Titel: | Untersuchungen verschiedener Blössen. |
Autor: | v. Schroeder, J. Pässler |
Fundstelle: | Band 287, Jahrgang 1893, S. 284 |
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Untersuchungen verschiedener Blössen.
Von Prof. Dr. v. Schroeder und Dr. J.
Pässler in Tharand.
(Fortsetzung der Abhandlung S. 258 d.
Bd.)
Untersuchungen verschiedener Blössen.
Wir kommen jetzt zur Betrachtung des Stickstoffgehaltes der verschiedenen Blössen und
wollen zunächst sehen, ob der Stickstoffgehalt in fett- und aschefreier Substanz in
verschiedenen Theilen ein und derselben Blösse constant ist. Wie aus unseren
Untersuchungen hervorgeht, ist dies in der That der Fall, denn die unwesentlichen
Differenzen
sind nur auf individuelle Verschiedenheiten zurückzuführen, da man es in der fett-
und aschefreien Blössentrockensubstanz doch kaum mit einer chemisch einheitlichen
Substanz zu thun hat, was ja auch Reimer bereits
nachgewiesen zu haben glaubt. Die grösste Differenz beträgt bei der geschwitzten
Rindsblösse 0,13 Proc., bei der gekalkten Rindsblösse 0,07 Proc., bei der Rossblösse
0,24 Proc. und bei der Schafblösse 0,11 Proc. Durch den Nachweis, dass der
Stickstoffgehalt der reinen Blössentrockensubstanz in verschiedenen Theilen ein und
derselben Blösse nahezu constant ist, gewinnt der Vorschlag, den Stickstoffgehalt
des Leders zur Bestimmung des Durchgerbungsgrades zu benutzen, bedeutend an Werth.
Würde dagegen ein Wechsel des Stickstoffgehaltes constatirt worden sein, so wäre es
unmöglich, aus dem Stickstoffgehalte des fertigen Leders einen Schluss auf die
Durchgerbung der ganzen Haut ziehen zu wollen.
Tabelle II gibt ferner auch darüber Gewissheit, dass der Stickstoffgehalt der reinen
Blössentrockensubstanz von verschiedenen Thieren gering, aber dabei deutlich
variirt. Wir können die Thiere hinsichtlich des Stickstoffgehaltes ihrer reinen
Blössentrockensubstanz in drei Gruppen theilen:
1) Rind (Kalb), Kips, Ross, Schwein, Kameel, Rhinozeros (Stickstoffgehalt schwankt
zwischen 17,67 und 17,98 Proc.).
2) Ziege, Hirsch, Reh (Stickstoffgehalt schwankt zwischen 17,38 und 17,48 Proc).
3) Schaf, Hund, Katze (Stickstoffgehalt schwankt zwischen 16,97 and 17,18 Proc).
Gruppe 1 zeigt im Stickstoffgehalte die grösste Differenz, welche namentlich durch
die Rhinozerosblösse hervorgerufen wird. Die Narbenseite derselben hat mit 18,22
Proc. einen abweichend hohen Stickstoffgehalt, wodurch derselbe für die ganze Blösse
erhöht wird. Uebrigens ist die Rhinozerosblösse für die gerberische Praxis ohne
Bedeutung. Bei sämmtlichen übrigen Blössen dieser Gruppe variirt die Menge des
Stickstoffs nur sehr wenig, weswegen man berechtigt ist, das Mittel zu ziehen und
dasselbe bei allen späteren Berechnungen, wie Bestimmung des Durchgerbungsgrades, zu
Grunde zu legen. Das Mittel der Stickstoffgehalte derjenigen Blössen aus der ersten
Gruppe, die in der gerberischen Praxis von Wichtigkeit sind und deren
Stickstoffgehalt zwischen 17,71 und 17,92 Proc. schwankt, beträgt 17,82 Proc.; für
künftige Berechnungen wird es rathsam sein, diese Zahl auf 17,80 Proc. abzurunden.
