Titel: | Neuerungen in der Gasindustrie. |
Autor: | W. Leybold |
Fundstelle: | Band 287, Jahrgang 1893, S. 258 |
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Neuerungen in der Gasindustrie.
(Schluss des Berichtes S. 235 d. Bd.)
Neuerungen in der Gasindustrie.
Ueber den Ledig'schen Etagenwascher von W. Leybold.
Derselbe dient zur Entfernung des Ammoniaks aus dem Rohgase und hat den Vortheil, bei
grosser Leistung nur geringe Grundfläche zu beanspruchen. Der Apparat (früher
Zusatzpatent zu Kl. 26 Nr. 31196, nun erloschen) besteht aus 6 oder 7 über einander
stehenden Kammern von rechteckigem Querschnitt, die durch je zwei senkrechte
Gaskanäle mit einander in Verbindung stehen und bis nahe zu der ganzen Höhe dieser
Kanäle mit Waschwasser gefüllt sind. Unterhalb der Etagen sitzt der
Gasvertheilungskasten, welcher durch eine schräge Wand mit zwei Wasserverschlüssen
in Gaseingangs- und -Ausgangskammer getheilt wird. Oberhalb des Apparats befindet
sich die maschinelle Vorrichtung, an welcher zwei Hebestangen, durch hydraulische
Abschlüsse gesichert; in die obersten Etagen hineinragen. Die Hebestangen tragen die
beiden Rücklaufrohre, durch welche das gewaschene Gas von oben aus seinen Fortgang
findet. An diesen beiden Röhren hängt in jeder Etage ein rechteckiger Blechkasten,
aus Deckblech und zwei Seitenblechen bestehend, welcher beiderseits durch eine
grosse Anzahl dünner Bleche, in 5 mm Abstand stehend, vollständig ausgefüllt ist.
Somit enthält jede Etage zwei solche Doppelblechbündel, welche, mittels des Rohrs in
der Hebestange hängend, abwechselnd auf und nieder gehoben werden, wodurch in
regelmässigen Zwischenräumen ein Eintauchen und Abspülen der Blechsysteme
stattfindet. Die schwingende Bewegung wurde früher durch ein Kettenrad
hervorgerufen, welches mittels Kurbel und Kurbelstange von einem Vorgelege mit
Riemenscheibe von einer Transmission aus betrieben wird. Da die Blechbündel auf der
eben eingetauchten Seite eine nicht unbedeutende Entlastung erfahren, so ist zum
Ausgleich über dem Kettenrad ein Gewicht angebracht, welches in der Mittelstellung
sich gerade über der Achse befindet, in jeder anderen Stellung aber die mehr
entlastete Seite belastet. Das Waschwasser wird durch einen Trichter oben zugeführt
und läuft durch die beiden Wasserabschlüsse an den Hebestangen in die oberste
Kammer. Durch seitliche Abläufe fliesst dasselbe von einer Kammer in die andere
abwärts, von der letzten in die Wasserabschlüsse in der Vertheilungskammer und durch
ein Ablaufrohr aus dem Apparat.
Das Gas durchläuft die Kammern von unten nach oben und wäscht sich auf diesem Weg an
den benetzten Flächen; von der obersten Kammer gelangt es durch die beiden
Rücklaufrohre zurück in die Vertheilungskammern und verlässt hier den Wascher.
An der maschinellen Vorrichtung wurde neuestens eine Aenderung an der Aufhängung der
Hebelstangen getroffen, die darin besteht, dass die bisher verwendeten
Gelenkketten nebst Kettenrolle durch einen Balancier mit Pleuelstangen, gelagert in
Rothgusschalen, ersetzt wurde. Es hatte sich nämlich im Lauf der Zeit gezeigt, dass
die einzelnen Glieder der Gelenkkette sich vollständig in den Verbindungsbolzen
einfrassen. Hierdurch wurde die Länge der Kette vergrössert, die ganze Aufhängung
der Hebelstangen nebst Rücklaufrohren und Blechbündeln gesenkt; so dass ein
Aufstossen letzterer auf dem Kammerboden zu befürchten war. Auch die Zähne des
oberen Kettenrades litten bedeutend durch Einfressen der Gelenkkette, was eine
umständliche Ersetzung des Kettenrades nothwendig machte. Alle diese Uebelstände
sind durch die jetzige Construction beseitigt. Sollte mit der Zeit ein Ausreiben der
Pleuelstangenlager eintreten, so sind diese ohne Schwierigkeiten zu ersetzen.
