Titel: | Die Bedingungen für das Telephoniren auf grosse Entfernungen. |
Fundstelle: | Band 289, Jahrgang 1893, S. 41 |
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Die Bedingungen für das Telephoniren auf grosse
Entfernungen.
Bedingungen für das Telephoniren auf grosse
Entfernungen.
Als die Telephonlinie Paris–London hergestellt werden sollte, hat W. H. Preece es als Vorbedingung des Gelingens
hingestellt, dass der Stromkreis vollständig metallisch sein und aus Kupfer bestehen
müsse, da das Product R × K (Leitungswiderstand × Capacität) nicht zu gross sein dürfe (vgl. 1889
274 575); auch schloss er aus den angestellten
Versuchen, dass bei RK = 15000, 12500, 10000, 7500,
5000 und 2500 das Sprechen bezieh. unmöglich, möglich, gut, sehr gut, ausgezeichnet
und vollkommen sein werde. Dementsprechend hatte Preece
die Abmessungen des für die genannte Linie in den Kanal zu versenkenden Kabels
berechnet für den Fall, dass für diese Linie RK = 7500
werden solle; da aber die französische Regierung ihre Landlinien aus stärkerem
Drahte herstellte, so ging RK zwar nicht, wie erwartet
wurde, auf 5900 herab (vgl. 1891 279 120, 280 157), wohl aber auf 7359 (vgl. 1891 282 131). Das Sprechen auf dieser Linie war aber nicht
bloss „sehr gut“, sondern „ausgezeichnet“ und nahezu
„vollkommen“. Weiter hat sich Preece dann
noch in einem Vortrage über diese Linie (vgl. 1891 282
132) in die Erörterung der Grenze des Sprechens eingelassen und findet da die
Ursache des besseren Sprechens auf der Linie London–Paris darin, dass zufolge der
auftretenden Extraströme sich die Capacität K um einen
gewissen Betrag M vermindere.
In seiner am 26. Januar d. J. gehaltenen Antrittsrede als Vorsitzender der Institution of Electrical Engineers in London (vgl. Journal of the Institution, Bd. 22 S. 49; auch Lumiere Mectrique, 1893 Bd. 47 S. 545) kommt nun Preece auch auf die Telephonlinie New York-Chicago
(vgl. 1893 287 144) zu sprechen. Diese 950 Meilen lange
Linie sei aus Kupferdraht (Nr. 8 S. W. G.) von 435 Pfund Gewicht auf die Meile
gebaut, welcher 2,06 Ohm Widerstand für 1 Meile besitze; nach Wetzler solle er 0,0158 Mikrofarad für 1 Meile (0,0098
für 1 km) Capacität besitzen, das müsse jedoch zu hoch sein; so viel habe er zwar an
einer alten Linie in England gefunden, die englischen Linien hätten indessen zufolge
der Benutzung von Erdleitungen weit grössere Capacität als amerikanische Linien. Die
Leitung nach Paris übersteige nicht 0,005 für 1 Meile und er schätze die
Chicago-Leitung auf 0,004 Mikrofarad, sowie RK auf
7500. Er würde ein Gewicht von 600 Pfund für 1 Meile und unter englischen
Verhältnissen, wo man nicht ganz ohne Kabel und unterirdische Führung wegkommen
könne, 1000 Pfund vorgeschlagen haben. Der günstige Einfluss der Induction als einer
negativen Capacität mache sich auch beim Telegraphiren mit automatischen Gebern
bemerkbar; so habe bei zwei Kupferdrähten von je 450 Meilen die Geschwindigkeit auf
jedem 120 Wörter in der Minute betragen, und ebenso viel bei einer Schleife mit zwei
auf verschiedenen Wegen laufenden Zweigen, dagegen 150 Wörter, also 25 Proc. mehr,
bei einer Schleife mit auf den nämlichen Stangen liegenden Zweigen. R könne ferner leicht mit einer Weatstone'schen Brücke gemessen werden, dagegen lasse sich K nicht unmittelbar messen und bei einer theils über,
theils unter der Erde laufenden Schleife aus Kupfer seien Aenderangen nöthig wegen
der elektrostatischen und elektromagnetischen Induction, welche sich bis jetzt noch
nicht in eine Formel bringen liessen und es schwierig machten, die Capacität zu
bestimmen, ausser angenähert nach den telephonischen Wirkungen selbst. So habe sich
die Capacität auf der Linie London-Paris als nur halb so gross erwiesen, als die
durch die Rechnung gefundene, und bei jeder langen Linie müsse die ihr eigene K durch Vergleichung mit einer nach der Erfahrung
aufzustellenden Skala für KR bestimmt werden. Eine
solche Skala habe er durch sorgfältige Versuche an künstlichen Kabeln
aufgestellt.
