Titel: | Untersuchungen verschiedener Blössen. |
Autor: | v. Schroeder, J. Pässler |
Fundstelle: | Band 287, Jahrgang 1893, S. 259 |
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Untersuchungen verschiedener Blössen.
Von Prof. Dr. v. Schroeder und Dr. J.
Pässler in Tharand.
Untersuchungen verschiedener Blössen.
In rationell geleiteten Gerbereien pflegt man den Betrieb sorgfältig zu controliren,
indem der Gerber die Häute, welche er dem Gerbeprocesse unterwerfen will, in den
verschiedenen Stadien der Vorarbeiten und ebenso das fertige Leder wägt und aus den
ermittelten Gewichten das Rendement bestimmt.
Der Gerber kauft die Häute entweder im frischen, gesalzenen oder im getrockneten
Zustande nach Gewicht und weicht dann dieselben ein, und zwar die ersteren nur kurze
Zeit, die letzteren mehrere Tage. Hierauf werden die Häute auf dem Schabebaum auf
der Fleischseite von den anhängenden Fleisch- und Fettheilen befreit und alsdann für
den Enthaarungsprocess vorbereitet; hierzu werden die für schwere Sohlleder
bestimmten Häute geschwitzt, die übrigen im Aescher gekalkt. Die Schwitze ist ein in
feuchter, meist warmer Luft eingeleiteter Fäulnissprocess. Bei der Kalkäscherung
bringt man die Häute zunächst in mehrfach gebrauchte, dann in ganz frische Kalkmilch
und lässt sie mit derselben kürzere oder längere Zeit in Berührung. Oft wird das
Enthaaren auch durch Behandeln mit Schwefelnatrium theils rein, theils mit Kalk
gemischt, oder seltener auch mit Gaskalk erreicht, wobei jedoch, wenn die Enthaarung
in der Hauptsache durch Schwefelnatrium stattfindet, die Haare selbst zerstört und
nicht weiter verwendet werden können. Das Enthaaren selbst wird dann in den meisten
Fällen durch Handarbeit ausgeführt, wobei eine gründliche Entfernung der Haare,
sowie der Oberhaut oder Epidermis zu erfolgen hat; die Häute werden dann gründlich
gereinigt, auf der Fleischseite geschoren, wobei die Unterhaut entfernt wird, mit
Wasser abgespült und gelangen in die Beize. Man bringt hierzu die Häute in ein aus
Tauben-, Hühner- oder Hundeexcrementen und Wasser bereitetes Bad, welches man in
neuerer Zeit durch mancherlei Surrogate, mineralische und organische Säuren, zu
ersetzen gesucht hat. Um auch Schwellung der Häute zu erzielen, benutzt man
organische Säuren, und zwar in Form der weissen Schwellbeize, die aus Gerstenschrot
oder Kleie mit Sauerteig und Wasser hergestellt wird. In neuerer Zeit werden dazu
auch Schwefelsäure oder Salzsäure verwendet, welche aber die grösste Vorsicht
erfordern.
Die gebeizten Häute sind jetzt so weit vorbereitet, dass sie dem eigentlichen
Gerbeprocess unterworfen werden können. In diesem Zustande, in welchem die Häute von
allem, was für den Gerber werthlos ist, befreit sind (Kot, Blut, Knochen, Fleisch,
Haare, Leimleder), werden sie als Blössen bezeichnet
und enthalten nur Blössentrockensubstanz und einen hohen Procentsatz an Wasser, da
die Blösse in Folge ihrer schwammartigen Beschaffenheit grosse Mengen von Wasser
aufsaugt. Im anatomischen Sinne ist die Blösse also die von
allen anderen Bestandteilen befreite, stark wasserhaltige Lederhaut
(Corium).
In diesem Stadium werden die Häute, in welchem sie milchig weiss aussehen und also
den Namen Blössen führen, zur Betriebscontrole auch häufig von den Gerbern gewogen; das ermittelte
Gewicht wird dann als Weissgewicht bezeichnet. Nach der
Gerbung und nachdem das erzeugte Leder lufttrocken geworden ist, bestimmt der Gerber
das Ledergewicht und berechnet dann aus sämmtlichen bestimmten Gewichtszahlen die
erzielten Rendements. Dieselben sollen ihm ein Bild geben, wie er gekauft und wie er
gearbeitet hat; namentlich über den Durchgerbungsgrad sollen ihm diese Zahlen
Aufschluss geben.
