Titel: | Lüftungseinrichtungen für Werkräume der Textilindustrie. |
Autor: | F. H. Haase |
Fundstelle: | Band 287, Jahrgang 1893, S. 33 |
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Lüftungseinrichtungen für Werkräume der
Textilindustrie.
Von F. H. Haase, gepr. Ingenieur, Patentanwalt
in Berlin.
(Fortsetzung des Berichtes Bd. 286 S.
179.)
Mit Abbildungen.
Lüftungseinrichtungen für Werkräume der
Textilindustrie.
Der jüngst besprochene Commissionsbericht des Industrievereins zu Mülhausen liefert
ein beredtes Zeugniss von dem Mangel an Klarheit, welcher zur Zeit noch in berufenen
Kreisen über die Mittel zur Beschaffung gesunder Raumluft in Werkräumen der
Textilindustrie herrscht. Die Commission hat sich anscheinend noch nicht einmal
über die Lage der Abzugsöffnungen für die Raumluft und über die Beschaffenheit der
Abzugskanäle informirt; denn in dem Commissionsberichte ist darüber gar nichts
gesagt. Die Temperatur wurde in allen untersuchten Räumen für die heisse Jahreszeit
zu hoch befunden, obwohl der Luftwechsel in einzelnen Räumen ziemlich bedeutend und
die Temperatur der Einströmungsluft in einigen Fällen wesentlich niedriger war als
diejenige der Raumluft. Die Ursache für die trotzdem zu hohe Raumtemperatur war
natürlich die Wärmeentwickelung der im Räume aufgestellten Maschinen.
Wohlan! Denken wir uns einmal, dass über einem geheizten Ofen kühle Luft Zutritt zu
einem Räume habe und dass sich am Fusse des Ofens ein mit der Raumluft
communicirender Luftkanal befinde, durch welchen hindurch ein kräftiges Absaugen der
Raumluft stattfindet, so wird – trotzdem die warme Luft ja die Eigenschaft zeigt,
sich in den Räumen nach der Decke hin zu erheben (oder richtiger gesagt von der
kühleren Luft in die Höhe gedrängt zu werden) – gerade vorwiegend warme Luft durch
den Absaugekanal entweichen und anstatt derselben kühle Luft in den Raum eindringen.
Es dürfte wohl wenige Techniker geben, welche diese Thatsache bezweifeln oder nicht
schon selbst zu beobachten Gelegenheit hatten.
Unter solchen Umständen wird natürlich der geheizte Ofen nur sehr geringen
erwärmenden Einfluss auf die Raumluft ausüben, wenn die obere Zuströmungsöffnung für
die kühle Luft und der Absaugekanal am Ofenfusse genügende Weite haben und die
specifische Saugwirkung in diesem Kanale nicht zu gering ist.
Nun – die mehr oder weniger warmen Theile der Maschinen in Spinnerei- und
Webereiwerkräumen sind dem geheizten Ofen vergleichbar und, wenn in solchen
Werkräumen am Fusse der Maschinen durch Bodenöffnungen hindurch Raumluft abgesaugt
wird, während durch an der Raumdecke befindliche Oeffnungen kühle Luft einströmt, so
wird man es leicht dahin bringen können, dass die Raumluft nur sehr wenig höher
temperirt ist als die einströmende Frischluft, ohne dass man eines allzugrossen
Luftwechsels bedarf.
Eine nach diesem Princip eingerichtete Lüftungsanlage eines Webereiwerkraumes der
Fabrik Orival bei Lisieu veranschaulichen die Fig. 18 bis 22. In
diesem Werkräume befinden sich 360 Webstühle für Cretonne-Gewebe und 400 Arbeiter.
Der freie Luftraum beträgt 6000 cbm (also 15 cbm für je einen Arbeiter). Die Lüftung
wird in origineller Weise durch den Fabrikschornstein bewirkt, welcher bei der
vorgenommenen Einrichtung im Winter nicht weniger als 45000 cbm Raumluft abzusaugen
vermag, ein Betrag, der indessen nicht beansprucht wird. In dem Sommer, in welchem
die Lüftungsanlage zum ersten Mal in Betrieb gesetzt wurde, betrug die Luftabsaugung
18000 cbm, entsprechend 45 cbm für je einen Arbeiter und dreimaligem Luftwechsel des
Raumes in der Stunde.
