Titel: | Neuere Dampfkessel. |
Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 221 |
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Neuere Dampfkessel.
(Schluss des Berichtes S. 202 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Neuere Dampfkessel.
Dampfkessel-Nietungen. Die hierunter folgenden Formeln
und Tabellen geben Werthe, welche bewährten praktischen Ausführungen entsprechen.
Sie haben nicht den Zweck, bindende Vorschriften zu sein, sondern sie sollen nur
einen gewissen Anhalt für die Bemessung der Nietungen bieten.
Ist s = Blechstärke in cm,
d = Durchmesser der Nietlöcher in cm,
e = Niettheilung in cm; bei ungleichen Niettheilungen die
grössere Theilung in der äusseren Nietreihe,
f = Querschnitt der Nietlöcher in cm,
b = Abstand der äusseren Nietreihe vom Blechrande, bezieh. vom
Laschenrande in cm,
a = Abstand zweier benachbarter Nietreihen von einander in cm bei
Kettennietung (Parallelnietung),
g = Diagonaler Abstand benachbarter Nieten je zweier
zickzackgenieteter Nietreihen von einander in cm bei ungleichen Niettheilungen
und versetzten Nietreihen,
g1 = Diagonaler Abstand eines
Niets der äusseren Nietreihe vom nächsten Niet der benachbarten Reihe in cm bei
ungleichen Niettheilungen und versetzten Nietreihen,
n = Anzahl der auf einem Blechstreifen von der Breite e
entfallenden Nieten (in folgender Fig. ist z.B. n = 5; der Deutlichkeit halber
ist der massgebende Blechstreifen schraffut).
x = 1 bei Ueberlappungs- und einseitiger Laschennietung,
x = 1,75 bei Doppellaschennietung,
y = 1 bei Ueberlappungs- und
einseitiger Laschennietung und bei Schweisseisen-Nieten in
Schweisseisen-Blech,
y = 0,85 bei Ueberlappungs- und einseitiger Laschennietung und
bei Flusseisen-Nieten in Flusseisen-Blech,
y = 0,75 bei Ueberlappungs- und einseitiger Laschennietung und
bei Schweisseisen-Nieten in Flusseisen-Blech,
y = 1,75 bei Doppellaschennietung und bei Schweisseisen-Nieten in
Schweisseisen-Blech,
y = 1,5 bei Doppellaschen-Nietung und bei Flusseisen-Nieten in
Flusseisen-Blech,
y = 1,3 bei Doppellaschen-Nietung und bei Schweisseisen-Nieten in
Flusseisen-Blech,
z = Festigkeit der Nietnaht im Vergleiche mit der Festigkeit des
vollen Bleches: kleinster der der Werthe v oder w,
v = Verhältniss der Blechfestigkeit der Nietnaht zur Festigkeit
des vollen Bleches; bei ungleichen Niettheilungen gilt v1 für die äussere, v2 für die benachbarte Nietreihe, bei versetzten (zickzackgenieteten)
Nietreihen gilt vd für die diagonalen
Blechquerschnitte zwischen je zwei benachbarten Nietreihen bei Laschennietungen,
ausserdem v1 für die
Laschenquerschnitte;der kleinste dieser Werthe ist als v
einzusetzen,
w = Verhältniss der Nietfestigkeit der Nietnaht zur Festigkeit
des vollen Bleches,
c = Blechdicke der einstigen Laschen in cm,
c1 = Blechdicke der Doppellaschen
in cm;
dann ist der Nietlochdurchmesser
d = s + 11 – 2n bei Ueberlappungs- und einseitiger Laschennietung
und bei Flusseisen-Blechen,
d = s + 12 – 2n bei Ueberlappungs- und einseitiger Laschennietung
und bei Flusseisen-Blechen,
d = s + 9 – 2n bei Doppellaschennietung und bei
Schweisseisen-Blechen,
d = s + 10 – 2n bei Doppellaschennietung und bei
Flusseisen-Blechen,
die Niettheilung
e=\frac{f\,.\,n}{s}+d bei Ueberlappungs- und einseitiger
Laschennietung und bei Schweisseisen-Nieten in Schweisseisen-Blech,
e=\frac{0,85\,.\,f\,.\,n}{s}+d bei Ueberlappungs- und
einseitiger Laschennietung und Flusseisen-Nieten in Flusseisen-Blech,
e=\frac{0,75\,.\,f\,.\,n}{s}+d bei Ueberlappungs- und
einseitiger Laschennietung und Schweisseisen-Nieten in Flusseisen-Blech,
e=\frac{1,75\,.\,f\,.\,n}{s}+d bei Doppellaschen-Nietung und
Schweisseisen-Nieten in Schweisseisen-Blech,
e=\frac{1,5\,.\,f\,.\,n}{s}+d bei Doppellaschen-Nietung und
Flusseisen-Nieten in Flusseisen-Blech,
e=\frac{1,3\,.\,f\,.\,n}{e}+d bei Doppellaschen-Nietung und
Schweisseisen-Nieten in Flusseisen-Blech,
der Reihenabstand parallel genieteter
Nietreihen (Kettennietung)
a=b+\frac{d}{2}
der diagonale Nietabstand versetzt genieteter Nietreihen
(Zickzacknietung)
g=\frac{e+d}{2}\mbox{ und }g_1=\frac{e}{4}+d
der Abstand der äusseren Nietreihe vom Blechrande bezieh.
