Titel: | Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen. |
Fundstelle: | Band 285, Jahrgang 1892, S. 25 |
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Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen.
Mit Abbildungen.
Bemerkungen über die heutigen Kriegswaffen.
I. Gewehre.
Die im letzten Halbjahre bekannt gewordenen Angaben über die Kriegsgewehre lassen die
1891 281 97, 127 begonnenen Bemerkungen auch jetzt noch
als richtig erscheinen. Die Angaben einiger Neuerungen und Einzelheiten, welche
damals noch nicht bekannt waren, werden genügen, um den Leser auf dem Laufenden zu
halten.
Das neue russische 3-Linien-Gewehr M. 91 scheint in
mancher Beziehung dem belgischen (Mauser-) Gewehr ähnlich zu sein. Der
Bohrungsdurchmesser des Laufes ist nur wenig enger, das Schloss für Schiebe- und
Drehbewegung eingerichtet; das Kastenmagazin fasst fünf Patronen, soll aber den
Rahmen (die „Ladeschachtel“) nicht aufnehmen; letzterer umfasst
buchrückenförmig die Ränder der Patronen, zum Laden wird er mit einem Ende in einen
besonderen Ausschnitt der Hülse vor das zurückgezogene Schloss gesteckt und dann
sein Inhalt durch einen Druck von oben in den Kasten gestossen, nachdem wird er
selber durch den zum Schliessen vorgeschobenen Verschlusskopf herausgeworfen. Er ist
allerdings etwas schwerer als der belgische, trotzdem seine „Sohle“ durch
zwei Schlitze erleichtert ist; die eingeführten Patronen mit vorspringendem Rand
(„Krempe“) werden vielleicht seine Ausdehnungen etwas vermehrt haben,
vielleicht aber ist auch eine Metallverstärkung nothwendig gewesen, um die
Schwächung auszugleichen, welche hervorgebracht war durch Einschnitte in die
Seitenränder, welche ein Federn gestatten. Das Geschoss ist verhältnissmässig sehr
lang, sein Gewicht nach den vorliegenden Angaben indess nicht entsprechend gross.
Mit Bezugnahme auf die schon länger eingeführten kleinkalibrigen Gewehre anderer
Staaten ist die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses und damit die Gestrecktheit
seiner Bahn nicht übermässig gross.
Die bekannt gewordenen Zahlenangaben für das neue russische Gewehr sind:
Bohrungsdurchmesser: 7,62 mm (7,9), des Geschosses Länge: 31,5 mm (32), Gewicht:
13,5 g (14,5), Gewicht der Patronenhülse: 10 g (10), des Laders: 8 g (17,5),
Anfangsgeschwindigkeit direct vor der Mündung: 620 m. (Die eingeklammerten Zahlen
sind die für das deutsche Gewehr bekannt gewordenen.)
In Frankreich sind für die Kavallerie Karabiner mit
Kastenmagazin eingeführt worden; die Kasten fassen indess nur drei Patronen.
Aehnlich wie bei den Karabinern anderer Staaten, wie z.B. von Deutschland und
Oesterreich, sind auch hier die Anfangsgeschwindigkeiten etwas geringer als bei den
Gewehren, welche dieselbe Patrone verschiessen. Für die vollständige Verbrennung und
Kraftentwickelung des Pulvers ist der Lauf des Karabiners zu kurz. Der
französische Karabiner ist in zwei Mustern eingeführt, dieselben unterscheiden sich
durch die grössere oder geringere Neigung des Kolbens zur rückwärtigen Verlängerung
der Seelenachse; ein Muster hat auf dem Kolbenfusse Lederplatten befestigt.
Die französischen Patronenhülsen scheinen trotz ihres grossen Gewichtes noch immer
nicht genügend haltbar zu sein. Um dem abzuhelfen, hat die französische
Schiessschule den Befehl bekommen, jeden Monat die fertig gestellten Hülsen zu
untersuchen.
Für das bisherige französische Infanteriegewehr ist die bemerkenswerthe ballistische
Angabe gemacht worden, dass auf 2000 m gegen wagerechten Boden verfeuerte Geschosse
noch abprallen und weiter gehen (gellen, ricochettiren); auf 1500 m aufschlagende
Geschosse können noch im Weiterfliegen bis 2200 m gefährlich werden.