In der Gasfabrik der Frankfurter Gasgesellschaft zu
Frankfurt a. M. wurde mit zwei Waschern für je 20000 cbm Leistung in 24 Stunden
Versuche über den Kraftbedarf derselben angestellt. Dieselben ergaben folgendes
Resultat:
ohne Gegengewicht über der Achse des Kettenrades:
zwei Wascher zusammen
0,295
ein Wascher allein
0,148 „
der andere allein
0,150 „
mit
Gegengewicht:
ein Wascher allein
0,106 „
der andere allein
0,119 „
Durch Anwendung des Gegengewichts wurden also 20 bis 25 Proc. an Kraft gespart.
Ausserdem verlangt die
Betriebsmaschine allein
0,558
die Transmission
0,706 „
––––––––
zusammen
1,264
Jede Kammer enthält vier Blechbündel von je 125 Blechen, 750 mm lang, mit 235 mm
wirklichem Hube, also 176,25 qm wirksame Oberfläche. Alle sechs Kammern zusammen
enthalten demnach 1057,5 qm waschende Oberfläche, so dass bei voller Leistung des
Waschers, 20000 cbm in 24 Stunden, auf je 100 cbm Gas 5,28 qm waschende Fläche
treffen.
Das Waschwasser lief mit 15 bis 18° C. in den Wascher ein; als günstigstes
Verhältniss wurde gefunden, in der obersten Kammer 0,1° B. zu halten; dann lief das
Gaswasser unten mit 3 bis 3,2° B. ab. So wurden auf 100 cbm Gas 10 l Wasser
verbraucht. Die Temperatur des eintretenden Gases war 20° C.
Im Mittel von 38 in zwei Jahren ausgeführten Versuchen hatte der Wascher eine
Wirksamkeit von 98,02 Proc., d.h. er verringerte den Gehalt des Rohgases von 289,25
g Ammoniak in 100 cbm Gas auf 5,74 g, also um 283,51 g.
Bei einem einzeln angegebenen Versuche, in welchem ein Wascher 18670 cbm in 24
Stunden reinigte, wurde das Ammoniak zu 97,38 Proc. entfernt, bei einem anderen, in
welchem die Production von 20800 cbm in zwei Waschern gereinigt wurde, zu 99,7 und
99,5 Proc. Der Druckwiderstand des Apparats war im ersten Fall 10 bis 11 mm, im
zweiten 4 bis 5 mm Wassersäule. – Bei halber Leistung jedes Waschers war somit die
Wirkung in Bezug auf Entfernung des Ammoniaks günstiger als bei voller Ausnutzung.
Auch die in den städtischen Gasanstalten Mainz und Hanau angestellten Versuche
ergaben sehr günstige Resultate. (Vortrag, gehalten im bayerischen
Gasfachmänner-Verein zu Bamberg; Journal für
Gasbeleuchtung, 1892 Bd. 35 S. 492.)
Ueber Gasreinigung in England von W. Leybold.
