Titel: | Ueber den Einfluss des elektrischen Glühlichts auf Holzschliffpapiere, nebst Bemerkungen über die Festigkeitsabnahme solcher Papiere in durch das Licht vergilbtem Zustande. |
Autor: | Julius Wiesner |
Fundstelle: | Band 284, Jahrgang 1892, S. 68 |
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Ueber den Einfluss des elektrischen Glühlichts
auf Holzschliffpapiere, nebst Bemerkungen über die Festigkeitsabnahme solcher Papiere in
durch das Licht vergilbtem Zustande.
Von Prof. Dr. Julius Wiesner.
Ueber den Einfluss des elektrischen Glühlichts auf
Holzschliffpapiere.
In zwei kleinen in diesem Journal1886, Bd. 261 S. 386 ff. und 1887. Bd. 266 S. 181 ff. veröffentlichten
Aufsätzen habe ich vor einigen Jahren meine Versuche über die wahren Ursachen des
raschen Vergilbens der Holzschliffpapiere
mitgetheilt. Ich zeigte, dass gewisse natürliche Bestandtheile der Holzfasern, aus
welch letzteren derartige Papiere zusammengesetzt sind, im Lichte einer Oxydation unterworfen sind, welche zu einer Farbenänderung
des Papiers führt: anfangs weiss oder grau, wird das Holzschliffpapier durch die bei
dieser Oxydation entstehenden Producte gelblich, gelb oder sogar braun.
Die Qualität des wirkenden Lichtes ist bei diesem, wie man sieht, photochemischen Processe nicht gleichgültig. Es wurde
gefunden, dass es fast ausschliesslich die stark brechbaren (blauen bis
ultravioletten) Strahlen des Lichtes sind, welche die genannte Wirkung
hervorbringen, also im Wesentlichen die sogen. chemischen Strahlen, dieselben,
welche auf die gewöhnliche photographische Platte Einfluss nehmen.
Während starkes Sonnenlicht schon nach wenigen Stunden eine nachweisliche Wirkung auf
das Holzschliffpapier hervorbringt, ist helles diffuses Tageslicht hierzu erst nach
mehreren Tagen befähigt.
Was die künstlichen Lichtquellen anbelangt, so übt, wie die damaligen Versuche
lehrten, elektrisches Bogenlicht eine starke Wirkung
aus, während Gaslicht fast ohne Einfluss bleibt, indem
das als Versuchsobject dienliche Holzpapier nach einmonatlicher continuirlicher
Einwirkung des Gaslichtes (freie Flamme) gar keine Veränderung erkennen liess, und
erst nach viermonatlicher Einflussnahme einen Grad der Vergilbung darbot, welcher
etwa einer zweistündigen Wirkung des directen Sonnenlichtes äquivalent zu setzen
ist.
Es konnte durch diese Versuche auch gezeigt werden, dass die das Leuchtgas
constituirenden Gase, sowohl als solche, wie auch in Mengung mit Sauerstoff, selbst
nach monatelanger Einwirkung auf die Holzschliffpapiere wirkungslos sind,
desgleichen die gasförmigen Verbrennungsproducte des Leuchtgases, dass hingegen in
schlecht ventilirten, mittels Gas beleuchteten Räumen freiliegende Papiere (welcher
Art dieselben aber auch immer sein mögen, also Holzschliffpapiere ebenso gut als
schwedisches Filterpapier) sich nach langer Zeit mit einer feinen Russchichte
überziehen und dass in Folge von Gasbeleuchtung hervorgerufene hohe Temperaturen
(über 30° C.) ein schwaches Vergilben der Holzschliffpapiere auch ohne Mitwirkung
des Lichtes verursachen können.
Alle diese Versuche wurden mit Rücksicht auf die zweckmässigste Art künstlicher
Beleuchtung von Bibliotheken ausgeführt, und namentlich die Frage, ob Gasbeleuchtung
in Bibliotheken
oder Büchermagazinen zulässig sei, stand im Vordergrunde.
Wie aus den vorstehend mitgetheilten Versuchsergebnissen zu ersehen, ist in
zweckmässig geheizten und gut ventilirten Bibliotheken und Bücherdepots das Gaslicht
in sofern zulässig, als dasselbe weder auf Holzschliffpapiere noch auf andere
Papiere einen praktisch in Betracht kommenden schädigenden Einfluss ausübt.
