Titel: | Ueber die Ursachen des Schlaffwerdens und der Blasenbildung der Elastiques an Schuhobertheilen. |
Autor: | Ad. Jolles , F. Wallenstein |
Fundstelle: | Band 282, Jahrgang 1890, S. 230 |
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Ueber die Ursachen des Schlaffwerdens und der Blasenbildung der Elastiques an
Schuhobertheilen.
Von Dr. Ad. Jolles und
F. Wallenstein in Wien.
Mit Abbildungen.
Ueber die Ursachen des Schlaffwerdens und der Blasenbildung der
Elastiques an Schuhobertheilen.
Unserem Institute ist der Auftrag zu Theil geworden, Untersuchungen über die Ursachen
der Erscheinung anzustellen, dass Gummizüge von Schuhobertheilen noch vor dem
Gebrauche an einzelnen Stellen schlotterig und schlaff werden.
Zur Durchführung derselben wurden uns sämmtliche bei der Fabrikation verwendeten
Rohmaterialien zur Verfügung gestellt.
Die uns gestellte Aufgabe lässt sich in folgende Fragen zusammenfassen:
1) Wodurch werden die Gummizugeinsätze der Schuhe an der Steppnaht schlotterig und
schlaff?
2) an mittleren Stellen blasig und schlaff – und oft in auffallender Weise, noch
bevor dieselben in Gebrauch genommen wurden?
In erster Linie wurde der Aufbau des Rohmaterials untersucht. Dasselbe wurde mit
einem scharfen Messer in einzelne Theile zertrennt und die Grundstoffe unter dem
Mikroskop geprüft. Hierauf wurden dieselben hinsichtlich ihrer physikalischen
Eigenschaften, als Festigkeit, Farbe, Elasticität u.s.w., sowie in Betreff ihres
Zusammenhanges mit den anderen Bauelementen des ganzen Zuges untersucht.
Hierauf wurde eine fractionirte Destillation der Kautschuklösungsmittel vorgenommen.
Da uns bekannt war, dass die Lösungsmittel der als Klebmaterial dienenden
Kautschukmasse durch Erhitzen entfernt werden, so mussten wir die Grenzen der
Temperatur kennen lernen, zwischen denen sich die einzelnen Lösungsmittel
verflüchtigen.
Es war uns dies von Wichtigkeit, weil es möglich ist, dass die angewandten
Lösungsmittel nicht genügend entfernt wurden und daher sich einzelne Theile wieder
loslösten, oder dass zu hohe Temperaturen nöthig wären, um die Lösungsmittel zu
vertreiben, so dass die Kautschukkörper sich dabei in Kohlenwasserstoffe zersetzen,
welche an und für sich lösend auf den Kautschuk wirken.
Um die Menge der Lösungsmittel kennen zu lernen, wurde von. 5° zu 5° destillirt und
das Destillat in Maassgefässen aufgefangen. Es braucht wohl nicht besonders bemerkt
zu werden, dass es hier nicht darauf ankam, die einzelnen Kohlenwasserstoffe
chemisch zu isoliren, sondern nur mit genügender Schärfe die Temperaturen des
Uebergehens festzustellen.
Zur Erhöhung der Genauigkeit wurden bei der Destillation die Glinsky'schen Röhrenaufsätze zur Anwendung gebracht, die das
Zurückfliessen bezieh. die Trennung der gleichzeitig mit übergehenden höheren
Siedeantheile von den ruhiger siedenden ermöglichen sollten.
Von hervorragender Bedeutung war ferner die Untersuchung des Klebers, da derselbe als
Bindemittel zwischen den Gummizügen und den Schuhobertheilen diente.
Man musste dabei die sauren Eigenschaften des Klebers berücksichtigen, sowie den
Umstand, dass derselbe einen vorzüglichen Nährboden für Schimmelpilze, sowie für
andere,
auf die Haltbarkeit des Gummizuges zerstörend wirkende Mikroorganismen geeignet
ist. Auf beides wurde daher der Kleber geprüft (Säure und Pilze).
Sodann wurde die Zusammensetzung der Kautschuklösung ermittelt. Dieselbe war von
Wichtigkeit, da die Kautschuklösung nicht nur als Bindemittel zwischen Unter- und
Oberstoff zur Anwendung gelangt, sondern auch durch dieselbe das Anhaften der die
Elasticität bewirkenden Gummifäden vermittelt wird. Die Untersuchung erstreckte sich
auf den Gehalt an Wasser, Fett, Säure, Alkali und mineralische Bestandtheile.
Zum Schluss war noch der weisse Unterstoff, sowie der schwarze Oberstoff einer
Prüfung zu unterziehen.
Die Anwendung der angeführten Reagentien und die Ausführung obiger Versuche führte zu
folgenden Resultaten.
