Titel: | Beiträge zur Technologie der Chrompigmente. |
Autor: | Carl Otto Weber |
Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 183 |
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Beiträge zur Technologie der
Chrompigmente.
Von Dr. Carl Otto
Weber.
(Fortsetzung des Berichtes S. 138 d.
B.)
Chrompigmente.
Chromgrüne aus Chromgelb.
Für die Darstellung von Chromgelb für Chromgrün eignet sich als oxydirbare Säure ganz
besonders die Ferrocyanwasserstoffsäure resp. deren Natron- oder Kalisalz, besonders
aus dem Grunde, weil bei deren Anwendung an Stelle von Citronensäure das Bleiacetat
ohne besondere Vorsichtsmaassregel durch Bleinitrat ersetzt werden kann, indem
Ferrocyanblei in verdünnter Salpetersäure nicht löslich ist. Für die Darstellung von
Handelschromgelben ist dieses Verfahren der Anwendung von Ferrocyansalzen nicht
geeignet, da hierfür der Ton der erhaltenen Gelbe ganz ungeeignet ist, damit
hergestellte Grüne sind aber von ganz hervorragendem Feuer, bei äusserst reiner und
klarer Nuance.
Neu ist nun diese Methode der Chromgrünfabrikation unter Zuziehung organischer Säuren
durchaus nicht, aber die wichtige Rolle, welche die organische Säure hierbei spielt,
wurde bisher vollständig missdeutet, weil die zu Grunde liegenden chemischen
Verhältnisse gänzlich im Dunkeln waren. In Folge dessen war es auch nicht möglich,
die grossen Vortheile der Methode auf die Chromgelbe ohne Unterschied anzuwenden, da
die empirische Methode in ihrer Anwendung auf Chromgelbe überhaupt unverkäufliche
Producte liefert. Vorstehende Auseinandersetzung ermöglicht die Ausdehnung des
Verfahrens auf Chromgelbe im Allgemeinen, und dürfte das Verfahren für die Anwendung
von Chromgelben in Cattundruck und in der Papierfabrikation von erheblichem
Interesse sein.
Bei der Darstellung von Chromgrünen aus diesen Chromgelben kann das Blau dem
Chromgelb, wie bereits bei den früher erwähnten Verfahren angegeben wurde, entweder
dem Gelb nach der Fällung zugemischt oder vor der Fällung der Lösung des Bleisalzes
zugesetzt werden. Letztere Methode gibt, wie bereits bemerkt, bessere Resultate und
die so erzeugten Grüne besitzen einen hohen Grad von Echtheit. An dieser Methode ist
nur noch auszusetzen der durch die Unmöglichkeit absolut feiner Vertheilung bedingte
unnöthiger Weise hohe Verbrauch an Pariserblau.
Die feinste Form der Vertheilung eines Körpers für alle praktischen Zwecke ist
eine Lösung desselben, und eine Lösung von Pariserblau ist deshalb unstreitig die
ökonomische Form, in welcher dasselbe in der Chromgrünfabrikation zur Anwendung
gelangen kann. Das wasserunlösliche Pariserblau ist im Stande, mit gewissen Säuren
resp. Salzen in Wasser lösliche Doppelverbindungen einzugehen, und diese Lösungen
sind vorzüglich geeignet, um aus einem gegebenen Gelb mit dem geringsten Aufwand von
Blau, Grüne von hervorragender Schönheit zu erzeugen. Die Verwendung von Oxalsäure
für diesen Zweck ist sehr naheliegend und zuerst zu diesem Zwecke von VogelNeues Jahrb. d. Pharm. XL S. 183. empfohlen worden. Vogel verfährt
in der Weise, dass er das zu verwendende Pariserblau, das in Pulver- oder Teigform
sein kann, mit Wasser zu einem dünnen Brei anrührt und dann mit ungefähr 10 Proc.
(vom Trockengewicht des Blaues) Oxalsäure kocht, bis vollständige Lösung erzielt
ist. Zu dieser Lösung wird nach zuvorigem weiteren Verdünnen die Lösung des
Bichromates gegossen und die vorbereitete Bleizuckerlösung mit dem Gemisch gefällt.
Vogel gibt folgende Gewichts Verhältnisse als Illustration:
20
Pariserblau
2
Oxalsäure
40
Bichromat
100
Bleizucker.
