Titel: | Neue Verfahren und Apparate in der Zuckerfabrikation. |
Fundstelle: | Band 285, Jahrgang 1892, S. 187 |
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Neue Verfahren und Apparate in der
Zuckerfabrikation.
(Fortsetzung des Berichtes S. 115 d.
Bd.)
Neue Verfahren und Apparate in der Zuckerfabrikation.
Unter der Ueberschrift: Ueber die zweckmässigste Art der
Werthschätzung des Rohzuckers wurde in der Zeitschrift des Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reichs
(1892, Märzheft, S. 147 bis 259) ein umfassendes Gutachten Dr. Alexander Herzfeld's über diese und einige mit
derselben zusammenhängende Fragen veröffentlicht.
Unter dem 25. Mai 1891 hat das Vereinsdirectorium den Genannten mit der Ausarbeitung
eines gründlichen Gutachtens beauftragt, in welchem besonders die nachstehend
namhaft gemachten Punkte auf Grund eingehender Untersuchung erörtert werden sollten.
Das Ergebniss der
letzteren ist in der Abhandlung niedergelegt und in Bezug auf die gestellten
Fragen im Allgemeinen kurz folgendes:
1) Ist es richtig, dass das Vorkommen der Raffinose sich auf
Producte beschränkt, welche mit Entzuckerungsverfahren bezieh. in nicht
ordnungsmässiger Weise hergestellt sind?
Das Vorkommen der Raffinose in nachweisbaren Mengen beschränkt
sich auf Nachproducte mancher Melasseentzuckerungsverfahren. Wo sonst Raffinose
vermuthet bezieh. nach der Raffinoseformel der Inversionsmethode gefunden wurde,
ist, wie sich jetzt herausgestellt hat, gar keine vorhanden gewesen, sondern der
Analytiker durch die Unvollkommenheit der üblichen Untersuchungsmethode auf
Raffinose irre geführt worden.
2) Haben sich bis jetzt äussere Kennzeichen finden lassen, welche
– abgesehen von der spitzen Krystallform – auf das Vorhandensein von Raffinose
führen?
Solche äussere Kennzeichen gibt es nicht, aber auch die spitze
Krystallisation ist ein sehr trügerisches, da sie häufig durch andere Ursachen als
Raffinose, insbesondere durch Kalksalze hervorgerufen wird.
3) Beweist die Erfahrung, dass die Raffinose die Bildung von
Melasse wesentlich befördert oder sonst das Raffiniren der Rohzucker
beeinträchtigt?
Sehr raffinosereiche Producte neigen bei der Verarbeitung in der
Raffinerie etwas mehr zur Invertzuckerbildung als normale Rohzucker; im Uebrigen
beeinträchtigt aber die Raffinose die Ausbeute an raffinirtem Zucker viel weniger
als die meisten andern in dem Rohzucker bezieh. der Melasse vorkommenden
Nichtzuckerstoffe.
4) In welchem Verhältniss steht das Vorhandensein von Nichtzuckern
zu der Ausbringbarkeit des Zuckers der verschiedenen Producte überhaupt?
Grössere Mengen Nichtzucker wirken stets die Löslichkeit des
Zuckers vermehrend also melassebildend, geringe Mengen salzen Zucker aus. Ein
Unterschied in dem Verhalten der einzelnen Nichtzuckerstoffe lässt sich in der
Praxis nicht machen, da die Nichtzucker in Gemengen andere melassebildende Wirkungen
zeigen als die Einzelsubstanzen.
5) Ist dieses Verhältniss ein constantes, so dass es für den
Handelsverkehr als Grundlage dienen kann?
Das Verhältniss von Zucker zu Nichtzucker in Melasse ist zwar
nicht ganz constant, aber doch nicht in dem Maasse schwankend als das der jetzt
üblichen Art der Rendementsberechnung zu Grunde liegende Verhältniss von Zucker zu
Asche.
6) Gibt es für die Ermittelung des gesammten Nichtzuckers in der
Handelswaare ein Verfahren, welches leicht ausführbar und einfach ist und
zuverlässige Ergebnisse liefert?
Die Bestimmung des gesammten Nichtzuckers kann nur so geschehen,
dass der Zucker und die Trockensubstanz ermittelt und der Zuckergehalt von der
Trockensubstanz abgezogen wird, die Differenz ist der Nichtzucker. Die
Trockensubstanzbestimmung lässt sich zuverlässig ausführen, doch haften der
Nichtzuckerbestimmung die Fehler der Zuckerbestimmung an. Berücksichtigt man indess,
dass neuerdings grosse Fortschritte in der Construction der Polarisationsapparate
gemacht wurden und dass die meisten Polarisationsdifferenzen jetzt auf wechselndem
Trockensubstanz- bezieh. Wassergehalt der Muster beruhen, diese aber künftig mit
Einführung der Wasserbestimmung corrigirt werden können, so muss man a priori diesem
Verfahren der Nichtzuckerbestimmung, welches ebenso leicht und rasch auszuführen
ist, als die übliche Aschenbestimmung, dieselbe Zuverlässigkeit für die
Rendementsberechnung zuschreiben als letzterer. Definitive Antwort auf die Frage
kann jedoch nur die Erfahrung geben.
Die umfangreiche Abhandlung berichtet über viele grundlegende
Untersuchungen, von denen besonders die Bestimmung der Löslichkeit des Zuckers im
Wasser bei den Temperaturen von 0 bis 100° C. und diejenige über die Ursachen der
Melassenbildung im Allgemeinen und die melassenbildende Wirkung der Raffinose im
Besonderen hervorzuheben sind.
Nachstehender Auszug ist im Wesentlichen der Chemiker-Zeitung, 1892 Nr. 10 S. 114, entnommen.
I. Theil. Ueber die Verbreitung der
Raffinose in den Produkten der Rübenzuckerfabrikation und ihren Einfluss auf die
Gestalt der Zuckerkrystalle. Die Raffinose stammt zweifellos aus der Rübe,
doch ist über die Ursachen ihrer Entstehung nichts Sicheres bekannt, und die
bisherigen Annahmen hierüber sind theilweise unrichtig. Wirkliche Raffinose ist
vorhanden: in Strontian-Nachproducten (selten in weissen Erstproducten) und
-Melassen (8 bis 16 Proc.), in Melassen von der Osmose (bis 8 Proc.), Elution und
Ausscheidung (bis 5 Proc.) und in manchen Rübenzuckerfabriksmelassen, sowie in
ersten und Nachproducten der alleinigen Entzuckerung mittels dieser Verfahren.