Laschenrande
b=\frac{0,63\,\times\,f}{s}+\frac{d}{2} Schweisseisen-Nieten
in Schweisseisen-Blech,
b=\frac{0,5\,\times\,f}{s}+\frac{d}{2} für Flusseisen-Nieten
in Flusseisen-Blech,
b=\frac{0,47\,\times\,f}{s}+\frac{d}{2} für
Schweisseisen-Nieten in Flusseisen-Blech,
die Blechdicke der Laschen, wenn die Niettheilungen in
den einzelnen Nietreihen gleich sind.
c=\frac{9\,s}{8}\mbox{ und }c_1=\frac{5\,s}{8}
wenn die Niettheilung der äusseren Nietreihe doppelt so gross
als die der inneren Nietreihen ist,
c=\frac{9\,(e-d)}{8\,(-2\,d)}\,s\mbox{ und
}c_1=\frac{5\,(e-d)}{8\,(e-2\,d)}\,.\,s
die Festigkeit der Nietnaht im Vergleiche mit der Festigkeit
des vollen Bleches
z = dem kleinsten der folgenden Werthev1 ist stets dann kleiner als v2, wennbeiUeberlappung und einseitiger Laschennietung und beiSchweisseisen-Nieten in Schweisseisen-Blech d > 1,28 s;beiUeberlappung und einseitiger Laschennietung und beiFlusseisen-Nieten in Flusseisen-Blech d > 1,5 s;beiUeberlappung und einseitiger Laschennietung und beiSchweisseisen-Nieten in Flusseisen-Blech d > 1,7 s;beiDoppellaschen-Nietung und bei Schweisseisen-Nieten inSchweisseisen-Blech d > 0,75 s;beiDoppellaschen-Nietung und bei Flusseisen-Nieten in Fluss-eisen-Blech d > 0,85 a;beiDoppellaschen-Nietung und bei Schweisseisen-Nieten inFlusseisen-Blech d > sist..
wenn die Niettheilungen in den einzelnen Nietreihen gleich
sind,
v=\frac{e-d}{2}
v_d=\frac{2\,(g-d_1)}{e}
v_1=\frac{v\,.\,c}{s}\mbox{ bezieh.
}\frac{v_d\,.\,c}{e} bei einseitigen Laschen
v_1=\frac{2\,v\,.\,c_1}{s}\mbox{ bezieh.
}\frac{2\,v_d\,.\,c_1}{s} bei Doppellaschen
W=\frac{y\,.\,f\,.\,n}{e\,.\,s}
wenn die Niettheilung der äusseren Nietreihe doppelt so gross
als die der inneren Nietreihen ist,
v_1=\frac{e-d}{e};\ v_2=\frac{e-2\,d}{e}+\frac{y\,.\,f}{e\,.\,s}
v_d=\frac{2\,g_1-3\,d}{e}+0,5
v_1=\frac{(e-2\,d)\,c}{e\,.\,s}\mbox{\ bezieh.
}\frac{2\,c\,(g-d)}{e} bei einseitigen Laschen
v_1=\frac{2\,c_1\,(e-2\,d)}{e\,.\,s}\mbox{ bezieh.
