Titel: | Neue Verfahren und Apparate in der Zuckerfabrikation. |
Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 18 |
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Neue Verfahren und Apparate in der
Zuckerfabrikation.
Neue Verfahren und Apparate in der Zuckerfabrikation.
Einige Hauptbestimmungen des deutschen Gesetzes, die Besteuerung des Zuckers
betreffend, vom 31. Mai 1891.
Erster Theil.Besteuerung des inländischen
Rübenzuckers.
Erster Abschnitt.Allgemeine
Bestimmungen.
1) Gegenstand, Erhebungsart
und Höhe der Steuer.
§. 1.
Der inländische Rübenzucker unterliegt einer Verbrauchsabgabe – Zuckersteuer
– und zu deren Sicherung der Steuercontrole.
Im Sinne dieses Gesetzes gilt als inländischer Rübenzucker aller im Inlande
durch Bearbeitung von Rüben oder durch weitere Bearbeitung von Producten,
welche aus im Inlande bearbeiteten Rüben herstammen, gewonnene feste und
flüssige Zucker, einschliesslich der Rübensäfte, der Füllmassen und der
Zuckerabläufe (Syrup, Melasse), und zwar ohne Rücksicht darauf, ob bei der
Fabrikation eine Verwendung auch anderer zuckerhaltiger Stoffe oder Zucker
stattgefunden hat. Unter der weiteren Bearbeitung von Producten aus Rüben
ist insbesondere verstanden die Entzuckerung oder Raffination von
Zuckerabläufen (Syrup, Melasse), die Raffination von Rohzucker, die
Auflösung von festem Zucker, die Inversion.
§. 2.
Die Zuckersteuer beträgt 18 M. von 100 k Nettogewicht.
Rübensäfte und Abläufe der Zuckerfabrikation sind der Zuckersteuer nicht
unterworfen.
Der Bundesrath ist ermächtigt, Zuckerabläufe, Rübensäfte, sowie Mischungen
von Zuckerabläufen und Rübensäften mit einander oder mit anderen Stoffen,
jedoch Rübensäfte und Mischungen, in welchen Rübensäfte enthalten sind, nur
soweit, als sie nicht in Haushaltungen ausschliesslich zum eigenen Verbrauch
bereitet werden, der Zuckersteuer zum vollen oder zu einem ermässigten Satze
zu unterstellen.
Die Bestimmungen über Gegenstand und Höhe der hiernach (Absatz 3) vom
Bundesrath festgesetzten Zuckersteuer sind dem Reichstag, sofern er
versammelt ist, sofort, anderenfalls aber bei dessen nächstem Zusammentreten
vorzulegen. Dieselben sind aussei* Kraft zu setzen, soweit der Reichstag
dies verlangt.
2) Zahlungspflicht.
§. 3.
Die Zuckersteuer ist zu entrichten, sobald der Zucker aus der Steuercontrole
in den freien Verkehr tritt. Zur Entrichtung ist derjenige verpflichtet,
welcher den Zucker zur freien Verfügung erhält.
Der Zucker haftet für den Betrag der Steuer ohne Rücksicht auf die
Rechte Dritter. In gleicher Weise haftet die zuckerhaltige Ware im Falle des
§. 6 Ziffer 1 für die Steuer oder die gezahlte Vergütung.
Gegen Sicherheitsbestellung ist die Zuckersteuer zu stunden. Für eine Frist
bis zu drei Monaten kann sie auch ohne Sicherheitsbestellung gestundet
werden, falls nicht Gründe vorliegen, welche den Eingang als gefährdet
erscheinen lassen.
4) Befreiung von der
Zuckersteuer.
§. 5.
Zucker, welcher unter Steuercontrole ausgeführt wird, ist von der Erhebung
der Zuckersteuer befreit.
Bei der Ausfuhr von Zucker aus dem freien Verkehr findet eine Vergütung der
Zuckersteuer nicht statt.
Zweiter Abschnitt.
2) Dem Fabrikinhaber zwecks
der Controle obliegende Einrichtungen und Anzeigen.
a) Sichernde bauliche
Einrichtungen der Zuckerfabriken.
§. 8.
Die Zuckerfabriken müssen baulich so eingerichtet sein, dass eine gegen
die heimliche Wegbringung von Zucker sichernde amtliche Bewachung
derselben ohne Schwierigkeit stattfinden, die Steuerbehörde auch den
Gang der Fabrikation und den Verbleib der Fabrikate innerhalb der Fabrik
verfolgen kann.
