Titel: | Die Gefahren bei der Erzeugung der Explosivstoffe. |
Autor: | Oscar Guttmann |
Fundstelle: | Band 284, Jahrgang 1892, S. 163 |
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Die Gefahren bei der Erzeugung der
Explosivstoffe.
Von Oscar Guttmann.
(Schluss des Vortrages S. 80 d. Bd.)
Die Gefahren bei der Erzeugung der Explosivstoffe.
Mit den nöthigen Aenderungen finden die Bemerkungen über Schiesswolle auch Anwendung
auf Mischungen derselben mit Nitraten, wie Tonit, Potentit u. dgl.
Die Erzeugung von Nitroglycerin und Dynamit wird von Fernstehenden gewöhnlich als
äusserst gefährlich angesehen, und sie ist es jedenfalls in der Hand von ungeübten
und unerfahrenen Leuten; wenn sie jedoch von Sachverständigen geleitet wird, ist sie
weit weniger gewagt als die von Schiesspulver. Da sie jedoch wesentlich eine
chemische Operation ist, so wird die Sicherheit stets von der Grösse der Sorgfalt
abhängen, welche ihr die Arbeiter zuwenden, sie erfordert viel Aufsicht und
fortwährendes Achtgeben auf Pflichtverletzung.
Die Gefahrquellen, welche aus den Rohmaterialien entstehen, sollen zuerst betrachtet
werden. Die Salpetersäure soll genügend frei von Untersalpetersäure sein. Die
Meinungen sind verschieden darüber, was ein zulässiger Gehalt ist; ohne Zweifel wird
die während der Nitrirung entwickelte Wärme durch einen grossen Gehalt an
Untersalpetersäure gesteigert, und sie kann, bei Mangel an Achtsamkeit, Zersetzung
und Explosion herbeiführen. Manche sagen, sie solle nicht mehr als 1 Proc.
enthalten, aber einige der bestgeleiteten Fabriken verwenden solche mit selbst mehr
als 4 Proc. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass Untersalpetersäure durch ihre grosse
Oxydationsfähigkeit zweifellos mehr Wärme entwickelt; da aber die Temperatur des
Gemisches stets unter 25° C. erhalten wird, so wird die Nitrirung einfach länger
dauern müssen, weil der Arbeiter weniger Glycerin einlaufen zu lassen hat und
deshalb achtsamer sein muss. Untersalpetersäure verringert auch bedeutend die
Ausbeute an Nitroglycerin. In der Regel werden jene Fabriken, welche ihre
Salpetersäure kaufen, auf so wenig Untersalpetersäure als möglich bestehen, manchmal
sogar unter ein halbes Procent, und diejenigen, welche ihre Säure selbst erzeugen,
sind wegen eines Procentes mehr oder weniger nicht so genau. Wenn die Erzeugung von
Salpetersäure so geleitet wird, dass ein Minimum von Untersalpetersäure vorhanden
sein soll, dann wird es schwierig sein, mehr als 93 Proc. reines Monohydrat zu
haben, und eine grosse Menge schwacher Säure ergibt sich als Folge. Wenn
ausschliesslich hoch concentrirte Säure mit 95 bis 96 Proc. Monohydrat erzeugt wird,
dann muss mehr Wärme aufgewendet werden, welche stets etwas Salpetersäure in
Untersalpetersäure umwandeln wird. Natürlich ist es wünschenswerth, einen hohen
Gehalt an Monohydrat und keine schwache Säure zu erhalten, weil der erstere
unendlich bessere Resultate gibt, während die letztere geringen Werth hat, und wenn
die Untersalpetersäure entfernt werden soll, so ist ein kostspieliges und
umständliches Bleichen nothwendig. Dies ist der Grund, warum eine Dynamitfabrik,
welche ihre Salpetersäure selbst erzeugt, nie einen geringeren Durchschnitt als 2
Proc. Untersalpetersäure hat, manche aber sogar 7 Proc. Ein von mir vor kurzem
erdachtes Verfahren gibt stets weniger als 1 Proc. Untersalpetersäure mit 95 bis 96
Proc. reinem Monohydrat und es wird jetzt rasch von vielen Fabriken eingeführt. Dieses
Verfahren kann so geleitet werden, dass die Säure nicht mehr als 1/10 Proc.
Untersalpetersäure, aber sogar 99,40 Proc. Monohydrat enthält, doch ist dann ein
grosser Theil der theoretisch möglichen Ausbeute als schwache Säure aufgefangen.
Es kann deshalb gesagt werden, dass, sofern die Salpetersäure nicht nach ihrer
Erzeugung einem langwierigen und theuren Bleichen unterzogen wird, die beste im
Grossen erhältliche Säure stets ungefähr 1 Proc. Untersalpetersäure enthalten wird.
Da man nicht erwarten kann, dass Jedermann die beste Säure erhalte, so kann die
Grenze für Untersalpetersäure auf 2 Proc. gesetzt werden, welche die Gefahr zu
grosser Warmeentwickelung nicht wesentlich erhöht. Ueber diese Grenze hinaus kann
die Wärme des Gemenges rapid steigen und es wird nöthig sein, dass der Arbeiter
fortwährend bereit sei, den Einlauf von Glycerin abzusperren oder kräftigere Kühlung
und Rühren anzuwenden, und da es zur Vermeidung von Unglücksfällen wünschenswerth
ist, dass jeder Process so viel als möglich unabhängig von der Achtsamkeit der
Arbeiter ausgeführt werde, so sollte ein Mehrgehalt an Untersalpetersäure vermieden
werden.
