Titel: | Die neue Doppelkesselanlage der Spinnerei und Buntweberei Pfersee bei Augsburg. |
Autor: | A. Hering |
Fundstelle: | Band 286, Jahrgang 1892, S. 276 |
Download: | XML |
Die neue Doppelkesselanlage der Spinnerei und
Buntweberei Pfersee bei Augsburg.
Mit Abbildungen.
Die neue Doppelkesselanlage der Spinnerei und Buntweberei Pfersee
bei Augsburg.
Der wirthschaftliche Rückschritt in der deutschen Industrie ist ganz besonders bei
der Textilbranche in bedauerlicher Weise aufgetreten und wird namentlich in solchen
Etablissements verspürt werden, welche wegen mangelhafter Einrichtungen theurer
fabriciren.
Es werden daher alle Werke die gegenwärtige Zeit zur Einführung von Verbesserungen
benutzen, um bei dem ja nicht ausbleibenden Umschwünge von den besseren Zeiten
sofort zu profitiren.
Zu den Etablissements, welche zeitig an die erforderliche Reorganisation der
Einrichtung – namentlich der motorischen – herangetreten sind, gehört in erster
Linie die Spinnerei und Buntweberei in Pfersee bei Augsburg.
In diesem Etablissement wird die Betriebskraft zum geringen Theil von einer
Turbinenanlage, zum grossen Theil aber von zwei Dampfmaschinen erzeugt. Die eine,
grössere dieser Maschinen ist eine einstufige zweicylindrige Condensationsmaschine
von Gebrüder Sulzer in Winterthur, die andere eine
Verbundmaschine von der Maschinenfabrik Augsburg in
Augsburg.
Beide Maschinen befinden sich, wie durch wiederholte Versuche festgestellt ist, in
gutem Zustande, wenn auch nicht verhehlt werden kann, dass die grössere einstufige
zweicylindrige Condensationsmaschine hinsichtlich des sparsamen Dampfverbrauches der
Verbundmaschine etwas nachsteht, und ist deshalb in Aussicht genommen, die grössere
Eincylindermaschine durch eine Dreicylindermaschine zu ersetzen.
Da aber, wie schon angedeutet, der Zustand der demnächst auszuwechselnden Maschine
noch sehr gut ist, während andererseits die wirthschaftliche Leistung der inzwischen
veralteten Dampfkesselanlage sehr viel zu wünschen übrig liess, so wurde vorerst
eine dem heutigen Stande der Technik entsprechende neue Kesselanlage so hergestellt;
dass sie später eine Dreicylindermaschine speisen kann. Die Ausführung wurde dem
Unterzeichneten übertragen.
Der Auftrag lautete zunächst auf zwei Doppelkessel von 180 qm Heizfläche und 8½ at
Ueberdruck, an welchen sich später noch die Bestellung eines dritten Kessels der
gleichen Construction und Grösse, jedoch für 12 at reihte. Gleichzeitig mit den
beiden ersten Kesseln wurde eine „Anlage zur chemischen Reinigung des
Speisewassers, System Humboldt“, aufgestellt
und dieselbe mit den ersten Kesseln in Betrieb gesetzt.
Das erforderliche Kesselhaus wurde, nachdem von Unterzeichnetem die
Hauptabmessungen festgestellt waren, von Thormann und
Schneller in Augsburg entworfen und erbaut, und ist
dasselbe in nebenstehender Figur näher veranschaulicht.
Textabbildung Bd. 286, S. 277Dampfkesselanlage der Spinnerei Pfersee.A Humboldt'scher
Wasserreinigungsapparat; B Worthington's Dampfpumpen; C Cisterne für
Condensationswasser; D Kohlensilo. Der für die Aufnahme der Kessel bestimmte Raum hat bei 13 m Tiefe eine
lichte Länge von 19 m und ist derselbe so bemessen, dass ausser den bereits
untergebrachten drei Stück Doppelkesseln noch zwei weitere Kessel aufgestellt werden
können. Die Kohle wird hier nicht in das Kesselhaus gefahren, sondern direct vom
Wagen aus in den vor der Front befindlichen „Kohlensilo“ geworfen und von
hier aus durch die Heizer zur Verfeuerung herausgeholt. Durch diese Einrichtung wird
nicht nur das Kesselhaus viel sauberer erhalten, sondern es wird auch der durch das
immerwährende Kohlenfahren entstehende Luftzug vermieden.