A) Für die Zuckerfabriken, welche krystallisirten Zucker herstellen,
bedarf es, Ausnahmen für bereits seit dem 1. August 1888 bestehende
Fabriken vorbehaltlich, entweder
1) der Abschliessung derjenigen Räume, in welchen die Krystallisation der
Säfte, die Bearbeitung und die Aufbewahrung von krystallisirtem Zucker
stattfindet, desgleichen derjenigen Räume, in welchen Zuckerabläufe
(Syrup, Melasse) sich befinden, gegen die übrigen Fabrikräume und nach
aussen, oder
2) der Umfriedigung der Fabrikanlage.
Auch liegt den Fabrikinhabern ob, auf Verlangen zur Erleichterung der
Ueberwachung des Betriebes und Verkehrs der Fabrik Wachtlocale für die
Aufsichtsbeamten innerhalb oder ausserhalb der Fabrikräume
herzustellen.
In Bezug auf die unter Ziffer 1 bezeichnete Einrichtung kann nachgelassen
werden, dass Zuckerabläufe dauernd oder während der ständigen Bewachung
der Zuckerfabrik auch in nicht sichernd abgeschlossenen Räumen sich
befinden dürfen und dass krystallisirter Zucker ausserhalb des
Abschlusses in steuersicher und zur Anlegung eines amtlichen
Verschlusses eingerichteten Räumen aufbewahrt werden darf.
B) Für die Zuckerfabriken, welche keinen krystallisirten Zucker
herstellen, trifft der Bundesrath Bestimmung darüber, ob und welche
Anforderungen in Bezug auf sichernde bauliche Einrichtung zu stellen
sind (vgl. §. 25 unter Ziffer 2).
h) Betriebsanzeigen.
§. 21.
Die Inhaber von Zuckerfabriken mit Rübenbearbeitung haben für jede
Betriebsperiode den Tag der Betriebseröffnung mindestens eine Woche
vorher schriftlich der Steuerbehörde anzuzeigen.
Eine entsprechende Anzeige ist von den Inhabern anderer Zuckerfabriken zu
machen, bevor der Betrieb erstmals
eröffnet oder zuerst nach dem 31. Juli 1892 fortgesetzt wird.
In den Anzeigen muss ferner die Angabe enthalten sein, ob und mit welchen
regelmässigen Unterbrechungen gearbeitet werden, sowie welche tägliche
Betriebszeit stattfinden soll. Aenderungen sind der Steuerbehörde
rechtzeitig vorher schriftlich anzuzeigen.
Von anderen, als den vorgedachten Unterbrechungen des Betriebes ist
alsbald nach dem Eintritt und von der Wiederaufnahme des Betriebes
rechtzeitig vorher schriftliche Anzeige an die Steuerbehörde zu
erstatten.
3) Ausübung der Controle.
a) Ständige Bewachung der
Zuckerfabriken.
§. 24.
Die Zuckerfabriken unterliegen der unausgesetzten Bewachung bei Tag und
Nacht durch Steuerbeamte, solange ein Betrieb stattfindet, auch während
ruhenden Betriebes nach Bestimmung der Steuerbehörde.
§. 25.
An Stelle der ständigen Bewachung kann nach näherer Bestimmung des
Bundesraths eine andere geeignete Controle treten:
1) für diejenigen bereits seit dem 1. August 1888 bestehenden Fabriken
krystallisirten Zuckers, welchen bisher die sichernde bauliche
Einrichtung erlassen worden ist, solange dieser Erlass fortdauert (vgl.
§. 8 unter A im Eingange),
2) für solche Zuckerfabriken, welche keinen krystallisirten Zucker
herstellen (vgl. §. 8 unter B).
e) Aufbewahrungsräume für
Zucker.
§. 29.
Fertiger Zucker jeder Art, insbesondere krystallisirter Zucker (Rohzucker
ersten Products und Nachproducte, Consumzucker in Broden, Blöcken,
Platten, Stangen, Würfeln, Krümeln, Mehl u.s.w.), desgleichen
Zuckerabläufe (Syrup, Melasse) dürfen nur in denjenigen Räumen der
Zuckerfabrik aufbewahrt werden, deren Benutzung zu diesem Zweck
schriftlich der Steuerbehörde angemeldet und von letzterer genehmigt
worden ist.