Schwefelsäure und Glycerin erzeugt man jetzt fast ganz rein. Beide können Arsenik
enthalten und mehr als 1/10 Proc. sollte niemals gestattet sein.
Auf die Reinheit des Glycerins ist, soweit seine Verwendung für die Erzeugung von
Nitroglycerin in Betracht kommt, Gewicht zu legen. Selbstverständlich sind grosse
Mengen von Verunreinigungen, wie Zellgewebe oder Fettsäuren nicht zulässig, da sie
bei der Nitrirung unbeständige Körper bilden. Auch die Gegenwart von Chlor ist zu
vermeiden, denn es gibt in letzter Linie Veranlassung zur Bildung von
Untersalpetersäure. Aber selbst wenn das Glycerin vollkommen rein ist, wie es bei
dem jetzt verwendeten destillirten der Fall ist, und es nicht mehr als etwa 0,15
Proc. organische und anorganische Verunreinigungen enthält, so kann es vorkommen,
dass das gebildete Nitroglycerin voll von voluminösen, flocken-förmigen Stoffen ist,
welche dessen Scheidung von den Säuren lange Zeit verhindern. Dies kommt meistens
nur bei Glycerinen einer besonderen Erzeugung vor, und bisher hat selbst eine so
grosse Autorität wie Otto Hehner nicht herausfinden
können, welchem Bestandtheile dies zuzuschreiben ist.
Das Nitriren und Scheiden erfordern nicht mehr Aufmerksamkeit, als dass die
Temperatur selbst am Ende der Operation nicht über 30° betrage. Ich denke dabei
nicht an das Boutmy-Faucher-Verfahren, welches in sich selbst eine grosse
Gefahrquelle barg, insofern die Schwefelsäure zuerst auf das Glycerin einwirken
gelassen wurde, wodurch die organischen Verunreinigungen verkohlt wurden und fein
vertheilte Kohlenpartikelchen bildeten. Dies verhinderte die Einwirkung der
Salpetersäure im concentrirten Zustande auf jedes Glycerintheilchen und verlängerte
manchmal tagelang die Scheidung. Ich werde später erklären, warum dies gefährlich
sein musste oder noch ist, da das Verfahren in der französischen Regierungsfabrik
von Vonges noch in kleinem Maasstabe gebräuchlich sein soll.
Bei den Nitrir- und Scheidungsapparaten liegt die Hauptgefahr in ihrer Construction.
Der Nitrirapparat ist jetzt gewöhnlich ein grosses Bleigefäss mit einer Anzahl
von Kühlschlangen, durch welche kaltes Wasser läuft. Das Gefäss hat einen
Deckel mit entsprechenden Oeffnungen für den Zutritt von Glycerin und comprimirter
Luft, den Austritt von Gasen und die stete Controle der Temperatur, ebenso für das
Entleeren des Gefässes entweder in den Scheideapparat oder in den
Sicherheitsbottich. Alle diese Vorrichtungen compliciren natürlich den Apparat und
bedürfen fortwährender Aufsicht. Eine eingehende Beschreibung der verschiedenen
Apparate kann natürlich nicht gegeben werden, da sie einen besonderen Vortrag füllen
würden, doch sollen einige der hauptsächlichsten Gefahrquellen angegeben werden.
Zuerst ist das bei der Construction verwendete Blei zu berücksichtigen. Die
vereinigte Einwirkung von Salpeter-, Untersalpeter- und Schwefelsäure auf das Blei
ist natürlich sehr gross, aber in noch höherem Grade ist dies der Fall mit den
Gasen, wenn sie mit der äusseren Luft vermischt sind, denn verdünnte Säuren greifen
Metalle mehr an als starke. Das Blei soll ganz rein sein, manche ziehen sogar
umgeschmolzenes altes Blei vor, da es durch Umschmelzen härter wird. Bei der
geringsten Menge von Zink ist das Blei bald bienenzellenartig durchfressen. Die Gase
sollen durch eine gut ziehende Röhre abgeleitet werden, so dass die äussere Luft
niemals in das Gefäss eintreten kann. Die zum Rühren und Kühlen verwendete Pressluft
soll von einem Vorrathsbehälter kommen, wo sie die Feuchtigkeit ablagern kann, und
die zum Apparate führenden Röhren sollen ansteigen und einen Ablasshahn besitzen.
Alle Kittstellen sollen ganz dicht sein, und die Construction der Kühlschlangen muss
gut gewählt sein, da dieselben sich ausdehnen und zusammenziehen und leicht rinnen
können. Es muss bedacht werden, dass das aus dem kleinsten Leck einer Wasserröhre
austretende Wasser eine ernste Zersetzung herbeiführen kann, und es ist deshalb von
Nutzen, den ganzen Apparat jeden Morgen zu prüfen, bevor man die Arbeit beginnt.
