––––––––––––––
Summa
302
253 g CO2.
Vergohrene Dextrose
617,56
517,5
Sacch.-Grad
0,43
2,45
Unvergohrener Dextrosewerth, Proc.
1,21
2,69
Säure, Cubikcentimeter Normal- natron
0,70
3,50
Alkohol, Proc.
10,75
8,20
Diese Zahlen beweisen, dass die mit Natronlauge genau neutralisirte Flusssäure gerade
ebenso gut gewirkt hat, als dieselbe Flusssäuremenge in freiem Zustande. Dass das
Fluornatrium als solches, d.h. ein vollkommen neutrales und indifferentes Salz, die
Flusssäure nicht ersetzen kann, dürfte wohl mit Sicherheit anzunehmen sein, denn die
antiseptische Wirkung kommt nur den Säuren im freien Zustande, nicht aber ihren
Neutralsalzen zu, und wenn Fluornatrium ebenso antiseptisch wirkt wie die freie
Flusssäure, so ist dies wahrscheinlich dadurch zu erklären, dass die Säuren der
Maischen im Stande sind, aus den Fluorverbindungen freie Flusssäure auszutreiben
(vgl. 1890 277 80, wo Kruis
die Ansicht ausspricht, dass sich die Flusssäure in der Maische nicht im freien
Zustande befinden wird). Der Verfasser prüfte nun Essigsäure, Buttersäure,
Milchsäure und Oxalsäure auf ihr Verhalten gegen das Fluornatrium und fand, dass
dieselben sämmtlich glasätzend wirken, wenn man eine Lösung von Fluornatrium mit
diesen Säuren mischt. Am stärksten ätzte von denselben die Oxalsäure, sodann die
Milchsäure, aber auch Essigsäure und Buttersäure thaten dasselbe, wenn auch in etwas
schwächerem Maasse. Diese Erscheinung ist natürlich nicht anders zu erklären, als
dass Flusssäure durch die genannten Säuren in Freiheit gesetzt wird, und hiernach
bietet die Erklärung, weshalb Fluornatrium ebenso gut wirkt wie die freie
Flusssäure, keine Schwierigkeiten.
Der Verfasser bespricht zum Schluss noch einen Punkt, auf welchen Effront Gewicht legt. Der mit Flusssäure dargestellte
Spiritus soll nämlich erheblich reiner sein, als der ohne Flusssäure gewonnene, weil
die Verunreinigungen wesentlich durch die Nebengährungen, welche die Flusssäure
unterdrückt, entstehen sollen. Diese Annahme hat eine gewisse Berechtigung, denn
schon der Augenschein lehrt, dass die Flusssäure eine Wirkung in der Unterdrückung
der durch Bakterien verursachten Nebengährungen hat; so liefert z.B. eine mit
Flusssäure behandelte Maische beim Filtriren sogleich klare Filtrate, mit Fehling'scher Lösung ein reineres Kupferoxydul, mit
Bleiessig geringere Niederschläge. Dass also durch den Flusssäurezusatz die Bildung
von Nebenproducten eingeschränkt wird, ist nicht zu leugnen, aber es ist die Frage,
ob diese Nebenproducte derart sind, dass sie den Geruch, Geschmack und vor allem den
Rectificationswerth des gewonnenen Spiritus beeinflussen. Der Verfasser hat bei
seinen Versuchen zahlreiche Destillate geprüft und dabei stets gefunden, dass der
mit Flusssäure gewonnene Spiritus einen wesentlich reineren Eindruck macht.
Eingehendere Untersuchungen zur Aufklärung dieser Seite der Frage behält der
Verfasser sich für später vor.