Die Inhaber umfriedigter Zuckerfabriken (vgl. §. 8 unter A 2) sind
verpflichtet, für die Zeit, während welcher eine ständige Bewachung der
Fabrik nicht stattfindet (vgl. §. 27), zur Lagerung von Vorräthen
fertigen Zuckers bezieh. zur Aufbewahrung der Bestände an Zuckerabläufen
abgeschlossene und zur Anlegung eines Steuerverschlusses eingerichtete
Räume zu stellen.
f) Controle des Zuckers in
den Zuckerfabriken.
§. 30.
Der in die Zuckerfabriken einzuführende inländische Rübenzucker oder
andere Zucker ist der Steuerbehörde unter Angabe der Art und Menge
schriftlich anzumelden und zur Revision zu stellen. Bei der Revision des
im gebundenen Verkehr unter Steuerverschluss angekommenen Zuckers kann
das voramtlich ermittelte Gewicht als richtig angenommen werden.
In Rohzuckerfabriken ist von dem Fabrikinhaber das Gewicht des gewonnenen
Rohzuckers im Anschluss an die Ausschleuderung festzustellen.
2) Abfertigung aus der Fabrik
in den freien Verkehr.
§. 37.
Der zum Eintritt in den freien Verkehr bestimmte steuerpflichtige Zucker ist
amtlich zu verwiegen. Eine Beschränkung auf probeweise Verwiegung ist
zulässig. Der Bundesrath bestimmt die Procentsätze des Bruttogewichts, nach
welchen das Nettogewicht berechnet werden kann.
Die Einzahlung des Steuerbetrages kann mittels Zuckerbegleitscheines II,
bezüglich dessen die Bestimmungen über Zollbegleitscheine II entsprechende
Anwendung finden, auf eine andere Steuerstelle überwiesen werden.
III. Steuerfreie Niederlagen für
Zucker.
§. 40.
Steuerfreie Niederlagen werden zugelassen, um
1) für unversteuerten Zucker und für Fabrikate, welche unter Verwendung
unversteuerten Zuckers zur Ausfuhr hergestellt sind, die Erhebung der
Zuckersteuer auszusetzen,
2) auf Fabrikate, welche unter Verwendung versteuerten Zuckers zur Ausfuhr
hergestellt sind, die Vergütung der Zuckersteuer für die verwendete Zuckermenge
vorweg zu gewähren.
Als steuerfreie Niederlagen für Zucker können öffentliche Niederlagen und
Privatniederlagen unter amtlichem Mitverschluss benutzt werden, welche entweder
nur zur Lagerung von inländischem Rübenzucker und von Fabrikaten; die solchen
enthalten, oder zugleich zur Lagerung ausländischer unverzollter Waren bestimmt
sind.
Bei Entnahme von Fabrikaten aus der Niederlage in den freien Verkehr ist der
darauf vergütete Steuerbetrag zurückzuzahlen.
Das Nähere bezüglich der steuerfreien Niederlagen für Zucker, insbesondere
bezüglich der Bewilligung und sichernden Einrichtung, der Abfertigung des
Zuckers zu der Niederlage und von derselben, der während der Lagerung zulässigen
Behandlung des Zuckers und der Haftung des Lagerinhabers wird vom Bundesrath
angeordnet.
Der Bundesrath ist auch befugt, die Lagerung unversteuerten Zuckers in
Niederlagen ohne amtlichen Mitverschluss zu gestatten und die Bedingungen für
diese Lagerung zu bestimmen.
Zweiter Theil.Eingangszoll von Zucker.
§. 65.
Vom 1. August 1892 ab ist für festen und flüssigen Zucker jeder Art ein Eingangszoll
von 36 M. für 100 k zu entrichten. Unter Zucker sind auch Rübensäfte, Füllmassen und
Zuckerabläufe (Syrup, Melasse) verstanden.
Geht ausländischer Zucker unter Steuercontrole zur weiteren Bearbeitung in eine
Zuckerfabrik, so kann die Steuerbehörde gestatten, dass der Eingangszoll zunächst
nur in dem nach Abzug der Zuckersteuer von 18 M. für 100 k sich ergebenden Betrage,
also zu dem Satze von 18 M. für 100 k erhoben und des Weiteren der Zucker als
unversteuerter inländischer Rübenzucker behandelt wird.
Dritter Theil.Uebergangs- und Schlussbestimmungen.
§. 66.