Minimale Mengen Raffinose finden sich auch zweifellos in reinen Erstproducten
von 94 bis 97 Pol.; in der Regel wird aber bei diesen, sowie bei invertzuckerfreien
Erstproducten der Rübenarbeit in Verbindung mit Osmose, Elution, Ausscheidung,
ferner auch bei reinen und invertzuckerfreien Nachproducten, zwar eine Differenz der
Zucker- und der Raffinoseformel von 0,3 bis 0,4 Proc. gefunden (welche übrigens die
amtliche Fehlergrenze von 0,33 Raffinose = 0,6 Proc. Differenz nicht erreicht!), es
ist aber trotzdem keine oder nur eine Spur Raffinose zugegen. Die Raffinoseformel
darf nämlich nur da angewandt werden, wo Raffinose nach Erfahrung und
Wahrscheinlichkeit wirklich zugegen ist; andernfalls zeigt sie auch dort scheinbar
Raffinose an, wo diese völlig oder fast völlig fehlt. Die Producte der Ueberhitzung
und Zersetzung des Zuckers, hauptsächlich aber des Invertzuckers (welcher freilich
sein Dasein zumeist Fabrikationsfehlern, zuweilen aber auch besonders ungünstigen
Witterungsverhältnissen verdankt!) sind es, welche sich bei der Inversionsmethode
analog wie Raffinose verhalten und jene Irrthümer bewirken. Hierher gehört z.B. die
bei der Zersetzung von Invertzucker entstehende Saccharinsäure nebst ihren Salzen.
Doch sind auch andere überpolarisirende Stoffe (Dextran?) zu beachten, ferner die in
vielen Syrupen und Melassen nachgewiesenen optisch-activen, gährungsunfähigen
Nichtzuckersubstanzen, welche die Aufstellung allgemein gültiger
Inversionsconstanten für solche Fälle so gut wie unmöglich machen. Zur Controle der
optischen Methode empfiehlt sich am besten die Kupfermethode (nach Preuss). Die Schleimsäuremethode ist qualitativ
werthvoll, quantitativ häufig unzuverlässig, z.B. bei kalkhaltigen Producten. Gunning's Methylalkoholmethode ist gleichfalls
ungenügend, da Invertzucker, Glykose, saccharinsaure Salze u.s.w. mit in Lösung
gehen. Spitze Krystalle scheiden sich zwar oft bei Verarbeitung raffinosereicher
Abläufe aus, treten aber auch da auf, wo Raffinose fast oder ganz fehlt. Ihr
Entstehen ist in erster Linie gestörter Krystallisation aus stark verunreinigter
Lösung, in Folge von Zähflüssigkeit letzterer zuzuschreiben, und diese kann auch
durch andere Stoffe als Raffinose verursacht sein, z.B. durch Kalksalze (nach AulardVgl. D. p. J. 1892 280 216.), deren Abscheidung neben dem Zucker
die normale Ausbildung grösserer Zuckerkrystalle besonders zu schädigen scheint.
Jedenfalls ist die sogen. spitze Krystallisation kein äusseres Anzeichen für das
Vorhandensein von Raffinose, und es gibt hierfür überhaupt kein solches
Kennzeichen.
II. Theil. Ueber die Löslichkeit des
Zuckers in Wasser. Wesen und Ursache der Melassebildung im Allgemeinen. Einfluss
der Raffinose darauf im Besonderen. Zur Bestimmung der Löslichkeit des
Zuckers in Wasser diente ein eigens construirter Apparat mit Rührwerk, dessen
Temperatur bis auf Zehntel-Grade beliebig lange constant erhalten werden konnte. Die
frisch hergestellten Zuckerlösungen, die für die jedesmalige Temperatur schwach
übersättigt oder schwach untersättigt waren, wurden mit möglichst viel
Krystallzucker im Rührwerk zusammengebracht und bei einer von einem gewissen Punkte
ab constant gehaltenen Temperatur in steter Bewegung erhalten. Durch allmähliches
Herabgehen von einer höheren Temperatur bis zur verlangten, bezieh. durch
entsprechendes Heraufgehen, musste durch Auskrystallisiren oder Lösen von Zucker ein
übereinstimmendes Endresultat erhalten werden. Die sorgfältigst angestellten
Fundamentalversuche ergaben nachstehende neue Tabelle für die Löslichkeit des
Rohrzuckers in Wasser für 0 bis 100° C. von Dr. A.
Herzfeld.
Temp.°C.
ProcenteRohrzucker.
Temp.°C.
ProcenteRohrzucker.
Temp.°C.
ProcenteRohrzucker.
0
64,18
17
66,63
34
69,38
1
64,31
18
66,78
35
69,55
2
64,45
19
66,93
36
69,72
3
64,59
20
67,09
37
69,89
4
64,73
21
67,25
38
70,06
5
64,87
22
67,41
39
70,24
6
65,01
23
67,57
40
70,42
7
65,15
24
67,73
41
70,60
8
65,29
25
67,89
42
70,78
9
65,43
26
68,05
43
70,96
10
65,58
27
68,21
44
71,14
11
65,73
28
68,37
45
71,32
12
65,88
29
68,53
46
71,50
13
66,03
30
68,70
47
71,68
14
66,18
31
68,87
48
71,87
15
66,33
32
69,04
49
72,06
16
66,48
33
69,21
50
72,25
Temp.°C.
ProcenteRohrzucker.
Temp.°C.
ProcenteRohrzucker.
Temp.°C.
ProcenteRohrzucker.