Erwähnenswerth ist vielleicht, dass der noch mit diesem Gewehre ausgerüstete
französische Infanterist im Kriegsfalle 120 Patronen trägt. Durch leichte, noch im
Versuche befindliche Wagen sollen ihm durch seine Compagnie ausserdem 75 mitgeführt
werden (in Deutschland sind diese Zahlen 150 + 40).
Textabbildung Bd. 285, S. 25Fig. 1.Patronenzubringer. Nach einer englischen Mittheilung, deren Bestätigung indess noch aussteht,
wird in Frankreich statt des bisherigen Gewehres mit Röhrenmagazin (Lebel) ein solches mit Kastenmagazin nach dem System
Berthier eingeführt. Der Bohrungsdurchmesser des
Laufes soll gleich dem des belgischen Mauser-Gewehres sein. Länge und Gewicht des
Geschosses sind etwas kleiner als beim Lebel-Gewehre, indess soll die
Anfangsgeschwindigkeit nicht grösser sein. Das Geschoss hat am Boden einen grösseren
Durchmesser als an der Grundfläche der Spitze. Es ist nicht unmöglich, dass das D.
R. P. Nr. 61511 auf ein Kastenmagazin in Verbindung mit diesem französischen Gewehr
oder wahrscheinlicher noch mit einer Umänderung älterer Gewehre steht. In dieses
Magazin wird ein Patronenrahmen (Lader) geladen, der vier Patronen buchdeckelförmig umfasst. Der Zubringer besteht aus zwei
Schenkeln, welche wie die eines Zirkels verbunden sind. Das freie Ende des unteren
ist nach oben drehbar auf dem Ansätze einer Tragplatte befestigt, welche den
vorderen Theil des Magazins unten schliesst. Eine in diese Platte
schwalbenschwanzförmig eingeschobene Stangenfeder drückt den Schenkel in die Höhe,
eine zweite, auf diesem ebenso eingeschobene, den oberen. Die Federn wirken also
ähnlich wie die, welche die Schenkel einer Nagelzange aus
einander hält (Fig. 1). Einzelne Patronen können
ohne Rahmen geladen werden.
Mit diesem Patente steht vielleicht auch ein früheres, Nr. 59013, in Verbindung,
welches sich auf einen Cylinderverschluss ohne jede Schraube bezieht.
Zahlenangaben für das einzuführende französische Gewehr, System Berthier:
Bohrungsdurchmesser: 7,65 mm (7,9), Länge des Geschosses: 29 mm (32), Gewicht
desselben: 13,28 g (14,5), Durchmesser desselben im Boden: 7,8 mm, an der
Grundfläche der Spitze 7,7 mm, Anfangsgeschwindigkeit an der Mündung: 631 m, Gewicht
der Hülse 9,2 (10,05), der Patrone 24,6 (27,3) g. (Die eingeklammerten Zahlen sind
die des deutschen Gewehres.)
Bei dem englischen Gewehre (Lee-Metford-Speed, M. 89) haben Aenderungen stattgefunden; es hat deshalb
das neueste Muster die Bezeichnung „Marke II“ bekommen. Die seitliche
Visireinrichtung für die grossen Entfernungen über 1900 m sind weggefallen. Das am
Gewehre befindliche Kastenmagazin, welches früher nur acht Patronen fasste, soll
jetzt für zehn eingerichtet werden; dafür soll aber das zweite, früher lose
mitgeführte ganz in Wegfall kommen. Damit ist dann das Gewehr als Repetirwaffe noch
weniger zu gebrauchen als früher; seine Feuergeschwindigkeit ist dadurch beinahe auf
die des in der Abschaffung begriffenen französischen Lebel-Gewehres vermindert
worden. – An der Spitze des englischen Gewehrgeschosses ist dem Augenscheine nach
der Mantel dicker als an dem hinteren Geschosstheile; vielleicht dient das zur
Erzeugung einer grösseren Durchschlagskraft, vielleicht auch zur Erleichterung der
Herstellung. – Beim Schiessen sollen die Mäntel nicht immer auf dem Hartbleikern
haften bleiben, sondern sich ablösen und somit die Treffsicherheit beeinträchtigen.