Die in Holz gehaltene Dachconstruction wird von je zwei schmiedeeisernen, im
Kesselgemäuer eingelassenen Säulen getragen, während durch eine aufgesetzte Laterne
für genügende Ventilation des Kessellocales Sorge getragen ist.
Der sich an das letztere anschliessende und unter dem gleichen Dache befindliche Raum
für die Speisewasserreinigung hat eine Länge von 5,5 m, und befinden sich in
demselben auch die zur Speisung sowohl der neuen, als auch alten Kesselanlage
dienenden zwei Dampfpumpen „System Worthington“. Die Aufgabe der letzteren besteht aber nicht allein
darin, den Dampfkesseln das erforderliche Wasser zuzuführen, sondern eine derselben
hat auch den Wasserreinigungsapparat zu versorgen.
Bezüglich der Construction und Wirkungsweise des Wasserreinigungsapparates verweisen
wir auf 1890 275 * 412.
Textabbildung Bd. 286, S. 277Kessel der Spinnerei Pfersee. Ueber die Arbeitsweise der beiden Dampfpumpen ist zu bemerken, dass
dieselben ununterbrochen in Thätigkeit sind; brauchen Apparat und Kesselanlage
zeitweise kein Wasser, so tritt das angesaugte Wasser durch ein entsprechend
eingestelltes Sicherheitsventil nach dem Behälter zurück, aus dem es entnommen
wurde. Durch diese Neuerung ist nicht nur einem Zerspringen der Druckleitungen
vorgebeugt, sondern man ist auch sicher, dass die Dampfpumpen richtig functioniren,
was nicht immer der
Fall ist, wenn dieselben öfter abgestellt bezieh. ausser Thätigkeit gesetzt
werden.
Die Construction der zur Aufstellung gelangten Dampfkessel ist aus der umstehenden
Detailzeichnung (Fig. 1)
näher zu ersehen.
Da dieses Kesselsystem sich in Folge seiner Vorzüge ausserordentlich rasch
eingebürgert hat, so möge dasselbe hier etwas eingehender beschrieben werden.
Der aus einem Cornwallkessel mit darüber gelegtem
Heizröhrenkessel zusammengesetzte Doppelkessel verdankt seine Entstehung dem
Bestreben, die sogen. innere Heizfläche möglichst gross
zu machen, um auf diese Weise eine starke Erhitzung des Kesselmauerwerkes zu
vermeiden und die Wärme Verluste durch das Mauerwerk möglichst herabzudrücken.
Ich habe schon in meinen am 18. April 1884 bezieh. 23. März 1888 zu München im
bayerischen Bezirksverein des Vereins deutscher Ingenieure gehaltenen Vorträgen den
grossen Werth der Innenfeuerungen hervorgehoben und dabei nachgewiesen, dass der
ökonomische Effect eines Dampfkessels mit der relativen Grösse der inneren
Heizfläche wächst. (Vgl. Zeitschr. d. V. d. I., Bd. 23
u. 28.)
Es genügt ja auch eine einfache Ueberlegung, um darüber klar zu werden, dass
diejenige Kohlen- bezieh. Brennstoffmenge, welche bei Kesseln mit Aussenfeuerungen
erforderlich ist, um den Feuerherd täglich einmal in
Glühhitze zu versetzen, einen sich durchschnittlich jährlich 300mal wiederholenden
Verlustposten bildet, welcher um so grösser wird, je ausgedehnter die betreffende
Kesselanlage ist.
Da man nun gerade in Pfersee an den dort bislang im Betriebe befindlichen
Aussenfeuerungskesseln reichlich Gelegenheit hatte, die Grösse dieser Verlustposten
kennen zu lernen, so war es mir nicht schwer, den Leiter des Werkes zu überzeugen,
dass für die neue Anlage lediglich Innenfeuerungskessel in Frage kommen können. Der
abgebildete Doppelkessel ist aber ein Innenfeuerungskessel in des Wortes vollster
Bedeutung.