51
72,44
68
75,80
85
79,46
52
72,63
69
76,01
86
79,69
53
72,82
70
76,22
87
79,92
54
73,01
71
76,43
88
80,15
55
73,20
72
76,64
89
80,38
56
73,39
73
76,85
90
80,61
57
73,58
74
77,06
91
80,84
58
73,78
75
77,27
92
81,07
59
73,98
76
77,48
93
81,30
60
74,18
77
77,70
94
81,53
61
74,38
78
77,92
95
81,77
62
74,58
79
78,14
96
82,01
63
74,78
80
78,36
97
82,25
64
74,98
81
78,58
98
82,49
65
75,18
82
78,80
99
82,73
66
75,38
83
79,02
100
82,97
67
75,59
84
79,24
Allgemeine Gleichung der Löslichkeitscurve:
y = 64,1835 + 0,13477 x + 0,0005307 x2
Ueber die Ursachen der Melassebildung gelangt Verf. zu folgenden
Ansichten: 1) Zusatz geringer Mengen von Einzelsalzen anorganischer wie organischer
Natur zu Zuckerlösungen wirkt, sofern nicht Nebenwirkungen eintreten, die
Löslichkeit des Zuckers verringernd, grosse Mengen Salze aber erhöhen dieselbe. Am
stärksten aussalzend wirken Körper, die Krystallwasser binden, am stärksten lösend
leicht lösliche organische Salze, z.B. essigsaures Kali. 2) Salzgemische erweisen
sich in verdünnter Lösung gleichfalls die Löslichkeit des Zuckers verringernd, in
concentrirter vergrössern sie dieselbe. Jedes Salz wirkt dabei annähernd so, als
wäre es allein, aber in einer dem Gesammtgewichte äquivalenten Menge vorhanden,
daher erklärt es sich, dass in concentrirter Lösung schon relativ geringe Gehalte
des Salzgemisches an leicht löslichen Salzen die Löslichkeit des Zuckers stark
erhöhen. Auch anorganische Salze lösen in concentrirter Lösung Zucker, sie können
also praktisch nicht als „negative Melassenbildner“ im Sinne der alten
Theorie Marschall's gelten, vielmehr nehmen an der
Melassebildung alle vorhandenen Nichtzuckerstoffe in wechselndem Maasse theil, wie
dies Lippmann schon 1882 ausführte. 3) Normale Melasse
ist keine übersättigte Zuckerlösung, sondern enthält deshalb eine, das
Lösungsvermögen ihres Wassergehaltes übersteigende Zuckermenge, weil der Zucker in
der Nichtzuckerlösung der Melasse leichter löslich ist als im Wasser allein; sie ist
also eine gesättigte Lösung von Zucker in Nichtzuckerlösung. 4) Setzt man der
Melasse so viel Wasser zu, dass das Verhältniss von Zucker und Wasser jenes der bei
dieser Temperatur gesättigten reinen Zuckerlösung ist, so löst sie noch viel Zucker
auf. Bei fortschreitender stärkerer Verdünnung nähert sich ihr Lösungsvermögen dem
des Wassers allein, bei sehr starker Verdünnung fällt es sogar unter diese Grenze.
5) Die Krystallisation des Zuckers aus der Melasse wird keineswegs lediglich durch
die Zähflüssigkeit bedingt, sondern in erster Linie dadurch, dass die
Nichtzuckerstoffe desto mehr Zucker lösen, je weiter das Wasser verdunstet wird.
Beim Einkochen der Melasse wird die Krystallisation nicht nur mechanisch gehindert,
sondern wesentlich auch deshalb, weil die Löslichkeit des Nichtzuckers durch die
Gegenwart des Zuckers gleichfalls erhöht wird (wie schon Dubrunfaut angab), also durch gegenseitige Beeinflussung eine Erhöhung der
gesammten Löslichkeit stattfindet.
Die Raffinose folgt den allgemeinen, für den Nichtzucker
aufgestellten Gesetzen, wirkt aber auch in stärkerer Concentration schwächer
melassebildend als alle anderen näher untersuchten Stoffe (selbst als Chlorkalium!),
und ist keinesfalls der „böse Melassenbildner“, als welchen sie Tollens anfänglich bezeichnete.
III. Theil. Vorschläge zur Aenderung der
Rendementsberechnung des Rohzuckers mit Berücksichtigung des organischen
Nichtzuckers, besonders der Raffinose. In Frankreich ist bekanntlich der,
dort zuerst von Monnier, Chemiker der Raffinerie Say, um 1862 eingeführte sogen.
Rendementscoefficient 5 für die Asche schon seit Längerem wieder verlassen, vielmehr
zieht man von der Polarisation 4mal die Asche, 2mal den Invertzucker und 1½ Proc.
für Fabrikationsverlust ab, ferner vom Geldwerthe 2mal die organischen Stoffe, zu 60
Centimes das Procent gerechnet. Auch für Deutschland wäre es richtiger, den
Aschencoefficienten 5, welcher seit jeher allseitig verurtheilt wurde, fallen zu
lassen, an Stelle der blossen Asche aber den gesammten Nichtzucker zu
berücksichtigen, denn nicht nur nimmt aller Nichtzucker an der Melassebildung Theil,
sondern es gibt auch organische Stoffe, vor allem die Ueberhitzungs- und
Zersetzungsproducte des Zuckers, welche gar nicht an Asche gebunden sind, also durch
einen blossen Aschencoefficienten überhaupt nicht mit getroffen werden können.
Ferner würde jeder Vorwand entfallen, z.B. für Raffinose besondere Abzüge zu machen
(ausser, wo sie wirklich vorhanden ist, der Polarisationscorrectur). Würde man z.B.
den gesammten Nichtzucker mit dem (wissenschaftlich allerdings nicht zu
begründenden) Factor 2 multipliciren und das Product von der Polarisation abziehen,
so würden, wie eine grosse Reihe Analysen von Erstproducten ergeben, die
Rendementszahlen von den jetzigen nur unerheblich abweichen und nur die sogen.
„aschengünstigen“ Zucker niedriger auskommen, die aber sehr häufig an
organischen Stoffen überreich sind; man hätte also auf derselben Basis wie früher
eine gerechtere Beurtheilung der Waare. Bei Nachproducten wäre jedoch eine neue
Basis wünschenswerth, die einzuführen man nicht scheuen sollte. Obwohl die
Aschenbestimmung mit Unrecht als besonders zuverlässig gepriesen wird, so bleibt
doch der Haupteinwand gegen die Berücksichtigung des Gesammtnichtzuckers zu erwägen,
nämlich die angebliche Schwierigkeit und Ungenauigkeit der Wasserbestimmung, welche
zur Feststellung der Trockensubstanz nöthig ist, und die (oft recht willkürliche)
Combination dieser möglichen Fehler mit den bei der Polarisation zulässigen. Nun
sind aber bezüglich Schärfe und Zuverlässigkeit der letzteren neuerdings ganz
ausserordentliche Fortschritte gemacht worden. Ferner würden, wie auch die
hervorragendsten Handelschemiker schon längst hervorgehoben haben, mit der
Einführung der Wasserbestimmung die meisten der jetzigen Polarisationsdifferenzen
schwinden, weil diese auf wechselndem Wassergehalte der Muster beruhen. Endlich ist
die Wasserbestimmung (die mit Unrecht zuweilen als eine indirecte bezeichnet wird)
eine zuverlässige und sichere, wenn man sich nur geeigneter, jede Ueberhitzung
ausschliessender Trockenapparate bedient, z.B. der Lufttrockenschränke mit
Doppelwandung, Asbest- oder Glaseinlagen, und des Salzwassers, des Toluols
(Siedepunkte 109 bis 110°), oder entsprechend warmen Dampfes als Heizmaterial. Der
Bestimmung des Gesammtnichtzuckers, welche ebenso leicht und rasch ausführbar ist,
als die übliche der Asche, muss man daher a priori dieselbe Zuverlässigkeit für die
Rendementsberechnung zuschreiben als letzterer; eine definitive Erledigung kann
jedoch nur die Erfahrung bringen.
