Titel: | Finden während des Gerbeprocesses Hautzersetzungen statt? |
Autor: | v. Schroeder, Pässler |
Fundstelle: | Band 289, Jahrgang 1893, S. 137 |
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Finden während des Gerbeprocesses
Hautzersetzungen statt?
Von Prof. Dr. v.
Schroeder und Dr. Pässler in Tharand.
Finden während des Gerbeprocesses Hautzersetzungen
statt?
Vor Kurzem haben wir in dieser FachschriftVgl. D. p. J. 1893 287
258 283 und 300. darauf hingewiesen, dass der Werth der
Rendementsermittelungen bei Zugrundelegung des Blössengewichtes (Weissgewichtes) in
der gerberischen Praxis in Folge der hohen und dabei sehr wechselnden Wassergehalte
ein sehr fraglicher ist. Wir haben an dieser Stelle deswegen vorgeschlagen, mit
Hilfe der Lederanalyse das Rendement zu bestimmen. Die vollständige Analyse des
Leders, welche angibt, wie viel Gerbstoff das Leder enthält, wird entschieden hierzu
die beste Grundlage bieten. Wie bereits erwähnt, ist eine directe Bestimmung des
aufgenommenen Gerbstoffes bei lohgarem Leder vorläufig nicht möglich; nur auf
indirecte Weise, durch Ermittelung des Stickstoffgehaltes des Leders, gelangen wir
zum Ziele. Haben wir also den Stickstoffgehalt des trockenen Leders bestimmt, so
lässt sich daraus die Menge der trockenen Blösse, aus welcher das Leder
hervorging, ganz leicht berechnen. Dabei ist jedoch Voraussetzung:
1) dass man den Stickstoff geholt der trockenen Blösse genau
kennt,
2) dass während des eigentlichen Gerbeprocesses keine
nennenswerthen Mengen der Blössensubstanz zersetzt werden.
Was die erste Voraussetzung anbelangt, so haben wir an bereits citirter Stelle die
diesbezüglichen Untersuchungen mitgetheilt. Das Resultat, welches hier wiederholt
werden soll, war: Der Stickstoff geholt der wasser-, asche-
und fettfreien Blössensubstanz ist bei ein und demselben Individuum an den
verschiedensten Stellen der Haut und bei Individuen derselben Thierart als
constant zu betrachten. Es haben sogar die Blössensubstanzen mehrerer Thier
arten den gleichen Stickstoffgehalt. Die von uns untersuchten Blassen lassen
sich hinsichtlich ihres Stickstoffgehaltes in drei Gruppen t heilen:
1) Blössen von Rind, Boss, Schwein, Kameel mit
durchschnittlich 17,80 Proc. Stickstoff;
2) Blössen von der Ziege, vom Hirsch und, Reh mit
durchschnittlich 17,40 Proc. Stickstoff;
3) Blössen vom Schaf, Hund und von der Katze mit
durchschnittlich 17,10 Proc. Stickstoff.
Wenn man also weiss, von welchem Thiere ein Leder abstammt,
was ja innerhalb dieser drei Gruppen bei den gerberisch wichtigen Blössen leicht
zu entscheiden ist, so wird man im Stande sein, aus dem Stickstoff geholte der
wasser-, asche- und fettfreien Ledersubstanz berechnen zu können, wie viel das
Leder Blössentrockensubstanz und gerbende Stoffe enthält; man kann also auf
diese Weise genau den Durchgerbungsgrad ermitteln.
Ob nun während des Gerbeprocesses eine gewisse Menge Blössensubstanz durch Zersetzung
verloren geht oder nicht, lässt sich theoretisch nicht im Voraus bestimmen. Die
Beantwortung dieser Frage lässt sich nur durch Versuche geben. Bis jetzt liegt aber
nur ein einziger Versuch von A. MuntzCharles Vincent: La Fabrication et le Commerce des
Cuirs et des Peaux. Paris 1877–1879. Theil II, S. 80–108. M. A. Muntz: Etudes sur la peau.
vor, und dieser führte zu einem Resultate, das von vornherein als sehr
unwahrscheinlich erscheinen muss.