Nach der mikroskopischen Prüfung bestehen die Elastiques aus:
1) weissem Unterstoff;
2) schwarzem Oberstoff;
3) zwischenliegenden Kautschuk faden und vulkanisirtem
Kautschuk;
4) weissen, neben den Gummifäden verlaufenden Baumwollfäden;
5) einer Kautschukklebmasse von unvulkanisirtem
Kautschuk.
Zur besseren Orientirung dienen die beigedruckten Zeichnungen.
Fig. 2 zeigt den
Durchschnitt des Stoffes in der Querrichtung. Hier kleben
Ober- und Unterstoff vollständig an einander.
Wird der Stoff in der andern Richtung durchschnitten, so zeigt der Querschnitt ein
Bild, wie es Fig. 3
darstellt. Der Gummifaden ist hier nicht seiner ganzen Länge
nach am Ober- und Unterstoff befestigt, sondern haftet nur an einzelnen Punkten
dieser beiden. Ober- und Unterstoff sind vollständig von einander
getrennt.
Textabbildung Bd. 282, S. 230Elasticgewebe. Nachdem nun die Gummifäden sich in Spannung befinden, werden sie
versuchen, an den Stellen, an welchen sie mit dem Ober- und Unterstoff befestigt
sind, sich loszureissen. Die Spannung wird in Fig. 4 veranschaulicht.
Der Halt der Gummifäden wird dadurch bedingt, dass der Kautschukklebstoff mit Hilfe
von unzähligen, sehr feinen Fäserchen diesen an die feinsten Baum- und
Schafwollfäserchen des Unter- und Oberstoffes ankittet (vgl. Fig. 5).
Dass die feinen Kautschukfäserchen gegen chemische Einflüsse äusserst empfindlich
sein müssen, ist unmittelbar einleuchtend, und wir suchten daher diejenigen
Wirkungsmittel kennen zu lernen, welche den feinen elastischen Fäserchen ihre
Widerstandskraft gegen das Zerreissen zu entziehen im Stande sind.
Die Untersuchung der übrigen bei der Fabrikation verwendeten Rohmaterialien ergab
folgende Resultate:
Die fractionirte Destillation der Kautschuklösungsmittel
bot wenig Bemerkenswerthes.
Textabbildung Bd. 282, S. 230Fig. 6.Elasticgewebe.Der Kleber war von schwach saurer Reaction und durch
seine Natur geeignet, Fäulnissprocesse einzuleiten.
Die Kautschuklösung war frei von Wasser, Fett, Säure,
alkalischen Substanzen und mineralischen Bestandtheilen.
Der weisse Unterstoff und der schwarze Oberstoff waren
durchaus normal.
Der schwarze Farbstoff ist mit Blauholz und
doppelt-chromsaurem Kali erzeugt. Er ist in den in Betracht zu ziehenden
Lösungsmitteln vollständig unlöslich und verändert sich nicht beim längeren
Lagern.
Textabbildung Bd. 282, S. 230Fig. 7.Elasticgewebe. In den Stoffen waren keine Ingredienzien nachzuweisen, die durch ein
schlechtes Auswaschen derselben nach dem Färben hätten zurückbleiben können.
An den Stellen, wo die Elastiques an die Schuhobertheile angesteppt, angeklebt und
angebügelt sind, zeigte sich eine gelbbraune, bisweilen rothfleckige Färbung. Die
betreffenden Stellen fühlen sich theils fettig an und erscheinen die Gummifäden
zerflossen. An manchen Stellen erscheinen wiederum die Gummifäden glatt
durchschnitten.
Die angestellten Versuche ergaben folgende Resultate:
Auf den guten Zusammenhang der Elastiques sind ohne
Einfluss:
1) kaltes Wasser;
2) Mineralsäuren jeder Art, ausser in stark concentrirtem Zustande;
3) Alkalien jeder Art, ausser in stark concentrirtem Zustande;
4) organische Säuren in verdünntem, wie in concentrirtem Zustande;
5) Salzlösungen jeder Art und jeder Concentration;
6) Fäulniss und Schimmelung, solange nicht der Ober- und Unterstoff vermodert
ist.
Der Kautschukklebstoff wird angegriffen von:
1) heissem Wasser, es macht vorübergehend klebrig;
2) Wasserdämpfen, sie machen vorübergehend klebrig;
3) jeder trockenen Hitze über 100° C, diese macht dauernd klebrig und fadenziehend;
Textabbildung Bd. 282, S. 231Fig. 8.Zerstörung des Elastics. 4) geringen Mengen schwer- und nicht flüchtiger Fettsäuren; sie machen
fettig, zähe und heben die Elasticität völlig auf;
5) geringen Spuren thierischer und pflanzlicher Neutralfette; sie bewirken die
gleiche Veränderung wie unter 4) angegeben;
6) allen Kohlenwasserstoffen und zwar dauernd von allen,
welche sich aus dem Stoffe nicht völlig verflüchtigen.