Alberti und Hempel in
Magdeburg prüften die von Soxhlet empfohlene Methode
der Wasserbestimmung bei Rohzuckern, unter
Berücksichtigung ihres Werthes für die Werthberechnung
der Rohzucker (Deutsche Zuckerindustrie, 1892 Nr. 11,
besondere Beilage S. 385).
Bekanntlich hatte sich Soxhlet über
die bisher üblichen Trockeneinrichtungen dahin ausgesprochen (Zeitschrift für angewandte Chemie, 1891 S. 364), dass
dieselben an drei Fehlern leiden, principiellen Fehlern, welche weder eine exacte
noch eine rasche Trockensubstanzbestimmung gestatten.
1) Wenn auch ein bis in die Mitte des Trockenraumes reichendes
Thermometer eine bestimmte Temperatur zeigt, so ist diese doch nie die wahre
Trockentemperatur, in dieser Beziehung gibt man sich gewöhnlich argen Illusionen
hin; man kann in einem Trockenkasten von 25 cm Seitenlänge in verschiedenen Höhen,
in der Mitte und namentlich an den ausstrahlenden Ecken Temperaturdifferenzen von
10° und darüber beobachten. Durch Isoliren der Wände ist dieser Uebelstand wohl zu
verringern, aber nicht zu beseitigen.
2) Die zu trocknende Substanz erhält die Wärme durch heisse Luft
zugeführt, die Luft ist aber, ihrer geringen specifischen Wärme und ihrer schlechten
Wärmeleitungsfähigkeit wegen, ein sehr schlechtes Medium für die Wärmeführung.
3) Die Ventilation ist eine mangelhafte; Oeffnungen an der Thür
und an der Decke sind für eine vollkommene Entfernung der feuchten Luft unzureichend
und tragen nur noch durch Zuführung kalter Luft zur Vergrösserung der
Temperaturdifferenzen im Luftraume bei.
Hiernach betrachteten die Verfasser den gewöhnlichen
Lufttrockenschrank für beseitigt und gingen zur Prüfung der Trockenapparate von Soxhlet und von Schwackhöfer über. In Folge derselben sahen sie sich veranlasst, die
Vorzüge des Soxhlet'schen Apparates, hauptsächlich die
Anwendung der Kochsalzlösung und die dadurch bedingte höhere Trockentemperatur,
sowie die starke Ventilation mit Zuführung heisser Luft, auf den Schwackhöfer'schen Apparat zu übertragen und, ohne
Hinzufügung von etwas Neuem, einen aus beiden zusammengesetzten Trockenschrank
herzustellen, welchen sie als Schwackhöfer-Soxhlet'schen bezeichnen.Zu beziehen von Stefan Baumann in Wien,
Floriangasse 11, sowie von Johannes Greiner in
München, Neuhausergasse 49.
Mit diesem Apparate haben nun die Verfasser eine grössere Reihe von
Untersuchungen ausgeführt und mit denjenigen verglichen, welche die directe
Wasserbestimmung (Wägung des beim Trocknen entweichenden Wassers) mittels eines
eigens hergestellten, doppelten und Vergleichsbestimmungen gestattenden Apparates
ergab.
Alle Untersuchungen wurden wie üblich doppelt und unter Anwendung
von 10 g Substanz ausgeführt.
Die Zeitdauer der Erhitzung von 2 bis 3 Stunden hat in allen
Fällen genügt, da sich bei sämmtlichen Versuchen nach einer weiteren Stunde
Trocknens so minimale Abnahmen zeigten, dass dieselben nicht zu berücksichtigen
sind. In der Praxis wird man ja bei angestrengtem Betriebe von einer wiederholten
Trocknung bis zur Gewichtsconstanz absehen müssen. Verfasser glauben im Allgemeinen
für erste Producte eine Zeitdauer der Erhitzung von 2, bei Nachproducten von 3
Stunden als vollauf ausreichend bezeichnen zu können. Dass diese Zeit bei eiligen
Untersuchungen und trocknen Producten unbeanstandet der Sicherheit des Resultates
verkürzt werden kann, ist ihnen ebenso bekannt, als sie wissen, dass für abnormal
feuchte Producte eine Erhöhung derselben erforderlich sein kann.
Die Versuchsreihe ergibt, dass die indirecte Wasserbestimmung im
Schwackhöfer-Soxhlet'schen Apparat gute Resultate
erzielt und die Differenzen zwischen dieser Bestimmung und der directen
Wasserbestimmung durchaus nicht über die gewöhnliche Fehlergrenze analytischer
Methoden hinausgehen. Die Bestimmung des Wassergehaltes in Rohzuckern durch den Schwackhöfer-Soxhlet'schen Apparat ist bei Anwendung
von 10 g bis 0,1 Proc. genau und genügt den Anforderungen des Handels in vollem
Maasse.
Hiernach gehen die Verfasser auf die Bestimmung der anorganischen
Bestandtheile in Zuckerproducten ein und bemerken, dass sie neuerdings diese
Bestimmungen immer mit 10 g Zucker ausführen und hierdurch die Resultate äusserst
genau sind. Die Vereinigung der Bestimmung des Wassergehaltes und der anorganischen
Bestandtheile ist bei denjenigen Untersuchungen, welche nicht besonders eilig
erfolgen müssen, leicht möglich. Der Gang der Untersuchung ist dann folgender:
Etwa 15 g Quarzsand (von der Firma H.