Dieses Gesetz tritt mit dem 1. August 1892 in Kraft. Von demselben Zeitpunkte ab sind
alle gesetzlichen Vorschriften aufgehoben, welche über die Besteuerung des Zuckers
in dem Geltungsbereich dieses Gesetzes zur Zeit bestehen.
§. 67.
Für die vor dem 1. August 1892 hergestellten Zucker der nachbezeichneten Klassen:
a) Rohzucker von mindestens 90 Proc. Zuckergehalt und raffinirter Zucker von unter
98, aber mindestens 90 Proc. Zuckergehalt,
b) Kandis und Zucker in weissen vollen harten Broden, Blöcken, Platten, Stangen oder
Würfeln, oder in Gegenwart der Steuerbehörde zerkleinert; sogen. Krystalls und
andere weisse harte durchscheinende Zucker in Krystallform von mindestens 99½ Proc.
Zuckergehalt,
c) alle übrigen harten Zucker, sowie alle weissen trockenen (nicht über 1 Proc.
Wasser enthaltenden) Zucker in Krystall-, Krümel- und Mehlform von mindestens 98
Proc. Zuckergehalt, soweit dieselben nicht in die Klasse b gehören,
wird im Falle der Ausfuhr oder der Niederlegung in einer
öffentlichen Niederlage oder einer Privatniederlage unter amtlichem Mitverschluss in
einer Menge von mindestens 500 k die Materialsteuervergütung nach den Sätzen von
zu
Klasse
a
8,50
M.,
„
„
b
10,65
„
„
„
c
10,00
„
für 100 k gewährt, wenn der Zucker bis zum 31. October 1892,
diesen Tag einschliesslich, zur Abfertigung gestellt und die Identität vom 1. August
1892 ab bis zur Ausfuhr oder Niederlegung amtlich festgehalten worden ist.
Unter der gleichen Voraussetzung amtlicher Festhaltung der Identität vom 1. August
1892 ab ist Verbrauchsabgabenpflichtiger, inländischer Rübenzucker, welcher bis zum
31. October 1892, diesen Tag einschliesslich, zur Abfertigung in den freien Verkehr
gestellt wird, nach dem Satze der bisherigen Verbrauchsabgabe von 12 M. für 100 k
abzufertigen. Geschieht die Abfertigung aus einer Niederlage, in welche der Zucker
unter Vergütung der Materialsteuer aufgenommen worden war, so ist die gewährte
Vergütung zurückzuzahlen.
Ohne amtliche Festhaltung der Identität vom 1. August 1892 ab wird die in den
Absätzen 1 und 2 gedachte Steuerbehandlung den seitens der Zuckerfabriken in den
Monaten August, September und October 1892 zur Abfertigung gestellten Zuckern so
lange zu Theil, als in der Fabrik Rüben nicht verarbeitet und in dieselbe feste oder
flüssige Zucker oder Zuckerabläufe entweder nicht oder doch nur solche eingebracht
werden, welche unzweifelhaft aus der Zeit vor dem 1. August 1892 herstammen.
In Rohzuckerfabriken mit einem solchen Verfahren der Melasseentzuckerung, dass aus
der Melasse nur unter Mitverwendung von Rübensaft fester Zucker gewonnen werden
kann, wird auf Antrag steueramtlich am 1. August 1892 der Bestand an Melasse
aufgenommen und die Menge des aus der Melasse auszubringenden Rohzuckers von
mindestens 90 Proc. Zuckergehalt festgestellt. Bis zur Höhe dieser Menge kann die
Fabrik während der Monate August, September und October 1892 den in der vorgedachten
Weise hergestellten Rohzucker der bezeichneten Beschaffenheit mit dem Anspruch auf
Steuerbehandlung nach Absatz 1 und 2 zur Abfertigung stellen.
Den Fabrikanten, welche zuckerhaltige Fabrikate zur Ausfuhr mit dem Anspruch auf
Steuer Vergütung herstellen, ist für ausgeführte oder niedergelegte Fabrikate,
welche nachweislich vor dem 1. August 1892 hergestellt und welche vor dem 1.
November desselben Jahres zur Abfertigung gestellt worden sind, diejenige Vergütung
zu gewähren, welche ihnen nach dem Gesetze vom 9. Juli 1887 und den dazu ergangenen
Ausführungsbestimmungen zustehen würde. Die gewährte Vergütung ist für Fabrikate,
welche aus der Niederlage in den freien Verkehr entnommen werden,
zurückzuzahlen.