Die Frischluft wird durch 128 Oeffnungen der Scheddächer, 0,2 m unterhalb des
Firstes, in 5,0 m flöhe über dem Fussboden des Werkraumes eingeführt, während die
Raumluft durch 80 etwa 0,2 m über dem Fussboden – gegen die
Frischluftzuströmungsöffnungen versetzt – liegende Schachtöffnungen abströmt und
durch zehn unterhalb des Fussbodens befindliche Kanäle (d,
d1, d2 ...) einem Sammelkanal C zugeleitet wird, welcher letztere mittels eines unterirdischen, den
Schornsteinfuss theilweise umschlingenden Kanales mit dem Schornsteine
communicirt.
Um eine Hemmung der Rauchgasbewegung durch die kühlere Raumluft zu verhindern, ist in
den Schornstein eine 4 m hohe Mauerzunge eingemauert, welche beide Luftarten in dem
genannten Höhenbetrage trennt, während sich dieselben oberhalb der Mauerzunge mit
einander vermischen. Die ganze lichte Höhe des Schornsteines beträgt 45 m.
Textabbildung Bd. 287, S. 34Fig. 18.Lüftung für Weberei. Die Temperatur der Rauchgase bei ihrem Eintritt in den Schornstein
schwankt zwischen 220 und 240° C. je nach dem Brennmaterialconsum, der sich im
Durchschnitt auf 12000 k Kohle in 12 Stunden beläuft.
Die Befeuchtung der Luft erfolgt in der Weise, dass vor jeder
Frischluftzuströmungsöffnung im Dachbau eine Wasserstrahldüse liegt, aus welcher ein
dünner Wasserstrahl unter starkem Druck (an der Einmündungstelle unterliegt das
Wasser der Vertheilungsleitung einem Druck von 10 m Wassersäule) gegen eine die
Zuströmungsöffnung der Luft überdeckende Blechplatte (vgl. b in Fig. 21) strömt und demzufolge
zerstäubt wird.
Textabbildung Bd. 287, S. 34Fig. 19.Lüftung für Weberei. Die Wirkung der beschriebenen Lüftungs- und Befeuchtungseinrichtung wird
als eine ganz vorzügliche bezeichnet. Die Leistungsfähigkeit der Arbeiter soll sich
seit dem Betriebe derselben um 6 bis 7 Proc. erhöht haben, und während vordem der
Gesundheitszustand der Arbeiter im Allgemeinen sehr viel zu wünschen übrig gelassen
habe, sollen sich dieselben jetzt sehr wohl fühlen und namentlich einen sehr
gesunden Appetit entwickeln, was man wohl als ein sicheres Kennzeichen dafür
erachten darf, dass die Raumtemperatur nicht zu hoch und der Feuchtigkeitsgehalt der
Raumluft ein ziemlich hoher sein wird. Leider enthält der Bericht des Constructeurs
L. Perreau in den Bulletins
des Ingenieurs Civils keine näheren Angaben darüber.
Perreau berichtet, dass er durch Besprechung mit
dem berühmten General Morin auf die Idee geleitet
worden sei, die Lüftungsanlage in der beschriebenen Weise einzurichten.
Interessant sind auch die Mittheilungen Perreau's über
die Heizungseinrichtung des besprochenen Webereiwerkraumes.
Textabbildung Bd. 287, S. 34Fig. 20.Lüftung für Weberei.Perreau sagt, es habe sich ergeben, dass zu kalter
Winterzeit eine Raumtemperatur von 12° C. im Werkraume genügend sei (während die in
meinem letzten Berichte erwähnte Untersuchungscommission des Mülhauser
Industrievereins die Meinung aussprach, dass eine Raumtemperatur von 21° C. am
empfehlenswerthesten sei). Zur Einhaltung dieser Temperatur (von 12°) ist in 1 m
Höhe über den Webstühlen eine Kupferrohrleitung (T in
Fig. 21) von 0,16 m lichtem Durchmesser
angeordnet, in welcher Niederdruckdampf circulirt. Die Gesammtheizfläche dieser
Dampfrohrleitung beträgt 150 qm, entsprechend 0,75 qm für je 10 qm Bodenfläche des
Raumes.