Wie ersichtlich, ist auch das hier als Basis des Grüns
dienende Chromgelb frei von Schwefelsäure, und ist daher die Schönheit des Productes
bedingt durch die Anwesenheit von Oxalsäure in der Form von oxalsaurem Blei in
demselben. Bei dem Hinzukommen der Bichromatlösung zu der oxalsauren Lösung des
Pariserblaues tritt zwar sofort eine äusserst heftige Reaction ein, aber es ist
unzweifelhaft, dass auch bei Anwendung von Oxalsäure die Oxydationswirkung des
Bichromates zum Stillstand kommt, sobald die Oxalsäure nur noch in der Form von
Chromoxalat vorhanden ist, wie dies früher in analoger Weise für die zwischen
Citronensäure und Bichromat stattfindende Reaction in Gleichung a) gezeigt wurde.
Dass in der That oxalsaure Salze selbst von siedender Bichromatlösung nicht im
geringsten angegriffen werden, habe ich durch specielle Versuche festgestellt.
Diese Vorschrift Vogel's muss als ein sehr glücklicher
Griff bezeichnet werden, da Vogel mit dem
Oxalsäurezusatz lediglich die Lösung des Pariserblaues bezweckte, während er von der
viel wichtigeren Function derselben in dem Chromgelb keine Ahnung hatte. Wird aber
in Vogel's Grünvorschrift die Oxalsäure weggelassen und
durch einen passenden nichtoxydirbaren Körper, wie zum Beispiel wolframsaures Natron
oder molybänsaures Ammoniak ersetzt, so findet gleichfalls Lösung des Blaues statt,
aber die schlechte Nuance des erhaltenen Grünes zeigt nur zu deutlich, dass das Gelb
umgeschlagen ist.
Es gibt noch eine ganze Anzahl von Substanzen, die im Stande sind, das Pariserblau zu
lösen. Dieselben sind aber meist viel höher im Preise als die Oxalsäure, die
ausserdem noch den Vorzug hat, in den Chromgrünsätzen die Function der Citronen-
oder Weinsäure in Bezug auf Gelb zu versehen. Es leistet daher von diesem
Gesichtspunkte aus die Methode Vogel's alles, was zur
Erzielung tadelloser Chromgrüne nöthig ist, und die erzielten Producte sind den
nach den früher erwähnten Methoden dargestellten Grünen an Feuer und Echtheit
unendlich überlegen.
Dass auch Ferrocyankalium Pariserblau zu lösen im Stande ist, ist nicht so allgemein
bekannt, als dieselbe Eigenschaft der Oxalsäure. Während aber Oxalsäure selbst
trockenes Pariserblau mit Leichtigkeit löst, ist es bei Verwendung von
Ferrocyankalium absolut erforderlich, das Pariserblau in Teigform zu verwenden. Wird
Pariserblau in Teigform mit einer Lösung von Ferrocyankalium in erheblichem
Ueberschuss erhitzt, so ändert sich die Farbe der Mischung durch Hellblau und
Blassgrün rasch in ein feuriges sattes Grün. Hierbei findet Entwickelung von
Blausäure in nicht unerheblichem Maasse statt. Dieser Umstand, sowie die Thatsache,
dass es unter keinen Umständen gelingt, eine klare Lösung zu erhalten, lassen es
vielleicht fraglich erscheinen, ob hier überhaupt eine Lösung und nicht ein
chemisches Reactionsproduct vorliegt. Andererseits muss aber bemerkt werden, dass
die fragliche Lösung ohne die Spur eines Rückstandes filtrirbar ist, und ferner,
dass eine concentrirte Lösung von Glaubersalz alles Blau aus der Lösung fällt.
Dieses so erhaltene Blau ist aber wesentlich verschieden von dem ursprünglich
angewandten Pariserblau; es ist von viel hellerer Farbe und sehr grünlicher Nuance.
