Titel: | Ueber Benzinrectification. |
Autor: | Alex. Veith |
Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 159 |
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Ueber Benzinrectification.
Von Director Dr. Alex.
Veith.
Mit Abbildung.
Ueber Benzinrectification.
Die Verarbeitung der niedriger siedenden Antheile des Erdöles – unter den Sammelnamen
Benzin, Naphta u.s.w. bekannt – hat in den letzten Jahren mit den gesteigerten
Anforderungen an dieselben einen bedeutenden Aufschwung erhalten. In der ersten Zeit
ein lästiges Abfallproduct, wurden diese Destillate direct unter die Kessel geleitet
und verbrannt, oder, wo es die localen Verhältnisse ermöglichten, dem Leuchtöle
beigemischt. Nachdem man ihre Leuchtkraft erkannt hatte, bildeten sie einen
Ersatz für das schwerer erhältliche Leuchtgas, eine Verwendungsart, die heute noch
im bedeutenden, stetigen Wachsen begriffen ist.
In jüngster Zeit spielen die leichtflüchtigen Kohlenwasserstoffe eine wichtige Bolle
für den Motorenbetrieb. Eine ganze Reihe von Industriezweigen endlich benützt
bestimmte Antheile in ausgedehntem Maasse als Extractions- bezieh. Lösungsmittel für
Fette.
Man bezeichnet in der Praxis als Benzin u.s.w. denjenigen Theil des Erdöles, der
zwischen einem variablen Minimalsiedepunkte und dem Maximalsiedepunkte von 150 und
160° C. gewonnen wird, und da aus betriebstechnischen Gründen eine thermische
Bestimmung nicht gut möglich ist, werden bei den meisten Erdölen die specifischen
Gewichte von 0,750 bis 0,760 – bei russischen etwas höher – als Grenze
angenommen.
Dieses Erstproduct der Erdöldestillation kann in den seltensten Fällen directe
Verwendung finden. Geruch, Farbe, die bedeutenden Mengen mitgerissener Schweröle,
die grossen Temperaturintervalle, innerhalb welcher es gewonnen wird, machen es
nothwendig, dass es in der Regel einer Rectification bezieh. wiederholten
Destillation unter besonderen Bedingungen unterworfen werden muss, denn als
besondere Charakteristica für ein gutes Benzin gelten absolute Wasserhelle,
möglichst geringer, angenehmer Geruch, für viele Zwecke vollkommene Fettfreiheit,
beispielsweise wo es als Lösungsmittel Verwendung findet, und endlich als
Haupterforderniss vollständige Verflüchtigung innerhalb
constanter, bekannter Siedepunktsintervalle.
Die letztere Bedingung ist von eminenter Wichtigkeit, denn sie ermöglicht eine
ausgedehnte Verwendung für gewisse Fractionen dieser leichtflüchtigen
Kohlenwasserstoffe zu Extractionszwecken. – Zur Extraction von Fetten und Oelen aus
Knochen, Samen u.s.w. hat das Benzin seines geringeren
Preises wegen die meisten Lösungsmittel, wie Alkohol, Aether, Schwefelkohlenstoff,
allmählich verdrängt, – allmählich, denn die anfänglich verwendeten Producte
bewährten sich nicht vollständig. Als Gemenge niedriger und höher siedender
Fractionen war das Arbeiten sowohl verlustreich durch zu rasches Verflüchtigen
uncondensirbarer Theile, während das Extractionsproduct noch beträchtliche Mengen
schwer siedender Theile aufwies, die sich durch den verwendeten Betriebsdampf nicht
verflüchtigen Hessen. Als ein für Extractionszwecke verwerthbares Product hat sich
in der Praxis das Gemenge der zwischen 80 und 120° siedenden Fractionen
erwiesen.
KisslingChemiker-Zeitung, 1891 Bd. 15 Nr. 20 S.
