Titel: | Ueber die Gewinnung von Spiritus aus Torf. |
Autor: | J. Mathëus |
Fundstelle: | Band 287, Jahrgang 1893, S. 91 |
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Ueber die Gewinnung von Spiritus aus Torf.Nachdruck
verboten.
Von Dr. J. Mathëus.
Ueber die Gewinnung von Spiritus aus Torf.
Unter dem 14. November 1891 meldete Carl Kappesser aus
Essen a. d. Ruhr ein Verfahren zum Patent an, nach
welchem der Torf als Rohmaterial für die Gewinnung von Spiritus in Anwendung kommen
soll.
Der Gedanke, die Cellulose in Zucker bezieh. in Alkohol überzuführen, ist schon viele
Jahre alt, neu ist bei dem genannten Verfahren nur die Anwendung des Torfes als
Ausgangsmaterial. Braconnot und Flechsig
erhielten durch Lösen getrockneter Cellulose in concentrirter Schwefelsäure,
Verdünnen dieser Lösung durch Wasser und darauf folgendes längeres Kochen Dextrose;
aus Dextrose wird durch Gährung mit Hefe Aethylalkohol erhalten.
Da nun die Cellulose den Hauptbestandteil des Holzes bildet, hat man schon oft
versucht, das Holz als Ausgangsmaterial für die Spiritusgewinnung im Grossen zu
verwerthen. Das älteste bekannt gewordene Verfahren datirt aus den 50er Jahren und
ist das von Braconnot angegebene. In Paris arbeitete
eine Fabrik folgendermaassen: Völlig getrocknetes Sägemehl wurde mit 110 Proc.
concentrirter Schwefelsäure gemischt, wobei man Erhitzung zu vermeiden suchte. Das
Holz verwandelte sich in einen Brei, welcher nach 12 Stunden mit Wasser verdünnt und
zum Sieden erhitzt wurde. Die Säure wurde durch Kalk neutralisirt und die Brühe
vergohren; der Alkohol wurde alsdann abdestillirt. Diese Fabrik reussirte aus nahe
liegenden Gründen nicht, denn man hat hierbei das Zerkleinern und völlige Trocknen
des Holzes, die grosse Menge concentrirter Schwefelsäure und entsprechende
Kalkmengen in Rechnung zu ziehen.
Durch lange andauerndes Kochen von Holz mit verdünnten Mineralsäuren kann ein Theil
der Cellulose in Zucker übergeführt werden und hat man dieses Verfahren in grossem
Maasstabe angeordnet; es wurden mehrere Patente in dieser Hinsicht genommen, ohne
dass jedoch bis heute eine Fabrik dauernd Spiritus auf diese Art dargestellt hätte.
Prof. Melsens in Brüssel kochte im J. 1855 das Holz mit
2 bis 10 Proc. Schwefelsäure 12 bis 24 Stunden lang. Später schlug er vor, bei 180°
C. zu kochen. Zetterlund kochte Sägespäne unter
schwachem Druck mehrere Stunden lang mit Salzsäure; er nahm 8 Th. Salzsäure auf 100
Th. Holz. Bachot und Machard kochten das in dünne Scheiben geschnittene Holz mit Salzsäure;
den Rückstand verarbeiteten sie auf Holzstoff. Hesse kocht das genügend zerkleinerte Holz, um Cellulose zu erhalten und
um die Incrusterien in Zucker überzuführen, mit Natriumhydrosulfat; die erhaltene
zuckerhaltige Brühe bringt er zur Vergährung.
Um aus der Cellulose des Holzes durch Einwirkung der verdünnten Schwefelsäure
gährungsfähigen Zucker in genügender Ausbeute zu erhalten, ist es Bedingung, dass
das Holz möglichst zerkleinert durch längere Zeit mit einer 2,5 proc. Schwefelsäure
bei mind. 150° C. und dem entsprechenden hohen Drucke gekocht wird. Diese
Bedingungen erschweren die Fabrikation im Grossen bedeutend.
