Titel: | Die Telegraphie auf der elektrischen Ausstellung in Frankfurt. |
Autor: | E. Zetzsche |
Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 11 |
Download: | XML |
Die Telegraphie auf der elektrischen Ausstellung
in Frankfurt.
Von Prof. E.
Zetzsche.
Die Telegraphie auf der elektrischen Ausstellung in
Frankfurt.
I.
Wenn nachstehend darüber berichtet werden soll, was die Internationale elektrische
Ausstellung zu Frankfurt a. M. aus dem Gebiete der elektrischen Telegraphie
darbietet, so wird sich der Bericht nicht bloss auf die Telegraphie im engeren Sinne
(die Verkehrstelegraphie) zu erstrecken haben, sondern auch die Telegraphen für
besondere Zwecke mit umfassen müssen. Von den letzteren sollen indessen die
Telegraphen- und Signaleinrichtungen der Eisenbahnen, welche in Frankfurt eine
besonders ausgiebige Vertretung gefunden haben, hier ausgeschlossen bleiben, weil
über dieselben getrennt berichtet werden wird.
Die Ausstellungsgegenstände sind, soweit sie der zunächst zu besprechenden
Telegraphie im engeren Sinne angehören, theils z. Z. in Betrieb stehende
Telegraphen, theils in Vorschlag gebrachte Neuerungen, theils endlich historische
Sachen. Von Neuerungen ist nur wenig vorhanden; diese und das im Betrieb Befindliche
mag zuerst besprochen werden, während am Schluss einige Bemerkungen über die den
Entwickelungsgang der Telegraphie erläuternden Gegenstände folgen sollen, welche auf
der Ausstellung vorhanden sind.
Von der deutschen Reichstelegraphen Verwaltung und von der bayerischen Verwaltung
sind theils in, theils vor der Halle für Telegraphie und Telephonie zunächst
Gestänge für oberirdische Leitungen und Kabel, ferner Kabeleinführungen und
sonstiges Zubehör ausgestellt, welche namentlich auch die durch die rasche
Ausbreitung und Verdichtung der städtischen Telephonnetze erforderlich gewordenen
Maassnahmen veranschaulichen; dahin gehört z.B. auch Baumann's Drahtumschalter (vgl. 1888 268 *
213). Erwähnt mag hierbei der von G. Wehr in Berlin
ausgestellte
Stangenblitzableiter werden, innerhalb dessen der Uebergang der
Luftelektricität zur Erde vermittelt wird durch einen äusserlich mit rund herum
laufenden Riefen versehenen Kern, welcher innerhalb einer auf ihrer Innenseite mit
Längsriefen versehenen Hülse steckt, so dass die sich kreuzenden Riefen einander
nahe gegenüberstehen.
Die jetzt gebräuchlichen Morse-Farbschreiber und Hughes-Typendrucker sind ebenfalls von den beiden
genannten Verwaltungen ausgestellt worden.
Die Eastern Telegraph Company in London hat einen Morse
ohne Laufwerk von Saunders und Brown vorgeführt. In
demselben wirkt der Ankerhebel des Elektromagnetes mittels eines Stosszahnes auf ein
verzahntes Rädchen und schiebt dies bei Ankunft eines jeden Telegraphirstromes um
ein entsprechendes Stück fort; ein auf der Achse des Zahnrädchens sitzendes
Schwungrad macht die durch die wiederholten Stösse hervorgebrachte Bewegung des
Rädchens stetig, so dass weiter auch der Streifen stetig abgewickelt wird.
Einen neuen Querschreiber, d. i. einen Telegraphen,
welcher Morseschrift liefert, deren Striche nicht in der Längsrichtung des Streifens
liegen, sondern querüber auf dem Streifen stehen, hat die Telegraphenbauanstalt von
Seitz und Linhart in Aschaffenburg geliefert. Auch
bei diesem wird die Papierbewegung ohne Mitwirkung eines Laufwerks auf elektrischem
Wege erzeugt; dazu dient ein Selbstunterbrecher, dessen rasch arbeitender Ankerhebel
durch klemmende Reibung den Streifen ruckweise fortzieht, solange durch Verschieben
eines Contacthebels der Strom einer Localbatterie durch die Rollen des
Selbstunterbrechers geschlossen ist. Hierbei war indessen die Schwierigkeit zu
überwinden, dass zur Erzeugung guter Querschrift der Streifen beim Telegraphiren
eines Striches nicht weiter fortgerückt werden darf, als beim Telegraphiren eines
Punktes, während doch im ersteren Falle der Telegraphirstrom viel länger dauert.