Die Feuerung liegt in den beiden, den Unterkessel durchziehenden Flammrohren. Die auf
den Rosten entwickelten Verbrennungsproducte gelangen nach dem Verlassen der
Flammrohre zunächst in die aus hochfeuerfesten Schwandorfer Kaolinsteinen
hergestellte Rauchverbrennungskammer, in welcher eine vollständige Nachverbrennung
aller etwa nicht vollkommen verbrannten Gase stattfindet. Erreicht wird dies
zunächst durch die im Verhältniss zu den eingebauten langen Rosten sehr kurzen Flammrohre, was zur Folge hat, dass die
Verbrennungsproducte mit einer sehr hohen Temperatur in die Verbrennungskammer
eintreten. Gelangen nun beim Schüren des einen der beiden Roste noch unverbrannte
Gase in die Rauchverbrennungskammer, so kommen sie einerseits mit den in Weissglut
befindlichen Wänden derselben in Berührung und mischen sich andererseits mit den aus
dem anderen Flammrohre austretenden und überschüssige Luft enthaltenden
Verbrennungsproducten, so dass in der Verbrennungskammer eine vollkommene secundäre
Verbrennung unter vollständigem Ausschluss von Rauch- und Russbildung stattfindet.
Dieser Umstand ist aber, abgesehen von der dadurch wegfallenden Belästigung der
Nachbarschaft, noch um deswillen von grösster Wichtigkeit, weil die Heizgase auf
ihrem weiteren Wege die im Oberkessel befindlichen Heizrohre passiren müssen.
Wären die Heizgase stark mit Russ vermengt, so würde die von diesen Röhren
gebildete Heizfläche einen Wärme nicht leitenden Ueberzug erhalten und die Heizgase
so behindern, ihre Wärme an das Wasser abzugeben. Nachdem aber häufig vorgenommene
pyrometrische Messungen ergaben, dass die Temperatur der aus den Heizröhren
austretenden Rauchgase im Maximum 350° C. beträgt, so ist die Wahrheit des oben
Gesagten aufs beste bewiesen, damit aber auch dargethan, dass bei dieser
Kesselconstruction von besonderen Wärmeverlusten überhaupt nicht die Rede sein kann,
weil die Rauchgase erst nach dem Verlassen der Heizröhren die äusseren Wandungen des
Kessels bezieh. der wirklichen Einmauerung bespülen, ehe sie nach dem Kamin
abziehen, und auf diesem Wege keine grosse Wärmetransmission mehr nach aussen
stattfinden kann, da die Abkühlung der Gase schon zu weit vorgeschritten ist.
Aus dem Gesagten geht zur Genüge hervor, dass die Feuerungseinrichtung der
Doppelkessel eine wirklich vollkommene genannt werden muss; ein Gleiches gilt aber
auch von der Bauart und sonstigen Wirkungsweise desselben.
Ein Hauptvorzug des ganzen Kesselsystems besteht zunächst noch darin, dass sowohl der
Unterkessel, als auch der Oberkessel mit gesondertem Dampfraume versehen sind und
dass beide Dampfräume mit einem reichlich bemessenen Dampfsammler in Verbindung
stehen, von wo aus der Dampf nach den Verbrauchsstellen geleitet wird. Aus dieser
Anordnung ergibt sich zunächst, dass die Dampfblasen bei ihrem Aufstiege keine
besonders hohe Wassersäule zu überwinden haben; ferner wird durch die beiden
Wasserspiegel eine sehr grosse Verdampfungsoberfläche geschaffen, während aus der
Gesammtanordnung grosse Dampf- und Wasserräume resultiren, welche für die Erzeugung
von technisch trockenem Dampf von der grössten Wichtigkeit sind.
Die Dampfräume stehen mittels eines durch einen weiten Blechstutzen geführten 160 mm
messenden Dampfrohres mit einander in Verbindung, während der Unterkessel sein
Speisewasser in der Regel aus dem Oberkessel erhält. Zu dem Zwecke ist durch den
schon erwähnten weiten Blechstutzen ein in der Höhe des normalen Wasserstandes
ausmündendes, nach oben trichterförmig erweitertes Ueberlaufrohr von 80 mm Weite vom
Unterkessel nach dem Oberkessel geführt, und taucht dasselbe am unteren Ende einige
Centimeter tief in den Wasserspiegel des Unterkessels ein, während das obere
trichterförmige Ende, wie schon erwähnt, in der Ebene des Wasserspiegels vom
Oberkessel ausmündet.