Trommsdorff in Erfurt neuerdings in guter Qualität geliefert) werden in ein
flaches Platinschälchen von 58 mm Durchmesser und 18 mm Höhe gebracht und mit einem
kleinen passenden Platinspatel zusammen geglüht. (Die Bezugsquelle der Verfasser für
diese Platinutensilien ist die Firma G. Siebert in
Hanau a. M.) 10 g Zucker werden auf einem Tarirblech genau gewogen und in das so
vorbereitete und nach dem Erkalten vorher gewogene Schälchen gebracht. Das
Gesammtgewicht wird dann sofort ermittelt. Das erste Gewicht ist als Taragewicht für
die Bestimmung der anorganischen Bestandtheile, das letztere als Bruttogewicht für
die Ermittelung des Wassergehaltes maassgebend.
Für die Gehaltsberechnung wird unbeschadet der Genauigkeit die
Anwendung von 10 g Substanz angenommen. Die Masse im Tiegel wird nun unter
Vermeidung jedes Verlustes, welcher bei einiger Praxis auch wirklich ausgeschlossen
ist, recht gut durchgemischt und das Schälchen in den Schwackhöfer-Soxhlet'schen Trockenschrank gebracht. Unter diesen
Verhältnissen genügt, wenn nicht ganz anormal feuchte Zucker vorliegen, bei ersten
Producten eine Trockendauer von höchstens 1½, bei Nachproducten eine solche von 2½
Stunden. Aus der Gewichtsabnahme ist durch Multiplication mit 10 rasch der
procentische Gehalt zu berechnen. Das Platinschälchen wird nun sofort mit voller
Flamme in einer passenden Platinmuffel erhitzt. Die Verkohlung des Zuckers geht ohne
die geringste Gefahr des Ueberschäumens vor sich und ist die vollständige Veraschung
je nach dem Product in längstens 1½ bis 2 Stunden beendet. Die Gewichtszunahme
verzehnfacht, ergibt den procentischen Gehalt an anorganischen Bestandtheilen. In
denjenigen Fällen, in welchen der Handel die Analysenresultate sehr rasch fordert,
würde sich die getrennte Bestimmung des Gehaltes an Wasser und anorganischen
Bestandtheilen empfehlen.
Mit Bezug auf die Aschenbestimmung mittels Schwefelsäure gelangen
die Verfasser durch ihre verglichenen Bestimmungen zu dem Schlusse, dass dieselbe
bei Anwendung von 3 g Substanz – aber auch nur dann – den Vortheil der rascheren
Arbeit, die Bestimmung der anorganischen Bestandtheile bei Anwendung von 10 g den
Vortheil einer ausserordentlichen Genauigkeit habe. Die Bestimmung der Sulfatasche
ergaben weder relativ, noch viel weniger absolut richtige Zahlen und können selbst
für Handelszwecke nur so lange genügen, als etwas Besseres nicht zur Verfügung
stehe.
Pellet's Durchflussröhre für ununterbrochene Polarisation (1891 282 19)
ist von R. Löhr auf Grund seiner Erfahrungen als
sehr zweckentsprechend und brauchbar empfohlen worden (Deutsche Zuckerindustrie, 1892 Nr. 7).
Kühle erhielt ein Patent (D. R. P. Nr. 59432) auf eine
Quetschmühle zur Herstellung geschliffenen Breies
aus frischen und aus ausgelaugten Rübenschnitzeln.
Der Patentanspruch lautet: Eine Quetschmühle., gekennzeichnet
durch das innen geriffelte Gehäuse, in welchem sich Mahlwalzen derartig bewegen,
dass deren geriffelte Peripherie unter elastischem Druck gegen das Gehäuse arbeitet,
um zwischen diesen das Mahlgut zu zerkleinern.
Die Mühle wird von R. Kiehle in
Leipzig zum Preise von 250 M. angefertigt.
v. Lippmann beschrieb das Würfelzuckerverfahren von Adant (Director der Raffinerie
Gräffe in Brüssel) und sprach sich sehr günstig über dasselbe aus (Deutsche Zuckerindustrie, 1891 Nr. 45 S. 1477).
Der Grundgedanke des Adant'schen
Verfahrens ist, die in entsprechender Weise vorgerichtete Centrifugenlauftrommel
direct als Füllgefäss zu gebrauchen und die in ihr erkaltete Füllmasse ohne jede
Umpackung, ohne Benutzung weiterer Apparate und mit einem Minimum von Handarbeit in
fertige Zuckerplatten überzuführen. Für eine Centrifuge braucht man, was ja auch
ganz natürlich ist, mehr als eine Lauftrommel; Adant
wendet z.B. 15 bis 20 Stück Trommeln an, zu denen wiederum ebenso viele Füllwagen
gehören. Vor Beginn der Arbeit müssen zunächst die Trommeln zusammengesetzt werden.
Jedes Trommelgewicht besitzt eine ringförmige Bodenplatte, welche vier feste,
dreikantige Keile trägt, die so hoch sind, wie die fertige Trommel selbst werden
soll. Zwischen diesen vier festen Keilen werden noch vier bewegliche (von gleicher
Gestalt) eingefügt, so dass man acht Abtheilungen erhält, welche nun mit senkrecht
stehenden Zwischenblechen, die sich in passend angebrachten Rillen radial
einschieben lassen, ausgesetzt werden; schliesslich wird oben ein Deckring aufgelegt
und befestigt. Das fertige Trommelgerippe stellt also einen Hohlcylinder dar, dessen
Mantel unten durch die Bodenplatte, oben durch den Deckring begrenzt ist und durch
die Keile in acht Abtheilungen getheilt wird, deren jede in der Regel 17 radiale
Zwischenbleche besitzt, also 18 Zuckertafeln liefern kann. Der innere Hohlraum des
Cylinders ist völlig frei und enthält keine Achse oder Spindel. Die Zwischenbleche
sind entweder so hoch wie die Keile oder nur ½ oder ⅓ so hoch wie diese. Im
letzteren Falle muss man die senkrecht übereinanderstehenden Lagen durch wagerechte
Einlegebleche von einander trennen. Der Deckring besitzt oberhalb jeder der acht