§. 68.
Auf die Dauer einer Uebergangsperiode vom 1. August 1892 bis 31. Juli 1897 werden für
ausgeführten oder in eine öffentliche Niederlage oder eine Privatniederlage unter
amtlichem Mitverschluss aufgenommenen Zucker der im §. 67 Absatz 1 unter a, b und c
bezeichneten Arten, wenn die abgefertigte Zuckermenge mindestens 500 k beträgt und,
soweit nicht der Zucker die im §. 67 vorgesehene Materialsteuervergütung erhält,
Zuschüsse aus dem Ertrage der Zuckersteuer gewährt.
Die Zuschüsse betragen:
1) für Zucker, welcher während der drei Jahre vom 1. August 1892 bis 31. Juli 1895
zur Abfertigung gestellt worden ist:
in
Klasse
a
1,25
M.,
„
„
b
2,00
„
„
„
c
1,65
„
2) für Zucker, welcher während der zwei Jahre vom 1. August 1895 bis 31. Juli 1897
zur Abfertigung gestellt worden ist:
in
Klasse
a
1,00
M.,
„
„
b
1,75
„
„
„
c
1,40
„
auf 100 k.
Wird Zucker aus der Niederlage in den freien Verkehr oder in eine Zuckerfabrik
entnommen, so ist der darauf gewährte Zuschuss zurückzuzahlen. Der niedergelegte
Zucker haftet der Steuerbehörde ohne Rücksicht auf die Rechte Dritter für den Betrag
des gewährten Zuschusses.
––––––––––
Pellet empfahl eine Durchflussröhre für ununterbrochene Polarisation (Bull. assoc. chim., Bd. 8 Nr. 9 März 1891).
In vielen Fällen sind Polarisationen in grosser Anzahl in kurzer Zeit auszuführen,
wie z.B. bei der Auswahl der Samenrüben, welche mehrere Tausend Bestimmungen in
einem Tage erfordert. Bei der gewöhnlichen Arbeitsweise und den gebräuchlichen
Instrumenten nimmt man 500 bis 600 als die höchste erreichbare Zahl an, welche nur
auf 1000 steigen kann, wenn man bis 30 oder mehr Röhren für ein
Polarisationsinstrument zur Verfügung hat.
Die Durchflussröhre dagegen gestattet ein viel leichteres und schnelleres Arbeiten
und ersetzt dabei die zahlreichen Röhren durch eine einzige besonders eingerichtete,
nämlich derartig, dass sie, einmal im Instrument, immer in ihrer Lage bleibt,
während die zu prüfende Lösung an einem Ende ein-, am anderen auszutreten hat.
Dieselbe hat einen Verschluss mit innerer Schraube und einem Ansatzrohr an jedem
Ende. Das eine dieser Ansatzrohre, das sogen. Trichter- oder Füllrohr, steht
senkrecht auf der Beobachtungsröhre und in directer und genauer Verbindung mit
derselben dicht an der verschliessenden Glasplatte.
Das andere, an dem entgegengesetzten Ende der Röhre, bildet mit dieser einen kleinen
Winkel und endigt mit
einem Gummischlauch und durch diesen in einer etwas gekrümmten Glasröhre.
Die Arbeit ist nun folgende: Die Bohre sei mit irgend einer Zuckerlösung gefüllt;
nach deren Beobachtung lässt man die nächstfolgende durch das Trichterrohr
einfliessen, wobei am anderen Ende ebenso viel der vorhergehenden abfliesst; es muss
nur das Ganze so aufgestellt sein, dass das Abflussrohr nicht als Heber wirkt und
die Röhre immer voll bleibt. Man lässt die Flüssigkeit über ein untergestelltes
Gefäss, das als Ablauf dient, münden. Alsdann treibt die einfliessende Lösung den
Inhalt der Röhre vor sich her und man hat bald eine klare Flüssigkeit; ist eine
genügende Menge durchgelaufen, so kann man die Beobachtung vornehmen. Da diese nur
dann möglich ist, wenn der Inhalt der Röhre wirklich vollkommen verdrängt ist und
die vorher entstandenen Streifen (Schlieren) verschwunden sind, so ist dadurch
selbst die Sicherheit der Beobachtung gewährleistet.