Wesentlich anders ist das Resultat beim Kochen des Blaues mit einer 20 Proc. vom
Trockengewicht desselben nicht übersteigenden Menge Ferrocyankalium. Es findet
hierbei binnen wenigen Minuten absolut vollständige Lösung zu einer tief
dunkelblauen Flüssigkeit statt. Aus dieser Lösung lässt sich das Blau durch eine
concentrirte Lösung von Glaubersalz wieder fällen. Aber selbst das auf diese Weise
anscheinend vollständig gefällte Blau geht bei der Filtration fast ohne Rückstand
durch das Filter. Auf dieselbe Weise verhält sich das Blau, wenn es mit einer Lösung
von Bichromat versetzt wird. Das letztere wirkt natürlich, wie schon oben erwähnt,
sofort auf das in Lösung befindliche Ferrocyankalium, und das Blau wird
augenscheinlich gefällt, es befindet sich aber in solch feiner Vertheilung, dass es
so gut wie rückstandslos durch das feinste Filter geht. Wird mit solch einem Gemisch
eine Bleiacetatlösung gefällt, so erhält man Grüne, die an Schönheit des Tones mit
Brillantgrünlacken wetteifern. Der geradezu ideale Zustand der Vertheilung des
Pariserblaues ermöglicht die Herstellung bestimmter Grünnuancen mit einem
Minimalaufwand von Pariserblau, der in Verbindung mit der ausserordentlichen
Schönheit der Producte den durch die Verwendung des Ferrocyankaliums bedingten
Aufwand mehr als bezahlt macht. Als Beispiel dienen folgende Verhältnisse:
V.
300 2,4 18 50
Pariserblau
(4proc.)FerrocyankaliumBichromatBleizucker.
Diesen Verhältnissen entsprechen folgende des Vogel'schen Verfahrens:
VI.
300 2 18 50
Pariserblau (4proc.)OxalsäureBichromatBleizucker.
Es muss aber ausdrücklich hervorgehoben werden, dass die nach diesen beiden Verfahren
erzeugten Chromgrüne äusserlich durchaus verschieden von einander sind, obgleich
dieselben ihrer chemischen Zusammensetzung nach so gut wie identisch sind. Der Grund
hiervon liegt ohne Zweifel
darin, dass in Vorschrift V eine Reduction des Bichromates nur spuren weise
bemerkbar ist, während in Vorschrift VI eine erhebliche Reduction stattfindet. Diese
lässt sich vollständig vermeiden, indem man zur Lösung des Pariserblaues an Stelle
von Oxalsäure oxalsaures Ammoniak anwendet, das gleichfalls ein vorzügliches
Lösungsmittel für das Blau ist und gegen Bichromat sich absolut indifferent verhält.
Vorschrift VI ist dann in folgender Weise abzuändern:
VII.
300 3 18 50
Pariserblau (4proc.)AmmonoxalatEs ist ungefähr die Hälfte mehr Oxalsäure in der Form von Ammonoxalat
erforderlich zur Lösung des Blaues, als bei Anwendung von freier
Oxalsäure.BichromatBleizucker.
Auch dieses Grün ist ebenso verschieden im äusseren Ansehen von dem nach Vorschrift V
dargestellten, wie das nach Vorschrift VI erhaltene, vor dem es aber den Vorzug
einer viel besseren Nuance voraushat, an Glanz mit dem Product nach Vorschrift V
wetteifernd. Die Nuance ist jedoch ausserordentlich viel blauer als die des
letzteren und dies zeigt uns daher, dass bei Anwendung von Oxalsäure oder vielmehr
Ammonoxalat eine noch viel weitergehende Blauersparniss möglich ist, als die
Anwendung von Ferrocyankalium gestattet. Das mit Ammonoxalat dargestellte Grün ist
ausserdem bei weitem echter als das mit Oxalsäure dargestellte, ohne Zweifel in
Folge der erheblich grösseren Menge von Bleioxalat, die in dem ersteren Falle mit
dem Chromgelb gefällt wird. Erwähnenswerth scheint mir die Thatsache, dass das
Filtrat des nach Vorschrift VII dargestellten Grünes eine nicht unerhebliche Menge
Ferrisalz (Oxalat?) enthält. Dasselbe entstammt ohne Frage dem Pariserblau. Diesem
lässt sich jedoch durch Behandlung mit verdünnten Mineralsäuren nicht die Spur von
Eisenoxyd entziehen; organische Säuren, aber bemerkenswerther Weise nur die
mehrbasischenEs ist ungefähr die Hälfte mehr Oxalsäure in der Form von Ammonoxalat
erforderlich zur Lösung des Blaues, als bei Anwendung von freier
Oxalsäure. derselben, lösen äusserst geringe Mengen, während die
Alkali- und besonders die Ammonsalze der erwähnten Säuren sehr erhebliche Mengen
Eisenoxyd lösen, das beim darauf folgenden Fällen des Blaues bei der Grünbildung
nicht mitfällt, sondern in die Waschwasser, in Form eines Salzes natürlich,
übergeht. Diese Erscheinung steht ohne Zweifel in engem Zusammenhang mit dem
Lösungsvorgang des Blaues durch jene Säuren, der demnach eine viel weitergehende
chemische Einwirkung darstellt, als bisher angenommen wurde. Aus obigen Angaben
scheint hervorzugehen, dass bei dem Lösungsprocess eine partielle Substitution des
extraradicalen Eisenoxydes durch Alkalien oder Ammoniak stattfindet. Bei der Lösung
des Blaues durch die freien Säuren würde dann eine Hydroxylsubstitution anzunehmen
sein, eine Annahme, die freilich nicht unbedenklich erscheinen dürfte.