Der Versuch von Muntz wurde in folgender Weise
angestellt. Es wurden zwei möglichst gleiche Stückchen einer Rindsblösse ausgesucht,
beide wurden im Blössenzustande genau gewogen, die eine Probe diente zur Bestimmung
des Wassergehaltes und zur Blössenanalyse, die andere Probe wurde mit einer Partie
Sohlleder gegerbt und diente darauf zur Bestimmung des Lederrendements und zur
Lederanalyse. Die Gerbung dauerte 5 Wochen in den Farben und 11 Monate in den
Gruben. Das Leder war vollständig durchgegerbt. Sämmtliche von Muntz angegebenen Zahlen beziehen sich nur auf
Trockensubstanzen. Das zur Gerbung dienende Stück wog nach der Berechnung im völlig
trockenen Zustande 31,37 g und es ergab an völlig trockenem Sohlleder 57,38 g.
Demnach haben 100 Th. trockene Blösse 182,9 Th. trockenes Sohlleder gegeben. Im
völlig trockenen Zustande enthielt die Blösse 18,16 Proc. Stickstoff, das Sohlleder
dagegen 9,07 Proc. Stickstoff. Wenn nun während des Gerbprocesses keine
Blössensubstanz zersetzt und kein Stickstoff verloren gegangen ist, so muss die
Menge Stickstoff in 182,9 Th. Sohlleder ebenso gross sein, wie in den 100 Th. Blösse, aus
denen dieses Sohlleder hervorgegangen ist. Das ist aber keineswegs des Fall, wie
folgende Zusammenstellung zeigt:
Stickstoff
100
Th.
Blösse mit 18,16 Proc.
18,16
182,9
„
Sohlleder mit 9,07 Proc.
16,59
––––––––
Verlust
1,57
Es sind also von den 18,16 Th. Stickstoff, die in 100 Th. Blösse enthalten sind, im
Sohlleder nur 16,59 wiederzufinden und 1,57 sind verloren gegangen. Nach diesem
Ergebnisse würden von 100 Th. Blössentrockensubstanz, die in die Farben eingezogen
und zu Sohlleder gegerbt sind, nur 91,4 Th. wirklich zur Lederbildung dienen,
während 8,6 Th. während des Gerbeprocesses zersetzt werden. Das Unwahrscheinliche
dieses Resultates liegt nicht darin, dass hier eine gewisse
Blössensubstanzzersetzung überhaupt nachgewiesen erscheint, sondern vielmehr darin,
dass dieser Blössenverlust die ausserordentliche Höhe von 8,6 Proc. erreichen soll.
Der Muntz'sche Versuch kann in der That auch nicht so
ohne weiteres als maassgebend hingestellt werden, denn vor allen Dingen lässt sich
gegen denselben einwenden, dass der Gerbeversuch selbst mit einer viel zu kleinen
Blössenmenge durchgeführt ist. Jedenfalls erscheint es nothwendig, ehe man ein
definitives Urtheil fällt, die ganze Sache durch eingehendere, in grösserem
Maasstabe durchgeführte Versuche näher zu prüfen. Die Frage,
ob während des Gerbeprocesses ein Theil der Blössensubstanz zersetzt wird oder
nicht, muss ja, abgesehen von ihrer theoretischen Bedeutung, für jeden Gerber
auch ein hohes praktisches Interesse haben.
Wir haben im J. 1892 in der Lehrgerberei der deutschen Gerberschule in Freiberg i. S.
unter Mitwirkung des Leiters derselben drei Gerbeversuche durchgeführt, welche in
der Weise angelegt wurden, dass die Frage nach der Blössenzersetzung durch dieselben
beantwortet werden kann. Die beiden ersten unserer Versuche beziehen sich auf
Oberleder (Rossleder und Kalbleder), der dritte bezieht sich auf Sohlleder.
In Folgendem wollen wir zunächst den Rossledergerbeversuch mit seinen chemischen
Ergebnissen näher besprechen.