Der Theoretiker sieht auf den ersten Blick, dass der Werth derartiger
Rendementszahlen ein sehr fraglicher sein muss, da doch der Wassergehalt in diesen
Fällen ein sehr grosser und demnach bei der schwammigen Beschaffenheit der Blössen
ein sehr wechselnder sein muss. Je wasserreicher die Blösse
unter sonst gleichen Verhältnissen ist, um so niedriger wird das erzielte
procentische Lederrendement, und je wasserärmer die Blasse ist, um so höher muss
das Lederrendement ausfallen. Der Theoretiker erkennt diese Thatsache auf
den ersten Blick, während man sich in der Praxis meist darüber sehr wenig klar ist,
wie sehr gerade dieses Moment bei den dort vorgenommenen Wägungen das
ausschlaggebende ist.
Ganz ausser Acht hat man in der Praxis einen eventuellen Wechsel des
Blössenwassergehaltes auch nicht gelassen, da in neuerer Zeit vorgeschlagen worden
ist, das Blössengewicht nicht zu bestimmen, sobald die Blössen aus dem Wasser
kommen, sondern in jedem einzelnen Falle, nachdem dieselben genau 2 Stunden auf dem
Bocke gehangen haben, woselbst sie genügend haben abtropfen können. Aber auch diese
Vorsichtsmaassregel wird sicherlich nicht genügen, da man nicht annehmen kann, dass
z.B. eine dünne schwammige Kalbsblösse denselben Wassergehalt hat als eine dicke,
kernige Ochsenhaut, die zur Herstellung von Sohlleder bestimmt ist.
Wir sehen also, dass die wechselnden Wassergehalte auf das Lederrendement den
grössten Einfluss haben. Da nun dieselben bei den Wägungen in der Praxis immer
unbekannt sind, so können die Rendementszahlen der Praxis nur wenig Werth besitzen.
Andererseits ist aber die Rendementsfrage für den Gerber von allerhöchster
Bedeutung, und es wäre daher für die Praxis von sehr grossem Werth, wenn man aus der
Untersuchung des fertigen Leders mit Sicherheit einen Schluss auf das erzielte
Lederrendement ziehen könnte und wenn man diesen Schluss auch in Zahlen auszudrücken
im Stande wäre. Dadurch würde man eine theoretische Unterlage zur Beurtheilung des
Lederrendements erhalten, die völlig unabhängig ist von den meist ungenauen und
unsicheren Blössen- und Lederwägungen der Praxis, – eine Unterlage, die zugleich
geeignet sein würde, diese Gewichtsbestimmungen der Praxis zu controliren und ihre
Ergebnisse in dem einen oder anderen Falle näher zu erklären.
Die vollständige Lederanalyse, welche angibt, wie viel Gerbstoff das Leder enthält,
wird entschieden die beste Grundlage zur Rendementsermittelung sein. Eine directe
Bestimmung des aufgenommenen Gerbstoffes ist jedoch bei lohgarem Leder vorläufig
nicht möglich; wir sind aber sehr wohl in der Lage, denselben indirect zu bestimmen.
Der Vorschlag der indirecten Gerbstoffbestimmung, auf welchen wir in dieser
Fachschrift1892 284 256 286. bereits hingewiesen
haben, rührt von A. Muntz her und beruht auf der
Stickstoffbestimmung im fertigen Leder. Die Blössensubstanz oder Hautsubstanz
enthält nämlich eine gewisse Menge Stickstoff. Während des Gerbeprocesses treten zu
der Hautsubstanz bei den meisten verschiedenen Gerbearten stickstoffreie Körper
hinzu. Es ist daher einleuchtend, dass der Stickstoffgehalt des Leders um so
niedriger sein muss, je mehr Gerbstoffe von der Hautsubstanz bei der Lederbildung
aufgenommen worden sind. Haben wir also den Stickstoffgehalt des trockenen Leders
bestimmt, so lässt sich daraus die Menge der trockenen Blösse, aus welcher dieses
Leder hervorging, ganz leicht berechnen, Voraussetzung ist dabei aber:
1) dass man den Stickstoffgehalt der trockenen Blösse genau
kennt,
2) dass während des eigentlichen Gerbeprocesses keine
nennenswerthen Mengen der Blössensubstanz zersetzt werden.