Durch andere Arbeiten verhindert, komme ich erst jetzt dazu, meine diesbezüglichen,
leider vielfach unterbrochenen Untersuchungen in zeitgemässer Weise zu ergänzen.
Diese hiermit in aller Kürze mitzutheilenden Experimente beziehen sich auf die
Einwirkung des elektrischen Glühlichtes auf
Holzschliffpapiere und hatten den Zweck, zu erforschen, wie bei gleicher Leuchtkraft
das Gaslicht zum Lichte der elektrischen Glühlampe hinsichtlich der Einwirkung auf
die genannten Papiere sich stellt.
Zu diesem Behufe trachtete ich vor allem ein Probepapier ausfindig zu machen, welches
dem Lichte gegenüber eine möglichst grosse Empfindlichkeit besitzt.
Aus einer grossen Zahl von Druck- und Schreibpapieren, die nach Ausweis der von mir
eingeführten Reaction mittels Phloroglucin und Salzsäure auf die Holzsubstanz als
Holzschliffpapiere sich erwiesen haben, wurde dasjenige ausgewählt, welches im
Lichte am raschesten der Vergilbung verfiel.
Es war dies ein mit einem Stich ins Graue versehenes ordinäres Schreibpapier. Nach
zwanzigstündiger Einwirkung von hellem diffusen Tageslichte war dasselbe schon
merklich gelblich geworden. Es liess sich aber schon nach fünfzehnstündiger
Einwirkung von hellem diffusen Tageslicht und nach einstündiger in directem
Sonnenlichte an einem solchen Papier der Beginn der Vergilbung, allerdings nur
indirect, und zwar auf folgende Weise constatiren:
Wird ein stark vergilbtes Holzschliffpapier mit einem Tropfen Kalilauge benetzt, so
nimmt es eine tief braune Farbe anEs hat den
Anschein, als würde diese Bräunung der vergilbten Holzschliffpapiere durch
Kalilauge auf der Gegenwart jener Substanzen der Holzzellwand beruhen,
welche die Vergilbung hervorbringen. Dies ist aber keineswegs gewiss. Denn
ich habe schon bei einer anderen Gelegenheit die Beobachtung gemacht und
auch mitgetheilt, dass Holz oder Hollundermark, welch letzteres ja auch
verholzt ist, nach Behandlung mit Chlorwasser anfangs gebräunt, später
farblos wird, und in diesem farblosen Zustande, nach vollständigem
Auswaschen mit Wasser, auf Zusatz von Kalilauge eine tief braune Farbe
annimmt. Es liegt nicht in meiner Absicht, näher auf diese Sache einzugehen.
Es ist aber, da das Chlorwasser in analoger Weise wie der durch das Licht
unterstützte Sauerstoff bei der Vergilbung des Papiers oxydirend wirkt,
ersichtlich, dass es auch farblose Oxydationsproducte der Holzfaser sein
könnten, welche die Bräunung der vergilbten Holzpapiere auf Kalizusatz
bedingen.. Frisches unvergilbtes Holzschliffpapier wird durch
Kalilauge nur schwach citrongelb gefärbt. Verdünnt man die Kalilauge so weit, bis
dieselbe ein noch unverändertes Holzschliffpapier nur ganz schwach gelblich färbt,
so kann man durch sorgsamen Vergleich mittels einer solchen verdünnten Kalilauge den
Beginn der Vergilbung schon in einer Zeit constatiren, in welcher das Versuchspapier
dem Auge noch gänzlich unverändert erscheint.
Es wurde ein Versuchspapier der Wirkung einer Gasflamme ausgesetzt, welche eine
Leuchtkraft von 8 Normalkerzen hatte. Nach einmonatlicher Dauer des Versuches
war an dem Versuchspapier durch Vergleich mit dem unverändert gebliebenen
Papiere noch keine Spur einer Veränderung durch das Auge wahrzunehmen. Wohl aber
zeigte die Kalilauge schon den Beginn der Vergilbung an. Nach zweimonatlicher
Einwirkung des Gaslichtes war schon direct, noch deutlicher durch die Kalireaction
die Vergilbung zu constatiren. Sehr auffällig war nach zweihundertstündiger Dauer
des Experimentes die Wirkung des Gaslichtes auf unser Versuchspapier bei einer
Leuchtkraft von 50 Normalkerzen.