Es sind natürlich einige Versichtsmaassregeln zu befolgen, nämlich die
nachstehenden:
Zuerst wird die Beobachtungsröhre mit Wasser gefüllt und so der Nullpunkt
eingestellt, dann hat man sich zu vergewissern, ob die Enden vollkommen dicht sind,
und danach etwaige Abänderung zu treffen. Dann macht man zwei oder drei Bestimmungen
mit demselben Saft, um das Wasser vollkommen zu beseitigen, wobei es gut ist, wenn
dem Wasser vorher etwas Essigsäure zugesetzt war, damit keine Trübung entstehe. Ist
einmal das Wasser verdrängt, so lässt man die folgende Lösung einfliessen und
beobachtet, wie oben angegeben. Zahlreiche Versuche haben gezeigt, dass man leicht
120 bis 140 cc Lösung von 200 cc Breimischung mit Wasser und Bleiessig erhält und
dass für eine Polarisationsröhre van 400 mm Länge von dem Durchmesser der
Proberöhren etwa 50 bis 70 cc Flüssigkeit nöthig sind, um eine vollkommen
streifenfreie Füllung zu erhalten.
Man ist im Stande, vier Ablesungen in der Minute zu bewirken, also mindestens doppelt
so rasch wie sonst zu arbeiten und ohne Ermüdung bis 1200 Polarisationen in zehn
Stunden auszuführen, wenn man sich eines Halbschattenapparates bedient und das Auge
vollkommen vor der Einwirkung des Lichtes geschützt ist, wie das ja allgemein üblich
ist.
Da es für Samenrüben auf Fehler von 0,2 bis 0,3 Proc. nicht ankommt, so kann man auch
leicht obige Zahl noch erheblich vermehren.
Das Durchflussrohr bietet also nach allen Seiten Vortheile vor dem gewöhnlichen und
wird bei der Auswahl der Mutterrüben sehr gute Dienste leisten und
Untersuchungsreihen gestatten, vor welchen man bei der gewöhnlichen Arbeitsweise
zurückscheute.
Ueber die Arbeit mit dem Yanjan-Verdampfapparat (vgl.
1887 266 * 128 und 1888 269 *
126) wurde Folgendes bekannt:
I.
In der russischen Zuckerfabrik Borina (Sapiski, 1890
S. 588. Bull. assoc. chim., Bd. 8 Nr. 9) geschieht
die Saftverdampfung mit dem Yaryan-Apparat, dessen Körper je eine Heizfläche von
59,3 qm haben. Nach Ciekhanowitch hat der
zugeführte Heizdampf im ersten Körper 1,2 bis 2 k Spannung; die
„Luftleere“ ist 7,6 bis 12,7 cm im ersten, 30,5 bis 38,1 cm im
zweiten, 58,4 bis 63,3 cm im dritten Körper; die Temperatur des Saftes vor
deren Eintritt beträgt 97,5° C., beim Uebergang in den zweiten Körper 95°, vor
dem dritten 65° C., beim Austritt als Dicksaft 60° C.
Um die Arbeit zu beurtheilen, hat man die eintretende Saftmenge durch einen
Zähler gemessen. Man fand 30962 Gallonen oder etwa 1400 hl in 24 Stunden. Die
Dichte betrug beim Eintritt 4°, beim Austritt aus dem ersten Körper 5° B., aus
dem zweiten 11°, aus dem letzten 22° B. Das Condensationswasser tritt mit 44°
C., das ammoniakalische Wasser mit 81° C. aus. Der Zuckerverlust in den
Condensationswässern betrug im Mittel 0,004, bald mehr oder weniger. In den
Ammoniakwässern suchte man den Zucker mit α-Naphtol
zu bestimmen, erhielt aber keine Reaction.Warum kein anderer Nachweis geführt wurde, ist nicht angegeben.D. Red.
Der Berichterstatter bezeichnet als einen grossen Uebelstand die Reinhaltung des
Verdampfapparates. Der erste und zweite Körper müssen jeden Monat, der dritte
alle zwei Wochen gereinigt werdenEs ist leider nicht zu erkennen, ob dieser Uebelstand nicht vielmehr
durch die Beschaffenheit der Säfte bedingt wird.D. Red.; dies geschieht durch zweistündiges
Waschen mit kaustischem Natron und darauf folgendes Auskratzen.
II.
In der Zuckerfabrik Tischnowitz (Mähren) ist im Vorjahre die Verdampfstation nach
dem Yaryan-System errichtet worden (Bericht von Strohmer in Oesterreichisch-Ungarische
Zeitschrift für Zuckerindustrie, 1891 Heft 7).
