Titel: | Ueber Nähmaschinen zur beliebigen Herstellung von Steppstich oder Kettenstich. |
Autor: | H. Glafey |
Fundstelle: | Band 287, Jahrgang 1893, S. 154 |
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Ueber Nähmaschinen zur beliebigen Herstellung von
Steppstich oder Kettenstich.
Von H. Glafey, Ingenieur in
Berlin.
Mit Abbildungen.
Ueber Nähmaschinen zur beliebigen Herstellung von Steppstich oder
Kettenstich.
Die Versuche, die Steppstichnähmaschine derart einzurichten, dass dieselbe mit
Leichtigkeit in eine Kettenstichnähmaschine umgewandelt werden kann, sind schon
älteren Datums, haben jedoch bis in die neuere Zeit irgend einen praktischen Erfolg
nicht aufzuweisen gehabt. Die besonders in den letzten Jahren zu Tage getretenen
Bestrebungen, die Nähmaschine zur Herstellung einer Anzahl verschiedener Sticharten
geeignet zu machen, haben auch für die beiden Grundsysteme von Nähmaschinen eine
Anzahl Lösungen aufzuweisen, welche in nachstehenden Zeilen unter gleichzeitiger
Beachtung der schon in Vorschlag gebrachten Constructionen einer näheren Betrachtung
unterzogen werden sollen.
Textabbildung Bd. 287, S. 154Fig. 1.Kohler's Steppstichnähmaschine. Je nach dem den einzelnen Ausführungen zu Grunde gelegten Systeme der
Steppstichnähmaschine lassen sich die Maschinen zur beliebigen Erzeugung von
Steppstich oder Kettenstich eintheilen in solche, welche aus der Schiffchenmaschine,
und solche, welche aus der Greifermaschine hervorgegangen sind. Beachtet man ferner
die bei den beiden letzteren in Anwendung gebrachten Stichbildungswerkzeuge, so
lassen sich aus der ersten grossen Klasse wieder solche ausscheiden, welche mit
einem geraden, und solche, welche mit einem Bogenlangschiffchen arbeiten, während
die Doppelsteppstichgreifernähmaschinen mit Vorrichtung zur Herstellung von
Kettenstich entweder mit ruhender oder bewegter Unterfadenspule arbeiten.
Die erste Lösung, eine mit geradem Langschiffchen arbeitende
Doppelsteppstichnähmaschine derart einzurichten, dass sie leicht in eine
Kettenstichnähmaschine umgewandelt werden kann, rührt, so weit zur Zeit nachweisbar,
von Jeremiah Keith in Rhode-Island her und wurde im J.
1880 durch das D. R. P. Nr. 13658 und die amerikanischen Patente Nr. 233626 und
243710 geschützt. D. p. J. brachte 1881 251 242 eine Beschreibung dieser Erfindung, welche hier
des Zusammenhanges halber im Auszug wiedergegeben werden soll.
Die mit geradem Langschiffchen arbeitende Doppelsteppstichnähmaschine ist eine
Singermaschine bekannter Construction und behufs Umwandelung in eine
Kettenstichnähmaschine mit einem häkelhakenartigen Greifer ausgestattet, der bei der
Herstellung von Kettenstich mit einem Schleifenableger durch axiale Verschiebung die
von der Nadel unter dem Stoff gebildeten Fadenschleifen erfasst, zur Seite zieht und
jede ausgezogene Schleife auf die vor ihm neu gebildete abstreift. Damit ein
regelrechtes Erfassen der Nadelfadenschleifen gesichert bleibt, wird nach Entfernung
des Schiffchens die Nadel etwas tiefer gestellt oder es macht der Schleifenfänger
nicht nur eine wagerecht hin und her gehende Bewegung, sondern auch eine Bewegung
nach oben.
Edward Kohler in Russel Square (Grafschaft Middlesex,
England) verwendet bei seiner durch das D. R. P. Kl. 52 Nr. 55018 vom 12. Juni 1890
geschützten Maschine zur beliebigen Herstellung von Steppstich oder Kettenstich bei
Bildung des letzteren entgegen Keith das Gehäuse des
hin und her laufenden Langschiffchens mit, indem er dasselbe die
Nadelfadenschleifen erweitern lässt und letztere in diesem Zustand einem Greifer
übergibt, der sie wieder der sich abwärts bewegenden Nadel darbietet. Das Ausziehen
der Faden schleifen und Durchführen der neuen durch die alten mittels des
Schleifenhalters abseits der Nadel fällt also weg.