– Anscheinend ist der hinter der Spitze beginnende Geschosstheil nicht cylindrisch,
sondern schwach kegelförmig, im Boden hat er den grössten Durchmesser. – Ueber die
schlechte Haltbarkeit der englischen Patronenhülsen wird ebenfalls sehr geklagt. Es
ist dies nicht zu verwundern, denn einestheils ist die Anfangsgeschwindigkeit des
Geschosses (670 m), also die Arbeitsleistung des Pulvers grösser als bei den
Gewehren der Grosstaaten, anderentheils ist die Hülsenwand nicht besonders
verstärkt, im Gegentheile, dem Augenscheine nach schwächer als die deutsche. – Trotz
des um 0,2 mm geringeren Bohrungsdurchmessers ist das Geschoss nur 0,25 mm kürzer
als das deutsche. Ein Gewehr kostet dem Staate in der Staatsfabrik Enfield z. Z. 74½
M.
Das Widerstreben der englischen Heeresverwaltung gegen schnelles Feuern zeigt sich in
der Maassregel, dass alte Martini-Henry-Gewehre durch Einsetzen engerer, kürzerer
Läufe in Karabiner verwandelt werden sollen, welche die neuen Patronen
verschiessen.
Bei dem österreichischen (Lee-Mannlicher) Gewehre M. 88 haben geringe Aenderungen stattgefunden. So
hat das Visir eine andere Eintheilung bekommen, dabei ist seine grösste Schussweite
auf 3000 m bemessen worden. Zur Ausrüstung der österreichischen technischen Truppen
ist ein Extra-Corps-Gewehr M. 90 eingeführt; dasselbe gleicht dem bei der Kavallerie
eingeführten Karabiner und ist mit einem Bajonett versehen.
In Italien sind die Versuche mit einem 6,5
mm-Kastenmagazingewehre so weit vorgeschritten, dass seine Anfertigung vom
Februar oder März dieses Jahres ab begonnen hat. Es war beabsichtigt, zunächst die
Alpentruppen (Alpini) mit dieser Waffe auszurüsten, später die anderen Armeecorps.
Viele Nachrichten sind noch nicht über das Gewehr veröffentlicht worden. Die
„Deckel“ des „buchförmigen“ Laders (Rahmens) sind kleiner als die
des deutschen; die Anfangsgeschwindigkeit soll 700 m, und das Gewicht der Patrone
21,5 g sein, jeder Mann soll 200 Stück tragen. Ein Gewehr soll 54½ M. kosten (für
das deutsche sind bei einer Lieferung 59 M. bezahlt worden).
Aus diesen Angaben ergibt sich, dass eine Kavallerietruppe mit einem 8 mm Karabiner
ganz besonders vermeiden muss, ein Feuergefecht mit einer Infanterie einzugehen,
welche eine so überlegene Waffe, wie dieses 6,5 mm-Gewehr, besitzt.
Vom belgischen Geschosse ist bekannt geworden, dass sein
Durchmesser im Boden 8 mm, in der Grundfläche der Spitze 7,65 mm (gleich dem
richtigen Bohrungsdurchmesser des Rohres) ist. Also der hintere Theil des
Geschosses, den man früher mit dem Namen „cylindrisch“ bezeichnet haben
würde, hat eine immerhin nicht unbedeutende Verjüngung nach vorn erhalten. Schon bei
der Besprechung anderer Gewehre, bei der des englischen und des neuesten
französischen wurde auf diese Form aufmerksam gemacht. Wahrscheinlich soll durch
diese Anordnung bewirkt werden, dass das Geschoss in jedem Laufe, auch in einem
bereits stark durch Abnutzung ausgeweiteten, sich in die Züge einpressen und ihren
Windungen folgen muss. (Bei den Versuchen mit dem Schweizer Gewehre war aus diesem
Grunde wahrscheinlich zu einem sich stauchenden Hartbleigeschoss zurückgegangen
worden (Rubingeschoss), dessen Mantel hinten weggefallen ist und nur noch vorn als
Kappe für die Spitze auftritt). – Der Mantel des belgischen Geschosses soll jetzt
aus der beim französischen gebräuchlichen, „Maillechort“ genannten
Zusammensetzung aus 80 Th. Kupfer und 20 Th. Nickel angefertigt werden. – In Belgien
ist ein Karabiner der Einführung nahe, der dem Mauser-Gewehre ähnlich entworfen ist
und auch ein Mantelrohr um das eigentliche Laufrohr trägt.