Ob das Ferrocyan-Chromgrünverfahren schon betriebsmässig ausgeübt wurde, ist mir
nicht bekannt und dürfte auch schwer zu ermitteln sein, da derartige Verfahren von
den Fabriken immer ängstlich geheim gehalten werden. Dieses Verfahren besitzt aber
Vorzüge, die dasselbe für den Grossbetrieb nur empfehlen können. Das
Oxalsäureverfahren ist betriebsmässig benutzt worden, hat sich aber auf die Dauer
nicht bewährt aus bereits angegebenen Gründen. Durch die Anwendung von oxalsaurem
Ammoniak sind aber die mit dem ursprünglichen Vogel'schen Verfahren verknüpften Uebelstände völlig beseitigt und dürfte das
Verfahren in dieser Modification unbedingt lebensfähig sein.
Ein Verfahren, das als eine Vereinigung des Ferrocyan- und Oxalsäureverfahrens
bezeichnet werden muss, ist seit längerer Zeit im Gebrauche, besonders in Amerika
und England, während man kaum sagen könnte, dass dasselbe auch in Deutschland
allgemein Eingang gefunden hätte. Der Grund hierfür dürfte aber nicht in etwaigen
Nachtheilen des Verfahrens zu suchen sein, sondern lediglich in den Bemühungen der
grösseren Fabriken, die Methode geheim zu halten. Die nach dieser combinirten
Methode dargestellten ChromgrüneOxalsäure, Citronensäure, Weinsäure. Die Säuren der aromatischen Reihe
vermögen weder aus dem Pariserblau Eisenoxyd aufzunehmen, noch überhaupt das
Blau zu lösen. zeichnen sich durch ihre Reinheit und Zartheit des
Tones, sowie ihre ausserordentliche Lichtechtheit aus. Es lässt sich von vorn herein
schwer ein Grund einsehen, warum diese Grüne von den nach den getrennten Methoden
dargestellten verschieden sein sollen. Berücksichtigt man aber, dass bei dieser
Combination Ferrocyankalium und Oxalsäure in Siedehitze zusammentreffen, wobei
dieselben nicht nur auf das Blau, sondern ausserdem noch gegenseitig auf einander
einwirken, so wird die Sache schon verständlicher. So gut wie aufgeklärt wird aber
der Vortheil der Combination beider Verfahren durch die oben constatirte Thatsache,
dass die Oxalsäure resp. Oxalate dem Pariserblau Eisenoxyd, natürlich in der Form
von Oxalat, entziehen. Bei den getrennten Verfahren geht dieses Eisenoxyd dem
Grünsatze verloren, während dasselbe bei Gegenwart von Ferrocyankalium von demselben
sofort unter Bildung von Blau gebunden wird. In der That enthalten die Waschwässer
der nach diesem Verfahren dargestellten Grüne niemals Eisenoxyd. Nachstehende
Vorschriften können als Typen dieses combinirten Grünverfahrens betrachtet
werden:
a
b
c
Bleizucker
100
100
100
Bleiglätte (nass gemahlen)
50
50
50
Bichromat
50
50
50
Pariserblau (trocken)
25
50
100
Oxalsäure
4
7
15
Ferrocyankalium
5,5
10
13
Das Arbeitsverfahren ist wie folgt: Der Bleizucker und die Bleiglätte werden zusammen
auf basisches Bleiacetat verarbeitet nach dem in einem früheren Artikel für
Chromgelb angegebenen Verfahren. Die erhaltene Bleilösung wird in das zu etwa ⅓ mit
Wasser gefüllte Niederschlagsgefäss abgelassen. Nunmehr wird die Oxalsäure und das
Ferrocyankalium in ungefähr 300 l Wasser siedend gelöst und sodann unter
fortgesetztem Kochen langsam das Pariserblau eingetragen. Ist das letztere in
trockenem Zustande, so muss es unbedingt in Form eines äusserst fein gemahlenen
Pulvers verwendet werden, noch besser ist es, in diesem Falle das Blau mit der
erforderlichen Menge Oxalsäure staubfein zu vermählen und dieses Gemenge in die
siedende Ferrocyankaliumlösung einzutragen, worauf schnell Lösung erfolgt. Wird
indessen das Pariserblau in Teigform angewendet, so ist es genügend, dasselbe mit