Die Ausführung der Maschine als Steppstichnähmaschine bietet nichts Neues, gleicht
vielmehr ebenso wie diejenige der vorbesprochenen einer Singermaschine. E ist der in Fig. 3
besonders dargestellte Schleifenhalter, der aus einer ebenen, an ihrem vorderen Ende
mit einer Gabel E1
versehenen Platte besteht; die an ihrem einen Rande bogenförmig gestaltet ist,
während ihr anderer Rand in eine seitlich gekrümmte Nase E2 ausläuft. An seinem hinteren Ende
besitzt der Schleifenhalter eine Oeffnung E3, in welche ein Treibstift eintritt, der dem Halter
eine hin und her gehende Bewegung ertheilt.
Textabbildung Bd. 287, S. 154Fig. 2.Kohler's Steppstichnähmaschine. Hervorgebracht wird diese Bewegung auf folgende Weise: Auf der lothrechten
Welle C sitzt ein Excenter H, das sich in einem am Ende der Schubstange H1 befindlichen Ring dreht (Fig. 1 und 2). Stange
H1 ist drehbar mit
dem Arm H2 verbunden,
der lose auf dem Zapfen J sitzt und zwei als Mitnehmer
wirkende Ansätze oder Stifte e trägt. Auf demselben
Zapfen J sitzt lose noch der Winkelhebel K, dessen längerer Schenkel am Ende den Stift f trägt. Letzterer tritt durch einen Schlitz in der
Arbeitsplatte in den Ansatz E3 am Schleifenhalter E ein; am kurzen
Schenkel des Winkelhebels K sitzen zwei den Ansätzen
e auf H2 ähnliche Ansätze oder Stifte g. Auf dem längeren Winkelhebelschenkel sitzt ausserdem
noch ein Ansatz oder Stift h. L ist ein aus dünnem
Metallblech gebildeter Einleghebel, der ebenfalls lose auf den Zapfen J aufgeschoben und an seinem hinter letzterem liegenden
Ende zu einer Nase oder einem Finger L1 ausgebildet ist. M
ist ein mit Nuth versehener Stift, in welchen der Hebel L bei Ausserbetriebsetzung eingelegt wird.
In der dargestellten Lage der Theile greift der Einlegehebel L zwischen die Mitnehmer g und e ein und verbindet hierdurch die Theile K und H2 mit einander, wodurch die Bewegung des Excenters
auf den Winkelhebel K übertragen wird; wird jedoch der
Einleghebel in die punktirt angegebene Stellung übergeführt, so schwingt Arm H2 allein ohne den
Winkelhebel K und letzterer wird durch die gegen den
Stift h sich anlegende Nase L1 in der punktirten Stellung
gehalten.
Textabbildung Bd. 287, S. 155Fig. 3.Kohler's Steppstichnähmaschine. Durch die vorbeschriebene einfache Vorrichtung kann der Schleifenhalter
leicht in oder ausser Arbeitsstellung gebracht werden, je nachdem man eine
Kettenstich- oder Doppelsteppstichnaht herstellen will. An Stelle dieser
Ausrückvorrichtung können nach Maassgabe eines anderen Maschinensystems auch andere
Ausführungsformen treten.
Soll nun Kettenstich gebildet werden, so wird der Antriebsmechanismus für den
Schleifenhalter in der aus Fig. 2 ersichtlichen
Weise durch den Einleghebel L angeschlossen und die
Garnrolle aus dem Schiffchengehäuse herausgenommen.
Textabbildung Bd. 287, S. 155
Fig. 4.Kohler's Steppstichnähmaschine.
Die zur Bildung des Kettenstichs nöthigen Vorgänge sind nun
folgende: Nachdem die lothrecht bewegte Nadel ihre tiefste Stellung erreicht hat,
zieht sie bei ihrem darauf folgenden Aufgange in gewöhnlicher Weise eine Schleife
nach oben, in welche die Nase des sich vorschiebenden Schiffchengehäuses
eintritt.
Textabbildung Bd. 287, S. 155
Kohler's Steppstichnähmaschine.