Textabbildung Bd. 287, S. 34Fig. 21.Lüftung für Weberei. Ausserdem werden die im Werkraume angeordneten 450 Gasbrenner dem
Heizungszwecke dienstbar gemacht. Zu diesem Zwecke ist über jedem Gasbrenner,
central über der Flamme, ein senkrecht gerichtetes Rohrstück von 21 mm lichtem
Durchmesser und 1,5 m Höhe angebracht, welches bei stärkster Winterkälte sehr bald
nach dem Entzünden der Gasflamme am oberen Ende der umgebenden Luft eine
Temperaturhöhe von 80° C. ertheilt. Die so hoch temperirte Luft wird fortwährend von
der durch die Dachöffnungen einströmenden Frischluft mitgenommen und verursacht
deshalb durch Vermischung mit dieser eine Vorwärmung in so hohem Grade, dass bei
strengster Winterkälte ein halbstündiges Brennen der Gasflammen vor Beginn der
Tagesarbeit genügt, um den Werkraum hinreichend anzuheizen.
Obwohl die Heizeinrichtung hiernach nicht gerade als vollkommen erachtet werden kann,
wird man doch nicht in Abrede stellen können, dass sie auf sehr praktischem
Untergrund beruht, und wenn die Raumtemperatur von 12° C. für einen Werkraum, in
welchem doch einige Fingergelenkigkeit der Arbeiter erforderlich ist, auch manchem
Fachmanne wohl etwas zu niedrig scheinen wird, so muss die Einrichtung doch im
Wesentlichen als nachahmungswürdig bezeichnet werden. Die Heizfläche der
Dampfrohrleitung lässt sich ja leicht vergrössern, wenn hinreichend Dampf vorhanden
ist.
Die Wahl des Kupfers als Material für diese Rohre hat trotz des hohen Preises manches
für sich, da dieses Material nicht nur eine mehr als doppelt so grosse
Wärmeleitungsfähigkeit wie Eisen hat und an undichten Stellen leicht verdichtet
werden kann, sondern auch immer einen hohen Werth behält, während undicht gewordene
Eisenblechrohre fast werthlos sind. Ausserdem aber ist auch die Wärmestrahlung der
Kupferdampfrohre bedeutend geringer als die der Eisenblechrohre, weshalb bei
Anordnung der ersteren weit weniger als bei Anordnung der letzteren die Gefahr
vorliegt, dass die Arbeiter durch Wärmeausstrahlung der hochgelegenen Rohre einen
heissen Kopf bekommen, während sie an den Füssen frieren (ein Fall, der bekanntlich
nicht selten vorkommt).
Textabbildung Bd. 287, S. 35Fig. 22.Lüftung für Weberei. Dabei hat im vorliegenden Falle auch die grosse Höhenlage der Dampfrohre
keinen ungünstigen Einfluss auf die Wärmevertheilung, weil die durch Leitung an den
Röhren erhitzte Luft eben durch die von oben herzuströmende Frischluft mit nach
unten genommen wird.
Um etwas lässt sich auch die Frischluft durch Verwendung erwärmten Wassers zur
Luftbefeuchtung vorwärmen. Man wird zu diesem Zwecke am besten für den Winter eine
Rohrschlange o. dgl., welche vom Abdampf der Dampfmaschine umspült wird, in die
Wasserleitung einschalten.
Wenn man die Wirkung der Wasserzerstäubungseinrichtung näher untersucht, so wird man
finden, dass dieselbe nicht lediglich mechanische Mischung der Luft mit
Wasserstaubtheilchen bewirkt, sondern zufolge der Flächenbenässung auch eine
wirkliche Wasserverdampfung und demgemäss im Hochsommer eine Verminderung der
Temperatur der Frischluft verursacht. Bedeutend wird diese Temperaturverminderung
indessen wegen der geringen Grosse der benässten Flächen nicht sein.
(Fortsetzung folgt.)