Wasser zu einem dünnen Brei zu zerrühren und diesen der siedenden Lösung von
Oxalsäure und Ferrocyankalium zuzusetzen. Nach dem Zusätze des Blaues wird für
mindestens eine halbe Stunde weitergekocht, darauf die gleichfalls siedend heisse
Bichromatlösung mit der Blaulösung vereinigt und sodann nach einige Minuten langem
Rühren diese vereinigte Lösung in die Bleilösung im Fällungsbottich einfliessen
gelassen. Das so erhaltene Grün wird 3mal mit frischem Wasser gewaschen;
es ist das schönste und echteste Chromgrün, das die Pigmentfarbenindustrie
gegenwärtig kennt.
Selbstverständlich ist, dass obige Sätze auch ausführbar sind mit den entsprechenden
Mengen neutraler Bleisalze, doch muss bemerkt werden, dass verschiedene Bleisalze
auch Grüne von verschiedener Nuance liefern, und zwar sind die Unterschiede bei den
Grünen erheblich grösser als bei den Gelben. Dies ist sehr auffallend, da ja die
Säure des Bleisalzes an der Grün- resp. Gelbbildung nicht den geringsten Antheil
nimmt, wenigstens nicht nach unseren gegenwärtigen Vorstellungen von den chemischen
Wechselzersetzungen durch doppelten Austausch, die uns keinen Aufschluss geben,
warum die Reaction
2Pb(C2H3O2)2 +
K2Cr2O7 + H2O = 2PbCrO4 + 2KCrH3O2 + 2C2H4O2
nicht absolut genau dasselbe Chromgelb (resp. Grün) ergeben
soll, als die Reaction
2Pb(C2H3O2)2 +
K2Cr2O7 + H2O = 2PbCrO4 + 2KC2H3O2 + 2C2H4O2.
Möglicher Weise ist die Verschiedenheit der Wärmetönung in
beiden Reactionen in ursächlichen Zusammenhang zu bringen mit der Verschiedenheit
der beiden Farbstoffe; ebenso nahe liegt aber die Vermuthung, dass die beiden Gelbe
(Grüne) noch Essigsäure resp. Salpetersäure enthalten. Indirect scheint dafür auch
die Thatsache zu sprechen, dass Nitratgelbe im Cattundruck stets bedeutend
schlechtere Resultate geben als Acetatgelbe. Es ist mir aber nie gelungen, in einem
sorgfältig dargestellten Gelbe Essig- oder Salpetersäure nachzuweisen.
Die vorstehenden Auseinandersetzungen enthalten alles Wesentliche, das vom chemischen
Standpunkt aus bei der Fabrikation der Chromgrüne in Betracht zu ziehen ist,
insofern es sich um die Darstellung chemisch reiner Chromgrüne handelt. Solche
Chromgrüne werden aber äusserst selten dargestellt und es dürfte in der That kaum
ein Chromgrün im Handel vorkommen, das nicht eine indifferente mineralische Füllung
in irgend einer Form enthält. Solche mineralische Zusätze (Füllungen) kurzweg als
Verfälschungen zu bezeichnen, wie es häufig geschehen ist, muss als ein grosses
Missverständniss bezeichnet werden, da ohne solche Zusätze sehr häufig ein Grün für
einen speciellen Zweck geradezu unverwendbar wäre. Beispiele in dieser Richtung
lassen sich in grosser Zahl anführen und begnüge ich mich speciell darauf
hinzuweisen, dass ein absolut reines Chromgrün in der Fabrikation von Buntpapier
Aufstriche liefert, die nicht selten geradezu unschön sind in Folge eines gewissen
seifigen Glanzes, den dieselben besitzen. Enthält ein solches Grün nur wenige
Procente Thonerdehydrat, so wird dadurch das Grün in der vortheilhaftesten Weise
verändert und liefert nunmehr Aufstriche, die durch ihre sammtartige Beschaffenheit
den Eindruck grosser Tiefe und Lebendigkeit machen und dem mit dem reinen Grün
erzeugten Aufstriche unendlich überlegen sind. Es ist aber nicht nur von
Wichtigkeit, ob und welche Füllung ein Chromgrün erhalten hat, sondern auch auf
welche Weise dasselbe dem Farbstoff einverleibt wurde, und erscheint es daher
angezeigt, im Folgenden diesem Gegenstande näher zu treten.