Während des Durchganges des letzteren durch die Schleife wird
der Schleifenhalter E nach vorwärts geschoben, wobei –
von der Vorderseite der Maschine aus betrachtet – durch Feder E5 das vordere Ende von
E nach rechts verschoben wird. Der Schleifenhalter
E wird hierdurch in diagonaler Richtung verschoben und
bewegt sich auf die rechte Seite der Nadel, wobei die Gabel E1 in die durch Reibung an dem
Schiffchengehäuse nach der einen Seite verschobene Schleife eintritt, was erfolgt,
kurz ehe die Schleife an dem gewölbten Schiffchenende abrutscht (Fig. 3).
Während dieser Zeit reicht das Ende der Gabel E1 bis über die Schiffchenbahn, so dass die Schleife
sich nicht von dem Schleifenhalter entfernen kann. Da nun während dessen die Nadel
weiter nach oben gegangen ist und der Schleifenhalter weiter vorgeht, so zieht der
Fadenaufnehmer beim Austritt des Schiffchens aus der Schleife den schlaff liegenden
Faden nach. Sobald die Nadelspitze über das Arbeitsstück getreten ist, wird der
Stoffschieber gehoben und beginnt den Stoff weiter zu schieben; bei weiterer
Vorwärtsbewegung des Schleifenhalters trifft das Ende des vorstehenden geschweiften
Randes E2 am
Schleifenhalter gegen die abgeschrägte Anlage d am
Stoffschieber an. Durch das nun folgende gemeinsame Vorwärtsschieben des
Schleifenhalters und Stoffschiebers wird ersterer nach der Seite, d.h. nach links
verschoben, wobei der Stoffschieber am inneren Rande des vorstehenden Hubtheiles E2 von E hinläuft. Wird der Schleifenhalter nach links
verschoben, so nimmt er, auf der Gabel E1 hängend, die neu gebildete Schleife mit und legt
die geöffnete Schleife direct in die Bahn der sich senkenden Nadel (Fig. 5).
Diese Seitwärtsbewegung des Schleifenhalters findet während des Hebens des
Stoffschiebers statt, so dass der vorstehende Theil E2 des Schleifenhalters unter die Rippe
c auf der Unterseite des Stoffschiebers treten
kann. Nach erfolgtem Weiterverschieben des Stoffes senkt sich der Stoffschieber,
während der Schleifenhalter in seiner vorgeschobenen Stellung sich befindet, und es
tritt die Längsrippe am Stoffschieber auf der Innenseite der Nase E2 nach unten. Diese
Stellung der Theile zeigt Fig. 4. Während des
Rückganges des Schiffchens geht die Nadel nach unten und tritt, zwischen der Gabel
des Schleifenhalters hindurchgehend, durch die offene Schleife, wobei der
Schleifenhalter sich von der Schleife weg nach rückwärts zu verschieben beginnt,
sobald die Nadel genügend weit sich gesenkt hat, so dass sie die Schleife auch
festhält. Die Rückwärtsbewegung des Schleifenhalters erfolgt rechtwinklig zur
Schiffchenbahn, da die gekrümmte Seite E2 des Schleifenhalters an der Aussenseite der
Längsrippe c am Stoffrücker F entlang geht, der nunmehr in seine untere Stellung übergegangen ist.
Hierdurch wirkt der Schleifenhalter so lange gegen die Feder, welche letzteren nach
rechts zu verschieben versucht, bis das Ende E2 von der Rippe zurückgeschoben ist und der
Schleifenhalter seine Rückwärtsbewegung vollendet hat, der durch den gekrümmten sich
gegen die Schulter a anlegenden Rand E4 Führung erhält.
Aus diesem Vorgang geht hervor, dass sich der Schleifenhalter zunächst an der einen
Seite der Nadel, nämlich an derjenigen, an welcher die Schleife gebildet wird,
verschieben muss, so dass die Gabel in die Schleife eintreten und letztere bei ihrem
Abrutschen vom Schiffchenhintertheil festhalten kann, worauf sich zweitens der
Schleifenhalter nach der Seite bewegen muss, um die Schleife so zu legen, dass die
Nadel bei ihrem nächsten Niedergang in dieselbe eintreten kann, indem sie zwischen
der Gabel durch die durch diese offen gehaltene Schleife geht; drittens wird der
Schleifenhalter aus der Schleife heraus in der Mittellinie seiner neuen
Stellung zurückverschoben, während die Schleife von der Nadel gehalten, und die neue
Schleife gebildet wird, um die Nase des Schiffchens aufzunehmen; und endlich kehrt
der Schleifenhalter in seine Ausgangsstellung zurück, was erfolgt, ehe er behufs
Aufnahme der neuen Schleife sich wieder verschiebt.