Die Blössen, deren reine Blössentrockensubstanz durchschnittlich 17,80 Proc.
Stickstoff enthalten, sind diejenigen, welche namentlich vom Rothgerber zu lohgarem
Leder verarbeitet werden, und bei diesem spielt der Durchgerbungsgrad eine besondere
Rolle, da der Rothgerber seine Häute und Leder nach Gewicht ein- und verkauft und
mithin eine möglichst vollständige Durchgerbung erzielen will. Wir sind jetzt in der
Lage, aus dem Stickstoffgehalte des Leders auf den Grad der Durchgerbung; auf die Höhe des erzielten Rendements schliessen
zu können, da wir den Stickstoffgehalt der verwendeten Blössen hinlänglich genau
kennen. Selbstverständlich ist hier wieder die Voraussetzung zu machen, dass bei dem
eigentlichen Gerbeprocesse keine Zersetzungen von Hautsubstanz stattfinden.
Die Blössen, die einen niedrigeren Stickstoffgehalt besitzen, das sind die von der
Ziege, vom Hirsch, Reh, Schaf, Hund und von der Katze, werden namentlich sämisch-
und weissgar, nur in seltenen Fällen lohgar gemacht. Aber in allen diesen
Fällen ist für den Gerber die Ermittelung des Rendements und Bestimmung des
Durchgerbungsgrades von geringerer Bedeutung, da alle diese Blössen, ebenso das
daraus hergestellte Leder, meistens nicht nach dem Gewicht, sondern nach der
Stückzahl gekauft und verkauft werden. Es haben demnach die Stickstoffgehalte dieser
Blössen für die Praxis geringere Bedeutung.
Wir fassen unsere Resultate der Stickstoffbestimmungen in den verschiedenen Blössen
und Blössentheilen nochmals zusammen:
Der Stickstoffgehalt der wasser-, asche- und fettfreien
Blössensubstanz ist bei ein und demselben Individuum an den verschiedensten
Stellen und bei Individuen derselben Thierart als constant zu betrachten. Es
haben sogar mehrere Thierarten den gleichen Stickstoffgehalt. Die von uns
untersuchten Blössen lassen sich hinsichtlich ihres Stickstoffgehaltes in drei
Gruppen theilen:
1) Blössen von Rind, Kips, Ross, Schwein, Kameel mit
durchschnittlich 17,80 Proc. Stickstoff.
2) Blössen von der Ziege, vom Hirsch und Reh mit
durchschnittlich 17,40 Proc. Stickstoff.
3) Blössen vom Schaf, Hund und von der Katze mit
durchschnittlich 17,10 Proc. Stickstoff.
Wenn man weiss, von welchem Thiere ein Leder abstammt, was ja
innerhalb dieser drei Gruppen bei den gerberisch wichtigen Blössen leicht zu
entscheiden ist, so wird man demnach im Stande seht, aus dem Stickstoffgehalt
der wasser-, asche- und fettfreien Ledersubstanz berechnen zu können, wie viel
das Leder Blössentrockensubstanz und gerbende Stoffe enthält; man kann also auf
diese Weise genau den Durchgerbungsgrad eines Leders ermitteln.
Da wir bei unseren Untersuchungen sehr mannigfaltiges Material zur Verfügung hatten
und über die elementare Zusammensetzung der Lederhaut in der Litteratur von einander
abweichende Angaben zu finden sind, so schlössen wir die Elementaranalyse
verschiedener Blössen an. Die reingemachte Blösse, wie sie der Gerber in die Farbe
einzieht, besteht aus der stark wasserhaltigen Lederhaut oder dem Corium. Nach
Untersuchungen von Stohmann und LangbeinMuspratt's encyklopädisches Handbuch der technischen
Chemie, 4. Aufl. Bd. 3 S. 1188. hat dieses Corium im
aschenfreien Zustande folgende Elementarzusammensetzung:
C
49,91
Proc.