Der Verfasser schliesst seine interessanten Mittheilungen mit folgenden Worten:
„Wenn wir nunmehr einen Rückblick auf die erhaltenen Resultate werfen wollen,
so können die im Vorstehenden gegebenen Ausführungen keinen Anspruch darauf
machen, entscheidende zu sein, aber sie lassen doch so viel mit Sicherheit
erkennen, dass der Kern in der Anwendung des Flusssäure Verfahrens ein guter und
Effront's Beobachtungen richtig sind. In einer
ausgezeichnet geleiteten, mit den höchsten Erträgen arbeitenden Brennerei wird
man freilich durch dasselbe schwerlich etwas erreichen können, aber für weniger
gut geleitete, unter schwierigen Verhältnissen und mit mangelhaften Materialien
arbeitende Brennereien, vor allem aber für den Grossbetrieb von industriellen
Spiritusfabriken, welche jahraus, jahrein besonders in heisseren Gegenden
arbeiten, scheint mir das Effront'sche
Flusssäureverfahren mit seiner der Gährthätigkeit der Hefe unschädlichen,
antiseptischen Wirkung im höchsten Grade beachtenswerth zu sein.“
Wir kommen nun zu den Versuchen von Heinzelmann.
Derselbe berichtet in der Zeitschrift für
Spiritusindustrie, Bd. 13 S. 247, über die
Anwendung von Flusssäure in der Melassebrennerei zu Unseburg. Die Ausbeute
war in dieser Brennerei durch Bakteriengährungen sehr heruntergekommen; es wurde in
der reifen Maische ein Säuregehalt von 1,8 bis 2,4 gefunden. Ausser in einer
gründlichen Reinigung glaubte der Verfasser nun das Heilmittel gegen die übermässige
Säure in der Anwendung der Flusssäure finden zu können, seine Erwartungen wurden
jedoch nicht so erfüllt, wie er es in Kartoffelbrennereien zu beobachten gewohnt
war. Im Durchschnitt wurden folgende Zahlen erhalten:
Mit Flusssäure
Ohne Flusssäure
Saccharo-meter
Säuregrade
Alkohol-gehalt am4.
TageVol.-Proc.
Saccharo-meter
Säuregrade
Alkohol-gehalt am4.
TageVol.-Proc.
nach dem Abstellen
22,5
0,5
–
22,8
0,55
–
am 2. Tage
16,6
0,8
–
14,2
0,9
–
„ 3. „
12,4
1,0
–
10,4
1,2
–
„ 4. „
9,9
1,1
9,08
8,7
1,3
9,73
Es trat also eine Verlangsamung der Gährung durch die Flusssäure ein, doch konnte
Verfasser in keinem Falle constatiren, dass die mit Flusssäure versetzten Maischen
am dritten Tage der Gährung die rückständige Zuckermenge zu vergähren nachgeholt
hätten. Auch die Wirkung auf die Säurezunahme war nicht so günstig, wie auch
Verfasser sie bei Kartoffelmaischen beobachtet hat. Der Verfasser kommt zu dem
Schluss, dass in der Anwendung der Flusssäure für Melassebrennereien nach den
Ergebnissen seiner
Versuche und solange wir dreitägige Gährzeit haben, kein Nutzen liegt. – Heinzelmann erwähnt noch eines Gährversuchs im Kleinen,
bei welchem 0,5 l Melasselösung in einer Glasflasche mit 4 bis 5 Tropfen Flusssäure
versetzt wurden. Es trat eine sehr bedeutende Verlangsamung der Gährung ein und erst
am dritten Tage setzte die Hefe kräftig ein. Verfasser glaubte diese Erscheinung
darauf zurückführen zu können, dass die Flusssäure in Kieselfluorwasserstoffsäure
übergegangen und dadurch unwirksam geworden war, eine Vermuthung, die jedoch durch
weitere Versuche des Verfassers, wonach die Kieselfluorwasserstoffsäure ebenso
gährungshemmend wirkt wie die Flusssäure, nicht bestätigt wurde.