Soll Doppelsteppstich gebildet werden, so wird der Schleifenhalter in die aus Fig. 4 ersichtliche Stellung übergeführt, in welcher
er dadurch festgehalten wird, dass der Einleghebel L in
die in Fig. 2 punktirt angegebene Stellung gebracht
wird. Hierdurch wird der Arm H2 frei und kann ausschwingen, ohne dass er seine
Bewegung auf den Winkelhebel K überträgt.
Textabbildung Bd. 287, S. 156Kohler's Steppstichnähmaschine. Nach erfolgtem Einsetzen der Fadenspule in das Schiffchen ist dann die
Maschine von Doppelsteppstichnaht vorbereitet. Es ist also ersichtlich, dass, um die
Doppelsteppstichmaschine in eine Kettenstichmaschine zu verwandeln, und umgekehrt,
einzig und allein der Einleghebel L oder ein ähnlicher
Theil verstellt zu werden braucht. Bei Verwendung der Maschine ist es nicht
unbedingt nöthig, die Fadenspule aus dem Schiffchen zu entfernen, obgleich es immer
vorzuziehen; beim Nichtherausnehmen muss jedoch das Garn dicht am Schiffchengehäuse
abgeschnitten werden.
Fräulein Anna Siebert in Darmstadt lässt bei ihrer durch
D. R. P. Kl. 52 Nr. 63970 vom 4. Juni 1891 geschützten Maschine für Steppstich und
Kettenstich die Nadelfadenschleifen bei Bildung des letzteren nach Entfernung des
ganzen Schiffchens, wie bei Keith, durch eine vom
Schiffchentreiber bewegte Platte zur Seite biegen und in den Bereich eines Greifers
bringen, welcher sie erweitert und der abwärts gehenden Nadel darbietet.
Wie bereits bemerkt, wird bei Herstellung der Kettenstichnaht von einem
Schiffchen vollständig abgesehen, dasselbe dient nur zur Herstellung einer
Doppelsteppstichnaht. An dem Schiffchentreiber S ist
ein durch die Feder e leicht gegen die Schiffchenbahn
gedrückter Fadenleger K drehbar angebracht, durch
welchen der bei jedem Stich in das Innere der Maschine gebrachte Faden b nach der Seite umgelegt und geschoben wird (Fig. 5). Hierdurch
entsteht eine breite Schlinge in dem Faden.
Textabbildung Bd. 287, S. 157Fig. 17.Kohler's Steppstichnähmaschine. Es ist nun für das sichere Functioniren der einzelnen Mechanismen von
grosser Wichtigkeit, dass diese Schlinge möglichst nahe an der Stichplatte A bereits eine hinreichende Breite besitzt. Um dies zu
erreichen, ist das Stichloch unten nach der Seite, nach welcher der Faden b von dem Fadengeber K
verschoben wird, erweitert (Fig. 5 und 8). Zur Erzielung einer Kettenstichnaht müsste jetzt der folgende Stich der
Nadel durch die von dem Fadenleger K gebildete Schlinge
hindurchgehen. Um die letztere nun so zu legen; dass
dieser Vorgang sicher zur Durchführung kommt, ist unter der Stichplatte A eine Platte B
angeordnet, welche mit ihrem einen Ende in dem Schlitz C geführt wird und mit dem anderen Ende mit einem um den Bolzen E drehbaren Hebel D
verbunden ist. Der eine Arm des Hebels D ruht mit einer
kleinen Reibungsrolle an der Curvenscheibe F und wird
von dieser in Verbindung mit der Feder g bewegt. An der
Platte B befindet sich seitwärts ein Greifer H (Fig. 17). Dieser
erfasst bei jedem Stich die von dem Fadenleger K
vorgebildete Schleife des Nadelfadens b und bringt sie
in einem Bogen seitwärts um die Nadel herum hinter diese letztere. Ein an dem
Greifer H befindlicher seitlich vorstehender kleiner
Sporn verhindert hierbei das Abgleiten des Fadens b von
dem Greifer H. Der Arbeitsvorgang ist am besten aus den
Fig. 7, 10, 13 und 16 zu ersehen, von
welchen die Fig. 7 den
Greifer H darstellt, wie er vor der Fadenschlinge
steht, die Fig. 10, wie
er dieselbe erfasst und in Folge der Führung c
seitwärts um die Nadel herumführt, die Fig. 13, wie sich der
Greifer H mit der Fadenschlinge hinter der Nadel
befindet, und Fig. 16,
wie der zu nähende Stoff um eine Stichlänge durch den Stoffschieber vorgeschoben