Die Art der Zuführung von Glycerin ist ein anderer Gegenstand der Beachtung. In
manchen Apparaten; bei welchen eine Schraube das Rühren unterstützt, läuft das
Glycerin auf eine an der Schraube befestigte Scheibe und wird durch Centrifugalkraft
in kleinen Tropfen umhergeschleudert. Manchmal liefert ein durchlöchertes Rohr das
Glycerin und häufig ein Injector. Jene Injectoren, welche nahe dem Boden des
Apparates angebracht sind, sind bald zerfressen und verursachen manchmal einen
plötzlichen Einlauf von Glycerin, was natürlich zu vermeiden ist. Injectoren oder
Druckgefässe, welche das Glycerin durch eine Röhre an den Boden des Gefässes
drücken, sind natürlich am besten.
Die Temperatur im Apparate muss wirksam controlirt werden, es ist nicht genügend; sie
in einem Theile des Gefässes allein zu kennen, da eine Zersetzung örtlich beginnt
und dann über die ganze Masse sich verbreitet.
Die Hähne für die Entleerung in die Scheidegefässe und den Sicherheitsbottich müssen
sorgfältig befestigt werden, und es wird gewöhnlich gesagt, dass es einer besonderen
Erfahrung bedarf, um die in einer Dynamitfabrik erforderlichen Kitte zu machen.
Natürlich dürfen die Hähne nicht so angelegt werden, dass Wasser in dieselben
gelangen kann. Es hängt auch viel davon ab, welcher Druck auf dem Hahne lastet, und
deshalb sind die grossen amerikanischen Apparate bedenklich, da sie eine Säule von
drei und mehr
Meter Säure auf den Hähnen haben, was etwa ½ at Druck ausmacht.
Der Apparat soll natürlich so gemacht sein, dass er sich bis auf den letzten Tropfen
entleert, und der Sicherheitshahn soll genügend gross sein, um das Gefäss in wenigen
Minuten zu entleeren.
Dieselben Bemerkungen finden Anwendung auf die Scheidegefässe und die in der
Nachscheidung verwendeten Apparate.
Es mag angezeigt sein, hier zu erwähnen, dass eine Zersetzung in einem gehörig
construirten Apparate ein sehr seltenes Ereigniss ist und nur auf irgend ein Leck
oder auf schlechtes Glycerin oder auf Unaufmerksamkeit und Nachlässigkeit der
Arbeiter zurückzuführen ist. Aber selbst wenn man den Beginn einer Zersetzung
bemerkt, ist es noch nicht nöthig, die Ladung zu ersäufen oder den Kopf zu verlieren
und davonzulaufen. Wie schon erwähnt, beginnt die Zersetzung an einem Punkte und
verbreitet sich allmählich durch die ganze Masse. Selbst bei einer kleinen
Zersetzung entwickelt sich ein grosses Volumen von dunkelrothen Gasen und dies ist
für den Neuling gewiss allarmirend, aber es dauert oft 10 Minuten und länger, ehe
eine Explosion erfolgt. Ich habe in Zersetzung befindliche Chargen gesehen, welche
durch das kaltblütige Benehmen der Arbeiter vollständig gerettet wurden. In einem
Falle zersetzte sich die Säure unterhalb des Nitroglycerins in einem Scheidegefässe,
und der Mann an demselben, welcher ein Neuling war, öffnete in seiner Verwirrung den
Nitroglycerinhahn statt des Sicherheitshahnes, und obzwar genügend Zeit blieb, um
das gesammte Nitroglycerin in das Waschgefäss abzuführen, dauerte es doch eine
Viertelstunde, ehe man daran denken konnte, das Gebäude zu betreten, um die sich
zersetzende Säure nach dem Sicherheitsbottich abzulassen.
Bei der Scheidung des Nitroglycerins von den Säuren ist die Gefahr des langen
Contactes der beiden Flüssigkeiten vorhanden, welche anlässlich des Unfalles in
Pembrey durch das Ministerium des Innern vollständig untersucht wurde. Nitroglycerin
löst sich in Schwefelsäure, und gerade an der Berührungslinie beider sammeln sich
viel von den niedrigeren Nitrokörpern, welche aus den Verunreinigungen des Glycerins
sich bilden, während andere oberhalb des Nitroglycerins sich ansammeln, wo sie der
Wirkung der Luft ausgesetzt sind. Reines Nitroglycerin kann lange Zeit in Berührung
mit reiner Salpetersäure und Schwefelsäure verbleiben, ohne Veränderung zu erleiden,
aber die bei diesem Processe sich bildenden niedrigeren Nitrokörper sind löslich und
unbeständig, und deshalb sollte die Scheidung so rasch als möglich beendigt werden.
Ich habe schon angedeutet, dass das Glycerin oft den Nachtheil hat, die Scheidung zu
verzögern, aber es gibt häufig mechanische Verunreinigungen, deren Einfluss noch
schlechter ist. Wenn die Schwefelsäure viel Blei enthält, wenn die Mischsäuren zu
lange Zeit in den Vorrathsgefässen standen und etwas Blei oder Eisen von denselben
gelöst wurde, so wird dies in kleinen Mengen, aber fein vertheilt in der Mischung
von Nitroglycerin und Säure suspendirt sein, welche den Nitrirapparat verlässt. Noch
auffälliger wird dies, wenn verkohlbare Körper eingeführt werden, wie Stroh von den
Bombonnes, grobe organische Verunreinigungen des Glycerins u. dgl. Dies ist der Fall
beim Boutiny-Faucher-Process, wo durch das Auflösen des Glycerins in
Schwefelsäure die Verunreinigungen des ersteren verkohlt werden und die Scheidung in
ausserordentlicher Weise verzögern. Der schlimmste mir bekannte Fall war der, wo ein
altes Luftreservoir zur Lagerung von Schwefelsäure gekauft wurde und eine dicke Lage
Rost zu sehen verhinderte, dass das Reservoir früher innen mit Theer angestrichen
war. Die Schwefelsäure wurde vom Theer ganz geschwärzt und nach zweitägiger
Scheidung konnte bloss die Hälfte des Nitroglycerins gewonnen werden.