328. hat mit Zuhilfenahme des Engler'schen Fractionskölbchens die Temperaturintervalle für die verschiedenen
Benzine gesucht, und gefunden, dass
Petroleumäther
zwischen
30
bis
110°
Leichtbenzin
„
60
„
110°
Mittelbenzin
„
80
„
120°
Schwerbenzin
„
100
„
140°
siedet.
Diese Temperaturdifferenzen müssen als unrichtig bezeichnet werden. Zunächst dürfte
Kissling mit schlecht fractionirten Producten
gearbeitet haben und endlich lässt der von ihm vorgeschriebene Apparat keine genaue
Bestimmung zu. Versuche im Laboratorium ergaben die Notwendigkeit, mit besonderen
Dephlegmationsapparaten
(Linnemann'sche, Le
Bel'sche Kugelröhren) zu arbeiten, denn nur auf diese Weise Hessen sich die
Siedepunktsgrenzen genau bestimmen, die für gut rectificirte Producte
folgendermaassen gefunden wurden:
Petroleumäther
zwischen
30 bis 55 bis 60°
Zweites Product
„
60 bis 80°
Drittes Product
„
80 bis 100 bis 110°
Schwer-Product
„
110 bis 140°
Mit den in vielen Fabriken gebräuchlichen primitiven Rectificationsanlagen, die aus
liegenden oder stehenden Blasen bestehen, und wo die mit indirectem Dampfe erzeugten
Dämpfe einer einfachen Wasserkühlung unterworfen werden, lassen sich nur fettfreie,
innerhalb sehr variabler Siedepunktsgrenzen schwankende Producte gewinnen. Selbst
die Erstproducte dieser Rectification enthalten höher siedende Antheile, während die
letzten Fractionen schon bei niedriger Temperatur zu sieden beginnen; solche
Producte dürften Kissling als Material seiner
Untersuchungen gedient haben.
Einen wesentlichen Fortschritt weisen schon jene Rectificationsanlagen auf, die,
selbst bei primitiven Condensationsvorrichtungen, mit liegenden Blasen versehen
sind, denn aufrecht stehende Blasen sind aus dem Grunde unzweckmässig, weil deren
wirksame, d.h. verdampfende Heizfläche aus den mit Dampf erhitzten Seitenwänden des
Kessels, oder aus einer in die Flüssigkeit tauchenden Dampfschlange bestehend, in
gleichem Maasse, wie die Füllung der Blase – mit der Destillationsdauer – abnimmt,
wobei bei steigenden Siedepunkten eine immer kleiner werdende Heizfläche erhalten
wird, während das gerade Gegentheil erwünscht ist.
Bei liegenden Blasen ist eine geringere Siedehöhe geschaffen und gegen Ende des
Abtriebes für die schwerst flüchtigen Bestandtheile eine genügend grosse Heizfläche
vorhanden.
Bei richtig functionirender Dephlegmation und Kühlung der Fractionen verhalten sich
die austretenden Destillatmengen zu den in der Blase verdampften Mengen in gleichen
Zeittheilen etwa wie 1 : 5. Dieses Verhältniss gibt die nothwendige Dimensionirung
der Dephlegmationsapparate an. Bei einer stündlichen Gewinnung von 2 hl Destillat
z.B. muss die Blase 10 hl verdampfen können, von denen in den ersten Zeiträumen die
restlichen 8 aus der Dephlegmation zurückfliessen.
Bei abnehmender Dephlegmationskraft ist die Temperatursteigerung nothwendig, um die
höher siedenden Fractionen uncondensirt durch die Dephlegmation treiben zu lassen.
Diesem concreten Falle von 2 hl Fractionirproduct genügen für die Siedepunkte
zwischen 40 bis 100° C, 77 W.-E. latente Wärme für Benzin und 140° C. für den
Heizdampf eine Heizfläche von 3,5 qm.