Dass man den Stickstoffgehalt der Blössensubstanz zu einer solchen Rechnung genau
kennen muss, ist eine Selbstverständlichkeit, und wenn man daher bei Untersuchung
verschiedener Lederarten Schlüsse auf die Blössenmenge ziehen will, so ist es
nothwendig, die Stickstoffgehalte und die sonstige Zusammensetzung der verschiedenen
Blössenarten vorher durch eine besondere Untersuchung festzustellen. Eine derartige
chemische Untersuchung der verschiedenen Blössenarten ist von uns ausgeführt worden
und die Resultate derselben sollen in vorliegender Arbeit mitgetheilt werden.
Dass die zweite Voraussetzung, die oben angeführt wurde, ebenfalls erfüllt sein muss,
ist auch ohne weiteres einleuchtend. Werden während des eigentlichen Gerbeprocesses,
d.h. von dem Augenblicke an, wo die Blösse gewogen und in die erste Farbe eingezogen
ist, bis dahin, wo das Leder gezogen und gewogen wird, irgend nennenswerthe Mengen
der Blössensubstanz zersetzt, und es sind diese zersetzten Hautmengen bald grösser,
bald kleiner, so hört natürlich jede Möglichkeit auf, aus dem Stickstoffe des Leders
einen Schluss auf die ursprüngliche Blössenmenge zu ziehen. Untersuchungen hierüber
sind in unserem Laboratorium im Gange und die Resultate derselben werden demnächst
in einem besonderen Artikel in dieser Fachschrift veröffentlicht werden.
In vorliegender Arbeit wollen wir die Resultate der Stickstoffbestimmungen und die
Zusammensetzung der verschiedensten Blössen, die durch den Gerbeprocess in Leder
übergeführt werden, mittheilen. Gleichzeitig wurde auch der Wassergehalt dieser
Blössen im nassen Zustande bestimmt, um zu zeigen, welchen grossen Schwankungen
derselbe unterworfen ist, und dass demnach die Rendementszahlen der Praxis nur wenig
Werth haben können. Da wir bei unseren Untersuchungen so reichhaltiges Material zur
Verfügung hatten, so haben wir noch die Elementaranalyse einer grossen Anzahl von
Blössen ausgeführt. Während die Zusammensetzung, der Stickstoff- und Wassergehalt
der Blössen von wirklich praktischem Werthe ist, sind die Resultate der
Elementaranalyse von rein wissenschaftlichem, physiologischem Interesse.
Zu unseren Untersuchungen wurden, wie bereits erwähnt, die verschiedenen, am
häufigsten zum Gerben verwendeten Thierblössen und einige Blössenspecialitäten
verwendet, und zwar die Blössen vom Rind, Kalb, Ross, Schwein, Schaf, Ziege, Hirsch,
Reh, Hund, Katze; ferner kleinere Theile der Blössen von Kameel, Rhinozeros, von afrikanischem Kips
und von einigen Rindern. Die verschiedenen Häute oder Hautstücke waren mit Hilfe des
Kalkäschers enthaart worden; nur die eine halbe Rindshaut, die Bahiahaut und der
Bullenkopf waren zum Zwecke der Enthaarung geschwitzt worden. Als Beize diente
theils die Taubenmistbeize, theils die Gerstenschrotbeize, nach welcher die Blössen
wieder sauber gereinigt wurden.