Als Füllung für Chromgrüne werden nur weisse mineralische Stoffe verwendet, die ihrer
chemischen Natur zufolge gegen das Gelb und Blau des Chromgrünes sich indifferent
verhalten. Die wichtigsten der verwendeten Stoffe sind
a)
Schwerspath
b)
Gyps (Lenzin)
c)
Thonerdehydrat
d)
China clay.
Von diesen Füllungsmitteln dienen Schwerspath und Gyps wesentlich zur Erzeugung mehr
oder minder stark reducirter Ware und wird für die allerbilligste Ware oft bis 1000
Proc. dieser Füllungsmittel einem Grün einverleibt. Im Allgemeinen kann, als Regel
gelten, dass, je weiter die Verdünnung getrieben wird, um so weniger Gyps, aber an
Stelle dessen Schwerspath sollte verwendet werden. Der Grund hierfür ist das viel
grössere specifische Gewicht des Schwerspaths, in Folge dessen ein gewisses Quantum
desselben weit weniger aufhellend auf die Nuance einwirkt als ein gleiches Gewicht
Gyps. Die specifischen Gewichte von Gyps und Schwerspath verhalten sich wie 2,32 zu
4,5, und genau im selben Verhältniss steht deren specifisches Aufhellungsvermögen,
d.h. 1 Th. Gyps äussert in dieser Hinsicht ungefähr dieselbe Wirkung als 2 Th.
Schwerspath. Es könnte danach scheinen, als ob die Anwendung von Gyps überhaupt
unvortheilhaft wäre. Dies ist aber nicht der Fall. Schwerspath besitzt die
unangenehme Eigenschaft, die Chromgrüne in äusserst schwere staubige Pulver zu
verwandeln, während bei Anwendung von Gyps deren „Leichtigkeit“, das ist
deren flockige Beschaffenheit, erhalten bleibt, welche gleichzeitig der Farbe ein
schöneres Ansehen sichert. Es empfiehlt sich deshalb für schwache Reductionen
vorwiegend Gyps und keinen oder wenig Schwerspath zu verwenden, während für starke
Reductionen, um zu starke Schwächung der Nuance zu vermeiden, hauptsächlich
Schwerspath verwendet werden muss, dem aber stets 10 bis 15 Proc. Gyps beigegeben
werden sollten, um die Beschaffenheit des gepulverten Farbstoffes nicht zu staubig
werden zu lassen. Sind die Chromgrüne nicht bestimmt, getrocknet und gepulvert zu
werden, sondern sollen dieselben in Teig bleiben, kann gleichfalls mit Vortheil die
oben gegebene Regel beobachtet werden, da Grüne, die neben Schwerspath auch noch
Gyps enthalten, einen wesentlich besseren Aufstrich liefern, als wenn nur
Schwerspath verwendet wurde. Schwerspath und Gyps sind aber nur in solchen
Teigfarben zulässig, die für Tapetendruck bestimmt sind, für welchen Zweck meist
Farben mit viel Körper verlangt werden; für Zwecke der Buntpapierfabrikation liefern
aber solche Grüne Aufstriche, die viel zu rauh sind, und es enthalten daher die
Chromgrüne für Buntpapierfabrikation fast ausnahmslos Thonerdehydrat als Füllung, in
vereinzelten Fällen auch China clay oder bisweilen beide gleichzeitig.
Das Thonerdehydrat ist unstreitig einer der wichtigsten Körper der
Pigmentfarbenfabrikation und von ausserordentlicher Anwendbarkeit. Es wurde früher,
ehe eisenfreie schwefelsaure Thonerde im Handel war, stets aus Alaun dargestellt,
gegenwärtig aber ausschliesslich aus eisenfreier schwefelsaurer Thonerde des
Handels. Mit Bezug auf einen Eisengehalt der verwendeten schwefelsauren Thonerde ist
die grösste Vorsicht zu beachten, da eine äusserst geringe Menge Eisen schon im
Stande ist, höchst nachtheilig auf das erzeugte Thonerdehydrat zu wirken.