Ueber das neue Schweizer Gewehr sind in letzter Zeit
ungünstige Urtheile veröffentlicht worden. Sie beziehen sich besonders auf die
Construction des Schlosses, des Magazins und des auf den Lauf gelegten Oberschaftes.
Die Urtheile mögen etwas hart und die Mängel vielleicht auch zum Theil abstellbar
sein, sicher ist aber jedenfalls, dass noch kein anderer Staat sich zur Nachahmung
des Schweizer Gewehres veranlasst gefühlt hat, während die Einrichtungen der
genannten Theile beim deutschen und österreichischen Gewehre für die meisten Staaten
als Muster für eine Nachbildung gedient haben. Die grossen Erwartungen, welche
einzelne Veröffentlichungen für das Schweizer Gewehr M. 89 wachgerufen hatten,
scheinen also bis jetzt nicht in Erfüllung gegangen zu sein. – Die Fertigstellung
der für das Schweizer Heer bestellten Gewehre war bis Ende 1891 noch nicht
vollständig erfolgt. – Bei einer Besprechung des Schweizer Gewehres ist noch ein
Umstand hervorzuheben: das Verhalten beim Rückstosse. In dieser Beziehung scheint es
andere Waffen zu übertreffen; dies geht aus folgender Tabelle hervor:
Es beträgt beim
dasGeschoss-gewicht
die An-fangs-geschwin-digkeit
dasGewehr-gewicht
die Rück-stoss-geschwin-digkeit
die Rück-stossarbeit
g
m
k
m
kgm
Oesterr. Gewehr M. 88/89
15,8
620
4,4
2,23
1,11
Deutschen „ M. 88
14,5
620
3,8
2,36
1,08
Französ. „ M. 86
14
630
4,2
2,10
0,94
Schweizer „ M. 89
13,7
620
4,3
1,98
0,86
\mbox{Die Rückstossarbeit ist}=\frac{\mbox{Gewehrgewicht mal Quadrat der
Rückstossgeschwindigkeit}}{19,6}
Beim Geschoss des dänischen Gewehres erscheint ebenso,
wie es beim englischen der Fall ist, der Geschossmantel um die Spitze besonders
verstärkt. – Bei derselben Waffe ist auch die Form der Laufbohrung so festgestellt,
dass das Geschoss beim Durchfliegen sich in keine scharfen Ecken einzupressen
braucht. In nachstehenden Figuren 2 bis 4 sind einige Bohrungsquerschnitte angegeben, um ein
Bild der Bestrebungen zu geben, welche die Bewegungen des Geschosses in dieser
Beziehung verbessern wollen. Es kann aber damit durchaus kein Urtheil für das beste
„Zugprofil“ abgegeben werden, weil die Frage noch nicht endgültig gelöst
zu sein scheint.
Textabbildung Bd. 285, S. 27
Fig. 2.Schema des Bohrungsquerschnittes des österreichischen
Gewehres.
Es beträgt der Züge
Zahl
Tiefe
Breite
die Felderbreite
beim österreichischen Gewehre
4
0,2 mm
3,5 mm
2,2 mm
„ englischen „
7
0,101 „
2,9 „
0,6 „
„ dänischen „
6
0,14 „
3 „
1,1 „
Aus den Versuchen zur Einführung des dänischen Gewehres M. 89 sind einige
Einzelheiten bekannt geworden, welche über das Verhalten des Pulvers und des Laufes
beim Schiessen Auskunft geben. So wurde durch allmähliches Verkürzen eines Laufes
durch Abschneiden der Einfluss der Lauflänge auf die Kraftäusserung einer
eingesetzten Gebrauchsladung dargelegt.
Textabbildung Bd. 285, S. 27Fig. 3.Schema des Bohrungsquerschnittes des englischen
Gewehres. Es betrug bei
einer Lauflänge in cm
80
70
60
50
40
30
20
10
die Mündungsge- schwindigkeit in m
650
638
620
605
580
550
475
300
Es scheint damit die vielfach aufgestellte Behauptung erwiesen, dass durch
Verlängerung des Laufes und Einführung eines langsamer brennenden Pulvers die
Anfangsgeschwindigkeiten über die bis jetzt erreichten Zahlen hinaus noch
steigerungsfähig sind.