Eine Partie von 32 Stück trockenen Buenos-Ayres-Rosshäuten wurde in der Lehrgerberei
am 3. März 1892 in Arbeit genommen, in die Weiche gebracht und blieb in derselben
bis zum 10. März, während welcher Zeit man die Häute einmal 20 Minuten im Walkfass
walkte und danach das alte Weichwasser durch frisches ersetzte. Hierauf kamen die
Häute vom 10. bis 16. März in den Arsenikäscher, wurden dann noch gehaart und nach
dem Spülen auf weitere 6 Tage in einen Weisskalknachäscher gebracht. Aus dem
Weisskalke wurden die Häute gespült, zur Entfernung der Unterhaut geschoren, 2 Tage
gewässert und 1 Tag lang mit Taubendünger bei 25° C. gebeizt. Nach der Beize wurden
die Häute im Walkfass bei zu- und ablaufendem Wasser gewalkt, geglättet, geputzt und
mit Wasser nochmals einige Minuten gewalkt, dann wurden die Häute auf einige Zeit in
reines Wasser geworfen und 2 Stunden über den Bock gehängt; dann wurde das
Blössengewicht bestimmt und am 1. April wurden die Häute in die erste Farbe
eingezogen.
Bei der Bestimmung des Blössengewichtes wurde von den 32 Häuten eine Haut ausgesucht,
die für den Versuch dienen sollte. Diese Haut wurde der Länge nach mit einem
sehr scharfen Messer in zwei Hälften zerlegt, wobei man möglichst vorsichtig zu
Werke ging, um kein Wasser aus der Blösse herauszudrücken. Die beiden Hälften wurden
jede für sich in eine Schale gelegt und auf einer empfindlichen Decimalwage – bis
auf 1 g – genau gewogen. Die eine Hälfte, welche für den Gerbeversuch bestimmt war,
wog 5149 g; die andere Hälfte, welche 5170 g wog, wurde in das Tharander
Laboratorium zur Ermittelung des Wassergehaltes, sowie zur chemischen Untersuchung
der Blössensubstanz gebracht. Die erste Hälfte wurde mit der ganzen Partie gegerbt
und ist später zur Bestimmung des Rendements und zur Analyse des Leders verwendet
worden. Die Resultate dieser Untersuchungen wollen wir weiter unten
zusammenfassen.
Wie bereits bemerkt, wurden die Blössen am 1. April in die erste Farbe eingezogen.
Verwendet wurde zunächst gebrauchte Fichtenbrühe von etwa 0,60° B. Nach dem
Einziehen in diese erste Farbe wurden die Häute im Laufe des ersten Tages mehrmals
getrieben. Am folgenden Tage wurde auf 100 k Weissgewicht 10 k frische Fichtenlohe
zugesetzt, so dass das Maximum der Brühenstärke etwa 0,80 bis 0,85° B. betrug. Am 6.
April kam die Partie in die zweite Farbe unter Anwendung der doppelten Menge
Fichtenlohe, und verblieb in derselben bis zum 12. April. In der dritten Farbe,
ebenfalls mit Fichtenlohe, verblieben die Häute vom 12. bis 18. April und in der
vierten vom 18. bis 24. April. In dieser letzten Farbe wurde Fichtenlohe und
Quebrachobrühe angewendet, die durch heisse Extraction von Quebrachoholz erhalten
worden war. Die Brühenstärke stieg in dieser Farbe etwa auf 1,50 bis 1,60° B.
Nach der vierten Farbe kam die Partie mit der halben Versuchshaut 6 Wochen in ein
Versenk, in welches wieder Fichtenlohe und Quebrachobrühe gegeben wurde; die
Brühenstärke betrug hier etwa 2° B. Die halbe Versuchshaut wurde jetzt mit einer
anderen Partie auf weitere 4 Wochen in einem Versenk weitergegerbt, in dem ebenso
wie bei dem ersten Fichtenlohe und Quebrachoholz benutzt wurde. Die Gerbung war in
der ersten Hälfte des Juli beendet und ist, wie aus dieser Beschreibung hervorgeht,
nur mit Fichtenlohe und Quebrachoholz durchgeführt. Aus dem zweiten Versenk wurde
die halbe Haut zum Trocknen aufgehängt und, nachdem sie vollkommen lufttrocken war,
genau gewogen. Wie aus der obigen Beschreibung ersichtlich, ist sorgsam darauf
geachtet worden, dass die Brühen anfangs sehr schwach sind und erst mit
fortschreitender Gerbung allmählich stärker werden.