Es ist zu beachten, dass der Unterschied im specifischen Gewichte zwischen
Nitroglycerin und den Abfallsäuren bloss 0,100 beträgt, da das erstere ein
specifisches Gewicht von genau 1,600, die letzteren von ungefähr 1,700 haben, und
obzwar die grössere Viscosität der Säuren zum grossen Theile die Scheidung
erleichtert, so bleiben solche voluminöse Verunreinigungen doch lange Zeit
suspendirt und bilden ein Bindeglied zwischen dem dickflüssigeren Nitroglycerin und
den Säuren, so die Scheidung behindernd.
Die Nachscheidung empfängt die ausgenutzten Säuren, welche gewöhnlich kleine
Kügelchen von Nitroglycerin in Schwebe enthalten, und es ist wichtig, dass diese
Zeit zur Abscheidung erhalten. Die Nachscheidung ist der schwächste Punkt in einer
Dynamitfabrik. Die Thatsache, das kleine Mengen stark sauren Nitroglycerins auf
starker Säure schwimmen und selbst bei den besten Abzugsrohren der Luft ausgesetzt
sind, kann natürlich über manche Zersetzungen aufklären, dennoch glaube ich, dass
eine sorgfältige Prüfung aller Umstände fast immer auf eine andere Ursache des
Unglücksfalles deuten wird und dass diese Ursache entweder dem Lecken eines
Wasserrohres oder dem Eindringen organischer Bestandtheile zuzuschreiben sein
wird.
Versuche, welche ich mit Abfallsäuren ausführte, haben gezeigt, dass, wenn grössere Mengen von Glycerin in Abfallsäure gegossen
werden (welche fast stets die Zusammensetzung 10HNO3, 70H2SO4 und
20H2O besitzt), eine stürmische Zersetzung in
sehr kurzer Zeit eintritt. Ueberschüssig zugesetztes Glycerin wird nicht nitrirt,
sondern in der Schwefelsäure gelöst werden, nachdem die nach der Bildung der
Hauptmasse von Nitroglycerin verbleibende Salpetersäure nur ungefähr 1/14 des gesammten
Volumens einnimmt und es trotz heftigen Rührens schwierig ist, die wenige übrig
gebliebene Salpetersäure mit den Glycerinpartikelchen in Contact zu bringen.
Ausserdem ist die Salpetersäure, wie aus der oben angegebenen Zusammensetzung zu
ersehen ist, in einem sehr verdünnten Zustande, und selbst wenn sie leicht mit dem
Glycerin in Contact käme, würde sie nur Mono- und Dinitroglycerin bilden, welche
löslich sind. Es ist daraus ersichtlich, dass ein Ueberschuss an Glycerin eine sehr
gefährliche Mischung bildet, und in mindestens zwei Fällen konnte ich die Ursache
von Zersetzungen deutlich auf einen solchen Ueberschuss zurückführen.
Es muss darauf verwiesen werden, dass ein geringer Ueberschuss von Glycerin bei jeder
Nitrirung vorhanden ist, da es unmöglich bleibt, die benöthigte Menge jedesmal genau
zu berechnen, und eine geringe Aenderung der Stärke der Salpetersäure sofort die in
Trinitroglycerin umwandelbare Menge Glycerin verändert. Dies ist ein anderer Grund,
warum sehr starke Säure mit einem höheren Procentsatze von Untersalpetersäure dem
Gegentheile vorzuziehen ist, denn der Arbeiter kann gegen übermässige Erwärmung Vorkehrungen
treffen, aber er hat keine Mittel, um die gesammte Nitrirfähigkeit der Salpetersäure
zu bestimmen. Ein kleiner Ueberschuss von Glycerin ist noch nicht direct gefährlich,
solange entsprechende Aufmerksamkeit verwendet wird, und nur ein grosser Ueberschuss kann eine plötzliche Zersetzung herbeiführen, welche kaum aufzuhalten wäre.
Dieser Ueberschuss von Glycerin muss nicht nothwendiger Weise ein Irrthum im Abwägen
desselben sein, er kann auch durch Verwendung zu schwacher Salpetersäure oder
Schwefelsäure, oder durch unrichtiges Abwägen der Säuren zum Mischen verursacht
werden. Das einzige Mittel in diesem Falle ist Controlirung der Ausbeute an
Nitroglycerin; falls sie unter eine bestimmte Grenze sinkt, muss ein Theil des
Glycerins der Nitrirung entgangen sein, und der beste Weg ist dann die Abfallsäure
sofort zu ersäufen. Bei guten Nitroglycerinergebnissen und gehöriger Aufmerksamkeit
gibt die Nachscheidung niemals Unannehmlichkeiten.