ist, und wie die Fadenschlinge zum Durchgang der Nadel bereit liegt. Nachdem der
letztere stattgefunden und der aufs Neue ins Innere der Maschine gebrachte Faden von
dem Fadenleger K wieder erfasst ist, wird die alte
Schlinge losgelassen, indem der Greifer sich zurückbewegt und bei seinem jetzt
folgenden Vorwärtsgange wird die nun gebildete Schlinge erfasst. Derselbe Vorgang
wiederholt sich jetzt in ganz derselben Weise und man erhält so beim Weiternähen
eine Kettenstichnaht. Als Ersatz für Fadenleger K kann
auch eine Platte, welche in dem Schiffchentreiber S an
Stelle des Schiffchens befestigt oder ähnlich wie ein Schiffchen lose eingelegt
wird, dem Zweck der Umlegung der Fadenschlinge dienen. Die Spitze des Greifers H ist ein wenig nach unten gekrümmt und läuft in der
Aussparung L der Maschinendecke.
Wird der Fadenleger K zurückgeklappt und der Hebel D durch die Arretirung Q
(Fig. 17) von der Curvenscheibe F abgezogen, so ist der Kettenstichapparat ausser
Thätigkeit und die Maschine wieder zum Nähen von Doppelsteppstich geeignet.
Textabbildung Bd. 287, S. 157Fig. 18.Nähmaschine von Fair. Aus der Gattung derjenigen Nähmaschinen für Steppstich und Kettenstich,
welche bei Herstellung der Zweifadennaht mit einem Bogenlangschiffchen arbeiten, ist
zunächst einer Maschine von John Miller Fair in
Buffalo, New York, Nordamerika, Erwähnung zu thun, welche Gegenstand des englischen
Patents Nr. 848 aus dem Jahre 1881 ist. Diese Maschine ist zwecks Bildung des
Kettenstichs mit einem Greifer ausgestattet, der von dem in wagerechter Ebene
schwingenden Schiffchentreiber ebenfalls in wagerechter Ebene in Schwingung versetzt
wird, sobald eine einfache Einstellvorrichtung ihm dies ermöglicht. Die besondere
Ausführung der Maschine, welche fernerhin noch mit geeigneten Antriebvorrichtungen
für den Fadenspanner, die Nadelstange, den Stoffschieber u.s.w. ausgestattet ist,
ergibt sich aus den Fig. 18 bis 37 und ist folgende:
Textabbildung Bd. 287, S. 157Fig. 19.Nähmaschine von Fair. Der Antrieb der Maschine erfolgt durch die Schnurscheibe b1, welche lose drehbar
auf der Nabe b des auf der Welle a befestigten Schwungrades B sitzt und eine Drehung der Welle veranlasst, sobald durch Anziehen des
Schraubknopfes b3 die
beiden in der Schwungradnabe angeordneten Stifte b5 gegen die Nabe der genannten Schnurscheibe
gepresst werden. Durch diese Drehung der Welle a
werden einerseits
die Stichbildungswerkzeuge und andererseits Stoffschieber, sowie
Fadenspannvorrichtung in Thätigkeit gesetzt. Zum Zwecke der auf und abwärts gehenden
Bewegung der Nadelstange a1 (Fig. 18 und 21) ist die Welle a an ihrem Kopfende mit einer Kurbelscheibe R ausgestattet, auf der ein Kurbelzapfen r sitzt, welcher bei Drehung der Scheibe R mittels eines Prismas in der wagerecht verlaufenden
schlitzartigen Aussparung r3 eines in den Führungen r2 gehaltenen Schieberstücks r1 gleitet und das letztere dabei
gleichzeitig hebt und senkt. Ausserhalb des Schieberstückes sitzt auf dem Zapfen r ein Lenker r4, der wieder durch einen Lenker r5 mit der Nadelstange
a1 in Verbindung
gebracht ist, dabei aber gleichzeitig mit einer schlitzartigen Aussparung den
Vierkantbolzen r6
umfasst, welcher auf dem Schieber r in dessen
Mittellinie sich befindet. Durch diesen besonderen Antrieb der Nadelstange wird
erzielt, dass dieselbe sich zunächst ein wenig hebt und dann abwärts steigt, bevor
ihr eigentlicher Aufwärtsgang beginnt. Je nach dem Abstand, welchen man dem Bolzen
r von r6 gibt, wird dabei der Weg, welchen die Nadel vom
Ende ihres Abwärtsganges bis zum Anfang ihres Aufwärtsganges zurücklegt, vergrössert
oder verkleinert und demgemäss auch die von der Nadel gebildete Fadenschleife eine
andere.
