Titel: | Zur Bildung des Erdwachses. |
Autor: | H. Kast, S. Seidner |
Fundstelle: | Band 284, Jahrgang 1892, S. 143 |
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Zur Bildung des Erdwachses.
Von H. Kast und S. Seidner.
Zur Bildung des Erdwachses.
Das häufig beobachtete Zusammenvorkommen, wie nicht minder die Uebereinstimmung in
der Zusammensetzung von Erdöl und Erdwachs liessen es von jeher sehr wahrscheinlich
erscheinen, dass zwischen beiden Naturproducten nahe genetische Beziehungen
beständen.
Ohne das Vorhandensein positiver Beweise fand die Anschauung allgemeine Verbreitung
und Geltung, das Erdwachs sei ein durch Destillation oder Verdunstung gebildeter
Erdölrückstand, und nur über die diesen Vorgang begleitenden Nebenumstände gehen die
Meinungen etwas aus einander.
Von wesentlich anderem Gesichtspunkte betrachtet ZalozieckiZaloziecki, Zur Bildung von Erdöl und Erdwachs
(D. p. J., 1891 280 134 u. ff.). das Verhältniss des Erdöles zum
Erdwachs und die Art der Entstehung des letzteren aus dem ersteren. Er weist dem
Erdwachs eine Zwischenstellung zwischen dem ursprünglichen thierischen Fett
einerseits und dem Erdöl andererseits an, derart, dass er das Erdwachs als erstes
Zersetzungsproduct des Thierfettes anspricht und sich das Erdöl aus dem Erdwachs
entstanden denkt.
Es ist nicht zu leugnen, dass die Zaloziecki'sche
Bituminisationstheorie sehr viel Bestechendes hat, schon durch den Umstand, dass sie
gestattet, die Bildung des Erdöles und Erdwachses aus thierischem Fett in analoger
Weise zu erklären, wie die Umwandlung des Torfes in Braunkohle und dieser in
Steinkohle. Eine, wenn auch nur indirecte Stütze gewinnt ferner jene Theorie
anscheinend durch die Thatsache, dass es nicht gelungen ist, auf irgend welche Weise
künstlich einen Erdölrückstand herzustellen, welcher die Eigenschaften des Ozokerits
besessen hätte.
Wir theilen in Folgendem in Kürze eine Beobachtung mit, welche aufs Neue den
Zusammenhang zwischen Erdwachs und Erdöl erkennen lässt und vielleicht auch zur
Klärung der Frage nach der Bildung des Erdwachses beitragen kann.
Dem Chemiker der Petroleumraffinerie vorm. Aug. Korff
in Bremen, Herrn Dr. Kissling, verdanken wir ein
Präparat, welches derselbe aus Cylinderölen, die durch Eindicken amerikanischen
Rohöles erhalten waren, hergestellt hat. Die Substanz war von dunkelgelber Farbe,
wachsartiger Consistenz, undeutlich strahligem Bruche, liess sich zwischen den
Fingern kneten und zeigte überhaupt im Aeusseren die grösste Aehnlichkeit mit
Erdwachs. Die Darstellungsweise ist die folgende: Ein grösseres Quantum (mehrere
Centner) helles, durch Filtration über Knochenkohle gereinigtes, amerikanisches
Cylinderöl wurde längere Zeit auf etwa 120° erwärmt. Es scheidet sich ein Schlamm
ab, welchen man mehrmals mit Benzin versetzt und wiederholt decantirt; es gelingt
auf diese Weise die flüssigen Antheile von den festen zu trennen. Schliesslich
werden die letzteren mehrmals aus Benzin umgelöst.
Wie uns Herr Dr. Kissling mittheilte, findet sich diese
Substanz, welche auch als „amorphes Paraffin“ bezeichnet wird, in fast allen
amerikanischen Rohölen und scheidet sich bei Abkühlung derselben in leichten, lange
suspendirt bleibenden Flocken ab. Auf dem Boden der grossen Rohöltanks findet sich
stets ein Schlamm, welcher den beschriebenen Körper in beträchtlicher Menge enthält
und welcher bei der Aufarbeitung Destillate liefert, die reich an krystallisirtem
Paraffin sind.