Da die Abfallsäuren meist in einem Denitrirapparate behandelt werden, um die zwei sie
bildenden Säuren zu trennen, so muss man Acht geben, dass jedes
Nitroglycerintheilchen aus den zu deren Aufbewahrung bestimmten Gefässen entfernt
werde, ehe man sie aufarbeitet. Kleine Tropfen können noch nach Tagen erscheinen,
und die Explosion einer Denitrationsanlage in Italien war einer Nachlässigkeit in
dieser Hinsicht zuzuschreiben. Die Vorrathsgefässe müssen auch gegen den Einfluss
der Witterung geschützt werden und einen Sicherheitsbottich besitzen, da besonders
in heissen Klimaten Zersetzungen des Inhaltes derselben eintreten können.
Beim Waschen und Filtriren des Nitroglycerins soll warmes Wasser nur mit Vorsicht
verwendet werden, weil Nitroglycerin bei 40° C. zu verdunsten beginnt und das
Einathmen von Nitroglycerindämpfen in grösseren Mengen schädlich ist.
Die übrigen Operationen bedürfen keiner grösseren Aufmerksamkeit als bei anderen
Explosivstoffen, ausgenommen das Patroniren, welches mit Hebelpressen geschieht, bei
welchen das Material durch einen Trichter in eine Röhre fällt und ein an einem Hebel
befestigter Stempel das Dynamit in Form einer Wurst herauspresst. Es gibt zwei Arten
von Pressen, solche, bei denen das Papier um die Röhre gewickelt und die ganze
Patrone in einer Pressung gemacht wird, und solche, bei welchen das Dynamit durch
eine Reihe von Pressungen mit dem Hebel in Form einer endlosen Schnur aus der Röhre
herausgedrückt wird. Diese wird abgebrochen, sobald sie die erforderliche Höhe
erreicht hat, und dann in Papier eingewickelt. Diese Art von intermittirendem
Pressen ist zweifellos die beste, und die Pressen mit einem Drucke sind mit Recht
von den deutschen Fabrik-Inspectoren ungerne gesehen. Es ist klar, dass, um einen
Cylinder aus weichem Materiale von etwa 10 cm Länge auf einen Streich
herauszudrücken, vielleicht 20mal mehr Kraft erforderlich ist, als für ein Stück von
2 cm Länge, und irgend ein Metall- oder Sandtheilchen oder selbst ein harter Brocken
Kieselguhr kann genügend Reibung an der Röhre verursachen, um Explosion
hervorzurufen. Bei weitem die Mehrheit der Explosionen in Patronenhütten erfolgt mit
Pressen mit einem Druck. Natürlich müssen Patronenpressen so construirt und
befestigt sein, dass jeder starke Schlag oder Reibung ausgeschlossen sind.
Die Erzeugung von Sprenggelatine, Gelatinedynamit und Gelignit bedarf nur
weniger Bemerkungen. Da die Arbeit unter Verwendung künstlicher Erwärmung erfolgt;
so muss man gegen Ueberhitzung Vorkehrungen treffen, denn die Collodiumwolle kann
sich zersetzen und das Nitroglycerin verdunsten. Die Maschinen zum Mischen – wenn
solche verwendet werden – und zum Patroniren müssen so construirt sein, dass
übermässige Reibung vermieden wird und dass sie leicht untersucht und gereinigt
werden können.
Es ist wohlbekannt, dass Nitroglycerin bei etwa 7° C. gefriert. Dynamit und
Sprenggelatine gefrieren bei etwas niedrigerer Temperatur. Zahlreiche Versuche haben
gezeigt, dass gefrorenes Nitroglycerin und Dynamit in hohem Grade unempfindlich
gegen Schlag sind und dass selbst eine aus einem Militärgewehre auf 50 Schritte
gefeuerte Kugel sie nicht zur Explosion bringt, während weiches Dynamit auf 300 und
mehr Schritte leicht zur Detonation zu bringen ist. Dennoch explodirt gefrorenes
Nitroglycerin eigenthümlicher Weise manchmal. Das Ausheben von gefrorenem
Nitroglycerin aus dem Boden mit einer Picke, das plötzliche Drehen eines Thonhahnes,
um dessen Kegel herum etwas Nitroglycerin gefroren war, das Reinigen von Gefässen
mit gefrorenen Abfällen und selbst das gewaltsame Zerbrechen einer gefrorenen
Patrone haben nach meiner eigenen Erfahrung Explosionen verursacht, und es ist
wahrscheinlich, dass ähnliche Fälle auch Anderen bekannt sind. Ich glaube, dass die
Explosion gefrorenen Nitroglycerins einer plötzlichen Aenderung in der molekularen
Anordnung – wie sie Prof. Tyndall beim Eise constatirte
– zuzuschreiben sei, wodurch genügend kräftige Schwingungen hervorgerufen werden, um
Detonation zu verursachen. Dies ist eine andere schlagende Illustration zur
Thatsache, dass eine Explosion nicht nothwendiger Weise die Folge von Wärme sei.
Sprenggelatine und die verschiedenen Gelatinedynamite andererseits sind im gefrorenen
Zustande äusserst empfindlich. Dies ist ausschliesslich durch die Collodiumwolle
verursacht. In dem weichen, gelatinösen Zustande wird natürlich jeder Schlag
unwirksam gemacht, und die Gelatinen sind in diesem Falle fast unempfindlich; wenn
sie aber gefroren sind und eine steife, harte Masse bilden, dann wird ein Schlag
leicht durch den ganzen Körper fortgepflanzt und die Collodiumwolle wird leicht
detoniren.