Das wirkliche Speiserohr geht durch den Dampfsammler hindurch nach dem Oberkessel und
wird daher in Folge dieser Anordnung das doch immerhin kalte Speisewasser in den von
relativ kälteren Heizgasen bespülten Oberkessel geleitet; die kälteren
Wasserschichten sinken dort zu Boden, während die warmen Wassermengen nach oben
steigen, um bei fortgesetzter Wasserzufuhr durch den Ueberlauftrichter nach dem
Unterkessel abzufliessen. Diese Art von Speisung hat den grossen Vortheil, dass alle
im Oberkessel schon ausgeschiedenen Kesselsteinbildner, welche anfänglich auf dem
Wasserspiegel herumschwimmen, von der auf demselben herrschenden Strömung nach dem
Unterkessel geführt werden, wo sie sich auf der kältesten Stelle desselben niederschlagen
und dort bequem entfernt werden können. Ausser dieser Speisevorrichtung ist noch
durch ein geeignetes Dreiwegerohr mit Ventilen Vorsorge getroffen, dass
nöthigenfalls der Unterkessel, wenn dort durch irgend welchen Zufall der
Wasserspiegel zu tief gesunken sein sollte, direct von der Pumpe gespeist werden
könnte, doch hat diese Einrichtung nur den Charakter eines Nothbehelfes und soll
dieselbe in der Regel nicht benutzt werden.
Eine weitere Eigenart der Construction ist die, dass, während der Oberkessel
wagerecht liegt, der Unterkessel nicht nur stark nach hinten geneigt ist, sondern
dass derselbe am hinteren Ende einen wesentlich kleineren Durchmesser hat als vorn
beim Heizerstand.
Mit dieser Anordnung wird eine allen anderen Doppelkesselconstructionen anhaftende
Schwäche beseitigt; nämlich die, dass die hintere Stirnwand nicht ganz von Wasser
bedeckt ist. Dies ist auch bei wagerechter Lage des Unterkessels natürlich nicht
möglich, und muss daher auch bei anderen Ausführungen der vom Wasser entblösste
Theil der hinteren Stirnwand durch eine vorgemauerte
feuerfeste Wand vor der Einwirkung der aus den Flammrohren tretenden Stichflamme
geschützt werden. Da aber diese Schutzwand an den Feuerrohren ausgespart werden
muss, so kam es vor, dass dieselbe während des Betriebes einstürzte, was zur Folge
hatte, dass der im Dampfraume liegende Theil der hinteren Stirnwand durch die
Einwirkung der Stichflamme defect wurde.
Bei der vorliegenden Ausführung ist nur eine auf dem Unterkessel fest aufruhende
Scheidewand erforderlich, während die hintere Stirnwand, da sie vollständig im
Wasserraume liegt, unbedenklich der Stichflamme ausgesetzt werden darf.
Hier ist auch noch die gewölbte Form der Kesselböden zu erwähnen, durch welche es,
selbst bei dem hohen Kesseldrucke von 12 at, ermöglicht wurde, nicht nur auf
jegliche weitere Verankerung der Stirnwand zu verzichten, sondern durch die
gewölbten Böden ist sogar der verschiedenartigen Ausdehnung und des Auftriebes der
Flammrohre Rechnung getragen. Es kommen daher die sonst gern auftretenden
Undichtheiten an den Stirnwänden, oder Brüche in den Flammrohrrundnähten gänzlich in
Wegfall.
Während nun die in Pfersee zuerst zur Aufstellung gelangten zwei Stück Doppelkessel
für 8½ at Ueberdruck wie bisher wohl allgemein üblich aus „Schweisseisen“
hergestellt wurden, ist man, um geringere Wandstärken zu erhalten, bei dem zuletzt
gelieferten Kessel von 12 at, unter Hinwegsetzung über die früher geäusserten,
jedoch unbegründeten Bedenken, dazu übergegangen, diesen Kessel aus dem eine
wesentlich grössere Festigkeit bietenden „Siemens-Martin-Stahl“ (oder
Flusseisen)herstellen zulassen.
Gegen dieses Material hat bei vielen Fachgenossen lange Zeit ein grosses Vorurtheil
bestanden, weil man gewohnt war, sich darunter ein sehr sprödes, in Folge dessen für
den Kesselbau wenig geeignetes Material vorzustellen, während es in Wirklichkeit die
gegentheiligen Eigenschaften besitzt.
Die für die deutschen Kesselfabrikanten maassgebenden Würzburger Normen schreiben für
die beim Kesselbau zu verwendenden Materialien folgende Festigkeit vor:
Mantelbleche in der Längsfaser
33 k
für
1 qc
bei
7
Proc.