Die zur Untersuchung bestimmten Blössen sind aus der Lehrgerberei der Deutschen
Gerberschule und aus zwei Tharander Gerbereien nach und nach entnommen und von
diesen Bezugsquellen unter Einhaltung der erforderlichen Vorsichtsmaassregeln, wie
Vermeidung von Druck u.s.w., in das Tharander Laboratorium gebracht worden. Daselbst
wurden sie stets sofort in ein Fass mit zu- und abfliessendem reinem Wasser gelegt,
aus welchem sie nach eintägigem Aufenthalte mittels einiger Haken an einer Leine zum
Abtropfen aufgehangen wurden. Nach genau zweistündigem Hängen wurden die Blössen
entweder direct gewogen (Weissgewicht), oder falls es darauf ankam, verschiedene
Theile der Blösse zu untersuchen, dieselbe zuvor mit einem scharfen Messer unter
Vermeidung jeden Druckes in die gewünschten Theile zerschnitten. Die Theilung
erfolgte bei verschiedenen Blössen, um festzustellen, ob Gleichheit oder
Verschiedenheit innerhalb ein und derselben Blösse hinsichtlich der
Zusammensetzung, des Stickstoff- oder Wassergehaltes vorhanden ist. Nach dem Wägen
wurden die Blössen mit Bindfaden in Rahmen gespannt und an einem luftigen, nicht zu
warmen Orte lufttrocken gemacht. Im lufttrockenen Zustande wurden die Blössen
wiederum gewogen, also das Lufttrockengewicht bestimmt, hierauf zur Wasserbestimmung
sorgfältig eine Mittelprobe gezogen und nach Ermittelung des Wassergehaltes der
lufttrockenen Blösse die Menge der Trockensubstanz berechnet. Von der lufttrockenen
Blösse wurde in der Regel nur ein Theil in kleine Stücke zerschnitten und diese zu
einem feinen Hautpulver gemahlen, welches zur Bestimmung der Zusammensetzung, des
Stickstoffgehaltes und zur Elementaranalyse der Blössensubstanz diente.
Tabelle I.
Textabbildung Bd. 287, S. 260Weissgewicht;
Lufttrockengewicht; H2O in der lufttrockenen Substanz;
Trockensubstanzgewicht; Lufttrockensubstanz in Procenten Weissgewichtes;
Trockensubstanz in Procenten des Weissgewichtes; Wassergehalt der nassen
Blosse; Geschwitzte Rindsblösse; a) Croupon; b) Hals; c) Bauch; a bis c)
Ganze Blösse; Gekälkte Rindsblösse; a) Linker Croupon; b) Rechter Croupon;
c) Bauch, Hals; a bis c) Ganze Blösse; Rossblösse; a) Spiegel; b) Kern; c)
Lappen; a bis c) Ganze Blösse; Kalbsblösse I; II; III; Blösse von afrikan.
Kips; einem Bullenkopf; einer Bahiahaut; vom Hals einer Kuhhaut;
Kameelblösse; a) Rücken; b) Hals; c) Bauch; d) Klaue; a bis d)
Schweineblösse; Schafblösse; a) Linke Seite; b) Rechte Seite; a u. b) Ganze
Blösse; Ziegenblösse; a) Linke Seite; b) Rechte Seite; a u. b) Ganze Blösse;
Hirschblösse; Rehblösse; Katzenblösse; Hundeblösse; Rhinozerosblösse Im Folgenden sollen noch einige Erläuterungen zu dem Untersuchungsmaterial
gegeben werden. Von der geschwitzten Rindsblösse wurde nur die eine Hälfte
untersucht, welche wiederum in a) Croupon, b) Hals und c) Bauch getheilt wurde.
Unter „Croupon“ versteht man den besten und stärksten mittleren Theil einer
Blösse, der vom Schweife bis hinauf zum Anfange des Nackens und seitwärts bis über
die Mitte des Bauches hinab über den oberen Theil der Hinterschenkel reicht. Der
„Hals“ bildet den eigentlichen Halstheil und der „Bauch“ die übrig
bleibenden Theile. Die gekalkte Rindsblösse wurde getheilt in a) linker Croupon, b)
rechter Croupon, c) Hals und Bauch. Bei der halben Rosshaut erfolgt die Theilung in
a) Spiegel, b) Kern, c) Halz und Bauch. Der „Kern“ der Rosshaut ist identisch
mit dem Croupon des Rindes. Der „Spiegel“ bildet den hinteren Theil des
Kernes. Die Rosshaut ist nämlich auf der Fleischseite mit zwei über den ganzen
Aftertheil reichenden, oft auch mit einander zusammenhängenden runden,
kautschukähnlichen Ueberzugsschichten belegt, welche als „Spiegel“ bezeichnet
werden. Vom Kalb wurden drei Blössenhälften von drei Individuen untersucht. Vom
Schwein kam eine halbe Blösse zur Untersuchung. Die Ziegenblösse wurde in zwei
Hälften getheilt, welche getrennt untersucht wurden. Die Blössen vom Hirsch, Reh,
Hund und Katze wurden ungetheilt zur Untersuchung verwendet. Die Schaf blösse, die
einer früheren Untersuchung gedient hat, war bereits nach dem Hängen von 10 Minuten
gewogen worden. Die übrigen untersuchten Blössen stellen nur gewisse Blössentheile
verschiedener Thiere dar. Von der Kameelblösse wurde je ein Stück vom Rücken, Hals,
Bauch und von der Klaue entnommen und jedes Stück einzeln gewogen und getrocknet.