Es ist deshalb von grosser Wichtigkeit, dass Nitroglycerin oder Dynamit während der
Erzeugung niemals zum Gefrieren kommen. Selbst in massig warmen Räumen können die
kalten Thonhähne Gefrieren verursachen, oder auf den Fussboden verschüttete Tropfen
von Nitroglycerin können hart werden. Ebenso ist es sehr gefährlich, gefrorenes
Dynamit in Patronenpressen zu verarbeiten. Es ist wiederholt vorgekommen, dass
kleine Krystalle gefrorenen Nitroglycerins am Fussboden „krachten“, wenn sie
mit einem Lederschuh gerieben wurden.
Die Sonne hat eine entschiedene Einwirkung auf das Nitroglycerin, insofern die
zugeführte Wärme es zersetzt. Aus diesem Grunde sollen Dächer und Fenster weiss
gestrichen werden, besonders letztere, da sie häufig fehlerhafte Stellen enthalten,
welche wie Sammellinsen wirken. Die Einwirkung der Sonne auf Nitroglycerin, welches
unachtsamer Weise in den Sand laufen gelassen wurde, hat wiederholt Explosionen
hervorgerufen.
Der Kehricht von den Hütten, der Schlamm von den Filtern und dem
Waschwassersammelhause u.s.w. müssen sorgfältig verbrannt werden. Dieser Kehricht,
oder selbst verdorbenes Dynamit, wenn in einer Wurst ausgelegt und angezündet,
brennen eine Zeitlang ruhig ab, dann aber explodiren sie. Ich verdanke Herrn Dr. Dupré, dem chemischen Rathgeber des Ministeriums des
Innern, die Angabe, dass nach Begiessen dieser Abfälle mit Erdöl keine Explosion zu
befürchten sei.
Obzwar ich nicht alle Möglichkeiten von Gefahr angeführt habe, so kann ich doch aus
eigener Kenntniss und langer Erfahrung vertrauensvoll aussprechen, dass die
Erzeugung von Dynamit weit weniger gefährlich und sicherlich weniger plötzlichen und
unvorhergesehenen Unfällen ausgesetzt ist als die von Schiesspulver, welche ein über fünf Jahrhunderte reichendes Register
aufzuweisen hat.
Die Herstellung von rauchlosem Pulver kam innerhalb der letzten 4 Jahre in den
Vordergrund und ist in vieler Hinsicht ähnlich der der Gelatinedynamite. Da sie eine
verhältnissmässig neue Industrie ist, hauptsächlich in der Hand von Regierungen, und
da noch keines der Pulver den Zustand der Vollkommenheit erreicht hat, so mag es
überflüssig erscheinen, viel in Details einzugehen. Die Thatsache, dass fast jede
Fabrik ein eigenes Verfahren besitzt, weil Jedermann bedacht ist, seine Erfahrungen
für sich zu behalten, macht allgemeine Bemerkungen recht schwierig.
Es gibt praktischer Weise zwei Arten rauchlosen Pulvers, solche aus Schiesswolle und
einem Lösungsmittel allein erzeugt und solche aus Nitroglycerin und Schiesswolle mit
oder ohne Zuhilfenahme eines Lösungsmittels. In neuester Zeit scheint nitrirte
Stärke begünstigt zu sein. Als Lösungsmittel wird hauptsächlich Aceton verwendet,
und das Auflösen der Schiesswolle oder das Herstellen einer Gelatine aus
Nitroglycerin und löslicher Schiesswolle mit oder ohne nachträgliche Zugabe von
unlöslicher Schiesswolle und Campher bedürfen keines besonderen Hinweises, da die
Maschinen für das Kneten der Materialien ungefähr dieselben sind, wie sie zur
Erzeugung von Sprenggelatine dienen. Aber das nachherige Verarbeiten zu kleinen
viereckigen Blättchen oder runden Scheibchen, erfordert mehr Aufmerksamkeit, obzwar
gesagt werden kann, dass das Aceton, von welchem stets Spuren in dem Pulver
verbleiben, es verhältnissmässig sicher macht. Die gelatinöse, vermengte Masse wird,
wenn sie die Maschine verlässt, einer theilweisen Verdampfung unterzogen und geht
dann durch mit Dampf geheizte Walzen, um in Blätter gewalzt und gleichzeitig vom
Aceton befreit zu werden. In diesen Walzen entstehen häufig kleine locale
Explosionen, welche wahrscheinlich dem zuzuschreiben sind, dass etwas nicht gelöste
Schiesswolle der Wärme und Reibung unterzogen wird, doch gehen dieselben ohne
Schaden vorüber. Die Acetondämpfe müssen sorgfältig gesammelt werden, da sie mit
Luft gemischt explosiv sind und sich auf eine grosse Strecke verbreiten können. Auch
das Zerschneiden der Blätter in Blättchen ist ohne besondere Gefahr, da der Druck
auf die Blätter gering und übermässige Reibung nicht wahrscheinlich ist. Natürlich
darf man nicht grosse Mengen von Pulver ansammeln lassen, denn obzwar bedeutende
Quantitäten ohne Explosion verbrennen können, so verbreitet sich doch das Feuer
rasch genug, um den Rückzug abzuschneiden, wie es sich bei einem Feuer in einer
italienischen Fabrik erwiesen hat.