Textabbildung Bd. 287, S. 158Nähmaschine von Fair. Der Antrieb des Schiffchens für den Steppstich bezieh. Greifers für den
Kettenstich erfolgt von der Welle a aus durch
Vermittelung des auf derselben vorgesehenen Excenters c2, welches seine Drehbewegung durch die
Gabel c4c5 auf die lothrecht
stehende Welle C überträgt, die mittels der Lenker c1k3 mit dem Treiberarm
k2 in Verbindung
steht. Der letztere sitzt fest auf dem in der Nabe h1 des Gehäuses H
gelagerten Zapfen k1,
der wieder den Schiffchentreiber und Greifer in Thätigkeit setzt, je nachdem dies
eine besondere Einstellvorrichtung bestimmt. Die letztere besteht aus einer Scheibe
h, welche drehbar auf dem Boden des Gehäuses H um dessen Nabe h1 angeordnet ist und mittels eines Schraubbolzens
h2 gehalten wird,
der in einem im Boden des Gehäuses H vorgesehenen
Schlitz h3 gleitet,
sobald die Scheibe h am Piston h4 um die Achse h1 gedreht wird. Je nach den beiden
Endstellungen, welche die Scheibe hierbei einnehmen kann und welche der Piston durch
Einfallen in die Bohrungen h5h6 des
Gehäusebodens H sichert, wird der Schiffchentreiber das
Schiffchen oder den Greifer bethätigen und zwar in folgender Weise: Der für die
Bildung des Kettenstichs vorgesehene Greifer oder Schleifenfänger i sitzt am Ende einer Platte J, welche drehbar auf einem Bolzen i1 der Platte h
angeordnet ist, zudem eine schlitzartige Aussparung i2 hat, mit der sie die Nabe h1 des Gehäuses H umfasst und auf ihrer Oberfläche einen Bolzen i3 trägt, der in der
auf der unteren Seite der Platte h vorgesehenen
Curvenbahn gleiten kann. Die Platte k sitzt fest auf
dem in schwingende Bewegung versetzten Bolzen k1 und bringt somit, da sie gleichzeitig den
Schiffchenträger K enthält, diesen und mit ihm das Schiffchen S (Fig. 25) in hin und her
gehende Bewegung, es entsteht also Steppstich. Der Piston h4 sitzt dabei in der Bohrung h6 und es hat die
Bewegung der Platte k einen Einfluss auf den Greifer
nicht, weil in Folge der durch h4 bestimmten Stellung der Platte h, also auch J, der auf
letzterer sitzende Stift i3 vollständig ausserhalb der Curvenbahn k4k5 des Treibers gleitet.
Löst man aber den federnden Bolzen h4 aus der Bohrung h6 und bringt ihn durch Drehung der Platte h in die Bohrung h5, so wird der Stift i3 der Platte J mit dem Greifer i von der Gangbahn k4k5 gefasst und dies hat
zur Folge, dass bei einer Schwingung der Platte k auch
der Greifer i eine Schwingung um seinen Drehzapfen i1 ausführt (Fig. 23 bezieh. 24), also die von der
Nadel gebotenen Fadenschleifen erfasst und Kettenstich bildet. Der Theil k4 der Curvenbahn auf
der Unterseite von k ermöglicht hierbei, dass in Folge
Gleitens des Stiftes i3
in demselben der Greifer zunächst stehen bleibt und dann, sobald der Stift in die
Bahn k5 übertritt, erst
seine Bewegung ausführt, also nicht auf dem ganzen Weg, den der Treiber k zurückgelegt.