Abtheilungen einen Schlitz, auf den zunächst ein genau passender, kleiner
Fülltrichter aufgeschraubt wird. Die so vorbereitete Trommel wird mittels eines
hydraulischen Krahnes in ihren, aus zwei concentrischen Blechmänteln bestehenden, am
Boden geschlossenen Füllwagen gesetzt. Die Füllwagen werden nun unter das Vacuum
gefahren und die Füllmasse (mit ungefähr 10 Proc. Wasser und einer Temperatur von
98° C.) eingegossen. Dieselbe ergiesst sich durch eine geeignete Vorrichtung
gleichzeitig in alle acht Abtheilungen, füllt die Trommel rasch aus, wobei die Luft
nicht nur durch die Fülltrichter, sondern auch an der ganzen inneren und äusseren
Peripherie des Trommelgerippes entweicht. Die gefüllten Wagen lässt man 12 bis 16
Stunden auskühlen; nach dem Erkalten werden die Fülltrichter abgenommen und die
Schlitze durch Platten dicht geschlossen. Durch comprimirte Luft löst man dann den
Füllmassenblock von Boden und Wandungen und hebt mittels eines Krahnes das ganze,
von kalter Zuckermasse erfüllte Trommelgerippe heraus. Von dieser Zuckermasse wird
die äusserste, stets etwas zähe Schicht abgekratzt, worauf dieselbe zum Schleudern
bereit ist. Der Abfall ist nur 1,5 bis höchstens 2,5 Proc. der zum Auflösen
zurückgeht. Die gefüllte Trommel wird nun in die Centrifuge eingesetzt; der Konus
des eigentlichen Centrifugenkörpers ist derartig dimensionirt, dass er den Hohlraum
des Trommelgerippes nur oben und unten völlig ausfüllt und dichtet, während im
Uebrigen zwischen seiner Oberfläche und der Innenwand der Füllmassenschicht ein
leerer, ringförmiger Raum verbleibt, welcher mit der Deckvorrichtung in Verbindung
steht. Es wird nun der Deckel geschlossen und bei 650 bis 700 Umdrehungen in der
Minute der Grünsyrup abgeschleudert; hierauf deckt man bei 150 bis 200 Touren mit
dem gebrauchten Decksyrup der vorherigen Schleuderung, entfernt dessen Rest wieder
bei voller Geschwindigkeit, führt dann (wieder bei 150 bis 200 Touren) die frische
Deckkläre ein und centrifugirt schliesslich bei voller Tourenzahl fertig. Auf 480 k
Füllmasse bester Qualität braucht man 80 bis 100 l frischer Deckkläre und gewinnt
bei einer gesammten Schleuderzeit von 25 bis
40 Minuten etwa 335 k feuchte Platten; da acht Abtheilungen zu 18 Tafeln
vorhanden sind, so liefert jede Schleuderung 144 Tafeln, deren Höhe 760 mm (oder 380
und 254 mm), deren Breite (Tiefe) 220 mm und deren Dicke 25 bis 30 mm (oder beliebig
mehr) beträgt. Die fertig geschleuderte Lauftrommel wird mittels des Krahnes aus der
Centrifuge gehoben und abgebaut. Die Zuckerplatten kommen in die Trockenstube und
die frei werdenden Bestandtheile des Trommelgerippes dienen dazu, sofort eine neue
Trommel zu bauen. Die Zuckerplatten werden 10 bis 15 Stunden, zuletzt bei 50° C,
getrocknet. Nach den Angaben Adant's liefern 100 k
Füllmasse etwa 70 bis 72 Proc. feuchte (mit 2 Proc. Wasser) oder etwa 69 bis 71
Proc. trockene Platten. Aus 100 k trockenen Platten erhält er ungefähr 84 Proc.
rangirte, 3 Proc. unrangirte und 5 Proc. Abfallwürfel, sowie etwa 8 Proc. Sägemehl.
Die Arbeitskosten betragen vom Füllhaus bis zur Trockenstube nur 29 Centimes auf 100
k Tafeln. Eine Centrifuge erfordert 7 zum Beginn und 4 zur Erhaltung der
Bewegung.
Die Vortheile des Adant'schen
Verfahrens sollen folgende sein: 1) Die Arbeit ist eine sehr reinliche und der
Abfall an Füllmasse ein minimaler. 2) Bei mässigem Deckklärverbrauch wird ein
vorzügliches, sehr gleichmässiges Product gewonnen, denn zerbrochene oder von
Luftblasen durchsetzte Platten kommen kaum vor. 3) Die Leistungsfähigkeit ist eine
sehr grosse, daher der Raumbedarf ein geringerer und der Kraftverbrauch ein
verhältnissmässig kleiner. 4) Die Arbeitskosten, insbesondere die Löhne, sind sehr
billig.
Im Februarheft 1892 der Zeitschrift des
Vereins für die Rübenzuckerindustrie des Deutschen Reiches wird diese
Beschreibung durch eine Abbildung der betreffenden Einrichtung erläutert.
Das Urtheil des deutschen Reichsgerichts wider das Steffen'sche RaffinationsverfahrenVgl. Oesterr. Wochenschrift des Centralvereine für
Rübenzucker-Industrie. (aus Neue
Zeitschrift für Rübenzuckerindustrie vom 16. December 1891, Bd. 27 Nr.
24).
Im Namen des Reiches.
In der Patentstreitsache
des Civilingenieurs Carl
Steffen in Wien und des Raimond Racymäcker in
Tirlemont, Nichtigkeitsbeklagten und Berufungskläger,
wider
den Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Scheibler in Berlin, Nichtigkeitskläger und Berufungsbeklagten,
hat das Reichsgericht, Erster Civilsenat, in der
Sitzung vom 9. November 1891, an welcher theilgenommen haben:
der Präsident Drechsler
und die Reichsgerichtsräthe Dr. Dreyer, Dr. Bolze, Rehbein, Dr. Behrend, Stolterfoth und Winchenbach,
für Recht erkannt:
Die Entscheidung des Kaiserlichen Patentamtes vom 6. April 1891
wird bestätigt; die Kosten des Berufungsverfahrens werden den Berufungsklägern
auferlegt.
Von Rechts wegen.
Gründe:
Den Nichtigkeitsbeklagten ist das Patent 31486 auf ein Verfahren
zur Gewinnung von weissem Zucker aus Rohzucker und das Patent 33284 auf ein
Verfahren zur Gewinnung von weissem Zucker aus Rohzuckerfüllmassen, das erste vom 1.