Diese Schwierigkeit haben die Erfinder ganz geschickt dadurch überwunden, dass sie
in den Localstromkreis des Selbstunterbrechers den Ankerhebel des Elektromagnetes
mit aufgenommen haben, welcher den Papierstreifen zum Zweck des Schreibens gegen das
Schreibrädchen empor zu bewegen hat; dieser Hebel ruht, solange die Linie stromfrei
ist, mit einer an seiner Unterseite angebrachten Contactfeder auf einem besonderen
Contacte und unterbricht also stets beim Anziehen des Ankers den Localstrom im
Selbstunterbrecher, sobald der Ankerhebel sich um ein bestimmtes Stück emporbewegt
hat, weil dann die Contactfeder den Contact verlässt; der Selbstunterbrecher
arbeitet daher beim Telegraphiren eines Striches nicht länger, als beim
Telegraphiren eines Punktes. Die Punkte werden nun einfach auf den Papierstreifen
geschrieben, wenn ein kurzer Strom aus der Linie durch den Schreibhebelelektromagnet
hindurchgeht; das Schreibrädchen bleibt dabei ruhig an seiner Stelle stehen. In die
Linie ist nun aber ausser dem Schreibhebelelektromagnete noch ein zweiter als Relais
arbeitender Elektromagnet eingeschaltet; dieser ist jedoch entsprechend träge, sein
Anker wird daher erst angezogen, wenn durch einen längeren Strom ein Strich
telegraphirt wird. Dann schliesst sein Ankerhebel die Localbatterie in einem
zweiten, parallel zum Selbstunterbrecher liegenden Stromkreise, in welchem ein
vierter Elektromagnet liegt; letzterer zieht daher jetzt seinen Anker an, und der
Ankerhebel bewegt nun das auf dem einen Arme eines Winkelhebels sitzende
Schreibrädchen quer über den Papierstreifen, schreibt also einen Strich. Dieser
Telegraph soll laut Katalog auch für Ruhestromleitungen benutzt werden; natürlich
werden dazu einige Aenderungen in der Anordnung und Schaltung nöthig. Welche
Schwächen diesem Querschreiber noch anhaften, ist leicht zu erkennen; die Erfinder
bemühen sich auch bereits, diese Schwächen nach Kräften zu beseitigen, und theilten
mir mit, dass sie bald einen verbesserten Telegraph dieser Art ausstellen
würden.
Unter der Bezeichnung: „Unigraph von T. A. Bullock und A. C. Brown“ finden sich auf
dem einen Ausstellungstische der Eastern Telegraph
Company zwei sehr niedliche Morse-Klopfer. Der
kleine Hufeisenelektromagnet steht aufrecht in einer niedlichen Messingbüchse von 2
Zoll englisch (etwa 51 mm) Durchmesser und 1⅜ Zoll englisch (35 mm) Höhe. Der runde
Deckel der Büchse ist hohl und um eine wagerechte Achse drehbar, auf zwei durch den
oberen Rand der Büchse gehenden Schrauben; er wird durch eine schwache Feder mit dem
hinteren Ende auf einen Anschlag niedergedrückt, durch die Telegraphirströme aber
mit seinem vorderen Ende auf zwei in die Elektromagnetpole eingelassene Stiftchen
niedergeschlagen. Zwischen den Schenkeln ist am Boden der Büchse der kleine Taster
angebracht, dessen Griff aus der Büchse vorsteht und sich sehr bequem handhaben
lässt. Die Töne dieser Klopfer sind ganz hell und klar.
Die Ausstellung birgt ferner zwei Schreibtelegraphen, welche in Deutschland bis jetzt
wohl noch nicht öffentlich sichtbar gewesen sind. Der eine ist Wheatstone's automatischer Schnellschreiber, für
welchen das Telegramm in einem besonderen Locher zunächst in einen Papierstreifen
eingestanzt und dann bei sehr raschem Durchführen des Streifens durch den Sender von
letzterem mit grosser Geschwindigkeit abtelegraphirt wird; natürlich muss der
Empfänger es ebenso schnell in Morseschrift auf den Empfangsstreifen
niederzuschreiben vermögen.
Der ausgestellte Wheatstone ist von Siemens Brothers in London gebaut und befindet sich in
der Halle für Leitungsmaterial. In der Halle für Telegraphie und Telephonie dagegen
stehen im Ausstellungsraume der Eastern Telegraph
Company zwei Heberschreiber (syphon recorder) von William Thomson (vgl. 1877 224 * 279), welche
das Telegramm durch eine sehr zarte Heberschreibfeder in Zickzackschrift auf den
Papierstreifen aufzeichnen, und zwar der ältere unter Elektrisirung der Tinte, so
dass diese stetig aus dem den Streifen nicht berührenden Heber hervorsprudelt,
während bei dem neueren der Heber durch Ash and Tuck's
Vibrator (vgl. 1890 276 237) in mechanische Erzitterung
versetzt wird.
Das Reichspostamt hat den neueren von ihm benutzten Doppeltaster für den
Doppelschreiber von Estienne (vgl. 1886 261 * 108) ausgestellt. Dieser Taster unterscheidet sich
von dem älteren in Deutschland gebauten (vgl. 1886 261 *
117) vor allem durch den Wegfall der Entladungsfeder. Die beiden Taster haben dabei
zugleich besondere Lager erhalten und die Schaltung ist aus der u.a. von mir in Fig.