Dehnung
Bördelbleche
35 k
„
1 qc
„
12
„
„
Feuerbleche
36 k
„
1 qc
„
18
„
„
Der nach dem basischen Processe hergestellte „Siemens-Martin-Stahl“ hat
aber schon in seiner geringsten Qualität eine Festigkeit von 36 k für 1 qc, welche
im Durchschnitt auf 42 k steigt, während die Dehnung im Minimum 20 Proc.
beträgt.
Diese Zahlen beweisen, dass die Bedenken, welche längere Zeit gegen dieses Material
geltend gemacht wurden, für unbegründet gehalten werden können.
Was nun die Bearbeitungsweise des hier beschriebenen Kessels für 12 at anbelangt, so
ist es selbstverständlich, dass dieselbe mit Rucksicht auf den hohen Betriebsdruck
und die durch die grossen Durchmesser bedingten grossen Wandstärken äusserst
sorgfältig vorgenommen werden muss, und genügt hierfür weder das gewöhnliche
Arbeitsverfahren, noch die bisher übliche Verbindung der einzelnen Platten.
Ein Lochen der Bleche mit der Lochmaschine ist vollständig ausgeschlossen, ebenso
unzulässig ist es aber auch, die einzelnen Platten in geradem Zustande nach der
Schablone zu bohren, da in diesem Falle die einzelnen Löcher nach dem Biegen nicht genau auf einander passen würden und es bei der
Steifheit der Platten nicht möglich wäre, die Löcher unter Anwendung eines
„Dornes“ passend zu machen.
Der einzig richtige Weg, genau passende Nietlöcher zu erhalten, besteht hier darin,
dass man die einzelnen Platten, nachdem sie gebogen sind, zu Ringen zusammenstellt
und die Enden durch Schraubzwingen oder Heftschrauben fest zusammenhält, worauf dann
die Nietlöcher unter grossen Bohrmaschinen durch sämmtliche Wandstärken gleichzeitig
hindurchgebohrt werden.
Durch diese Bearbeitungsweise werden nicht nur alle nachtheiligen Nebenspannungen im
Material vermieden, sondern es können dadurch auch kleinere Nietlöcher bezieh.
grössere Niete angewendet werden, weil alle Löcher völlig genau auf einander
passen.
Die Bleche selbst sind in unserem Falle nicht über einander gelegt, sondern stumpf
zusammengestossen, und ist die Verbindung derselben durch Innen- und Aussenlaschung
bewirkt.
Die Vernietung erfolgt auf hydraulischem Wege mittels Doppelpressen, und zwar in der
Weise, dass ein grösserer Stempel die Bleche erst dicht auf einander presst, worauf
ein in diesem Stempel geführter zweiter Stempel den Niet geräuschlos in das Loch
presst. Bei dieser Art der Vernietung ist ein Nachstemmen selten oder erst nur dann
erforderlich, wenn der Kessel einige Zeit im Betriebe war.
Da es bei so hohem Drucke wünschenswerth ist, alle Schüsse möglichst kreisrund zu
gestalten, so werden bei den Flammrohren die Längsnähte und bei den Mänteln der
Hauptkessel die Kopfenden der aussen liegenden Ringe geschweisst.
Durch die Verwendung des Siemens-Martin-Materials und die geschilderte
Bearbeitungsweise ist es möglich geworden, den Doppelkessel, dessen Construction im
ersten Augenblicke nicht für hohe Dampfspannungen geeignet erscheint, als Hochdruckkessel im vollen Sinne des Wortes auszuführen,
und ist man daher bei den immer mehr in Aufnahme kommenden Dreicylindermaschinen
nicht mehr gezwungen, nur zwischen dem Wasserrohrkessel und dem sehr unökonomisch
arbeitenden Batteriekessel wählen zu müssen. –
Ausser der üblichen 12monatlichen Garantie für Material und Arbeit des Kessels
war seitens der Bestellerin bedungen, dass bei Verwendung von bester reiner Ruhr-
oder Saarkohle für 1 qm Heizfläche und 1 Stunde mindestens 15 k Dampf producirt
werden und dass entweder 1 k dieser Kohle mindestens 10 k Wasser von 50° C. in Dampf
von 100° C., oder dass 1 k dieser Kohle mindestens 9,6 k Wasser von 50° C. in Dampf
von 8½ at Ueberdrück verwandelt.