Nitrobenzol wird nicht mehr für Explosivstoffe verwendet, seine Erzeugung ist wohl
bekannt und ist nur während der Nitrirung gefährlich und durch die giftige Wirkung
seiner Gase.
Auch die Erzeugung von Pikrinsäure ist in gewisser Hinsicht ausserhalb des Rahmens
dieses Vortrages. Sie bietet während der eigentlichen Herstellung keine Gefahr, aber
das fertige Product, wenn es zufällig mit gewissen Körpern, wie Kalk, Bleinitrat u.
dgl. gemischt wird, bildet einen Knallsatz, wie dies durch Oberst Majendie und Dr. Dupré in
ihrem Berichte über eine Explosion bei Manchester bewiesen wurde.
Unter dem Namen Melinit, Lyddit, Ecrasit u.s.w. wurde Pikrinsäure zur Füllung von
Granaten verwendet, später benutzte man Ammonpikrat und jetzt Trinitrokresol und
dessen Ammonsalz. Sie werden auf einem Wasserbade geschmolzen und in die Granaten
eingegossen. Ihre Detonation erfolgt gewöhnlich mit einer Zündpatrone aus
Schiesswolle. Da diese Arbeit nur in Militäranstalten ausgeführt wird, so ist ein
weiteres Eingehen darauf hier überflüssig.
Es ist ebenso unnöthig, die Einzelheiten der Erzeugung von Roburit, Securit, Ammonit
u. dgl. oder die der Feuerwerke zu besprechen. Der Vorgang bei den ersteren ist so
ziemlich derselbe wie bei anderen Explosivstoffen. Bei der Herstellung von Feuerwerk
kann die Zubereitung der verschiedenen Mischungen, das Pressen in Raketen, die
Vertheilung der Zündpillen u.s.w. mit geringen Aenderungen nach den Vorschriften in
Pulverfabriken geleitet werden. Nur die häufige Verwendung von Chloraten, besonders
von Chertier's Kupfer, bedarf besonderer Achtsamkeit,
da dieses die Ursache mancher Zersetzungen ist, und alle Chloratmischungen äusserst
empfindlich gegen Schlag und Reibung sind. Die Mischung wird selbstverständlich mit
Wasser zu einem Brei angemacht, sie kann dann ziemlich grobe Behandlung ertragen,
doch wenn zu viel Wasser hinzugefügt wird, so können einzelne Partikel der directen
Wirkung des Schlages ausgesetzt sein.
Der letzte zu erwähnende Explosivstoff ist Knallquecksilber. Seine Herstellung ist
einfach, und mit gewöhnlicher Vorsicht sollte kein bedeutender Unglücksfall
vorkommen. Selbstverständlich muss die stürmische Reaction nach erfolgter Zugabe von
Alkohol sorgfältig regulirt werden, und die Entwickelungsgefässe müssen vorsichtig
herumgetragen werden, die Gasröhren achtsam aufgesetzt u.s.w., auch der
Salpeteräther entfernt werden. Das Waschen des Knallquecksilbers muss mit aller
Sorgfalt geschehen, um Zersetzungen zu vermeiden, und das fertige Product soll mit
nicht weniger als 20 Proc. Feuchtigkeit eingelagert werden. Die Gefahr kommt
hauptsächlich bei der Verarbeitung des Knallquecksilbers in Zündhütchen vor. Beim
Trocknen sind die gewöhnlichen Vorsichtsmaassregeln bezüglich Erwärmen durch einen
Luftstrom, Abwesenheit von Metall in dem Raume, Benutzung von Rosshaardecken oder
Gummibelag auf dem Fussboden ganz ausreichend. Das Mischen des Knallquecksilbers mit
Salpeter, Chloraten, Glaspulver u. dgl. ist der gefährlichste Theil, weil dabei viel
Reibung stattfindet. Die in Woolwich übliche Einrichtung ist wohl die sicherste und
gibt eine bessere Mischung als die übliche Arbeit mit einer Feder. Sie besteht im Wesentlichen
aus einem Seidenbeutel, auf welchem diagonal Gummischeibchen wie eine Perlenschnur
aufgenäht sind. An den Boden dieses Beutels ist eine Schnur befestigt, welche durch
einen Hebel hinter einem eisernen Schirme in Bewegung gesetzt wird, wodurch das
Knallquecksilber zwischen den Scheibchen auf und ab geworfen wird. Seit der
Einführung dieser sinnreichen Vorrichtung hat in Woolwich keine Explosion
stattgefunden.
Das Füllen der Hütchen mit Knallquecksilber erfolgt überall mittels sorgfältig
erdachter Maschinen, welche Reibung und Ueberladung verhindern. Das Pressen des
Zündsatzes erfolgt am besten in Formen mit besonderen belasteten Hebeln für jedes
Zündhütchen, so dass trotz der wahrscheinlichen Ungleichheit der Füllung jede Ladung
den gleichen Druck empfängt. In manchen Fabriken ist die ganze Presse eingeschlossen
und kein Knallsatz ist in dem Raume gestattet, während die Einrichtung so getroffen
ist, dass nur bei geschlossener Thür gepresst werden kann.
In Zündhütchenfabriken müssen gehörige Vorsichten gegen Reibung und Schlag getroffen
werden; diese sind: die Verwendung von Haardecken und Filzschuhen, häufiges Waschen
und Abstäuben der Fussböden und Decken, Vermeidung von Verschütten des Materials u.
dgl. Wie andere Quecksilbersubstanzen ist auch Knallquecksilber dem Körper
schädlich, wenn zu viel Staub erzeugt wird und die Ventilation ungenügend ist.