}\frac{4\,c_1\,(g-d)}{e} bei Doppellaschen
W=\frac{y\,.\,f\,.\,n}{e\,.\,s}
Bemerkenswerthe Regeln für den Kesselbau sind auch von dem Magdeburger Vereine
aufgestellt und in Nr. 6 der Zeitschrift des Verbandes mitgetheilt. Die Regeln
erstrecken sich über das Material, die Kesselconstructionen und über die Arbeit in
der Kesselschmiede. Wir verweisen Interessenten auf die Quelle, da eine Mittheilung
an dieser Stelle zu weit führen würde.
Wir haben wiederholt auf die Vorzüge der gewellten Rohre nach Fox und Purve aufmerksam gemacht.
Das System Purve ist neuerdings von M. B. Morison zur Herrichtung eines Feuerrohres
verwendet worden, welches von der Leeds Forge Company
in Ausführung genommen worden ist. Die Rippen dieser Rohre sind in 230 mm Abstand
eingewalzt, die zwischenliegende Curve soll die Form des freiliegenden Seiles haben.
Ein Feuerrohr von 940 mm äusserem Durchmesser und 11 mm Wandstärke widerstand einer
hydraulischen Pressung von 80 at, ohne sich zu verbiegen.
Auf Grund derartiger Versuche haben Board of Trade und
der englische Lloyd die folgenden Formeln aufgestellt,
welche sie der Berechnung gewöhnlich zu Grunde legen.
Board of Trade hat die Formel für
Fox-
Morison-Rohre
\frac{14000\,t}{D}=p
\frac{12500\,t}{D}=p
t
=
Wanddicke in engl, '',
D
=
mittlerer Rohrdurchmesser,
p
=
Druck in Pfund auf □'',
Lloyd hat desgl. für
Fox-
Morison-Rohre
\frac{1234\,(T-2)}{D}=p
\frac{1000\,(T=2)}{D}=p
T
=
Blechstärke in 1/16''
D
=
grosser Rohrdurchmesser.
Die Flammrohre sind von bestem Martinstahl, welches Material von der Leeds Co. zu den wichtigsten Arbeitsstücken verwendet
wird, wie z.B. zu den Feuerboxen der Locomotive, zu Waggons, welche auf der
hydraulischen Presse aus einem Stück gepresst werden.
Ueber die in Deutschland übliche grosse Stärke der Kesselbleche insbesondere für
Locomotiven äussert sich P. Kreuzpointer in Nr. 4 von
Stahl und Eisen dahin, dass alle Abmessungen etwa
das Doppelte der in Amerika gebräuchlichen Wandstärken zeigen. Er ist der Meinung,
dass in diesem Umstände der rasche Verschleiss der stärker gehaltenen Platten seinen
Grund habe, da die grössere
Wandstärke viel mehr Veranlassungen zu Spannungen innerhalb der Platte biete,
als dies bei dünnen Platten der Fall sei. Die Wahl dünnerer Platten sei um so eher
durchzuführen, als in dem Flusseisen sich ein Material von grosser
Widerstandsfähigkeit biete.
Nachdem für genügende Sicherheit gegen Explosion gesorgt ist, hat man nach Kreuzpointer, dessen Ansicht wir im Nachstehenden
wiedergeben, mit den dünnen Wänden auch noch den Vortheil bedeutender
Materialersparniss, an Metall wie Kohlen, ersteres in Folge der geringen Wandstärke
und letzteres wegen des schnelleren Wärmedurchganges durch dünne Wände.
Die Ansicht, dass möglichst dünne Wände den Forderungen besser entsprechen, wird
dadurch noch bestätigt, dass man Beschädigungen des Kessels oder ein Brechen der
Stehbolzen immer da wahrnimmt, wo sich der grösste Widerstand gegen freie Bewegung
der Wände, welche durch Temperaturwechsel veranlasst wird, findet. Die Wirkung
häufiger Temperaturwechsel auf das Flusseisen ist eine vom Schweisseisen
verschiedene, und man begeht daher einen Irrthum, das Flusseisen dem für
Schweisseisen geltenden Verhalten anpassen zu wollen. Das Flusseisen ist als
gegossenes Metall dichter und sein Gefüge von dem des Schweisseisens verschieden.