Die Gasreinigung in England ist bei dem bedeutend höheren Schwefelgehalt der
englischen Kohlen eine complicirtere als in deutschen Fabriken; in letzteren handelt
es sich um die Entfernung von Ammoniak und Schwefelwasserstoff; in englischen
Fabriken dagegen ist meist die Entfernung des Schwefelkohlenstoffs bis unter eine
gewisse Grenze vorgeschrieben, welche 22 Grains in 100 Cubikfuss, d.h. 50,3 g
Schwefel in 100 cbm, beträgt. Die Entfernung der schwefelhaltigen Substanzen im
gereinigten Gas hat aber die Entfernung der Kohlensäure zur Bedingung. Die einzigen
Substanzen, welche zu der genannten Reinigung im grossen Maasstab dienen können,
sind Sulfide, und zwar kommt nur Schwefelcalcium bei der trockenen und
Schwefelammonium bei der nassen Reinigung in Frage.
Bei der gewöhnlichen Kalkreinigung wird neben Kohlensäure und Schwefelwasserstoff
auch ein Theil der sonstigen Schwefelverbindungen absorbirt, aber nicht in
genügendem Maasstabe und nicht gleichmässig genug. Weder der frische Kalk, noch der
gebildete kohlensaure Kalk nehmen Schwefelkohlenstoff auf, sondern nur das
Schwefelcalcium. Letzteres wird aber durch die Kohlensäure des Gases wieder zersetzt
zu kohlensaurem Kalk, während Schwefelwasserstoff ausgetrieben wird. In Folge dieser
fortwährenden Wanderung ist der Gehalt der Masse an Schwefelcalcium kein
bedeutender. Es fand sich, dass mehrfach SchwefelcalciumEinfachschwefelcalcium, Barium, Natrium, Ammonium absorbirt wenig
Schwefelkohlenstoff; die Doppeltschwefelverbindungen nehmen bedeutend mehr
auf; geht man aber weiter bis zu den fünffachen Schwefelverbindungen, so
sind diese wieder fast unwirksam. bedeutend stärker
Schwefelkohlenstoff absorbirt als das einfache Sulfid; der Process verläuft
natürlich weit glatter, wenn die Kohlensäure erst aus dem Gase entfernt ist. Die
Herstellung des Mehrfachsulfids geht vor sich durch Berührung des einfachen Sulfids
mit Sauerstoff, also durch Lagern an der Luft unter Umschaufeln. Der
Reinigungsprocess mit dieser Masse geschieht nun im vollständig gereinigten, fast
kohlensäurefreien Gase. Durch diese Maassregel wird allerdings die Reinigungsanlage
sehr vergrössert, indem man 9 bis 12 Kasten benöthigt. In den Gaswerken Beckton
enthält die erste Abtheilung der Kasten Kalk hauptsächlich zur Absorption der
Kohlensäure, dann folgt eine Abtheilung hauptsächlich für Schwefelwasserstoff und
noch Kasten mit Rasenerz. Nun erst folgt die Schwefelkohlenstoffreinigung. Der Kalk,
welcher in der zweiten Abtheilung sich mit Schwefelwasserstoff gesättigt hat, wird
herausgenommen, an der Luft gelagert, um die Umwandelung in Doppeltschwefelcalcium
zu bewirken. Da aber das Gas stets noch etwas Kohlensäure enthält, so wird stets
etwas Schwefelwasserstoff ausgetrieben, welcher mit vorgelegtem Kalk wieder
zurückgehalten werden muss.
In den anderen Gasanstalten, z.B. Tottenham und Sydenham, wird die zweite Abtheilung
von Kasten mit Kalk gefüllt für die Absorption des Schwefelwasserstoffs; ist dieser
Kalk ausgebraucht, so wird er der Luft ausgesetzt und in die erste Abtheilung
eingelegt. Hier dient er zur Aufnahme des Schwefelkohlenstoffs und verwandelt sich
zugleich in kohlensauren Kalk, während Schwefelwasserstoff ausgetrieben wird in die
zweite Abtheilung; schliesslich folgt zur Sicherheit noch ein Kasten Raseneisenerz.
Der Schwefelgehalt des reinen Gases wird auf diese Weise bis zu 6,6 bis 9
Grains in 100 Cubikfuss, d. i. 15,1 bis 20,6 g in 100 cbm, heruntergebracht.
W. Leybold.