Um festzustellen, ob diese Garantie auch erreicht sei, sollte auf Verlangen der
Bestellerin spätestens 3 Monate nach Inbetriebsetzung der Kessel durch den
bayerischen Dampfkesselrevisionsverein ein Garantie versuch vorgenommen werden,
dessen Ausführung sich nach den in Nr. 9 Jahrg. 1884 der Verbandszeitschrift der Dampfkesselüberwachungsvereine gegebenen
Vorschriften zu richten habe.
Falls bei diesen Versuchen die garantirte Leistung nicht erreicht werde, soll
Bestellerin berechtigt sein, für jedes volle Zehntel Minderverdampfung 500 M. vom
Kaufpreis in Abzug zu bringen.
Auf Grund dieser Bestimmung wurde denn auch am 7. und 8. August 1890 nach einem vom
bayerischen Dampfkesselrevisionsverein ausgearbeiteten Versuchsprogramm der
Garantieversuch vorgenommen und wie folgt durchgeführt:
Die beiden Kessel wurden jeweils vor den Versuchen gereinigt und auf Dichtheit sowohl
der Kesselkörper, als auch des Mauerwerkes untersucht und dabei alles in bester
Ordnung befunden, auch wurden dieselben programmgemäss jedesmal mindestens einen Tag
vor den Versuchen mit der betreffenden Versuchskohle angeheizt und mit dieser auch
geheizt erhalten.
Durch zwei vierstündige Vorversuche sollte einestheils das bei den Versuchen
betheiligte Personal eingeschult, anderentheils auch der ordnungsgemässe Zustand der
Instrumente erprobt und ausserdem auch die günstigsten Versuchsbedingungen ermittelt
werden.
Die Hauptversuche fanden ohne Unterbrechung statt, abgesehen von einer
unvermeidlichen Schmierpause von 4 Minuten, während welcher die Rauchklappen der
Kessel aber nahezu geschlossen waren. Immerhin wurde diese Zeit von der wirklichen
Versuchszeit in Abzug gebracht.
Der während der Versuche erzeugte Dampf ging theils direct zur Verbundmaschine,
theils durch ein Druckverminderungsventil in die Hauptdampfleitung der mit
geringerem Druck arbeitenden alten Kesselanlage, was zur Folge hatte, dass
Unregelmässigkeiten in der Bedienung der letzteren durch die Versuchsanlage
ausgeglichen werden mussten.
Kurz vor Beginn eines jeden Versuches wurden die Heizrohre der Oberkessel möglichst
gründlich gereinigt, dagegen während der Versuchszeit keine der Reinigungsthüren
geöffnet.
Die für die Versuche vorgesehene Steinkohle war von der Zeche Hibernia und Shamrock,
und zwar in den Sortirungen Nuss I und Nuss II bezogen. Dieselbe war vor den
Versuchen mehrere Tage trocken gelagert worden und dann auf einer genau adjustirten
Decimalwage abgewogen.
Während der Versuche wurden der Kohle grössere Durchschnittsproben und ausserdem
mehrere Feuchtigkeitsproben entnommen. Programmgemäss wurden diese Proben der
chemisch-technischen Prüfungs- und Versuchsanstalt Karlsruhe übersandt, damit
dieselbe den Heizwerth, Aschen- und Feuchtigkeitsgehalt bestimmt.
Nach dem mir seitens der Spinnereidirection zur Verfügung gestellten Berichte ergab
diese Untersuchung folgende Resultate:
Kohlensorte
Nuss I
Nuss II
Kohlenstoff
81,29
Proc.
81,13
Proc.
Wasserstoff
4,59
„
4,56
„
Sauerstoff
4,67
„
5,22
„
Schwefel
1,48
„
1,54
„
Wasser
3,95
„
2,68
„
Asche
4,02
„
4,87
„
––––––
––––––
100,00
100,00
Heizwerth in Wärmeeinheiten
7679
7646
Um sich darüber klar zu werden, ob während der Versuche durch die Rostspalten
grössere Mengen unverbrannte Kohlen hindurchfallen, wurden auch die Herdrückstände
gewogen und aus einer denselben entnommenen Durchschnittsprobe gefunden, dass
dieselben bei Nuss I 29,2 Proc. verbrennliche Bestandtheile enthielten.