Man lasse sich in dieser Beziehung durch den oft sehnig scheinenden Bruch des
Flusseisens nicht irre machen.
Das Flusseisen bricht leichter unter dem vielfachen Hin- und Herbiegen in der
Feuerbüchse, und deshalb müssen die Wände möglichst dünn bemessen sein. Dass das
Metall stark genug ist, um einen Dampfdruck von 9 bis 10,5 at auszuhalten, beweisen
die 6 und 8 mm dicken Feuerbüchswände der rund 3000 Locomotiven der Pennsylvanischen
Eisenbahn. Bei jedem Versuch, dickeres Material zu verwenden, erneuerten sich die
Uebel, welche durch Hinderung freier Bewegung der Kesseltheile entstehen, und man
kehrte zur Verwendung dünner Platten zurück.
Selbst dem Unterschied in den Dicken der äusseren und inneren Wand der Feuerbüchse
(10 und 6 mm) schrieb, man einen ungünstigen Einfluss auf die ungehinderte
Ausdehnung und Zusammenziehung zu, und man versuchte deshalb durch Ausgleichung der
Dicke der Feuerbüchs wände die Uebelstände, welche in häufigem Brechen der
Stehbolzen in den unbeweglichen Ecken bestehen, zu vermeiden, indem man die inneren
Feuerbüchswände von 6 auf 8 mm verstärkte und die Stärke der äusseren Wände von 10
auf 8 mm verringerte. Ebenfalls verlängerte man die Stehbolzen und vergrösserte
deren Entfernung von einander. Die Zeit seit Einführung dieser neuen Bauart ist zu
kurz, um über ihren Werth urtheilen zu können.
Ein weiterer Beweis für die Vortheilhaftigkeit leichter Bauart der Kessel ist die
Thatsache, dass Feuerbüchsen, deren Wände so glatt und stramm wie ein Trommelfell
gezogen sind, leichter zum Reissen geneigt sind, als solche, deren Wände
Unebenheiten, Beulen u.s.w. zeigen.
Stellt man nach dem Gesagten alle mit dünnen und dicken Kesselwänden gemachten
Erfahrungen zusammen, dann kann man die Thatsache nicht leugnen, dass der
Maschinentechniker durch zu dicke Kessel- bezieh. Feuerbüchswände vielfach die
Kessel ruinirt.
Eingehenderes Studium der Natur des Flusseisens und etwas weniger Glaube an
mathematische Formeln wäre ohne Zweifel häufig ein Talisman gegen das Reissen
übermässig dicker Kesselwände.
Wenn wir auch der Meinung Kreuzpointer's eine gewisse
Berechtigung nicht absprechen, so wird es doch empfehlenswerth sein, vor der
Durchführung der geäusserten Ansichten eine Reihe von Proben auf deren
Stichhaltigkeit anzustellen. Dass die Mehrzahl der deutschen Techniker abweichender
Ansicht ist, beweisen die mitgetheilten Hamburger Normen.
Gegen die zu grosse Wandstärke wendet sich eine Mittheilung, in den Annales des Ponts et Chaussées, die wir der Revue industrielle vom 8. August 1891 entnehmen. Nach
derselben ist die schwache Stelle eines Kessels die Verbindung zwischen der
cylindrischen Wand und der Kopfplatte, und ist auf die Unveränderlichkeit des
Neigungswinkels daselbst Werth zu legen. Ist p die
innere, p1 die äussere
Pressung, ρ der Radius des Cylinders, ρ1 der der Kopfplatte,
e und e1 die entsprechenden Wandstärken, sowie R und R1 die Spannungen in den entsprechenden Kesselblechen
so gilt
für den Cylinder Re = ρ (p – p1),
für die Kopfplatte
R_1\,e_1=\frac{\rho_1}{2}\,(p-p_1).
Die Radien ρ und ρ1 gehen unter dem Einfluss des Druckes über in
\rho\,.\,\left(1+\frac{R}{E}\right)\mbox{ und
}\rho_1\,\left(1+\frac{R_1}{E}\right)
unter E dem Elasticitätscoefficienten verstanden.
Da \frac{\rho}{\rho_1}=cos\,\alpha, so ist nach der
Veränderung
cos\,\alpha_1=\frac{\left(\rho\ 1+\frac{R}{E}\right)}{\rho_1\,\left(\rho\
1+\frac{R_1}{E}\right)}.