Anders liegen dagegen diese Verhältnisse, wenn man den Torf als Ausgangsmaterial zur
Spiritusfabrikation heranzieht, denn:
1) Der Torf braucht nicht mechanisch zerkleinert zu werden, er bildet vielmehr eine
lockere, vom Wasser vollkommen durchdrungene Masse, die nur des Zusatzes der Säure
bedarf, um sofort gekocht werden zu können.
2) Da die Zersetzungstemperatur des Torfes schon bei 120° C. liegt, beim Holz dagegen
erst nach 150° C, so tritt die Umwandlung schneller ein bei niederer Temperatur und
niederem Drucke als beim Holze. In 5 Stunden bei 115 bis 120° C. und einem Drucke
von etwa 2 at wird die Kochung vollendet sein.
3) Der Torf bildet, in der Nähe des Moores verarbeitet, ein sehr billiges
Ausgangsmaterial, da 100 k trocken gedachter Torf im Kochgefässe auf etwa 30 Pf. zu
stehen kommen.
Die Spiritusfabrikation aus Torf gibt uns etwa folgendes Bild:
1) Der Torf wird, wie er aus dem Moore kommt, in den Kocher gebracht und mit soviel
einer 30 bis 35° Bé. starken Schwefelsäure übergossen, dass das im Torf vorhandene
Wasser mit der Schwefelsäure eine 2,5 proc. Schwefelsäure haltige Kochflüssigkeit
bildet. Um ein möglichst gleichmässiges Mischen zu erzielen, wird die Säure nicht
auf einmal, sondern in verschiedenen Portionen während des Einfüllens des Torfes
zugesetzt. Es kommt irgend eine entsprechende Abfallschwefelsäure zur
Verwendung.
2) Wenn der Kocher gefüllt ist, wird durch Heizen mittels Dampfschlangen bis gegen
100° C. angeheizt und dann bei 115 bis 120° C. 4 bis 5 Stunden lang weiter gekocht.
Durch Bestimmung der Zuckermenge in der Kochbrühe kann jederzeit der Kochprocess
beurtheilt werden.
3) Nach beendeter Kochung wird der Kocher durch Ausblasen in kurzer Zeit entleert und
kann sofort frisch gefüllt werden.
4) Brühe und Rückstand werden durch Filterpressen getrennt.
5) Die Brühe wird hierauf genügend concentrirt und mit Kalkmilch, zuletzt mit Kreide
neutralisirt.
6) Die auf etwa 25° C. abgekühlte Brühe wird mit Hefe vergohren.
7) Nach beendeter Gährung wird auf übliche Weise der Alkohol abdestillirt.
In diesem Sinne wurden Probekochungen ausgeführt und untenstehendes Resultat
erhalten. Als Versuchsmaterial diente Torf, wie er zum Heizen benutzt wird; derselbe
enthält ungefähr 14 Proc. Feuchtigkeit und 1,4 Proc. Asche.
Es wurden davon je 232,6 g für je eine Kochung abgewogen und mit 1088,4 cc
Wasser übergössen. Dadurch ist eine Torfmasse hergestellt, wie sie ähnlich im Moore
gestochen wird. Um nun eine 2,5proc. Schwefelsäure als Kochflüssigkeit zu haben,
sind 30 g concentrirte Schwefelsäure für je eine Kochung nöthig. In Rücksicht auf
die verkohlende Eigenschaft der concentrirten Säure wird eine verdünnte Lösung
derselben in Wasser vorbereitet. 75 cc dieser verdünnten Säure entsprechen 30 g der
concentrirten Säure; es kommt also eine Säure von etwa 28° Bé. zur Anwendung. Bei
der Fabrikation im Grossen wird mit Vortheil eine stärkere Säure zur Geltung kommen
und braucht auf besondere Reinheit derselben keine Rücksicht genommen zu werden, so
dass, wie schon erwähnt, eine Abfallsäure zur Verwendung kommen darf.