S. 267 theilt der Verfasser Versuche über den Werth der
Flusssäure, Kieselfluorwasserstoffsäure, neutraler und saurer schwefligsaurer
Salze zur Vergährung von Dickmaischen mit. Nach den Resultaten, zu denen
Märcker gekommen war, sowie nach den vom Verfasser
gemachten, in der vorigen Arbeit mitgetheilten Beobachtungen, dass in
Rohrzuckerlösungen die Flusssäure eine starke Hemmung der Gährung bewirkt,
erschienen dem Verfasser noch Versuche mit Maltoselösung erwünscht. Käufliche
Maltose wurde in heissem Wasser gelöst und mit 0,3 g Asparagin und Nährsalzen
versetzt. In Versuchsreihe I und II wurden 500 cc der Maltoselösung mit 2 g Hefe bei
29 bis 30° angestellt. Da die Vergährung eine sehr schlechte war, fand in
Versuchsreihe III ein Zusatz von 10 g Malzschrot statt, um Diastase und Treber
hineinzuschaffen. In Keine IV wurden 500 cc filtrirter Malzmaische zur Hälfte mit
Maltoselösung gemischt. Reihe V diente speciell zur Prüfung der antiseptischen
Wirkung; zu diesem Zweck wurden 500 cc filtrirte Malzmaische mit etwas Maltoselösung
versetzt und mit Buttersäuregährung inficirt. In jeder Reihe wurde ein Versuch ohne
Zusatz, die anderen unter Zusatz verschiedener Mengen Flusssäure bezieh. der anderen
Antiseptica ausgeführt. Auch auf die leichte Zersetzbarkeit der Flusssäure bei
Gegenwart von Glas wurde Rücksicht genommen, indem die Versuche theilweise doppelt,
einmal in einer Glasflasche und einmal in einer innen mit Pech überzogenen Flasche
ausgeführt wurden; grössere Differenzen konnten hierbei jedoch nicht constatirt
werden. – Wir müssen auf eine Wiedergabe des sehr umfangreichen Zahlenmaterials
dieser Versuche hier verzichten und uns auf eine kurze Mittheilung der
Hauptresultate beschränken. In den Versuchsreihen I bis IV hat die Flusssäure schon
bei Verwendung ganz geringer Quantitäten nicht nur keinen Vortheil zu Gunsten der
Gährung hervorgerufen, sondern sie hat schon bei 2,5 mg für 100 cc direct
gährungsverzögernd zu wirken angefangen, auch war keine Säureverminderung bei den
flusssäurehaltigen Maischen eingetreten. Zu diesen Versuchsreihen sind die Lösungen
stark erhitzt gewesen und auf diese Weise vielleicht sterilisirt, so dass die
Säurezunahme während der Gährung wohl nur den durch die Hefe eingeführten
Milchsäurebakterien zuzuschreiben ist. In Reihe V ist die Säurezunahme während der
Gährung zwar bei allen Versuchen gegen diejenigen ohne Flusssäurezusatz
zurückgeblieben, jedoch ist die Gährung schon bei einem Zusatz von 5 mg für 100 cc
gehemmt worden, während ein Zusatz von 2,5 mg noch eine Alkoholerhöhung von 0,4
Vol.-Proc. hervorgerufen hat. Dass zugleich eine Vermehrung des für den scheinbar
vergohrenen Zuckergrad gebildeten Alkohols eintritt, wie vielfach behauptet
wird, da eine reinlichere Gährung stattfinden soll, ist nicht der Fall. Um dies
zu entscheiden, verwandte Heinzelmann zu den Versuchen
klar filtrirte Maischen, damit etwa beim Maischen un aufgeschlossene Stärke während
der Gährung nicht noch in Zucker bezieh. Alkohol umgewandelt werden konnte. Die bei
diesen Versuchen gewonnenen Zahlen für die dem scheinbar vergohrenen Zuckergrad
entsprechenden Alkoholprocente zeigen keine Unterschiede zu Gunsten der Flusssäure.