Die vorstehende Tabelle I enthält die Zusammenstellung der ermittelten Weiss-,
Lufttrocken- und Trockensubstanzgewichte und die Wasser- und Trockensubstanzgehalte
der verschiedenen Blössen bezieh. Blössentheile.
Bei dem ersten Blick in Tabelle I sieht man, dass die Wassergehalte der verschiedenen
Blössen ausserordentlich schwanken, dass man also durchaus nicht berechtigt ist, für
jede Blösse, auch für diejenigen nicht, die hauptsächlich in der Rothgerberei
verwendet werden, einen durchschnittlichen Wasser-, Lufttrockensubstanz- bezieh.
Trockensubstanzgehalt anzunehmen. Den höchsten Trockensubstanzgehalt – 38,12 Proc. –
hat die Blösse der Bahiahaut; dies ist jedoch ein abnormer Fall; die betreffende
Blösse war sehr schlecht geweicht und griff sich noch ganz hart an, weswegen
dieselbe auch nur ein wenig brauchbares Leder geliefert haben würde. Diese Blösse
muss aus diesem Grunde von unseren späteren Betrachtungen ausgeschlossen werden. Den
nächsthöchsten Trockensubstanzgehalt bezieh. niedrigsten Wassergehalt weist die
Rhinozeroshaut auf; dann kommen die verschiedenen Blössen (nicht Blössentheile) in
folgender Reihenfolge: geschwitzte Rindsblösse, Katzenblösse, gekalkte Rindsblösse,
Schweineblösse, Hundeblösse, Rossblösse, die Kalbsblössen, Ziegenblösse;
Hirschblösse, Rehblösse und Schafblösse. Die Trockensubstanzgehalte schwanken
hierbei von 30,66 bis 11,41 Proc. Die letztere Zahl, welche der Schafblösse zukommt,
ist deswegen so niedrig ausgefallen, weil das Wägen bereits 10 Minuten nach dem
Aufhängen erfolgte; würden die üblichen 2 Stunden eingehalten worden sein, so würde
sich der Trockensubstanzgehalt etwas höher gestellt haben, aber sicherlich würde
auch dann noch derselbe der niedrigste von allen anderen gewesen sein. Die obige Reihenfolge lässt deutlich erkennen, dass der
Trockensubstanzgehalt der Blössen abnimmt, bezieh. der Wassergehalt steigt mit
der Abnahme der Stärke und mit Zunahme der schwammigen Textur der Blössen.
Eine dünne schwache Kalbsblösse ist wasserreicher als eine stärkere Rindsblösse, und
eine gekalkte Rindsblösse, die durch den Kalkäscher und die Beize schwammiger und
lockerer geworden ist, enthält mehr Wasser aufgesogen als eine geschwitzte
Rindsblösse.
Der Wassergehalt der Blössen wechselt also ausserordentlich mit der Provenienz
und richtet sich auch nach der Art der Vorarbeiten. Der Wechsel des Wassergehaltes
geht sogar noch weiter. Derselbe ist sogar nicht einmal innerhalb ein und derselben
Blösse constant, wie auch aus Tabelle I ersichtlich ist. Es gilt auch da wieder die
Regel, dass die stärkeren Blössentheile wasserärmer sind als die dünneren und
schwammigeren. Bei der geschwitzten Rindsblösse ist der Croupon wasserärmer als der
Hals und dieser wiederum wasserärmer als der Bauch; bei der gekalkten Rindsblösse
hat ebenfalls der Croupon einen niedrigeren Wassergehalt als Bauch und Hals. Nur die
Kameelblösse weist in dieser Beziehung eine kleine Unregelmässigkeit auf; daselbst
ist der Hals wasserärmer als der Rücken, welcher dem Croupon entspricht. Vergleicht
man hinsichtlich des Wassergehaltes symmetrische Theile
ein und desselben Individuums, so zeigt sich Gleichheit. Der linke Croupon der
gekalkten Rindsblösse hat denselben Wassergehalt wie der rechte, ebenso die linke
Ziegenblössenhälfte fast den gleichen wie die rechte.