Im Anschlusse hieran theilt Frank Géraldy in der Lumière Électrique, 1893 Bd. 47 S. 562, mit, dass man
in Amerika, als man Telephonlinien von 1000, 1500, 1900 km habe bauen wollen und nach der Preece'schen Formel für diese ein erschreckendes
Kupfergewicht gefunden habe, unmittelbare Versuche durch einfaches
Aneinanderschliessen von Leitungen gemacht und dabei gefunden habe, dass das
Sprechen
ausgezeichnet
bei
1000
km
mit
RK = 31000
gut
„
1200
„
„
RK = 45000
mittelmässig
„
1420
„
„
RK = 62000
unmöglich
„
1750
„
„
RK = 94000
gewesen sei. Er weist darauf hin, dass eine Verschiedenheit in
der Auffassung der in der Formel vorkommenden Begriffe zwar nicht zu einer Aenderung
im Gesetze, aber wohl in den gefundenen Zahlenwerthen führen müsse, und bemerkt,
dass man die nach einer Erfahrungsskala zu findende Grösse K gar nicht mehr „Capacität“ nennen könne, da dieses Wort eine
bestimmte Bedeutung habe. Er vermisst ferner, dass in der Formel die Selbstinduction
der Linie nicht vorkommt, welche zwar in der Telegraphie wohl vernachlässigt werden
könne, kaum aber in der Telephonie, die mit Wechselströmen von sehr raschem Wechsel
arbeite. Die von Preece angedeuteten Schwierigkeiten in
der Messung eines durch die Capacität scharf bestimmten Werthes dürften
verschwinden, wenn man scharf die Verhältnisse, unter denen man arbeiten will, die
mittlere Zahl der Wechsel, die Stärke der Ströme festsetzen wollte.
Auf S. 581 desselben Heftes der Lumière Électrique und
auch in Electrician, 1893 Bd. 30 S. 519, wird dann aus
der Electrical World vom 18. Februar 1893 S. 117 eine
amerikanische Antwort auf die Rede von Preece
mitgetheilt. Es wird darin hervorgehoben, dass – im Gegensatze zu Preece – die amerikanischen Telephongesellschaften
Dividenden verdienen müssten und daher nicht Drähte von 170 k für 1 km da verwenden
könnten, wo (vgl. 1893 287 144) schon 122 k ausreichten.
Für die Linie New York–Chicago hätte bei 170 k das Kupfer allein 200000 M. mehr
gekostet. Die Thatsache, dass man auf der 1900 km langen Linie Boston-Chicago (vgl.
1893 288 72) einen guten Verkehr erzielt habe, beweise
sattsam, dass die Dicke des verwendeten Drahtes hinreiche. Die Formel von Preece sei kein Gesetz, sondern eine Erfahrungsformel;
sie sei aus den in der ersten Zeit der Telephonie gemachten Erfahrungen abgeleitet,
seitdem seien die Apparate, die Linien, die Arbeitsweisen verbessert worden.
Anfänglich sei RK so berechnet worden, dass man das
Product aus dem ganzen Widerstände und der ganzen Capacität mit 4 dividirt habe,
weil man die Capacität einer isolirten Schleife als das Viertel der ganzen Linie im
Verhältniss zur Erde angenommen habe; dasselbe finde man durch Multiplication der
ganzen Capacität des einen Schleifenzweiges mit dessen ganzem Widerstände. So
erhalte man RK für Paris–London etwa 7500, für New
York–Chicago 33000, für Boston–Chicago nahezu 54000; dennoch sprächen New York und
Boston ebenso leicht mit Chicago, wie London mit Paris. Die Aenderungen, welche Preece selbst an dem „Gesetze RK“ angebracht habe, hätten das Vertrauen zu
diesem Gesetze zerstört. Es sei aus der bekannten Formel Thomson's für die Dicke des Leiters und der Isolirschicht eines Kabels
rücksichtlich der Telegraphirgeschwindigkeit hergeleitet, diese habe aber für die
Telephonirströme keine Gültigkeit. Die sehr hilfreiche Grösse M, welche von den Extraströmen der grossen Capacität
des Unterseekabels herrührt, brachte K zum Theil aus
der Rechnung; dazu sollte bei ganz metallischen Stromkreisen die elektromagnetische
Trägheit ganz vernachlässigt werden können. Preece gab
M den Werth 0,0047 Mikrofarad für 1 km, zog ihn von
K ab und brachte K von
0,0095 auf 0,0047; so kam RK für Paris–London vor etwa
1 Jahr auf 5000, jetzt gibt Preece für diese Linie K = 0,0031 Mikrofarad für 1 km; für New York–Chicago
nimmt Preece bloss 0,0025 Mikrofarad für 1 km und
theilt den Rest noch in zwei Theile, um RK = 7500
herauszubringen. 1891 hatte Preece in Cardiff (vgl.
1892 282 131) 0,0095 Mikrofarad für 1 km für die Leitung
von 112 km zwischen London und Dover angegeben; M sei
da der grossen Capacität des Unterseekabels in der Mitte der Linie Paris–London
zugeschrieben worden; in der Linie New York–Chicago lägen nur 2 bis 3 km Kabel am
Endpunkte bei New York, wie könne da M wohl K von 0,0095 auf 0,0025 Mikrofarad für 1 km
herabbringen? Jacques habe vielleicht minder
wissenschaftlich, aber einfacher seine Grenze mit 10 multiplicirt und nimmt jetzt
RK = 45000 für gutes Sprechen mit Hunning's Geber. Die Linie Boston–Chicago läuft über
New York; sie enthält mehr als 3 km Unterseekabel und etwa 5 km Landkabel, die etwas
über 1900 km lange Luftlinie ist aus Kupferdraht von 4 mm Dicke und 122 k Gewicht
für 1 km. Nach der alten Rechnungsweise würde bei ihr RK
= 54000 sein. Das Sprechen auf ihr ist sehr gut. Auf der Linie New
York–Chicago (über deren Ausführung interessante Einzelheiten im New Yorker Electrical Engineer, 1892 Bd. 14 * S. 565,
veröffentlicht worden sind) ist mehrmals gesprochen worden, während sie mit mehrere
Kilometer langen unterirdischen Leitungen verbunden war, was RK vergrössern musste. Bei beiden Linien ist bei der
Berechnung von RK Capacität und Widerstand der
Umschalter, Blitzableiter u.s.w. nicht mitgezählt worden.