– Die Versuche mit Kieselfluorwasserstoffsäure ergaben
das gleiche Resultat. Die Wirkung dieser Säure ist bei concentrirten Maltoselösungen
derjenigen der Flusssäure gleich; sie wirkt ebenfalls stark gährungsverzögernd,
zeigte jedoch bei der inficirten Malzmaische noch stärkere antiseptische
Eigenschaften. Bei einem Zusatz von 20 mg für 100 cc hat sich nicht nur der
Alkoholgehalt um 0,6 Vol.-Proc. vermehrt, sondern es ist auch die Säurezunahme noch
hinter der bei Anwendung von Flusssäure gebildeten zurückgeblieben. Der Verfasser
folgert aus diesen Versuchen: „Somit kann man mit Kieselfluorwasserstoffsäure
dasselbe wie mit Flusssäure erreichen, nur muss man etwa die doppelte Quantität
davon nehmen, und noch grössere Erfolge können voraussichtlich erzielt werden,
wenn man keine der beiden Säuren anwendet, sondern, wie die nachfolgenden
Versuche zeigen, Salze der schwefligen Säure, die eine noch stärkere
antiseptische Kraft als jene Säuren besitzen, benutzt.“
Zu diesen Versuchen verwendete der Verfasser das neutrale
Natriumsulfit mit 22 Proc. und das saure Salz
mit 50 Proc. schwefliger Säure. Die Versuche wurden mit reiner Maltoselösung und mit
der inficirten Malzmaische ausgeführt. Die Menge der Salze betrug 0 bis 160 mg für
100 cc. Bei der reinen Maltoselösung waren beide Salze auch ohne Einfluss, bei der
inficirten Malzmaische dagegen zeigten sie sich der Flusssäure und
Kieselfluorwasserstoffsäure überlegen, denn es fand eine Erhöhung des
Alkoholertrages um 1,5 Vol.-Proc. und eine Säurezunahme von nur 0,2 statt. Eine
Untersuchung der vergohrenen Maische ergab, dass reichlich 50 Proc. der schwefligen
Säure bei der Gährung verloren gehen, und der Verfasser ist der Ansicht, dass im
Grossbetrieb bei der Gährung in offenen Bottichen eine noch grössere Menge
schwefliger Säure verschwinden wird. Heinzelmann
empfiehlt, diese Versuche in der Praxis zu prüfen und zwar mit dem neutralen Salz,
da dieses reiner und sicherer im Gehalt ist. Der Verfasser schlägt vor, bei diesen
Versuchen nicht sogleich mit 160 g für 1 hl, sondern erst mit 50 bis 100 g zu
beginnen und allmählich bis 160 g zu steigen.
Zu diesen Versuchen Heinzelmann's möchten wir uns noch
eine Bemerkung gestatten zur Erklärung des Umstandes, dass bei der reinen
Maltoselösung und ebenso bei den Vergährungen mit Melasselösungen weder die
Flusssäure noch die anderen Antiseptica eine Wirkung zeigten. Die Erklärung hierfür
dürfte durch die Beobachtungen Märcker's gegeben sein.
Märcker fand, dass die
Flusssäure hauptsächlich die Diastase conservirt und zur Nachwirkung
befähigt. Diese Hauptwirkung der Flusssäure konnte bei den Versuchen Heinzelmann's mit Maltose- und Melasselösung, wo keine
unvergährbaren, erst durch Nachwirkung der Diastase vergährbar zu machenden
Kohlehydrate vorhanden waren, naturgemäss auch nicht hervortreten. Unerklärt bleibt
dann freilich das Ausbleiben der Wirkung bei den Versuchsreihen III und IV, wo durch
das Malz Kohlehydrate hinzugebracht wurden, ferner das Ausbleiben der bisher
allgemein ohne Ausnahme beobachteten sehr günstigen Wirkung auf die Säurebildung
auch bei den Reihen I und II. Es scheint dem Referenten kaum zweifelhaft zu sein,
dass die Erklärung, welche Heinzelmann hierfür
heranzieht, dass nämlich die Maischen der Reihen I bis IV durch das starke Erhitzen
bereits sterilisirt waren, durchaus zutreffend ist; vielleicht dürfte das
Sterilisiren aber auch als die Ursache für das Ausbleiben der günstigen Wirkung der
Flusssäure auch in den Versuchen der Reihen III und IV anzusprechen sein. Jedenfalls
stehen die Resultate dieser beiden Versuchsreihen mit allen bisherigen
Beobachtungen, besonders auch mit den Resultaten, welche Märcker bei seinen Versuchen mit Malzmaischen erhielt, im Widerspruch, zu
dessen Aufklärung weitere Versuche erforderlich erscheinen.
(Fortsetzung folgt.)