Textabbildung Bd. 282, S. 231Zerstörtes Elsticgewebe. Die feinen Fasern des Kautschukklebstoffes werden entweder bloss erweicht,
oder klebrig gemacht, oder völlig gelöst.
Die dicken vulkanisirten Gummifäden sind im Allgemeinen viel unempfindlicher. Die
Einwirkung auf dieselben muss länger und intensiver stattfinden. Angegriffen werden
sie nur durch:
1) trockene Hitze über 120° C., dann werden sie dauernd
klebrig und verlieren ganz ihre Elasticität;
2) dünnflüssige fette Stoffe in grossen Quantitäten, dadurch quellen sie auf und
werden schlüpfrig, fettig und verlieren an Widerstandsfähigkeit gegen das
Zerreissen;
3) dünnflüssige Oelsäure; dieselbe wirkt wie 2);
4) dünnflüssige und dickflüssige Kohlenwasserstoffe; diese zeigen den gleichen
Einfluss wie unter 2) und 3) angegeben, können aber auch vollständig erweichend
wirken.
Gutachten.
Die Resultate der Untersuchung führten zur Erkenntniss, dass keines der uns zur
Untersuchung übergebenen Materialien an sich Schuld an dem Schlotterigwerden der
Gummizüge trägt.
Das Schlotterig- und Schlaffwerden der Gummizüge ist vielmehr auf das mehr oder
mindere Zusammenwirken folgender Ursachen zurückzuführen:
1) Die dicken Gummifäden werden an den Punkten, wo sie von den Stichen der
Steppnadel getroffen werden, durch diese zerschnitten oder zum mindesten beschädigt.
Ist der Gummifaden durch eine zufällige Lage der Schuhobertheile einer mehrfachen
Eindringung der Steppnadel ausgesetzt, so tritt der Gummifaden, da er hierdurch eine
vollständige Zertheilung erfahren hatte, aus dem Bereiche des rinnenförmigen
Ausschnittes der Schuhobertheile, an welchem die Einsätze befestigt und durch
welchen die Gummifäden gleichsam festgeklemmt werden, heraus und ist dadurch dem
Einflüsse zerstörender Stoffe unmittelbar preisgegeben.
2) Gelangt nun (sei es unmittelbar aus den dazu gehörigen Schuhobertheilen oder sei
es, dass die Schuhwichse bezieh. Fett enthaltenden Ledertheile zufällig auf den
Elastiques durch die Verpackung oder durch anderweitige Umstände zu liegen kommen)
etwas Fett durch den Gummieinsatz, so hebt dasselbe zunächst das Bindevermögen der
Kautschuklösung auf. Da nun die Gummifäden in den Elastiques sich in gespanntem
Zustande befinden, so zieht sich dann der nunmehr frei gewordene Faden zusammen und
der Gummizug wird schlaff. Diese Vorgänge lassen sich durch folgenden Versuch
beweisen:
Befeuchtet man nämlich eine künstliche Schnittstelle mit Rüböl, Erdöl, Schweissfett,
Oelsäure u.s.w., so beobachtet man schon nach einigen Augenblicken, dass sich die
einzelnen Gummifäden von ihrer Unterlage abheben und sich von der Trennungsstelle an
so weit zusammenziehen, als diese Substanzen noch ihre Wirkung äussern können.
Hierbei erfolgt die Bildung einer breiten schlotterigen Stelle, wie sie in den Fig. 8, 9 und 10 versinnlicht ist.
3) Als fernere Ursache des Schlotterigwerdens ist auch der Wasserdampf zu bezeichnen,
welcher ebenso zerstörend wirkt wie Fett. Wenn der Kleber in grösserer Menge oder zu
wenig trocken angewendet wird, so wird beim Bügeln der Steppnähte eine zu grosse
Menge Wasserdampf erzeugt, welche nun auf die bloss gelegten Stellen zerstörend
einwirkt.
4) Die Versuche haben ergeben, dass eine Hitze von über 120° den Kautschuk klebrig
macht und seine elastischen Eigenschaften benimmt. Wird nun mit einem zu heissen
Eisen gebügelt, oder bleibt das heisse Eisen eine Zeitlang an derselben Stelle
liegen, so werden die Kautschukfäserchen überhitzt und zersetzt, die dicken
Gummifäden werden in einen klebrigen Brei verwandelt und an den betreffenden Stellen
der Ränder des Gummizuges die Elasticität vernichtet. An den uns als Belegstück zur
Untersuchung gegebenen Schuhobertheilen hat sich diese Wirkung vor allen anderen am
hervorstechendsten gezeigt.