Letztere Ziffer muss als ziemlich ungünstig bezeichnet werden, und hatte dieselbe
auch zur Folge, dass bei dem nachträglich aufgestellten Kessel die Rostspalten enger
ausgeführt wurden, und dürfte damit auch dieser Verlustposten auf das geringste
erreichbare Maass zurückgeführt werden.
Das während der Versuche verspeiste Wasser wurde der erwähnten Wasserreinigungsanlage
entnommen, doch war zwischen diesem und den Speiseapparaten ein auf einer
empfindlichen Wage montirter Holzbottich eingeschaltet, in welchem das gesammte
Speisewasser vor der Einführung nach dem Kessel gewogen wurde. Von diesem Bottich
aus floss das Wasser in ein gleich grosses entsprechend tiefer aufgestelltes Gefäss,
aus welchem es die Speisevorrichtungen ansaugten.
Durch die hier beschriebene, vom Verfasser schon in vielen Fällen angewandte und
erprobte Einrichtung war es möglich, das verspeiste Wasser ohne jede weitere
Zwischenrechnung genau zu bestimmen und können daher auch die durch diesen Versuch
gewonnenen Ergebnisse als äusserst genau bezeichnet werden.
Als selbstverständlich muss hier noch eingeschaltet werden, dass die Temperatur des
verspeisten Wassers fortlaufend notirt wurde und dass die Speiseleitung zur alten
Kesselanlage abgeflanscht war.
Da in das Versuchsprogramm auch die Untersuchung der Rauchgase aufgenommen war, so
wurden an verschiedenen Stellen deren Temperatur durch Quecksilberthermometer und
deren chemische Zusammensetzung unter Zuhilfenahme einer Bunte'schen Bürette bestimmt.
Ausser diesen Messungen wurde auch noch die Zugstärke durch einen von einem
gewöhnlichen Wassermanometer controlirten Siegert'schen
Zugmesser bestimmt und die Temperatur im Kesselhause in kleineren Zwischenräumen
gemessen.
Die zur besseren Beurtheilung der gewonnenen Ergebnisse hauptsächlichsten
mechanischen Verhältnisse der Anlage und die Hauptversuchsergebnisse sind in
folgender Tabelle enthalten:
Tabelle über die mechanischen Verhältnisse und
Versuchsergebnisse.
a) Mechanische
Verhältnisse.
Heizfläche (wasserbenetzte) für 1 Kessel
180,00 qm
Ueberhitzungsfläche (dampfberührte) für 1 Kessel
22,00 qm
Grösse des gesammten Dampfraumes für 1 Kessel
6,00 cbm
„ „ „ Wasserraumes für 1
Kessel
19,50 cbm
Verhältniss beider
1 : 3,25
Grösse des gesammten Wasserspiegels für 1 Kessel
14,20 qm
Verhältniss des Wasserspiegels zur Heizfläche
1 : 13
Totale Rostfläche für 1 Kessel
3,6 qm
Verhältniss von Rostfläche zur Heizfläche
1 : 50
Freie Rostfläche für 1 Kessel
1,80 qm
Kleinster freier Querschnitt in den Flammrohren für 1
Kessel
0,525 qm
Kleinster freier Querschnitt in den Heizröhren für 1
Kessel
0,550 qm
Freier Fuchsquerschnitt an der Zugklappe
0,970 qm
Schornsteinhöhe
46,00 m
Lichter oberer Schornsteinquerschnitt
6,93 qm
b) Versuchsergebnisse
7. AugustmitNuss I
8. AugustmitNuss II
Dauer des Versuches
Stund.
8,217
9,95
Kohlen verheizt während dieser Zeit mit beiden
Kesseln
k
4452
5328
Kohlen verheizt für 1 qm Rost- fläche und 1
Stunde
k
75,3
74,4
Anfall an Schlacke und Asche
k
139
207,5
In Procenten der verfeuerten Kohle
Proc.
3,12
3,89
Dieselben enthielten unver- brannte
Kohlentheile
Proc.
29,2
5,65
Wasser wurde verdampft
während des Versuches
k
44003
51044
Wasser wurde verdampft für 1
qm Heizfläche und 1 Stunde
k
14,71
14,09
Temperatur des Speisewassers.
Gr. C.
27,5
28,3
„ der Heizgase beim Verlassen des
Kessels
Gr. C.
222,6
242,0
Kohlensäuregehalt (CO2) der
Heiz- gase
Proc.