Die halbe Haut, die im Blössenzustande in das Tharander Laboratorium zur Untersuchung
kam, hat in Freiberg in der Lehrgerberei das Weissgewicht von 5170 g ergeben. Diese
halbe Haut wurde im nassen Zustande in drei Theile zerschnitten, und zwar in ein
Stück, das in der Hauptsache den Spiegel enthielt, ferner in ein Stück, das aus dem
festeren Kern des Rückens bestand, den dritten Theil bildeten die Seitentheile und
Halstheile. Um bei der anderen Hälfte der Haut nach der Gerbung wenigstens annähernd
dieselbe Theilung vornehmen zu können, wurden entsprechend grosse Papier schnitte
angefertigt und aufbewahrt.
Die Blössenstücke, in welche die halbe Haut zerlegt war, wurden in Rahmen gespannt
und an einem luftigen Orte lufttrocken gemacht. Darauf sind diese drei Theile für
sich genau gewogen worden; bei jedem wurde auf das Sorgfältigste durch
kreuzweise herausgeschnittene Streifen eine richtige Mittelprobe genommen, die zur
Wasserbestimmung und chemischen Analyse diente.
Die Wasserbestimmungen ergaben zunächst folgende Resultate:
1.Gewichte derStücke
imlufttrockenenZustande
2.WassergehaltederlufttrockenenStücke
3.Gewichte derStücke im ab-solut
trockenenZustande
SpiegelKernSeiten- und Halstheile
g 322,5 367,5 694,5
Proc.17,8217,4817,23
g 268,2 303,3 574,8
1384,5
17,20
1146,1
Für die ganze Blösse haben wir nun folgende Zahlen:
Blössengewicht (Weissgewicht)
5170,0 g
Gewicht im lufttrockenen Zustande
1384,5 g
Gewicht im absolut trockenen Zustande
1146,5 g
Hiernach geben 100 Gew.-Th. nasser Blösse, wie sie in der Gerberei gewogen worden ist
(Weissgewicht), an lufttrockener Blössensubstanz 26,78 Gew.-Th. und an absolut
trockener Blössensubstanz 22,17 Gew.-Th.
Die drei Sortimente der Blösse sind jedes für sich analysirt worden, und hieraus
lässt sich die Zusammensetzung für die ganze Blösse richtig berechnen, wenn man die
Verhältnisse zu Grunde legt, in welchen, bei der hier vorgenommenen Theilung, die
ganze Blösse von den drei einzelnen Theilen zusammengesetzt wird. Diese Verhältnisse
ergeben sich aus den oben mitgetheilten Trockengewichten und nach diesen haben wir
hier folgende Procentzahlen bei der Umrechnung auf die ganze Blösse zu Grunde zu
legen:
Die Trockensubstanz der Blösse besteht aus:
Spiegel
23,40
Proc.
Kern
26,46
„
Seiten- und Halstheile
50,14
„
––––––––––––
100,00
Proc.
Bei der chemischen Analyse wurde in der getrockneten und gemahlenen Blösse durch
Extraction mit Schwefelkohlenstoff das Blössenfett und durch Einäscherung die Menge
der in der Blösse enthaltenen Mineralstoffe bestimmt; ferner ist noch der
Stickstoffgehalt der Blösse ermittelt worden.
Die Resultate der chemischen Untersuchung sind aus folgender Zusammenstellung, für
die einzelnen Theile der Blösse, und umgerechnet für die ganze Blösse, zu
ersehen.
In 100 Th. der Trockensubstanz sind enthalten:
Spiegel
Kern
Seiten- undHalstheile
GanzeBlösse
FettMineralstoffeOrganische
Hautsub- stanz
0,57 1,68 97,75
0,87 1,56 97,57
1,48 1,86 96,66
1,10 1,73 97,17
100,00
100,00
100,00
100,00
Stickstoff
17,45
17,49
17,11
17,29
Der Stickstoffgehalt ist in den einzelnen Theilen in Folge der verschiedenen Mengen
von Fett und Mineralstoffen etwas schwankend; die Differenzen werden geringer, wenn
man den Stickstoffgehalt auf fett- und mineralstofffreie Substanz bezieht, wie aus
Folgendem ersichtlich ist:
SpiegelKernSeiten- und Halstheile
17,8517,9317,69
Proc.„„
Stickstoff„„
in fett- undmineralstoff-freier
Sub-stanz.
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
Ganze Rossblösse
17,78
Proc.