Juni 1884 ab, das zweite vom 20. Juli 1884 ab, ertheilt worden. Der Anspruch des
ersten Patents lautet so:
„Das Verfahren, aus Rohzucker weissen Zucker zu gewinnen, darin bestehend, dass
der Rohzucker in Form von losen Krystallen in einer Auslaugebatterie mit reiner
gesättigter Zuckerlösung derart behandelt wird, dass der Rohzucker mit der
Reinigungsflüssigkeit einen Krystallbrei bildet, wobei die
Reinigungsflüssigkeit, welche bei dem ältesten im Kreisprocess befindlichen
Krystallbrei eintritt, so lange über in die Batterie neu eingeführte
Rohzuckermengen geführt wird, bis der älteste Krystallbrei, mit reiner
Zuckerlösung durchtränkt, rein aus dem Kreisprocess gezogen werden kann, während
aus dem jüngst in die Batterie eingeführten Rohzucker die Reinigungsflüssigkeit
in Form einer melasseähnlichen Flüssigkeit abgezogen wird.“
Die Ansprüche des zweiten Patentes lauten so:
„1) Der Ersatz der im Anspruch des Hauptpatentes genannten Rohzuckerkrystalle
durch getrocknete Füllmasse.
2) Der Ersatz der reinen Zuckerlösung beim Auslaugeverfahren nach dem Anspruch
des Hauptpatentes durch Wasser, welches dem ältesten im Auslaugeapparat
befindlichen Krystallbrei zugeführt wird.“
Der Geh. Regierungsrath Prof. Dr. Scheibler in Berlin hat die Vernichtung dieser beiden Patente beantragt,
und das Kaiserliche Patentamt hat am 22. Januar 1891 die Patente für nichtig
erklärt. Gegen diese Entscheidung haben die Nichtigkeitsbeklagten die Berufung
eingelegt. Dieselbe war indessen im Wesentlichen aus den Gründen der
Vorentscheidung, welche die Berufungskläger vergebens zu widerlegen versucht haben,
zurückzuweisen. In dem Hauptpatente wird ein Verfahren unter Schutz gestellt,
Rohzucker mit reiner gesättigter Zuckerlösung so zu behandeln, dass die Zuckerlösung
den dem Rohzucker anhaftenden Syrup abwäscht; die abfliessende unreine Flüssigkeit
wird dann zur Auslaugung einer zweiten Menge von Rohzucker verwendet, während der
ersten Menge Rohzucker wieder eine gesättigte Zuckerlösung zugeführt wird, und mit
diesen Auslaugungen wird in einer ganzen Anzahl hintereinander der Behandlung
unterworfenen Zuckermengen fortgefahren, bis zuletzt auf der einen Seite gereinigter
Zucker, auf der anderen Seite Melasse übrig bleibt. Ein solches Verfahren war zur
Zeit der Anmeldung der Erfindung nicht mehr neu.
In dem Lehrbuch der Chemie von Otto, 3. Auflage 1851 S. 705, wird das Schützenbach'sche Verfahren beschrieben. Nach diesem
wird einer in Kästen gefüllten Rohzuckermasse Syrup aufgegossen, welcher von einem
reineren Zucker abgelaufen ist. Es wird hervorgehoben, dass dieser Syrup den
schlechten Syrup aus den Krystallen verdränge, so dass aus den an dem Kasten unten
angebrachten Röhren ein schlechterer Syrup abfliesse. Es lasse sich diese Reinigung
durch wiederholtes Aufgiessen eines immer besseren Syrups, wie man ihn durch Decken
besserer Rohzucker erhält, nach und nach so vollständig erreichen, dass es möglich
werde, aus dem zweiten Product sogleich einen schönen Farin zu erhalten. Dabei
verwende man den Syrup, welcher nach dem Verdrängen des schlechteren von den Kästen
abläuft, zum Decken von solchem Zucker, dessen Reinigung noch nicht so weit erreicht
sei.
In Muspratt's Chemie, 2. Auflage,
1870 S. 146, wird das Schützenbach'sche Verfahren mit
der Bemerkung beschrieben:
„Da der zum Decken verwendete Syrup als eine gesättigte Zuckerlösung zu
betrachten ist, die nur durch ein Verdrängen den vorhandenen schlechteren von
den Krystallen trennt...“
In D. p. J. 1844 92 291 wird veröffentlicht:
Nachdem der Zucker in Krystallen gewonnen ist, braucht man, um ihn
zu entfärben, nur das systematische Auswaschen desselben mit kaltbereiteten
Zuckerlösungen mittels der von Schützenbach erfundenen
Vorrichtungen vorzunehmen...
S. 292 wird bemerkt:
Die Principien, auf welche Schützenbach sein neues Verfahren gründete, bewähren sich demnach als
vollkommen praktisch, während man hätte befürchten können, dass dieser Gedanke noch
lange Zeit bloss im Bereiche der reinen Theorie heimisch bleiben möchte; denn es
gehen gegenwärtig aus den nach diesem Verfahren arbeitenden Fabriken nur zweierlei
Producte hervor, nämlich vollkommen weisser Hutzucker und eine Melasse, welche so
erschöpft ist, dass sie zu nichts mehr taugt als zum Branntweinbrennen. Alle
Zwischenproducte sind verschwunden.
Danach war der Gedanke, die Zuckerraffination durch fortgesetzte
Auslaugungen mit Anwendung gesättigter Zuckerlösungen zu betreiben, nicht mehr neu,
als die Beklagten ihre angebliche Erfindung anmeldeten.
Der mitbeklagte Steffen hat nun zwar
hiergegen eingewendet, Schützenbach habe seine
Auswaschungen nicht so weit fortgesetzt, dass zuletzt nur eine nicht weiter
verwendbare Melasse übrig blieb, vielmehr gehe aus der eigenen Veröffentlichung Schützenbach's in D. p. J.
1844 93 36 ff. hervor, dass Schützenbach den abfliessenden Syrup weiter verkocht habe.
Allein, wenn das auch anzunehmen wäre, so bestätigt die oben
angezogene Veröffentlichung, vgl. D. p. J. 1844 92 292, nicht, dass man hierbei in der Praxis stehen
geblieben ist. Diese Veröffentlichung legte vielmehr jedem Sachverständigen den
Gedanken nahe, bloss mittels fortgesetzter Auswaschung eben das Resultat zu
erzielen, welches die Beklagten erreicht haben, den Zucker und den unreinen Syrup so
von einander zu trennen, dass auf der einen Seite weisser Zucker, auf der anderen
Seite eine erschöpfte Melasse übrig blieb.
Damit widerlegt sich denn auch das in der mündlichen Verhandlung
vor dem Reichsgericht aus den Patentertheilungsacten vorgetragene Gutachten des
Prof. Dr. Soxhlet. Derselbe erklärt, man würde
wahrscheinlich schon früher das Verfahren der systematischen Auslaugung für den von
den Beklagten verfolgten Zweck solchen Fabrikationsbetrieben entlehnt haben, welche
auf dem genannten Wege werthvolle Extracte in concentrirter Form aus minder
werthvollen Rohmaterialien bei möglichster Erschöpfung der letzteren gewinnen. Der
Sachverständige findet den Erfindungsgedanken der Beklagten darin, dass diese sich
gewissermaassen die Aufgabe stellten, zunächst
Melasse zu machen, um reinen Zucker als Extractionsrückstand zu gewinnen.