Derselbe behält seinen Werth, wenn man R = R1 setzt; dann ist
e_1=\frac{e}{2}\,\times\,\frac{\rho_1}{\rho}=\frac{1}{2}\,\frac{e}{cos\,\alpha}
die Bedingung für die Unveränderlichkeit des Winkels.
Der Werth von α schwankt unter gewöhnlichen
Verhältnissen zwischen 0 und 60°. Durch Einsetzen einiger Werthe ergibt sich:
α =
0°,
e1 =
0,50 e
α =
30°,
e1 =
0,577 e
α =
45°,
e1 =
0,707 e
α =
60°,
e1 =
e;
demnach wären die Bodenstärken geringer zu nehmen, als die
Stärken der cylindrischen Theile.
Eine Frage von hervorragender Wichtigkeit, die Wahl des Stahl- bezieh.
Schweisseisenmateriales, hat in den Hamburger Normen nur eine beiläufige
Berücksichtigung gefunden. Der Grund zu dieser Zurückhaltung wird demjenigen nicht
zweifelhaft sein, welcher die mitunter recht unerquicklichen Auseinandersetzungen
zwischen den Eisen- und Stahlinteressenten kennen gelernt hat. Hier wird erst die
langsam, aber sicher voranschreitende Praxis sowohl in der Herstellung des
Materiales als dessen Verarbeitung eine Klärung herbeiführen. Unzweifelhaft hat aber
die Verwendung von Stahlblechen von Jahr zu Jahr eine grössere Verbreitung
gefunden.
Wie sehr die Verbreitung der Dampfkessel und Dampfmaschinen wächst, dafür liefern die
diesbezüglichen
Mittheilungen des königlichen statistischen Bureaus für Preussen aus dem Jahre
1890 einen Beleg, über deren Zusammenstellung wir aus dem Wollengewerbe Nr. 8 vom 25. Januar 1891 einige Mittheilungen
entnehmen:
Wenn man die Zahl der Dampfkessel und Dampfmaschinen Preussens, mit Ausnahme der in
der Benutzung der Militärverwaltung und der kaiserlichen Kriegsmarine befindlichen
sowie der Locomotiven, zu Anfang 1890 mit den entsprechenden Ergebnissen des
Vorjahres vergleicht, so ergibt sich, dass in Preussen vorhanden waren
zu Anfang1889
der Jahre1890
feststehende
Dampfkessel
47151
48538
„
Dampfmaschinen
45192
46554
bewegliche Dampfkessel u. Locomobilen
12177
12821
Schiffsdampfkessel
1836
2046
Schiffsdampfmaschinen
1674
2007
Während also die Zahl der feststehenden Dampfkessel um 2,9 und diejenige der
feststehenden Dampfmaschinen um 3,0 Proc. zunahm, vermehrten sich die beweglichen
Dampfkessel und Locomobilen um 5,3, die Schiffskessel aber um 11,4 und die
Schiffsdampfmaschinen sogar um 19,0 Proc; allerdings ist die letztere Steigerung mit
auf Rechnung einer Aenderung in der Anschreibung zu setzen.
Auf die einzelnen preussischen Provinzen vertheilen sich jene fünf Arten von
Dampfentwicklern und Dampfmaschinen zur angegebenen Zeit in folgender Weise.