Schwefelsaure Thonerde von so hohem Eisengehalt, dass das daraus erzeugte
Thonerdehydrat gelblich gefärbt würde, ist mir nie vorgekommen, sehr häufig dagegen
sind sehr geringe Mengen Eisen vorhanden, deren Gegenwart sich an einer bläulichen,
bleiernen Färbung des Thonerdehydrats zu erkennen gibt,
das bei Abwesenheit jeder Spur Eisen als blendend weisser Niederschlag
ausfällt. Solches missfarbige Thonerdehydrat enthält, soweit meine Beobachtungen
reichen, nie mehr als 0,008 Proc. Fe2O3, aber ein derart gefärbtes Thonerdehydrat übt
einen grossen Einfluss auf die Reinheit des Farbentones der damit gefüllten Grüne.
Die Füllung mit Thonerdehydrat wird nie so weit getrieben, als mit Schwerspath oder
Gyps, das angewendete Maximum beträgt ungefähr 100 Proc. Al2(OH)6 vom Gewicht
des Grünes (trocken gerechnet). In gewissen Fällen, wo entweder die Rauheit des
Aufstriches eines mit Schwerspath oder Gyps gefüllten Grünes vermieden werden soll,
oder wo eine mehr „Körper“ als Thonerdehydrat besitzende Füllung erwünscht
ist, wird China clay angewendet, meist neben Thonerdehydrat. Mit China clay gefüllte
Grüne besitzen eine grosse Weichheit und die Aufstriche auf Buntpapier sind in hohem
Grade satinir- und lissirbar. Wichtig ist die Auswahl des zu verwendenden China
clay, da die verschiedenen Handelssorten in ihrer Verwendbarkeit als Füllmittel ganz
erheblich von einander abweichen. Die Zusammensetzung des normalen China clay
entspricht der Formel Al2O3, 2SiO2, 2H2O, es gibt aber China clays, die so basisch sind, dass ihre
Zusammensetzung sehr nahe der Formel (Al2O3)2(SiO2)3, 3H2O. Je näher ein China clay der letzteren Formel
kommt, um so besser eignet sich derselbe für den Farbenfabrikanten. Während die
China clays, die der ersten Formel entsprechen, sich durch grosse Deckkraft und dem
entsprechendes Aufhellungsvermögen auszeichnen, sind die der zweiten Formel
entsprechenden oder nahe kommenden Caoline viel durchsichtiger, d.h. weniger
deckend, hellen daher die Nuance bei weitem weniger auf und sind deshalb
vorzuziehen.
Nachdem vorstehend die Gründe angegeben wurden, die für die Wahl des einen oder
anderen Füllmaterials maassgebend sind, erübrigt nur noch eine Besprechung des
Verfahrens der Zumischung derselben zu dem Grün. Sehr weitverbreitet ist der
Gebrauch, die Füllung in Wasser zu verrühren, aufzuschlämmen, die aufgeschlämmte
Masse in das Bleisalz einzurühren und sodann die Fällung vorzunehmen. Die Idee
scheint die zu sein, dass hierbei der Farbstoff auf das Füllmaterial gefüllt wird,
das dabei so eingehüllt wird, dass das Weiss desselben nur ein Minimum von
Aufhellung ausübt und ferner, dass hierbei das Füllmaterial in so enger Vereinigung
mit dem Farbstoff erhalten wird, dass die spätere mechanische Verarbeitung des
Niederschlags hierdurch wesentlich erleichtert und abgekürzt wird. Beide Annahmen
sind durchaus irrig und ist in der That dieses Verfahren der Füllung das
schlechteste und unvortheilhafteste, das man anwenden kann. Von vornherein führt
dasselbe bei der Anwendung von Gyps zu der unangenehmen Complication, dass derselbe
beim Zusammentreffen mit der Lösung des Bleisalzes dieses sofort in Bleisulfat
umwandelt, ein in jeder Beziehung unerwünschtes Resultat. Die Schnelligkeit, mit der
diese Umsetzung vor sich geht, ist in der That erstaunlich in Anbetracht der
geringen Löslichkeit des Gypses. Der grösste Nachtheil ist aber der, dass das bei
Abwesenheit von Schwerspath oder Gyps stets flockiger ausfallende Chromgrün bei