Nach diesen vorbereitenden Versuchen wurde das Versuchspapier durch 200 Stunden der
Einwirkung einer elektrischen Glühlampe ausgesetzt, welche am Ort der Wirkung
gleichfalls eine Lichtstärke von 50 Normalkerzen hatte. Obgleich die Temperatur- und
Feuchtigkeitsverhältnisse die gleichen waren, wie in dem zuletzt genannten Versuche
im Gaslicht, so ergab sich doch ein auffälliger Unterschied, denn weder für das
freie Auge war irgend eine Veränderung im Farbentone des Versuchspapiers erkennbar,
noch liess sich durch die Kaliprobe irgend ein Unterschied im Vergleiche zu dem
inzwischen im Dunkeln aufbewahrten Vergleichsobjecte wahrnehmen.
Schon dieser Versuch deutet darauf hin, dass bei gleicher Lichtstärke das elektrische
Glühlicht das Holzschliffpapier noch weniger afficirt als das an sich nur in ganz
geringem Maasse auf dieses Papier einwirkende Gaslicht.
Doch muss ich bemerken, dass die beiden mit Gas- und elektrischem Glühlicht
durchgeführten Versuche insofern nicht vollkommen vergleichbar waren, als wohl die
ersteren continuirlich durchgeführt wurden, nicht aber die letzteren, da mir damals
eine Tag und Nacht hindurch fungirende Glühlampe nicht zur Verfügung stand.
Es darf allerdings von vornherein die Wirkung des Lichtes als eine im Effecte sich
einfach summirende angesehen werden, so zwar, dass die absolute Lichtzeit für die
Wirkung maassgebend ist, wobei es also gleichgültig erscheint, ob in dieselbe
Perioden völliger Dunkelheit eingeschaltet sind. Allein an einen vergleichenden
Fundamentalversuch muss wohl die Forderung gestellt werden, dass, abgesehen von den
unterscheidenden Momenten, alle übrigen Versuchsbedingungen die vollkommen gleichen
seien.
Durch die Liberalität der Imperial Continental Gas
Association (Elektrische Centralstation, Wien) bin ich in die Lage versetzt
worden, eine elektrische Glühlampe durch nahezu einen Monat in der Dunkelkammer der
Station benutzen zu können. Ich fühle mich gedrängt, für diese grosse Gefälligkeit
vor allem dem Director der genannten Gesellschaft, Herrn T.
W. W. Melhuish, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.
Der Versuch begann am 28. December 1891 und dauerte bis 23. Januar 1892. Mit Ausnahme
dreier Tage fungirte die Lampe continuirlich, Tag und Nacht.
Nach Messungen, welche ich der Güte des Herrn F.
Kurzweil, Ingenieur der genannten Gesellschaft, verdanke, hatte die zum
Versuche benutzte Glühlampe im Beginne des Versuches eine Leuchtkraft von 40, am
Schlusse von 32 Normalkerzen bei einer constanten Spannung von 99,5 Volt. Die
mittlere Lichtstärke betrug mithin während des Versuches 36 Normalkerzen. Da diese
Lichtstärke sich auf die Entfernung von 1 m von der Lichtquelle bezieht, das Versuchspapier aber
in einer Entfernung von 0,5 m ausgestellt war, so stand dasselbe unter der Wirkung
eines Lichtes von vierfacher Leuchtkraft.
Das Versuchspapier war also durch 552 Stunden der Wirkung eines Lichtes von
durchschnittlich 144 Normalkerzen Leuchtkraft ausgesetzt. Nach Beendigung des
Versuches konnte aber weder durch das Auge noch durch die oben angeführte
Kalireaction irgend eine Veränderung an dem Versuchspapier nachgewiesen werden.
Noch muss ich bemerken, dass die Temperatur- und Feuchtigkeitsverhältnisse in diesem
Versuche fast genau dieselben waren, wie in jenem mit Gaslicht durchgeführten
Experimente, in welchem die Lichtstärke der Flamme 50 Normalkerzen betrug.