Es wurden 1890 gezählt
feststehende
bewegliche
Schiffs-
Dampf-kessel
Dampf-maschinen
Dampf-kessel
Dampf-kessel
Dampf-maschinen
Rheinland
11571
11810
1398
399
334
Schlesien
7328
6558
1701
57
67
Westfalen
7147
6914
1129
11
11
Sachsen
4851
5587
1881
112
84
Brandenburg
3994
3338
1190
95
10
Hannover
3151
2855
832
124
131
Hessen-Nassau
1804
1525
677
31
30
Schleswig-Holstein
1699
1575
531
403
400
Berlin, Stadtkreis
1627
1363
285
78
79
Pommern
1464
1574
819
390
385
Posen
1432
1218
902
23
23
Westpreussen
1240
1232
886
172
214
Ostpreussen
1197
985
569
151
144
Hohenzollern
33
20
22
–
–
Bezüglich der feststehenden Dampfkessel und Dampfmaschinen geht also die Rheinprovinz
auf Grund ihrer hochentwickelten Industrie allen übrigen Provinzen weit voran, an
zweiter Stelle folgt bei den feststehenden Dampfkesseln die Provinz Schlesien, an
dritter die Provinz Westfalen, während bei den feststehenden Dampfmaschinen die
Provinz Westfalen die zweite und Schlesien die dritte Stelle einnimmt. Die Zahl der
beweglichen Dampfkessel und Locomobilen ist in den Provinzen Sachsen und Schlesien
bei weitem am grössten. Mit Schiffsdampfkesseln und -Maschinen ist die Provinz
Schleswig-Holstein am reichlichsten ausgestattet; betreffs der Schiffsdampfkessel
folgt die Rheinprovinz an zweiter und Pommern an dritter, bei den
Schiffsdampfmaschinen dagegen Pommern an zweiter und Rheinland an dritter
Stelle.
Die Verwendung der treibenden Kraft des Dampfes ist in den einzelnen Landestheilen
des preussischen Staates überhaupt sehr verschieden. Während der Umfang der
gewerblichen Thätigkeit hierfür in erster Linie massgebend ist, und das starke
Anwachsen derselben die Benutzung der Dampf kraft erheblich gesteigert hat, trug
neuerdings auch die Landwirthschaft hierzu insofern bei, als letztere sich mehr und
mehr bestrebt, die theure Menschen- und Thierkraft durch die billigere
Maschinenkraft zu ersetzen, und zu einer immer ausgedehnteren Aufstellung von
Locomobilen behufs Betriebes von Dresch- und anderen Maschinen schreitet. Hierauf
beruht einerseits die starke Zunahme der feststehenden Dampfkessel und
Dampfmaschinen in den industriereichen Landestheilen, andererseits diejenige der
beweglichen Dampfkessel und Locomobilen in den hauptsächlich dem Landbau obliegenden
Bezirken. Indess ist auch der Umstand nicht ausser Acht zu lassen, dass neuerdings
gewisse sinnreich construirte bewegliche Dampfmotoren mit geringen Abmessungen und
verhältnissmässig grosser Leistungsfähigkeit in den kleinen Werkstätten und
Betrieben immer grösseren Eingang gefunden und die starke Vermehrung der beweglichen
Dampfkessel überhaupt mit veranlasst haben.
Ueber die Vertheilung dieser Kessel auf die verschiedenen Gewerbegruppen wurden im
Jahre 1890 nur bei drei Gewerbegruppen Ermittelungen angestellt, nämlich bei der
Industrie der Steine und Erden, wo 28 Schiffsdampfkessel und 32 Schiffsmaschinen,
bei dem Baugewerbe, wo deren 185 und 184, und beim Verkehrsgewerbe, wo ihrer 1833
und 1791 gezählt wurden. Im Uebrigen ergibt sich, dass in Preussen der Schwerpunkt
der gewerblichen Thätigkeit nach wie vor im Berg- und Hüttenwesen, in der Nahrungs-
und Genussmittelindustrie und in der Textilindustrie beruht. Von sämmtlichen
feststehenden Dampfmaschinen und Dampfkesseln, welche überhaupt ihre Verwendung
vornehmlich in der Industrie finden, entfielen sowohl 1879 wie 1890 fast zwei
Drittel auf die genannten drei Gewerbszweige. Es benutzten nämlich
Proc. der feststehenden
Dampfkessel
Dampfmaschinen
1879
1890
1879
1890
Bergbau und Hüttenwesen
29,19
24,48
27,93
24,92
die Nahrungs- und Genuss- mittelindustrie
25,56
26,77
25,41
27,11
die Textilindustrie
10,61
9,98
11,56
9,57
Von den beweglichen Dampfkesseln (Locomobilen) macht den verhältnissmässig grössten
Gebrauch die Land- und Forstwirthschaft; denn wurden schon im Jahrr 1879 von
letzterer nahezu die Hälfte aller damals in Preussen vorhandenen beweglichen
Dampfkessel verwendet, so stieg ihre Zahl 1890 auf über 55 Proc., indem die von der
Land- und Forstwirthschaft benutzten Kessel sich fast verdreifachten.