Aus allen diesen Zahlen geht hervor, dass man nicht für jede Blösse denselben
Wassergehalt annehmen kann, wie die Praktiker vielfach glauben, sondern dass
derselbe sehr wechselt und namentlich abhängig ist von der Stärke und Textur der
Blössen und von der Art der Vorarbeiten, die damit vorgenommen worden sind. Eine
Blösse, die nur 1 Stunde abgetropft hat, wird mehr Wasser enthalten als eine solche,
die 2 Stunden gehangen hat, und diese wieder mehr als eine solche, die mit dem
Schlicker ausgestrichen worden ist; von mehreren über einander lagernden Blössen
wird die unterstliegende in Folge des auf ihr lastenden Druckes einen geringeren
Wassergehalt besitzen als die obenliegende. Die Blössen werden demnach auch sehr
verschiedene Rendements geben, und zwar die mit dem niedrigeren Wassergehalt
selbstverständlich die besseren, ohne dass die Durchgerbung eine verschiedene zu
sein braucht. Es ist also möglich, dass die Rendements mehrerer Leder in der Praxis
vollständig verschieden sein können, während sich bei der chemischen Analyse der
Leder vollständig gleiche Durchgerbung ergibt. Es sind aus diesem Grunde die
Lederrendements, die auf das Weissgewicht bezogen werden, äusserst ungenau und
können, selbst wenn sehr gleichmässig verfahren wird, nur höchst annähernde
Resultate liefern. Möglicher Weise beruhen die Unterschiede der Rendements, die man
in der Praxis für die verschiedenen Lederarten annimmt, überhaupt nur auf
Unterschieden im Wassergehalt der Blössen. Die gerberische Praxis erzielt nämlich
bei den geschwitzten Sohlledern die besten Rendements, dann kommen die gekalkten
Sohlleder, hierauf die Zeugleder und endlich die Oberleder, und man führt dies auf
verschiedene Durchgerbungsgrade zurück, die die betreffenden Lederarten besitzen.
Dementsprechend sind auch die Wassergehalte der Blössen; die letzteren, die
Kalbsblössen, haben nach unseren Untersuchungen den höchsten Wassergehalt von
denjenigen Blössen, die in der Lohgerberei von Bedeutung sind, müssen demnach auch
theoretisch das niedrigste Rendement ergeben, während die geschwitzten Rindsblössen
am wenigsten Wasser enthalten und mithin das beste Rendement liefern müssen. Ob
diese Rendementsunterschiede lediglich im verschiedenen Wassergehalte der Blössen
ihre Ursache haben oder ob thatsächlich durchgängige Unterschiede im
Durchgerbungsgrade vorhanden sind, werden eine grosse Anzahl von Lederanalysen
zeigen, die gegenwärtig im hiesigen Laboratorium ausgeführt und später in dieser
Fachschrift zur Veröffentlichung gelangen sollen.