Der Torf, welcher das zugesetzte Wasser in sich aufgenommen hat, wird nun in einen
kleinen verbleiten Autoclaven eingesetzt und, um ein möglichst gleichmässiges
Mischen mit der Säure von vornherein zu erzielen, immer, wenn ungefähr ⅓ des Torfes
eingesetzt ist, mit jedesmal 25 cc der verdünnten Säure übergössen. Auf diese Weise
wird das mechanische Durcheinandermengen der Kochmasse erspart.
Wir haben also: 232,6 g lufttrockenen Torf = 200 g Torf + 32,6 cc Wasser, dazu kommen
1088,4 cc Wasser und 75 cc Schwefelsäure von 28° B.; dies gibt: 200 g Torf und 1200
cc 2,5proc. Säure.
Die Masse beansprucht ungefähr 1,5 l Raum; es würden demnach 100 k trocken gedachter
Torf in diesem Sinne 0,75 cbm Raum beanspruchen. Sobald nun der Kocher gefüllt ist,
wird mit dem Anheizen begonnen. Auf dem Deckel des Kochers ist ein kleiner Hahn
angebracht, welcher so lange offen bleibt, bis das Thermometer im Inneren des
Kochers gegen 100° C. anzeigt. Dann wird der Hahn geschlossen und es beginnt die
eigentliche Kochzeit. Die Temperatur 115 bis 120° C. ist für die Kochung maassgebend
und wird durch 4 Stunden auf dieser Höhe erhalten. Nach beendigter Kochung wird
erkalten gelassen und der Kocher geöffnet. Im Grossen würde direct nach beendeter
Kochung die Kochmasse sofort in einen entsprechenden Apparat aus dem Kocher
ausgeblasen werden, was in einer halben Stunde vollständige Entleerung des Kochers
zur Folge hat.
Durch Abpressen wurden Brühe und Rückstand leicht getrennt. Die Brühe bildet eine
dunkelbernsteingelb gefärbte, angenehm riechende Flüssigkeit, der Rückstand eine
braune, leicht zerreibliche Masse. Die Brühe wird zweckmässig auf ungefähr ⅓
eingedampft und dann mit Kalkmilch, zuletzt mit Kreide neutralisirt, bis kein
Aufbrausen mehr eintritt. Während dieser Zeit ist es nöthig, die Masse gut
durchzurühren, und man erzielt dann eine braune Brühe, welche noch schwach sauer
reagirt, ohne dass Kreide von weiterem Einfluss wäre. Wenn sich nun die Brühe auf
etwa 25° C. abgekühlt hat, wird die zur Gährung nöthige, gut ausgewaschene Bierhefe
zugesetzt und bei langsam gehendem Rührwerke etwa 2 Tage lang an massig warmem Orte
der Gährung überlassen; dann wird der Alkohol abdestillirt. Auf diese Weise wurden
aus 200 g Torf 12,5 cc absoluter Alkohol erhalten.
100 k trocken gedachter Torf ergeben demnach 6,25 l absoluten Alkohol. Es ist nicht
ausgeschlossen, dass die Ausbeute noch erhöht werden kann.
Vergleicht man hiermit die bei der Kartoffelbrennerei erzielte Ausbeute, so
ergibt sich:
500 k beste Kartoffeln mit 20 Proc. Stärke liefern nach A.
Wilfert bei ausgezeichnetem Betriebe 60 bis 61 l absoluten Alkohol; 1000 k
trocken gedachter Torf würden 62 bis 63 l ergeben.
Dieses Resultat berechtigt zur Annahme, dass der Torf das geeignetste Material für
die Darstellung von Spiritus aus Cellulose bietet und dass er der Kartoffel
Concurrenz zu machen berufen scheint.