Textabbildung Bd. 287, S. 159Nähmaschine von Fair. Die Nadel geht in dem Kanal l abwärts,
welcher von einer senkrecht zu ihm verlaufenden Curvenbahn geschnitten wird, in der
der Greifer i läuft und welche in der Nähe des
Stichloches mit einem Fadenfänger von solcher Gestalt ausgestattet ist, dass sich
die vom Greifer i ausgezogene Fadenschleife bei dessen
Rückgang fängt und der abwärts gehenden Nadel dargeboten wird. Damit die hierdurch
sich erforderlich machenden Aussparungen l2 am Nadelkanal bei Verwendung des Schiffchens S keine Störung verursachen, ist auf einem federnden
Bügel l5 am
Schiffchengehäuse ein Füllstück l4 vorgesehen, welches bei der Ueberführung der
Platte h in die für die Steppstichbildung erforderliche
Stellung (Fig. 25)
durch Vermittelung des Schlitzes l7 und Bolzens l6 in eine solche Lage gebracht, dass die
Schiffchenbahn eine Unterbrechung, wie sie bei Bildung des Kettenstichs vorhanden
ist, nicht mehr aufweist.
Das in den Schiffchentreiber K einzulegende Schiffchen
S (Fig. 28 bis 30) enthält die auf
einem Dorn drehbar sitzende Fadenspule s und ist zum
Zwecke des Auswechselns derselben mit einem Deckel s1 versehen, auf dessen Innenseite die Fadenspannung
s2
s3
s5 angebracht ist,
welche der Unterfaden vor seinem Austritt durch s4 (Fig. 25) passirt.
Textabbildung Bd. 287, S. 159Fig. 35.Nähmaschine von Fair. Der bei Bildung des Steppstichs als auch Kettenstichs zur Verwendung
kommende Nadelfaden läuft von der Fadenspule m3 (Fig. 18 und 22) ab, welche auf der
auf dem Arm A1
angebrachten Scheibe m1
ruht und ihre Führung durch einen auf letzterer sitzenden Stift m erhält, der mit einer Scheibe m2 ausgestattet ist, welche mit ihrem
kegelförmigen unteren Fortsatz in die Fadenspule fasst und sie gegen ein Abheben
nach oben, sowie eine Drehung schützt. Von der Spule gelangt der Faden durch eine
auf der Platte m1
sitzende Führung m4
nach der Fadenspannung N (Fig.
18 und 31),
welche aus einer drehbaren Spannscheibe besteht, die von der Hauptwelle a aus mittels einer unrunden Scheibe n5 und des Federbolzens
n n1
n2
n3
n4 eine der
Stichbildung entsprechende veränderliche Bremsung erfährt. Vor seinem Eintritt in
die Nadelstange passirt der Faden noch eine Hilfsspannung O und nach dem Durchgang durch die Nadelstange eine zweite Hilfsspannung
p. Die erste besteht aus einem gewölbten Sattel,
der mit einem V-förmigen Ausschnitt auf seiner Oberfläche
versehen ist und derart wirkt, dass der Faden sich bei senkender Nadel in der
Führung O festklemmt. Die Hilfsspannung p wird aus einer sich gegen die Kopfwand der Maschine
anlegenden Scheibe p (Fig. 36) gebildet,
welche mittels einer Curvenbahn p4, eines Winkelhebels p3 und eines Pistons periodisch
freigegeben oder von dem Piston allein gebremst wird, also dem Faden wechselweise
eine Spannung ertheilt oder ihn ohne solche laufen lässt, bei steigender Nadelstange
dagegen ausgehoben wird.
Textabbildung Bd. 287, S. 159Nähmaschine von Fair. Die Stoffverschiebung bewirkt bei vorliegender Maschine ein Stoffschieber
G in Verbindung mit dem Drückerfuss q. Der letztere sitzt an der in dem Maschinenkopf
geführten Drückerstange q1 (Fig. 32
und 33), welche von der
Spiralfeder q2 nach
abwärts gepresst wird, deren jeweilige Spannung durch die Sperrung q3
q5
q6 geregelt werden
kann.