49 auf S. 94 der zweiten Hälfte des dritten Theiles meines Handbuchs (Halle 1891)
skizzirten in die auf S. 30 ebenda (und in Fig. 304 auf S. 371 der ersten Hälfte)
gezeichnete übergegangen, welche auch sonst bei Gebern in Arbeitsstromschaltung für
aus zwei Batterien entnommene
Ströme von zweierlei Richtung gebräuchlich ist. Den Arbeitscontacten und den
Ruhecontacten sind zur Verminderung des Geräusches beim Aufschlagen flache
Stahlfedern beigefügt worden, wie dies Siemens and-
Halske bereits 1871 gethan haben. Ferner ist bei jedem Ruhecontacte aussei*
dem in den Tasterhebel eingeschraubten Contactstifte am Tasterhebel auch noch ein
durch eine Feder nach unten gedrückter, beim Auftreffen auf den Contact nachgebender
und ein wenig nach oben ausweichender Stift zur Verlängerung des Contactes
angebracht worden. Dies und die Anordnung der in unnöthig grosser Anzahl vorhandenen
Contactschienen lässt den Taster etwas verwirrend erscheinen.
Eine anscheinend sehr zweckmässige Neuerung haben R. Stock
and Co. in Berlin an einem ausgestellten Hughes (vgl. 1867 184 * 1. 1877 224 * 50)
vorgeführt; dieselbe bezieht sich auf die Verkuppelung und Entkuppelung der
Druckachse mit der Schwungradachse und ist ihnen durch das D. R. P. Kl. 21 Nr. 55929
vom 6. Juli 1890 patentirt worden. Beim Hughes wird bekanntlich die Druckachse dann,
wenn gedruckt werden soll, mit der beständig umlaufenden Schwungradachse dadurch
gekuppelt, dass der abgeworfene Elektromagnetanker einer an einem Querstücke der
Druckachse angebrachten Feder gestattet, einen seither auf der schiefen Ebene
ruhenden Sperrkegel in die Zähne eines auf der Schwungradachse sitzenden Sperrades
einzulegen, die Entkuppelung aber erfolgt nach Vollendung eines Umlaufes der
Druckachse durch das Auflaufen eines Ansatzes an dem Sperrkegel auf der Rückseite
der schiefen Ebene und es muss dabei der Ansatz nothwendig noch die Schneide der
schiefen Ebene übersteigen. In dieser Anordnung steckt eine gewisse Unsicherheit und
eine wechselnd ungleichmässige und einseitige Belastung der Schwungradachse. R. Stock und Co. bringen nun zur Verkuppelung die
Anwendung einer auf der Druckachse verschiebbaren Muffe in Vorschlag, welche beim
Verschieben durch eine an ihr befestigte, in einer Nuth liegende und sich in dieser
verschiebenden Feder geführt wird, und schliesslich mit den an ihrer Stirnfläche
angebrachten Zähnen sich in die Zähne eines auf der Schwungradachse festsitzenden
Rades einlegt. Der Ankerhebel wird gabelförmig gestaltet, und ein Anschlag an der
unteren Gabelzinke hindert, indem er sich vor eine Nase des ausgerückten Muffes
legt, den Muff an der Drehung. Beim Abwerfen des Ankers gibt der Anschlag die Nase
frei und zugleich gestattet ein seitlich an der Zinke vortretender keilförmiger
Ansatz, da er mit der Zinke zurückweicht, einer Spiralfeder, die Muffe entlang der
Druckachse zu verschieben und die Verkuppelung herzustellen. Kurz bevor die
Druckachse ihren Umlauf vollendet hat, wirkt ein aus der Mantelfläche der Muffe
vorstehender Daumen auf die obere Zinke der Gabel, hebt letztere empor, bringt den
keilförmigen Ansatz der unteren Zinke in den Bereich der Nase der Muffe, so dass
diese unter Spannung der Spiralfeder und Lösung der Kuppelung auf der Druckachse
zurückgezogen wird und die Nase sich endlich wieder an dem Anschlage der unteren
Zinke fängt.
Es wäre nun noch des ausgestellten Kabelrelais des Candidaten der Naturwissenschaften
Karl Ochs in Ludwigshafen a. Rh. zu gedenken, doch
mag bezüglich der Einrichtung desselben auf die Patentschrift Nr. 56639 vom 19. Juni
1890 verwiesen werden. Und so bliebe denn von den Telegraphen im engeren Sinne
nur noch der Börsendrucker von Siemens und Halske zu
besprechen, welcher den Uebergang von den eigentlichen Verkehrstelegraphen zu den
Haus- und Stadttelegraphen anbahnt und im nächsten Hefte ausführlich beschrieben
werden soll.
(Fortsetzung folgt.)