Es wurden ferner mit zwei Gewehren Versuche gemacht, um die Gasspannungen zu
ermitteln, welche bei Pulverladungen entstehen, deren Gewicht grösser als die
Gebrauchsladung ist. Es betrug bei
einer Ladungvon g
der Gasdruckin at
die Anfangsgeschwindigkeit25 m vor der
Mündung
2,2
2430
598
und
600
2,4
3088
634
„
636
2,5
3200
keineMessung
656
2,8
ungefähr
4700
700
„
707
3
„
6000
Lauf ge-sprungen
keineMessung
3,2
„
6800
–
Lauf ge-sprungen
Die Zahlen für die Gasdrücke geben auch ein Bild von dem Einflüsse einer kleinen
Veränderung in der Pulvermenge auf Spannung und Geschwindigkeit. Das neue Pulver
verlangt also ein viel genaueres Abmessen der Ladung als das frühere
Schwarzpulver.
Es wurde endlich festgestellt, dass sich der Lauf beim neuen Pulver weniger erhitzt
als beim alten. Es betrug die Lauftemperatur
nach
20
40
60
80
100
120 Schuss
beim rauchschwachen Pulver
102°
160°
201°
226°
240°
245°
beim Schwarzpulver
129°
190°
228°
252°
264°
267°
Aus Versuchen in Schweden, welche mit dem durch
Einsetzen eines 8 mm-Laufes in das frühere 12,17 mm-Remington-Gewehr entstandenen
Einzellader stattfanden, ist auch eine Einzelheit als besonders bemerkenswerth
hervorzuheben. Es wurden mit einer bestimmten Ladung (3,45 g) des neuen
Apyritpulvers Geschosse verschossen, welche im Gewichte um 1 g verschieden waren. Es
ergab sich hierbei.
Textabbildung Bd. 285, S. 27
Fig. 4.Schema des Bohrungsquerschnittes des dänischen Gewehres.
für das leichte Ge-schoss von 14,5 g
für das schwereGeschoss von 15,5 g
eine Geschwindigkeit auf 25 m vor der Mündung
von
623 m
616 m
ein Gasdruck von
2450 at
2680 at
Auf Grund dieser Erfahrung wurde das leichtere (also wahrscheinlich kürzere) Geschoss
zur Einführung gewählt. Es ist schon früher hervorgehoben worden, dass das
Ueberschreiten einer gewissen Länge (und Querschnittsbelastung) bei einem
Gewehrgeschoss durchaus nicht immer vortheilhaft sein kann. Wenn der eben erwähnte
Versuch auch nur eine geringe Vermehrung der Geschwindigkeit beim leichteren
Geschoss zeigt, so beweist er doch deutlich, dass selbst eine kleine
Gewichtsvermehrung (von nicht ganz 7 Proc.) eine starke Erhöhung des Gasdruckes (von
14,4 Proc.) hervorbringt. Das ist um so wichtiger, als die Grenze des noch für
zulässig gehaltenen grössten Gasdruckes (3000 bis 3200 at) sehr nahe rückt. Diese
Vergrösserung der Gasspannung durch längere (und deshalb schwerere) Geschosse muss
einen recht starken Einfluss auf die geringere Haltbarkeit der Patronenhülsen haben,
und so ist es vielleicht möglich, dass 1 g mehr Geschossgewicht auch mindestens 1 g
mehr Metall zur Verstärkung der Hülse verlangt; das würde einer Vermehrung des
Munitionsgewichtes um mindestens 7,5 Proc. entsprechen. Dieser
Gesichtspunkt, sowie die ebenso flache Flugbahn und ebenso grosse
Durchschlagskraft der leichteren (kürzeren) Geschosse auf kleineren Entfernungen
haben vielleicht mit zur Annahme des neuen französischen Geschosses von nur 29 mm
Länge gesprochen (statt des früheren von mindestens 31 mm). Bei der Einführung des
verhältnissmässig langen Geschosses beim neuen russischen und englischen Gewehre
sind vielleicht diese Umstände nicht maassgebend gewesen, sondern der Wunsch einer
gestreckteren Flugbahn und einer grösseren Durchschlagskraft auf grossen
Entfernungen. Ob der letztere Standpunkt der bessere ist, bleibt fraglich.