Andere Gefahren in Verbindung mit der Erzeugung von Explosivstoffen sind die, welche
von der allgemeinen Anordnung in den Fabriken herrühren.
Grossbritannien ist, soweit mir bekannt, das einzige Land, in welchem der Ausschluss
von Eisen aus dem Inneren der Gebäude, die Abwesenheit von selbst ein paar Grammen
Schmutz oder Sand auf den Fussböden, und im Allgemeinen die Reinlichkeit allerorten
auf das strengste erzwungen werden. Es machte jedenfalls gewaltigen Aufruhr unter
den Fabrikanten, als die Explosivacte in Wirksamkeit trat, aber selten wurde eine im
Ganzen weisere Maassregel getroffen. Wenn man bedenkt, dass im J. 1890 tödtliche
Unglücksfälle nur in einer Pulverfabrik sich ereigneten, und dass die Sterblichkeit
unter den Arbeitern in Explosivstofffabriken nicht grösser war, als die in ganz
London, so wird man darüber einig sein, dass die Explosivstoffacte sehr heilsam war
und dass die Inspectoren, welche sie ausführen, höchst nützliche Arbeit verrichten.
Es ist sicherlich nicht die Abwesenheit von ein wenig Sand, denn in tausend Fällen
wäre dies ohne Schaden, sondern die Reinlichkeit und Vorsicht, welche den Arbeitern
allgemein eingeimpft werden, wodurch eine Fabrik gesichert wird.
Gemäss der Explosivstoffacte muss jedes Gefahrgebäude mit einem wirksamen
Blitzableiter versehen sein. Trotz der Blitzableiter-Conferenz, an welcher so viele
ausgezeichnete Männer theilnahmen, ist die Frage, wie man einen wirksamen
Blitzableiter in einer Explosivstofffabrik construirt, noch nicht endgültig
entschieden. Es kann keinen Zweifel darüber geben, dass ein Blitzableiter ein gutes
und nützliches Instrument auf einem Wohnhause ist, wo eine zufällige Störung in der
Anordnung keinen grossen Schaden anrichten kann, aber der Fall ist ganz verschieden
bei einer Werkstätte oder einem Magazine für Explosivstoffe. Die gründliche und
verlässliche Prüfung eines Blitzableiters kann nur durch einen Fachmann ausgeführt
werden, und in einer Fabrik, wo manchmal hundert und mehr zu prüfen sind, nimmt dies
mehrere Tage in Anspruch. Dennoch, wenn ein Sturmwind bläst oder die Fabrik dem
Einflüsse der Seeluft ausgesetzt ist, wird der Blitzableiter leicht wieder ausser
Ordnung kommen. Nimmt man hierzu die Gegenwart von Maschinen in den Gebäuden,
Werksbahnen, Rohrleitungen in der Luft und unter der Erde u.s.w., so wird man
finden, dass ein Blitzableiter nicht nur ein sehr beschränktes Schutzmittel, sondern
häufig eine ganz bestimmte Gefahr ist. Ohne weiter auf diese Frage einzugehen,
möchte ich glauben, dass eine fachmännische Untersuchung dieser Frage mit besonderer
Rücksicht auf Explosivstofffabriken von grossem Nutzen wäre.
Viele Fabriken werden jetzt elektrisch beleuchtet. Seit ich diesen Vortrag schrieb,
hat das Ministerium des Innern besondere Vorschriften in Hinsicht auf die
elektrische Beleuchtung in Explosivstofffabriken erlassen. Ich habe nicht die
Absicht, diese Vorschriften zu besprechen, da seither zu kurze Zeit verflossen ist,
um ihre Tragweite voll zu ermessen, und ich will deshalb nur meine eigene Erfahrung
mittheilen.
Es ist wichtig, dass entsprechende Blitzableiter in die Leitung eingeschaltet werden.
Ich weiss aus eigener Erfahrung von zwei Fällen, wo der Blitz in die ober der Erde
geführten Drähte einschlug. Die Drähte sollen in die Gebäude stets von
entgegengesetzten Richtungen eintreten, um zufälligen kurzen Schluss zu verhindern,
und keine Verbindungsstellen oder Ausschalter sind innerhalb der Gebäude zu
gestatten. Die Lampen sollen stets mit einer dicht schliessenden Glasglocke umgeben
sein, welche genügende Wärmestrahlung gestattet, denn obzwar die Temperatur an der
Aussenseite einer Lampe selten mehr als 50° beträgt, so wird doch, wenn die Lampe
mit explosivem Staube bedeckt ist und die Wärme nicht in die umgebende Luft
ausstrahlen kann, eine solche Ansammlung von Wärme stattfinden, dass ernste Unfälle
möglich sind. Mit Rücksicht auf einen Spannungsüberschuss durch Kurzschluss ist es
am besten, eine Vorrichtung zu haben, welche, im Falle die Spannung eine gewisse
Grenze überschreitet, die ganze Anlage an der Dynamomaschine ausschaltet. Es ist
weit besser, dass die ganze Fabrik unter Umständen plötzlich in Dunkelheit gerathe,
als dass Funken an den Drähten zu beobachten sind.