An die Untersuchungen über den Wassergehalt der Blössen haben wir, wie bereits
erwähnt, weitere Untersuchungen über die Zusammensetzung der getrockneten Blössen
angeschlossen. Wir haben in sämmtlichen Blössen bezieh. Blössentheilen den Gehalt an
Fett, Asche und eigentlicher Hautsubstanz bestimmt. Die Bestimmung des Fettes
erfolgte durch Extraction der getrockneten, gemahlenen Blösse mittels
Schwefelkohlenstoffes im Soxhlet'schen
Extractionsapparate. In dem entfetteten Hautpulver wurden sowohl Asche- als
Stickstoffbestimmungen ausgeführt. Auf die Ausführung der letzteren wurde ganz
besondere Sorgfalt gelegt; die betreffenden Resultate, die in der nächsten Tabelle
aufgeführt werden, sind die Mittelwerthe von zwei oder drei Bestimmungen, welche
stets auf wenige Hundertstel von Procenten übereinstimmten. Zur
Stickstoffbestimmung, welche nach der von Wilfarth
modificirten Kjeldahl'schen Methode ausgeführt wurde,
wurden stets 0,4000 g des absolut trockenen, entfetteten Hautpulvers von bekanntem
Aschengehalt verwendet. Beim Abdestilliren des Ammoniaks wurden 50,0 cc 1/10-Normalschwefelsäure vorgelegt und der Ueberschuss derselben mit 1/10-Normalammoniaklösung zurücktitrirt. Bei den Controlbestimmungen waren beim
Zurücktitriren die höchsten Unterschiede 0,2 cc, was erst 0,07 Proc. Stickstoff
entspricht; in den meisten Fällen war der Unterschied noch geringer oder überhaupt
keiner vorhanden. Ausser den zur Wasserbestimmung verwendeten Blössen wurde noch
eine Anzahl anderer getrockneter Blössen untersucht; so z.B. mehrere Hautpulver, die
aus gekalkter Rindsblösse hergestellt sind und im hiesigen Laboratorium zur
Gerbstoffanalyse verwendet werden, ferner Hornleder, welches weiter nichts als
getrocknete Blösse darstellt. Die Rhinozerosblösse wurde vor dem Trocknen getrennt
in Narbenseite (Aussenseite) und Fleischseite (Innenseite), da diese beide in ihrer
histologischen Beschaffenheit so verschieden waren, dass man nicht eine gleiche
Zusammensetzung der beiden annehmen konnte. Die verschiedenen Theile der
Kameelblösse wurden nicht getrennt, sondern eine Mittelprobe derselben untersucht.
Mehrere entgerbte Transparentleder, die aus Rindsblössen hergestellt waren, dienten
auch zur Stickstoffbestimmung. Transparentleder ist ein mit Glycerin und zuweilen
auch gleichzeitig mit Fett gegerbtes Leder, das durch Extraction mit
Schwefelkohlenstoff und Wasser vollständig entgerbt werden kann.
Wir betrachten in Tabelle II zunächst die Zusammensetzungen der Trockensubstanz
verschiedener Blössen und in erster Linie den Fettgehalt derselben. Jede Blösse
enthält also eine gewisse Menge Fett, die auch durch den Aescher- und Beizprocess
nicht vollständig entfernt wird. Der Fettgehalt derjenigen Blössen, die namentlich
von den Rothgerbern verarbeitet werden, wie Rinds-, Ross-, Kalbsblösse, ist durchweg
sehr gering; hinsichtlich der Vertheilung des Fettes auf ein und derselben Blösse
scheint die Regel zu sein, dass der Bauchtheil in der Blösse fettreicher ist als die
übrigen Theile. Die Schweineblösse, welche vorzugsweise nur noch in Süddeutschland
und Oesterreich-Ungarn zu lohgarem Leder verarbeitet wird, zeichnet sich bereits
durch einen höheren Fettgehalt aus. Kameel-, Hirsch- und Rhinozerosblösse besitzen
nur geringe Mengen Fett. Von diesen genannten Blössen unterscheiden sich die
übrigen durch einen wesentlich höheren Fettgehalt; ganz besonders hoch ist derselbe
bei Schaf, Katze und Hund. Beim Schaf wechselt der Fettgehalt wiederum sehr bei den
einzelnen Individuen. Innerhalb ein und derselben
Tabelle II.
Zusammensetzung und Stickstoffgehalt der verschiedenen Blössen
bezieh. Blössentheile im absolut trockenen Zustande.
Fett
Asche
Haut-sub-stanz
Stick-stoff infett-
undasche-freierHaut
Proc.
Proc.
Proc.
Proc.