Es ist also durch diese Versuche der Beweis erbracht, dass
das elektrische Glühlicht selbst in langen Zeiträumen und bei starker Intensität
der wirkenden Lichtquelle auf Holzschliffpapiere gar keinen erkennbaren Einfluss
ausübt. Das Licht der elektrischen Glühlampe ist mithin in Rücksicht auf die
Holzschliffpapiere, welche unter allen Druck- und Schreibpapieren die grösste
Empfindlichkeit dem Lichte gegenüber zu erkennen geben, zur Beleuchtung von
Bibliotheken, Bücher- und Papierlagern noch geeigneter, als das in dieser
Beziehung – regelrechte Heizung und Ventilation vorausgesetzt – fast gar nicht schädigend wirkende Gaslicht Es ist ferner
aus meinen Versuchen ersichtlich, dass, wenn es sich um relativ hohe
Lichtintensitäten handelt (z.B. 50 Normalkerzen), die ich bei meinen früheren auf Gaslicht bezugnehmenden Untersuchungen nicht
berücksichtigt habe, dieses letztere schon eine geringe sichtliche Vergilbung
innerhalb eines Zeitraumes von etwa 10 Tagen hervorbringt, während elektrisches
Glühlicht bei solcher und noch höherer Lichtintensität (144 Normalkerzen)
selbst bei viel längerer Dauer (23 Tage) ohne jede nachweisliche Wirkung in der genannten Beziehung
ist.
Der Einfluss des Lichtes auf Holzschliffpapiere äussert sich zunächst nur in einer
unwillkommenen Farbenänderung. Da die Vergilbung dieser Papiere auf einer chemischen
Umsetzung beruht, welche ich bei früherer Gelegenheit genauer erörtert habe, so ist
wohl schon von vornherein anzunehmen, dass die Vergilbung nicht die einzige
Schädigung ist, welche das Holzschliffpapier durch das Licht erfährt. Hand in Hand
mit der chemischen Zersetzung, welche vor allem die Folge einer im Lichte
stattfindenden Oxydation ist, geht auch eine mechanische Veränderung, welche sich in
der Abnahme der absoluten Festigkeit solcher vergilbter Papiere äussert.
Ich habe mit jenem Papier, welches zu den vorstehend mitgetheilten Versuchen diente,
im unveränderten und im Zustande verschiedener Vergilbungsgrade, Experimente
angestellt, welche durchaus zu dem Resultate führten, dass
mit der Zunahme der durch das Licht hervorgerufenen Vergilbung die absolute
Festigkeit solcher Papiere abnimmt.
Zu diesen meinen Versuchen wurde mein Versuchspapier in drei verschiedenen Zuständen
benutzt:
1) Im unveränderten Zustande.
2) Durch diffuses Licht isabellgelb geworden. Diese
Farbe stellte sich aber nur auf jener Seite ein, welche dem Lichte zugewendet war.
Die entgegengesetzte Seite war nur ganz schwach gelblich gefärbt, so zwar, dass nur
durch den Vergleich mit dem unveränderten Papiere der gelbliche Farbenton der
Unterseite des Papiers deutlich erkennbar wurde.
3) Durch Sonnenlicht braun gefärbt. Die vom Lichte
abgewendete Seite war deutlich, aber durchaus nicht lebhaft gelb gefärbt.Der grosse
Unterschied in der Färbung der dem Lichte ausgesetzten Papiere an der Licht-
und Schattenseite beweist, wie stark die das Vergilben hervorrufenden
Strahlen durch die Holzfasern, selbst bei hoher Intensität des wirksamen
Lichtes, absorbirt werden.
Von jedem dieser drei Versuchspapiere wurden Streifen geschnitten, welche 45 mm lang
und 15 mm breit waren. Diese Streifen wurden in dem sehr zweckmässig eingerichteten
Zerreissapparat des Pflanzenphysiologischen Instituts, der gelegentlich der
Untersuchungen des Herrn Dr. v. Weinzierl über die
Festigkeit der Pflanzengewebe genau beschrieben wurde (Sitzungsbericht der kaiserl. Akademie der Wissenschaften, Bd. 76 1877),
eingespannt, und es wurde ermittelt, bei welchem Gewichte die Zerreissung der
Streifen eintrat.
Die Ergebnisse der Versuche (Zerreissgewichte) sind folgender kleinen Tabelle zu
entnehmen.
Unverändertes Papier
Isabellgelbes Papier
Braunes Papier
1)
3493 g
2795 g
2309 g
2)
3502 g
2909 g
2389 g
3)
3458 g
2893 g
2339 g
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Mittel:
3485 g
2865 g
2345 g
Wien, Pflanzenphysiologisches
Institut der k. k. Universität, Februar 1892.