Die neue Verdampfstation der Tischnowitzer Zuckerfabrik besteht aus zwei
Yaryan-Vierkörperapparaten, welche zusammen eine effective Heizfläche von 700 qm
besitzen. Mit Rücksicht auf eine in Aussicht genommene Erhöhung der täglichen
Verarbeitung auf 4000 MC. wurde die Verdampfungsanlage gleich von vornherein für
diese Verarbeitung hinreichend gross angelegt.
Die Arbeit mit den Yaryan-Verdampfapparaten ist eine continuirliche, und es
liefern die Apparate kurz nach Beginn der Operation den fertig concentrirten
Saft. Dabei genügt die geringste Verstellung der Schieber in den ersten Körpern,
um jede gewünschte Concentration in wenigen Augenblicken zu erhalten.
Der Yaryan-Apparat arbeitet nahezu ohne jede Beaufsichtigung, und genügt, wenn
die Bedienung, wie in Tischnowitz, von einer Tribüne aus durchgeführt ist, ein
Mann für zwei Apparate.
Der Dünnsaft hatte, wie sich aus den Betriebsbüchern in Tischnowitz ergibt, im
Durchschnitt 10,75 B. und wurde gleichmässig auf 48,65 B. eingedickt.
Dem Berichterstatter scheint in dem Umstände, dass in den Yaryan-Apparaten der
Saft nur secundenlang der höheren Temperatur ausgesetzt ist, gegenüber den
gewöhnlichen Apparaten, wo derselbe oft stundenlang gekocht wird, ein grosser
Vortheil zu liegen, denn es ist so bei den Yaryan-Apparaten eine Caramelbildung
fast ausgeschlossen; es soll auch, wie mitgetheilt wurde, die Farbenprobe zu
Gunsten dieses Systems ausfallen, wenn man concentrirte Säfte von gleichem
specifischen Gewichte vergleicht, von denen die eine Probe in einem der
gewöhnlichen Verdampfer, die andere im Yaryan-Apparate eingedickt wurde.
Auch der weitere Umstand, dass sich in jedem Momente der Arbeit sehr geringe
Mengen Saft im Apparate befinden, scheint eine Annehmlichkeit dieser Apparate zu
sein, denn auf diese Art allein ist es möglich, dass mit dem Abstellen des
Saftzuflusses in der nächsten Minute auch schon der ganze Apparatbetrieb beendet
ist, und somit das oft stundenlange Zuendekochen entfällt.
Ein Uebersteigen oder Verluste an Saft durch Mitreissen scheint durch die
Construction des Apparates vollkommen ausgeschlossen zu sein, denn die
täglichen, in der Zuckerfabrik Tischnowitz durchgeführten Untersuchungen der
Brüden- und Luftpumpenwässer Hessen nie Zucker nachweisen, und ergab auch die
äusserst empfindliche α-Naphtolreaction ein
negatives Resultat.Siehe obige Bemerkung.
Die Reinigung der Yaryan-Apparate ist eine leichte und sichere. In der
Tischnowitzer Zuckerfabrik werden die Yaryan-Apparate täglich mit Wasser, und
ein bis zwei Mal in der Woche mit angesäuertem Wasser (4 l Salzsäure auf 2000 l
Wasser) gewaschen.
Lange bevor die Saftbehälter wieder gefüllt worden, sind auch die Apparate wieder
betriebsfähig. Dieses einfache und sichere Reinhalten der Heizflächen bei den
Yaryan-Apparaten scheint nicht nur den grossen Vortheil zu haben, dass diese
Apparate monatelang ohne jede Unterbrechung und ohne die geringste Verminderung
der normalen Leistung im Betriebe erhalten werden können, sondern auch den, dass
die zur Verwendung gelangenden Heizdämpfe auf das beste ausgenutzt werden, wozu
allerdings auch die Verdampfung bei niedrigster Flüssigkeitsschicht sehr viel
beiträgt.
Wie bei allen Neuerungen, hatte die Tischnowitzer Zuckerfabrik im Beginne der
Campagne mit diesem Apparate grosse Schwierigkeiten zu überwinden. Dieselben
lagen aber nicht in der Construction oder Durchführung der Yaryan-Apparate
selbst, sondern in der nicht genau bekannten und daher ursprünglich unrichtigen
Behandlung derselben, sowie auch in Mängeln der mit den Apparaten verbundenen
Nebentheile.