Geschwitzte Rindsblösse:
a) Croupon
0,26
0,33
99,41
17,88
b) Hals
0,19
0,29
99,52
17,92
c) Bauch
0,43
0,27
99,30
17,79
a bis c) Ganze Blösse
0,28
0,30
99,42
17,87
Gekälkte Rindsblösse:
a) Linker Croupon
0,22
1,33
98,45
17,84
b) Rechter Croupon
0,25
1,11
98,64
17,85
c) Bauch, Hals
0,49
1,62
97,89
17,78
a bis c) Ganze Blösse
0,33
1,37
98,30
17,81
Rossblösse:
a) Spiegel
0,57
1,68
97,75
17,85
b) Kern
0,87
1,56
97,57
17,93
c) Bauch, Hals
1,48
1,86
96,66
17,69
a bis c) Ganze Blösse
1,10
1,73
97,17
17,78
Kalbsblösse I
0,62
1,00
98,38
17,78
II
1,02
1,09
97,89
17,78
III
0,60
1,25
98,15
17,80
Blösse von afrikanischem Kips
1,01
0,78
98,21
17,76
„ „ einem Bullenkopf
0,80
0,69
98,51
17,92
„ „ einer Bahiahaut
0,31
0,26
99,43
17,83
„ „ „ Kuhhaut
0,66
1,97
97,37
17,89
Hautpulverzur Gerbstoff
bestim-mung
Gekälkte Rindsblösse I „ „
II „ „ III
0,181,410,37
0,301,250,76
99,5297,3498,87
17,8517,8217,84
Hornleder (getrockn. Rindsblosse)
0,32
1,26
98,42
17,80
Entgerbtes Transparentleder I
–
1,34
98,66
17,83
„ „ II
–
0,77
99,23
17,71
„ „ III
–
1,00
99,00
17,84
Schweineblösse
2,57
0,83
96,60
17,84
Kameelblösse
1,10
2,40
96,50
17,67
Rhinozerosblösse:
a) Narbenseite
0,16
2,08
97,76
18,22
b) Aasseite
0,06
2,08
97,86
17,93
a u. b) Ganze Blösse
0,08
2,08
97,84
17,98
Ziegenblösse:
a) Linke Hälfte
2,55
0,39
97,06
17,48
b) Rechte Hälfte
2,62
0,52
96,86
17,47
a u. b) Ganze Blösse
2,58
0,45
96,97
17,47
Hirschblösse
1,11
1,52
97,37
17,41
Rehblösse
3,63
1,19
95,18
17,38
Schafblösse:
a) Linke Hälfte
6,97
1,17
91,86
17,15
b) Rechte Hälfte
6,98
1,20
91,82
17,05
a u. b) Ganze Blösse
6,98
1,19
91,85
17,10
Schafblösse:
a) Kern
11,53
1,58
86,89
17,05
b) Hals
7,60
1,50
90,90
17,06
c) Bauch
4,97
1,74
93,29
17,16
a bis c) Ganze Blösse
8,13
1,64
90,24
17,10
Schafblösse
29,66
1,47
68,87
17,18
Katzenblösse
31,42
2,81
65,77
17,05
Hundeblösse
26,57
2,75
70,68
16,97
Blösse finden ziemlich grosse Unterschiede statt. Symmetrische Theile derselben
Blösse zeigen wie beim Wassergehalt keine Unterschiede, aber die einzelnen Theile
derjenigen Blösse, welche vor ihrer Untersuchung in Kern, Hals und Bauch getheilt
wurde, weichen in ihren Fettgehalten wesentlich von einander ab. Hierbei ist der
Bauchtheil mit 4,97 Proc. Fett am fettärmsten, dann folgt der Hals mit 7,60 Proc.
und schliesslich der Kern mit 11,53 Proc. Im Kern sind wieder die fettigsten Theile
an der Schwanzgegend, wovon man sich bei jeder Schafblösse selbst überzeugen kann. Die
durch die Analyse gefundene Vertheilung des Fettes in ein und derselben Schafblösse
bestätigt vollständig die Angaben, die jeder praktische Gerber darüber macht.
Bezüglich des Aschengehaltes finden bei den verschiedenen Blössen nur geringe
Unterschiede statt. Die Blösse besitzt von Natur aus sehr wenig anorganische Stoffe,
wie die Zusammensetzung der geschwitzten Blössen zeigt, deren Aschengehalt bei
Rindsblösse, Bullenkopf und Bahiahaut von 0,26 bis 0,69 Proc. schwankt. Der
geringere Aschengehalt mit 0,30 Proc. der einen gekalkten Rindsblösse beruht darauf,
dass dieselbe, da sie zu analytischen Zwecken (als Hautpulver bei der
Gerbstoffanalyse) dienen sollte, sorgfältig und mehrmals ausgewaschen worden war.
Der höhere Mineralstoffgehalt der übrigen Blössen rührt vom Kalkäscher her, in
welchem in die Blösse Calciumhydroxyd bezieh. kohlensaurer Kalk gelangt sind, die
durch die späteren Processe nicht vollständig wieder entfernt worden sind.