Unter den zahlreichen Systemen der Rectification hat sich in manchen Fabriken in
modificirter Form der Heckmann'sche Apparat mit
liegender Blase am besten bewährt. Ausführlich beschrieben erscheint er in C. Schädler, Technologie der Oele und Fette, S. 594 und
597. Er findet, da die Betriebsart nahezu dieselbe ist, sowohl für die Spiritus- als
auch Benzolrectification Verwendung, wobei man in der Lage ist, wie mit keinem
anderen Apparate die möglichste Homogenität des Productes zu erzielen. Bei
Benzinrectificationen dürfen des Schwefelgehaltes des Erdöles wegen die
Bestandtheile des Apparates nicht aus Kupfer gemacht werden.
Man ist in der Lage, mit den Heckmann'schen
Dephlegmationsapparaten Benzine mit constanten Siedepunktsdifferenzen zu erzeugen,
die nur geringe Mengen 2 bis 5 Proc. höher bezieh. niedriger siedender Antheile
enthalten. Handelt es sich nicht um die Gewinnung besonderer Qualitäten, d.h. wird
nur auf ein fettfreies Product Gewicht gelegt, oder sollen nur die unter 150° C.
siedenden Antheile des Erdöles gewonnen werden, so lässt sich die Dephlegmation
ausschalten und damit der Betrieb wesentlich beschleunigen. Nach Privatmittheilungen
lassen sich die von der mit dem Apparate verbundenen Vacuumpumpe ausgestossenen
Dämpfe durch einfache Wasserkühlung soweit condensiren, dass Producte von 0,640 bis
0,650, oft sogar 0,625 gewonnen werden.
Von der Firma Huber und Alter in Prag wurde eine
wesentlich modificirte Benzinrectification projectirt. Im Betriebe befinden sich
zwei liegende Blasen mit je 3,5 qm Heizfläche, die so angeordnet sind, dass ihre
Putzlöcher ins Freie reichen; gegen Abkühlung sind sie durch Blechthüren geschützt.
Zwischen den Kesseln führt eine Stiege auf das Plateau oberhalb des Kessels, während
in einem nebenstehenden Thurme die Colonnen der Kühlcylinder bezieh. die
Dephlegmation Platz findet. Zur continuirlichen Wasserversorgung ist ein
Hochreservoir geeignet.
Textabbildung Bd. 282, S. 160Benzinrectification von Huber und Alter. Das Wesentlichste der Anlage ist die in nebenstehender Figur abgebildete
Rohrdephlegmation mit stehenden Rohren. Da als Minimalsiedepunkt 40° C, als
Maximalsiedepunkt 100° C. angenommen sind, die Fläche der Dephlegmation aber der
grössten Flüchtigkeit entsprechen soll, somit auf den Minimalsiedepunkt von 40° C.
basirt ist, muss die Wirkung der Dephlegmation stufenweise verringert werden, sowohl
durch Steigerung der Temperatur, als auch durch successive Abstufung des
Condensationswasserniveaus in der Dephlegmation, wobei überdies für eine
Wasservorwärmung vorgesehen sein muss.
Im Anfange des Betriebes ist die Dephlegmation vollständig mit Wasser angefüllt bis
zum höchsten Ueberlaufstutzen A, den
Minimalsiedepunkten von 40° C. entsprechend; der Wasserzulauf G ist in dem untersten Punkte gedacht, während das
Wasser selbst durch die Röhren a... a circulirt. Bei fortschreitender Destillation wird der
Wasserstand bis zur ersten Stufe B abgelassen, später
je nach Erforderniss bis auf die zweite C und dritte
Stufe D, und damit die Condensation herabgesetzt.
Gegen Ende der Destillation wird durch ein Dampfschnatterrohr F mittels Erwärmung des Condensationsraumes und Wassers die Condensation
auf ein Minimum herabgesetzt. Bei dieser Einrichtung hat man es durch Regulirung des
Wasserstandes und der Wassertemperatur in der Gewalt, gleichfalls
Condensationsproducte von bestimmten Siedepunkten zu erhalten.
Eventuelle Betriebsresultate mit diesem Apparate werden seine Leistungsfähigkeit
feststellen und sollen später mitgetheilt werden.