Allein eben dieser letzte Gedanke war durch Schützenbach vorweggenommen, und wenn nun die Beklagten
das in anderen Fabrikationsbetrieben angewendete Verfahren, fortgesetzt und so lange
auszulaugen, als auf diesem Wege überhaupt noch eine Trennung der von einander
abzuscheidenden Stoffe zu erzielen war, auf die Scheidung der im Rohzucker
enthaltenen Zuckerkrystalle und des denselben anklebenden Syrups anwendeten, so war
angesichts der in anderen Fabrikationsbetrieben fortgesetzten Auslaugung in der
Verbesserung des Schützenbach'schen Verfahrens keine
Erfindung zu erblicken, selbst wenn das Schützenbach'sche Verfahren der blossen Auslaugung vor der Anmeldung der
Beklagten bis zu jenem Extrem nicht fortgesetzt worden wäre.
Dass aber in der Besonderheit der von den Beklagten angewendeten
Methode irgend eine Erfindung steckte, ist von denselben zur Ueberzeugung des
Gerichts nicht dargelegt worden.
Der Mitbeklagte Steffen hat zwar vor
dem Reichsgericht auszuführen gesucht, dass Schützenbach, wie sich aus den veröffentlichten Resultaten ergebe,
übersättigte Zuckerlösung angewendet habe, während von den Patentträgern gesättigte
Zuckerlösung anempfohlen sei. Allein aus der Publication Muspratt war jeder Sachverständige auf die gesättigte Zuckerlösung
hingewiesen. Und da, wie der Mitbeklagte selbst eingeräumt hat, er das Gesetz, wie
übersättigte Zuckerlösung wirkt, nicht gefunden hat, dasselbe vielmehr nach seiner
Darstellung den Technikern allgemein bekannt war, so wussten die Techniker auch,
dass sie, wenn sie eine fortgesetzte Auswaschung vornehmen wollten, zweckmässiger
Weise dabei eben nur gesättigte und nicht übersättigte Zuckerlösungen anzuwenden
haben würden. Ebenso war es vor der Anmeldung der Beklagten als völlig
selbstverständlich Jedermann bekannt, dass die Erhaltung eines breiartigen Zustandes
der auszuwaschenden Masse die Auswaschung erleichtern werde, dass also zu vermeiden
sein werde, dass zu wenig Flüssigkeit zugeführt werde, oder dass sich feste Klumpen
bildeten. Endlich haben die Beklagten bezüglich der Apparate und der Art ihrer
Benutzung überall auf bekannte Dinge verwiesen. Mit einigem Schein von Recht hat der
Rechtsanwalt der Beklagten geltend gemacht, es müsse doch eine Erfindung vorliegen,
da sich so viele bedeutende Fabriken dazu entschlossen hätten, von den Beklagten
Licenzen zu nehmen; es sei dies auch, wie von ihm unter Beweis gestellt wurde,
selbst von den Directoren solcher Fabriken geschehen, denen das Schützenbach'sche Verfahren bekannt gewesen sei. Auch
sei auf diese für die Industrie wichtige Verbesserung vor den Beklagten Niemand
gekommen. Endlich sei das Verfahren nicht ohne Schwierigkeiten auszugestalten
gewesen. Das ergebe sich daraus, dass der Fabrikeninspector Anthon in Prag nach den Veröffentlichungen in D.
p. J. 1868, 189 248 von fortgesetzten
Laboratoriumsversuchen spricht, ohne dass er bis dahin gelangt sei, die Sache als
technisch reif ansehen zu können.
Indessen diese von den Beklagten angerufene Veröffentlichung Anthonys bestätigt nur, dass diese wirklich eine
Erfindung nicht gemacht haben. Schon Anthon hatte sich
danach den Zweck vorgesetzt, sich durch Versuche davon zu überzeugen, ob sich die
Verschlechterung des ersten Ablaufes so weit treiben lasse, dass es zuletzt zu einem
wirklichen Melassenablauf komme. Er bejaht diese Frage und erklärt, dass er zu
diesem Resultate ohne irgend ein Hinderniss und ohne irgend eine Beobachtung
gelangte, welche die Besorgniss hätte aufkommen lassen, dass im Grossen nicht
derselbe Erfolg in gleicher Weise zu erzielen wäre (S. 249). Dass er in dieser
Mittheilung dem Fachmann nichts technisch Reifes geboten habe, erklärt er (S. 251)
daraus, dass er nicht in der Lage war, seine Versuche im Grossen zum Abschluss
bringen zu können. Wenn es danach auch einer Ausprobirung der bekannten Mittel
bedurfte, um dasjenige technische Verfahren festzustellen, welches im Grossen am
zweckmässigsten anzuwenden sein möchte, so ist die zweckmässigste Gestaltung
bekannter Methoden und Handgriffe doch lange noch keine Erfindung.
Dass aber die Beklagten keineswegs die einzigen waren, welche
glaubten, eine solche zweckmässige Gestaltung gefunden zu haben, ergibt sich aus dem
in den Patentertheilungsacten ersichtlichen Einspruch des Gustav Vibrans und seinen detaillirten Darstellungen.
Endlich erklären sich die Licenzgesuche der Zuckerfabriken daraus,
dass eben diese Fabriken behindert waren, ein Verfahren anzuwenden, welches
patentirt war; es ist auch eine Erfahrung, welche das Reichsgericht bei vor ihm
verhandelten Patentprocessachen mehrfach gemacht hat, dass Gewerbetreibende glauben,
sich geschäftlich besser zu stehen, wenn sie die Licenzgebühr zahlen, als wenn sie
durch eine von ihnen erhobene Nichtigkeitsklage das Resultat herbeiführen, dass das,
was patentirt ist, nun von ihren Concurrenten frei benutzt werden kann.
Auf die beantragte Beweiserhebung war bei dieser Sachlage nicht
einzugehen, vielmehr die Vernichtung des Hauptpatentes und des damit innig
zusammenhängenden Zusatzpatentes zu bestätigen. Es waren auch den Berufungsklägern
die Kosten dieser Instanz aufzuerlegen.
(Fortsetzung folgt.)