11,79
12,3
1 k Kohle verwandelte Wasser von 50° C. in Dampf von
87½ at
k
10,237
9,900
Nutzeffect der Kessel, bezogen auf den Heizwerth der
Kohle
Proc.
81,37
79,04
Wie aus den hier mitgetheilten Zahlen ersichtlich, ist die von mir eingegangene
Garantie; dass mit 1 k Ruhrkohle mindestens 9,6 k Wasser von 50° C. in Dampf von 8½
at Ueberdruck verwandelt werden, wesentlich überschritten worden, indem die
Verdampfungsziffer 10,237 bezieh. 9,901, im Mittel also
10,069 k
betrug, was einer Mehrleistung von 20,5 Proc. entspricht.
Wenn man den nicht unbeträchtlichen Verlust an unverbrannter Kohle durch die etwas zu
weit ausgefallenen Rostspalten berücksichtigt, so hätte am 7. August bei
entsprechend engeren Rostspalten die Verdampfungsziffer ganz gut auf 10,5 k Wasser
für 1 k Kohle gesteigert werden können.
Nichtsdestoweniger stellt die thatsächlich nachgewiesene Verdampfungsziffer eine noch
nirgends erreichte Leistung vor und wird dieselbe gewiss nicht verfehlen, die hier
beschriebene Doppelkesselconstruction in immer weiteren Kreisen einzubürgern, zumal
wenn die Ruhrkohle – wie nach der Lage des Kohlenmarktes mit Sicherheit anzunehmen
ist – wieder billiger wird.
In letzterem Falle wird es dann möglich sein, diese Kohle bis nach München
concurrenzfähig zu machen, was mit Rücksicht auf die dadurch erzielte Verminderung
der Rauch- und Russbelästigung viel dazu beitragen dürfte, unserer Residenzstadt den
immer fühlbarer werdenden Charakter einer Industriestadt zu benehmen.
In dem vom bayerischen Dampfkesselrevisionsverein an die Spinnerei und Buntweberei Pfersee erstatteten Berichte ist im Gutachten
über die ermittelte Leistung wörtlich gesagt: „... dass sowohl mit Shamrock I,
als auch mit Shamrock II die garantirte Verdampfungsziffer wesentlich
überschritten wurde; da auch die auf die vertragsmässige Heizfläche bezogene
Dampfleistung nahezu der vertragsmässigen entspricht, so ist zunächst
festzustellen, dass bei den Versuchen am 7. und 8. August die Garantieziffern
des Lieferungsvertrages erfüllt wurden.
Der erreichte Nutzeffect betrug etwa 81 Proc. bezieh. 79 Proc. und ist als sehr
gut zu bezeichnen.
Das hohe, mit Ruhrkohle erreichte Güteverhältniss ist dem Zusammenwirken
verschiedener Umstände und Verhältnisse zuzuschreiben, von denen wir folgende
anführen:
1) das günstige Verhältniss von Rostfläche zu Heizfläche (1 : 50);
2) die vortheilhaften Versuchsverhältnisse, insbesondere in Bezug auf
Rostbeanspruchung und Dampfleistung;
3) der Umstand, dass die Kessel auch während der Nacht geheizt wurden;
4) die vorzügliche Bedienung der Feuer und endlich
5) die Qualität der Shamrockkohle, welche geradezu als Typus einer besten
Kesselkohle bezeichnet werden darf. Dieselbe lässt sich mit geringem Zuge in
hoher Schicht verheizen, brennt dabei langsam und ganz gleichmässig mit nicht zu
langer Flamme und hinterlässt so wenig Rückstände (3 bis 4 Proc.), dass während
einer ganzen Tagschicht nur einmal geschlackt zu werden braucht. In Folge dieser
ausgezeichneten Eigenschaften war es möglich, die Kohle mit dem nur 1,6- bezieh.
1,5fachen der theoretischen Luftmenge auf dem Planroste vollkommen zu
verbrennen.“
Dass die ad 1, 2, 4 und 5 aufgeführten Punkte nicht zufällig zusammenwirken, sondern
von Haus aus berücksichtigt sein mussten, ist selbstverständlich, und wird jeder
unparteiische Fachmann aus den gewonnenen Versuchsresultaten die Ueberzeugung
gewinnen, dass die hier beschriebene Kesselanlage darauf Anspruch machen darf, zu
den besten, für jeden Interessenten sehenswerthen derartigen Neuanlagen gezählt zu
werden.
A. Hering.