Der Stoffschieber G empfängt seine Bewegung von der
Hauptwelle a aus unter Vermittelung des Excenters d1 und doppelarmigen
Hebels dD, welcher letztere wieder durch einen Lenker
d2 mit Hilfe des
diesem als Führung dienenden Armes f2 die Welle F in
Schwingung versetzt, die dann dem geeignet gelagerten Stoffschieber G eine Viereckbewegung ertheilt. Je nachdem man mit der
Stellschraube f5
f6
f7 (Fig. 34 und 35) den Lenker d2 auf dem Arm f2 durch die Schraube f3
f4 hebt oder senkt,
wird die Wirkung des Hebels D auf den Stoffschieber
sich ändern, d.h. es wird die Schwingungsweite der Welle F, also auch des Stoffschiebers, eine kleinere oder grössere werden.
Etwaige Hilfsapparate werden an dem Kopf der Maschine mittels des abnehmbaren Winkels
t t1
T t2
t3t
4
t5
t6 angesetzt, der, wie
Fig. 18 und 36 erkennen lassen, eine
Einstellung derselben in jeder Lage ermöglicht.
Textabbildung Bd. 287, S. 160Keith's Schiffchenvorrichtung. Während bei der Maschine von Fair sowohl das
Schiffchen als auch der Greifer in wagerechter Ebene laufen, hat der bereits
erwähnte Jeremiah Keith bei seiner durch die
amerikanische Patentbeschreibung Nr. 273854 bekannt gewordenen Maschine für
Steppstich und Kettenstich die Stichbildungswerkzeuge derart untergebracht, dass
sich das Schiffchen in wagerechter Ebene, der Greifer dagegen in senkrechter Ebene
bewegt. Das Schiffchen, ein einfaches Bogenlangschiffchen E (Fig. 38),
liegt in dem Schiffchenkorb E1, welcher durch Treiberstange E2 in der Bahn C hin und
her bewegt wird und in Folge dessen mit der Nadel b den
Steppstich in bekannter Weise bildet. Der für den Kettenstich vorgesehene Greifer
F sitzt lose drehbar mittels einer Buchse auf einem
am Maschinenbett unterhalb der Schiffchenbahn vorgesehenen Bolzen und empfängt seine
Schwingbewegung von der Stoffschieberwelle D (Fig. 39) aus mittels
eines Lenkers lh1. Der
letztere ist zu diesem Zweck mit einer Kuppelungsscheibe ausgestattet, welche
mittels eines Winkelhebels G derart verschoben werden
kann, dass sie entweder mit der Stoffschieber welle gekuppelt oder von derselben
frei gemacht wird. Das letztere erfolgt, sobald das Schiffchen in seinen Korb
eingelegt, also Steppstich genäht werden soll, das erstere dagegen, sobald das
Schiffchen entfernt, also Kettenstich gewünscht wird. Die Welle D setzt dann den Greifer F
derart in Schwingung, dass er bei seinem Vorwärtsgang durch die Nadelfadenschleife
geht und sie bei dem nun folgenden Rückgang fängt und auszieht, um das Spiel auf
Neue zu beginnen. Damit die auf dem Greifer hängende Fadenschleife beim Durchziehen
einer neuen Nadelschleife durch dieselbe nicht aufs Neue gefangen wird, ist parallel
neben dem Greifer F ein Schleifenabwerfer f vorgesehen, der beim Rückgang des ersteren zunächst
stehen bleibt und erst später an der Schwingung theilnimmt, was zur Folge hat,
dass der Haken des Greifers F durch den Abwerfer f geschlossen wird und der auf ihm hängenden alten
Nadelfadenschleife den freien Abgang auf die neu gebildete ermöglicht, sobald ein
Schleifenhalter H dies gestattet. –
Aus der Klasse derjenigen Nähmaschinen für Steppstich und Kettenstich, welche aus der
Doppelsteppstichgreifernähmaschine hervorgegangen sind, ist nach der eingangs dieser
Abhandlung gegebenen Gliederung zunächst derjenigen zu gedenken, welche mit einem um
ein ruhendes Spulengehäuse sich bewegenden Greifer ausgestattet sind. Der grössere
Theil der hier in Betracht kommenden Constructionen beruht auf Verwendung einer
Doppelsteppstichgreifernähmaschine mit frei laufendem, also gewöhnlichem Greifer,
und nur ein kleiner Theil ist aus der Ringgreifermaschine hervorgegangen.
(Schluss folgt.)