Anwesenheit von Schwerspath von diesem sofort niedergerissen wird. Flockenbildung
ist ganz unmöglich und das Grün wird als ein speckiger schlecht filtrirbarer
Niederschlag erhalten, der für die Verwendung als Teigfarbe einen sehr unergiebigen
„kurzen“ Teig bildet, und wenn getrocknet, ein schweres, lebloses
und staubiges Pulver liefert. Wird dagegen die Füllung gleichzeitig mit der Fällung
und mit dieser fortschreitend zugesetzt, oder wird sie nach der Fällung zugesetzt,
so ist das Ausfallen des Grüns in Flocken ermöglicht, und in Folge dessen wird ein
bedeutend schöneres Grün erhalten, das als Teigfarbe, wie als Pulver die vom Käufer
verlaugten günstigen Eigenschaften besitzt. Unbedingt nöthig ist aber, dass die
Füllmasse in einem nicht zu geringen Quantum Wasser gehörig vertheilt wurde, und
empfiehlt es sich, gleichgültig ob während oder nach der Fällung gefüllt wird, die
Füllmasse durch ein massig feines Sieb (Nr. 40) in den Fällungsbottich zu
passiren.
Etwas anders liegt der Fall, wenn Thonerdehydrat die Füllmasse bildet. Es möchte
scheinen, als ob in diesem Falle ein Niederreissen des Chromgrünes durch das so
ausserordentlich leichte und schwammige Füllmaterial nicht zu befürchten wäre, so
dass der bei der Anwendung von Schwerspath und Gyps angegebene Grund gegen das
Einrühren der Füllung in die Lösung des Bleisalzes vor der Fällung, bei Anwendung
von Thonerdehydrat unberücksichtigt bleiben könnte. In einem gewissen Grade ist dies
in der That der Fall, doch hat sich auch hier gezeigt, dass es unvortheilhaft ist,
die Gesammtmenge Thonerdehydrat vor der Fällung zum Bleisalz zu bringen.
Andererseits besteht aber die Schwierigkeit, dass bei der sehr grossen
Verschiedenheit der specifischen Gewichte und Volumen des Thonerdehydrat- und des
Chromgrünniederschlages dieselben sich nach erfolgter Fällung sehr schwierig und
unvollkommen vereinigen. In Folge dessen ist für Thonerdehydrat folgendes
Zumischungsverfahren in Anwendung: Ungefähr 85 Proc. der auf Thonerdehydrat (für
einen bestimmten Satz) zu verarbeitenden schwefelsauren Thonerde werden in einem
über dem Grün-Fällungsbottich stehenden Bottich durch Fällen mit Soda in
Thonerdehydrat verwandelt, der Niederschlag wird gut ausgewaschen. In einem kleinen
Bottich werden die restlichen 15 Proc. Thonerdesulfat und in einem zweiten kleinen
Bottich die äquivalente Menge Soda gelöst. Sobald nun das Grün gefällt ist, lässt
man aus dem einen kleinen Bottich die 15 Proc. schwefelsaure Thonerde in das Grün
abfliessen und gibt sodann unter gutem Rühren langsam die Soda zu. Hierdurch wird
natürlich eine äusserst innige Vereinigung zwischen einer geringen Menge
Thonerdehydrat und dem vorher gefällten Grüne bewirkt und da diese Thonerdefällung
von starker Kohlensäureentwickelung begleitet ist, so wird der resultirende
combinirte Niederschlag in sehr voluminöser Form erhalten. Das Grün wird nun
vollständig ausgewaschen und sodann das aus den 85 Proc. Thonerdesulfat erhaltene
Thonerdehydrat mit demselben gemischt. In Folge der geringen Menge in das Grün
gefällten Thonerdehydrates findet nunmehr die Vereinigung mit dem Thonerdehydrat mit
grösster Leichtigkeit statt.
Soll dem Grün neben Thonerdehydrat noch eine Füllung von Schwerspath, Gyps oder China
clay gegeben werden, so wird diese dem Grün während oder unmittelbar nach der
Fällung einverleibt, also vor der darauf folgenden Thonerdefüllung; im Uebrigen wird
wie oben verfahren.
(Fortsetzung folgt.)