H
5,75
„
N
18,00
„
S
0,30
„
O
26,04
„
––––––––––
100,00
Proc.
MuntzAnnales de Chimie et de Physique, Juli 1870 S.
309. fand in einer enthaarten und gereinigten Rindsblösse, die er
zu mehreren Gerbeversuchen verwendete, folgende Zusammensetzung:
C
51,80
Proc.
H
6,69
„
N
18,29
„
O
23,22
„
––––––––––
100,00
Proc.
Der Schwefel wurde von Muntz nicht bestimmt.
Nach Rollet'sWiener Akademie-Bericht, Bd. 30 S. 37. Bd. 39
S. 308. D. p. J. 1858 149 298. und Reimer'sD. p. J. 1872 205
143. Untersuchungen ist das Corium keine chemisch einheitliche
Substanz, sondern es besteht aus der Substanz der Bindegewebsfasern oder Fibrillen und der sie
verkittenden Intercellularsubstanz, die Reimer als Coriin bezeichnet. Das letztere soll in Kalk- und
Barytwasser und in einer 10procentigen Kochsalzlösung löslich sein, während es in
Kochsalzlösung von grösserer oder geringerer Concentration unlöslich sein soll,
welche Eigenschaften zu seiner Abscheidung von Reimer
benutzt worden sind. Reimer analysirte die beiden
Bestandtheile, wobei er einen eventuellen Schwefelgehalt unberücksichtigt Hess, und
fand sie folgendermaassen zusammengesetzt:
Bindegewebs-substanz
Coriin
C
48,45 Proc.
45,91 Proc.
H
6,66 „
6,57 „
N
18,45 „
18,01 „
O
26,44 „
29,51 „
––––––––––
––––––––––
100,00 Proc.
100,00 Proc.
Bei den Reimer'schen Zahlen findet sich ein Rechenfehler
vor, welcher bei den hier citirten Zusammensetzungen bereits berücksichtigt und
geändert ist. Reimer berechnet aus diesen Analysen
folgende Formeln für diese beiden Substanzen:
Bindegewebssubstanz:
C30H46N10O12
Coriin:
C30H50N10O13.
Da man das Corium durch wiederholte Behandlung mit Kalkwasser nicht vollständig an
Coriin erschöpfen kann, sondern immer wieder neue Mengen von Coriin in Lösung gehen,
so glaubt Reimer, dass durch die lange Einwirkung des
Kalkwassers das Coriin von neuem gebildet wird und dass dasselbe ein
Umsetzungsproduct der Bindegewebssubstanz ist. Dieser Umsetzung, bei welcher eine
Sauerstoff- und Wasseraufnahme erfolgt, gibt Reimer
folgende Formel:
C30H46N10O12 + O + 2 H2O =
C30H70N10O15
Bindegewebssubstanz Coriin
Bezüglich der von Reimer aufgestellten Formeln ist zu
erwähnen, dass die von ihm gefundenen Zahlen nicht gut mit den berechneten
übereinstimmen, so dass auf diese Formeln nicht allzu grosser Werth gelegt werden
darf. Ferner kann man auch auf die Reimer'schen Zahlen,
besonders auf die Stickstoffzahlen, nur wenig Werth legen, da dieser Autor nur
geringe Mengen Substanz zur Analyse verwendet und ausserdem etwa
\frac{3,5}{10}-Normalschwefelsäure vorgelegt hat, so dass die
Analysenfehler sehr gross werden. Es lassen dies die Reimer'schen Angaben selbst direct erkennen. Die drei Stickstoffgehalte
des aschefreien Coriins schwanken nach Berücksichtigung des erwähnten Rechenfehlers
innerhalb 0,48 Proc., welche Differenz entschieden über die erlaubte Grenze
hinausgeht.
(Schluss folgt.)