Die Visirschussweite des schwedischen (Einzellade-) Gewehres M. 67/89 soll bis 2500 m
gehen. Jeder Infanterist wird mit 100 Patronen ausgerüstet. Das Geschoss hat einen
Stahlmantel.
In Spanien scheint ein Gewehr von 7,65 mm eingeführt zu
werden, welches dem belgischen Mauser-Gewehr ähnlich ist.
In der türkischen Armee sind Gewehre vieler sehr von
einander abweichender Muster im Gebrauche; es liegt in der Absicht, ältere Modelle
so umzuändern, dass eine geringere Anzahl von Patronensorten verwandt werden kann.
Das neue, dem belgischen ähnliche Mauser-Gewehr soll neueren Nachrichten zufolge
keinen Laufmantel haben; der Lauf liegt vielleicht so im Schafte, dass er sich
ausdehnen kann, ohne durch letzteren behindert zu werden (eine derartige
Befestigungsweise ist beim Schweizer Gewehr beschrieben worden). Die Treffähigkeit
soll bei dieser Einrichtung besser als bei der mit Laufmantel sein. Der Lauf soll
cylindrisch sein.
In Rumänien haben Vergleichsversuche mit 6,5
mm-Kastenmagazingewehren stattgefunden, welche wahrscheinlich zur Annahme dieses
Kalibers führen werden. Die Anfangsgeschwindigkeit soll 700 m übersteigen. Das
Geschoss ist wahrscheinlich dem „Rubingeschoss“ ähnlich.
In Serbien soll ein 7,2 mm-Gewehr (Koka-Milanovic) zur Einführung angenommen worden sein,
welches eine Ladevorrichtung hat, die der des belgischen Gewehres ähnlich ist. Es
hat Gradzugverschluss; die Patrone soll nur 23,28 g wiegen (27,3 die deutsche), das
Geschoss mit Maillechort- (Kupfer-Nickel-) Mantel ist ungefähr 29,3 mm lang, 12,4 g
schwer (14,5 das deutsche). Die Anfangsgeschwindigkeit vor der Mündung soll 680 in,
also 10 m mehr als beim englischen Gewehre betragen.
Aus vorstehenden Notizen ergibt sich, dass Ende 1892 wahrscheinlich Italien, Rumänien
und Serbien die besten Infanteriegewehre in Bezug auf Anfangsgeschwindigkeit und
kleines Munitionsgewicht haben werden. Diese Ueberlegenheit scheint indess nicht so
bedeutend zu sein, dass andere Staaten sich gezwungen fühlen werden, zu einer
gänzlichen Neubewaffnung zu schreiten. Für dieselben wird aber die Frage sehr
wichtig, ob nicht durch eine Verkürzung der Geschosslängen eine Verminderung des
Munitionsgewichtes und ein Flacherwerden der Flugbahn auf kleinen Entfernungen
erzielt werden kann und ob diese Vortheile nicht ein Preisgeben der besseren
Flugbahn und der grösseren Durchschlagskraft auf weiten Entfernungen wünschenswerth
erscheinen lassen.
(Ein grosser Theil vorstehender Angaben ist den Mittheilungen
über Gegenstände des Artillerie- und Geniewesens, Wien
1891, Heft 9 und 10, entnommen.)
II. Feldgeschütze.
Eine gänzliche Umgestaltung der Feldgeschütze, d.h. der
Geschütze, mit welchen die Feld-Artillerie-Truppentheile der meisten Staaten ausgerüstet sind, hat noch
nicht stattgefunden, sie steht aber binnen Kurzem in Aussicht. Einzelheiten über das
wirklich zur Einführung kommende Material können noch nicht gegeben, gemachte
Vorschläge und Entwürfe an dieser Stelle nicht besprochen werden. Bei den nächsten
Bemerkungen über Schiffs-, Küsten- und Festungsgeschütze wird sich indess
Gelegenheit finden, einzelne neue Einrichtungen zu besprechen, welche für ein
Feldgeschütz der Zukunft in Frage kommen dürften. Es sei noch hervorgehoben, dass,
Schlussfolgerungen aus Nachrichten über Mörserversuche in Russland, Deutschland und
Frankreich zufolge, 12 bezieh. 15 cm-Mörsergeschütze zur Mitführung bei den
Feldarmeen bestimmt worden sind.
(Fortsetzung folgt.)