Nach dem Verhalten und den mitgetheilten Eigenschaften unterlag es für uns keinem
Zweifel, dass der fragliche Körper als Erdwachs anzusprechen sei. Durch das
mehrmalige Umlösen in Benzin war derselbe zu einem Reinheitsgrad gebracht, welcher
etwa demjenigen des sogen. halbgebleichten Erdwachses entsprach. Thatsächlich
konnten wir auch eine geradezu überraschende Uebereinstimmung in den Eigenschaften
dieses Erdwachses aus Erdöl und einer Probe halbgebleichten Boryslawer Erdwachses,
welche der hiesigen chemisch technischen Sammlung entnommen war, constatiren. Das
specifische Gewicht des Erdwachses aus Erdöl beträgt 0,915 bei 18° (nach Schädler schwanken die specifischen Gewichte
verschiedener Erdwachssorten von 0,845 bis 0,930); die Löslichkeitsverhältnisse in
verschiedenen Lösungsmitteln sind für beide Proben vollständig gleich; der
Schmelzpunkt des Erdwachses aus Erdöl liegt bei 80,5°, jener des halbgebleichten
Erdwachses zwischen 78 bis 79°; löst man beide Substanzen in der Wärme in
Brennpetroleum (Kaiseröl), so dass nach dem Erkalten wieder Ausscheidung
stattfindet, so schmilzt der Niederschlag aus der Lösung des Erdwachses aus
amerikanischem Erdöl bei 74°, derjenige aus der Lösung des Erdwachses von Boryslaw
bei 72°. Auch die Elementarzusammensetzung beider Erdwachsarten ist völlig
gleich:
Erdwachs
aus Erdöl
von Boryslaw
C
85,89
85,48
Proc.
H
14,69
14,48
–––––
––––
100,08
99,96
Proc.
Hierdurch ist der Nachweis geführt, dass Erdwachs als solches
im amerikanischen Erdöl gelöst enthalten ist. Wir zweifeln nicht, dass sich
dasselbe ebenso in Erdölen anderer Provenienz, wenn auch vielleicht in wechselnden
Mengen, wird auffinden lassen.
Die Thatsache des Vorhandenseins von Erdwachs im rohen Erdöl steht in gutem Einklang
mit der Annahme, das Erdwachs sei ein bei der Verflüchtigung leichterer
Bestandtheile hinterbliebener Erdölrückstand.
Allerdings scheint, wie erwähnt, gegen diese Auffassung der Umstand zu sprechen,
dass künstlich erhaltene Erdölrückstände äusserlich sehr verschieden von dem
natürlichen Erdwachs sind. Es bleibt aber zu berücksichtigen, dass die Bedingungen,
unter welchen sich das Erdwachs in der Natur gebildet hat, zweifellos wesentlich
andere waren als diejenigen, welche seither bei der Darstellung von Erdölrückständen
im Laboratorium eingehalten wurden. Der Concentrationsvorgang, welcher zur Bildung
des Erdwachses führte, ist, wenn auch begleitet von Zersetzungen, in der Natur
jedenfalls weiter vorgeschritten, als dies bei Versuchen im Kleinen zu erreichen
möglich war.
Auch Engler und Böhm
sprechen sich in ihrer interessanten Arbeit: Ueber die
chemische Natur des VaselinsD. p. J., 1886 262
526. dahin aus, „dass die (in rohen Erdölen) vielfach
wahrgenommenen festen Kohlenwasserstoffe ihrer chemischen Natur nach vielmehr
mit dem Erdwachs übereinkommen.“ Diese Annahme hat durch unsere Beobachtung
ihre volle Bestätigung gefunden.
Weniger einfach erklärt sich das Vorkommen von Erdwachs im Erdöl, wenn man mit Zaloziecki annimmt, dass sich Erdöl aus Erdwachs
gebildet habe. Es ist nicht einzusehen, wie in das flüchtige Zersetzungsproduct Erdwachs gelangen soll, welches doch selbst
nicht unzersetzt flüchtig ist.
Auch der von Zaloziecki gemachte Vorbehalt, dass
Erdwachs und Erdöl sich unter Umständen gleichzeitig gebildet haben, scheint uns die
Erklärung nicht zu erleichtern. Nach wie vor bleibt es schwer verständlich, wie
trotz einer unter dem Einfluss von Wärme bewirkten Dislocation des Erdöles sich
Erdwachs im Oele vorfinden kann. Jedenfalls bedarf es noch eingehender Untersuchung
des chemischen Charakters des Erdwachses, ehe man zu einem abschliessenden Urtheil
über den Bildungsvorgang dieses Körpers kommen wird.
Karlsruhe, technische Hochschule, April 1892.