Um nun die zweite an uns gestellte Frage, warum die Gummizüge stellenweise blasig und
schlaff werden, zu beantworten, dürfte es zuerst nöthig sein, den Unterschied
zwischen einer Blase und einer schlotterigen Stelle darzulegen.
Wir bezeichnen als schlotterige Stelle jenen Theil des Gummizuges, welche in Folge
einer daselbst stattgefundenen Loslösung der Gummifäden seine Elasticität eingebüsst
hat, während hingegen eine blasige Stelle eine solche ist, welche im Besitze ihrer
elastischen Eigenschaften weiter bleibt, die aber in Folge einer an ihr vor sich
gegangenen Loslösung des Unterstoffes vom Oberstoffe ein blasenartiges,
wellenbergförmiges Aussehen angenommen hat. Die schlotterige
Stelle wird daher in der Regel am Rande entstehen, während eine Blase auch an
allen anderen Stellen auftreten kann. Wir können nun zweierlei Blasen unterscheiden;
die erste Art entsteht, wenn durch Zufall in der Mitte ein Fettfleck sich befindet,
welcher mit dem äusseren Rande in Verbindung ist. Die durchschnittenen Gummifäden
ziehen sich nun bis zum Fettfleck zusammen und bedingen nun durch ihr Dickerwerden
eine Loslösung des Oberstoffes vom Unterstoffe (Fig.
8). Bei der zweiten Art hat sich die zerstörende Wirkung nur auf die
feinen Kautschukfäserchen des Klebmittels beschränkt, welche erreicht wurden. In
diesem Falle war zur Blasenbildung unbedingt noch eine seitliche Reibung nothwendig;
da die Verminderung der Klebfestigkeit allein hier nicht im Stande ist, eine
Trennung des Oberstoffes vom Unterstoffe hervorzurufen, um so mehr, als die
Erweichung durch Wasserdampf u.s.w. nur eine vorübergehende ist. Soweit wir einen
Einblick in die Fabrikationsweise der Gummizüge hatten, könnte die seitliche Reibung
bei dem Durchgehen des Stoffes durch die Walzen stattfinden, indem an irgend einer
Stelle der Stoff vorübergehend anklebt oder aus irgend einer Ursache ein momentanes
Gleiten der Walzen erfolgt. In der Mehrzahl der Fälle dürfte jedoch die
Blasenbildung erst beim Tragen vor sich gehen, wo Schweiss, Lederschmiere,
Schuhwichse u.s.w. ungehindert einwirken können. Es sei noch erwähnt, dass alle
diese Begründungen auch durch Versuche nachgewiesen wurden.
Vorschläge zur Abhilfe der Uebelstände.
Um die Bildung von schlotterigen und blasigen Stellen an den Elastiques zu
verhindern, haben wir folgende Vorschläge gemacht, deren gute Wirkung allerdings
erst die Praxis beweisen muss:
a) Unser erster Vorschlag geht dahin, durch Zwischenlagen von Zinnfolie oder
Pergamentpapier längs der Steppnaht das Eindringen des Fettes aus dem Schuhobertheil
in die Elastiques zu verhindern. Ferner dürfte es sich empfehlen, ungeölten
Steppzwirn zu verwenden, sowie darauf zu achten, dass er, von der Färberei kommend,
keine Maschinenfettflecke enthalte. Fettige Schuhobertheile dürfen ohne dicke
Papierzwischenlagen nicht verpackt werden. Die Elastiques müssen nach dem Ankleben
vollständig getrocknet und mit einem nicht zu heissen Bügeleisen schnell gebügelt
werden. An Stelle des Bügelns ist kaltes Pressen zwischen Löschpapierlagen
vorzuziehen.
b) Um zu verhindern, dass sich fettige Stoffe in die Elastiques weiter einsaugen
können, schlagen wir vor, die Gummizüge mit Appreturen zu imprägniren, welche
Glycerinleim, Chlorkalium u.s.w. enthalten.
c) Zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit ist der Kautschukklebstoff einer
nachträglichen Vulkanisirung zu unterziehen.
d) Schliesslich schlagen wir vor, die Gummifäden nicht durch Kautschukklebstoff,
sondern mittels eines weniger heiklen Klebstoffes, wie Chromleim, Borax-Caseïnleim
u.s.w. zu befestigen. Eine Möglichkeit der Ausführung liegt darin, dass die
Gummifäden nicht ihrer ganzen Länge nach, sondern nur an einzelnen Punkten mit dem
Ober- und Unterstoff (vgl. Fig. 5 und 6) zusammenhängen. Da ist also
kein elastischer, sondern nur ein fester weicher Klebstoff zur Verbindung
nöthig.