Stickstoff
Man sieht hieraus, wie wir bereits bei unseren früheren Untersuchungen gefunden
haben, dass der Stickstoffgehalt der fettfreien organischen Hautsubstanz in den
verschiedenen Theilen der Rossblösse ein fast vollständig gleicher ist.
Wir wollen jetzt das Resultat des Gerbe Versuches und die Analyse des erhaltenen
Leders betrachten. Die halbe Haut, die den Gerbeprocess durchgemacht hatte, wog im
Blössenzustande 5149 g und ergab 2400 g lufttrockenes Leder. Die gegerbte Hälfte
wurde im lufttrockenen Zustande möglichst in derselben Weise wie vorher die Blösse
in drei Theile zerlegt. Nachdem Mittelproben gezogen worden waren, wurde in den
einzelnen Theilen der Wassergehalt bestimmt und schliesslich die Lederanalyse
durchgeführt. Die Wägungen im lufttrockenen Zustande und die Wasserbestimmungen
ergaben für das Leder zunächst folgendes Resultat:
Gewichte derLederstücke
imluftrockenenZustande
WassergehaltederlufttrockenenLeder
Gewichte derLederstückeim
absoluttrockenen Zu-stande
SpiegelKernSeiten- und Halstheile
g 623,0 591,01186,0
Proc.18,2317,7317,55
g509,4486,3977,0
Ganzes Leder
2400,0
17,76
1973,6
Hiernach haben 100 Gew.-Th. Blösse 46,61 Gew.-Th.
lufttrockenes Leder oder 38,33 Gew.-Th. wasserfreies Leder nach der Gerbung
ergeben.
Um aus den Analysen der drei Ledersortimente den richtigen Mittelwerth für das ganze
Lederstück zu berechnen, gelten nach der vorgenommenen Theilung folgende
Verhältnisszahlen:
Die Trockensubstanz des Leders besteht aus:
Spiegel
25,81
Kern
24,64
Seiten- und Halstheile
49,55
––––––
100,00
Zuerst wurden in den Ledertheilen die Stickstoffbestimmungen ausgeführt. Der
Stickstoffgehalt des Leders wird allein maassgebend dafür sein, ob während des
Gerbeprocesses Hautsubstanz zersetzt worden ist oder nicht. Der Stickstoff wurde
einmal direct in dem absolut trockenen Leder bestimmt [die Resultate sind weiter
unten unter a) aufgeführt], das andere Mal im Leder, nachdem dasselbe zur Bestimmung
des Fettes und der auswaschbaren Bestandtheile mit Schwefelkohlenstoff und Wasser
extrahirt worden war [die hierbei erhaltenen Resultate sind, umgerechnet auf das
ursprüngliche Leder, unter b) verzeichnet].
Stickstoffgehalte in 100 Th. der Ledertrockensubstanz:
Spiegel
Kern
Seiten- undHalstheile
GanzesLeder
a)b)
10,6510,72
10,0910,07
9,899,96
10,1410,18
Mittel
10,69
10,08
9,93
10,16
Da die unter a) und b) in beiden Fällen sich ergebenden Zahlen fast ganz genau
übereinstimmen, so ist zu ersehen, dass bei der Extraction mit Schwefelkohlenstoff
und Wasser aus dem Leder stickstoffhaltige Substanzen nicht ausgezogen werden. Wir
haben jetzt in diesen Zahlen schon das Material in der Hand, um die Hauptaufgabe zu
lösen, die wir uns bei dieser Arbeit gestellt hatten, denn es lässt sich jetzt die
Frage, ob stickstoffhaltige organische Hautsubstanz bei dem Gerbeprocess zersetzt
und verloren gegangen ist oder nicht, ganz bestimmt beantworten.
Für 100 Gew.-Th. Blösse erhielten wir früher 22,17 Th. Blössentrockensubstanz, welche
einen Stickstoffgehalt von 17,29 Proc. besitzt. Demnach sind in 100 Th. Blösse oder
in 22,17 Th. Blössentrockensubstanz 3,83 Th. Stickstoff enthalten. Da nun die fett-
und aschefreie organische Hautsubstanz nach den früheren Bestimmungen 17,78 Proc.
Stickstoff enthält, so entsprechen die 3,83 Th. Stickstoff 21,54 Th. fett- und
aschefreier organischer Hautsubstanz. Aus 100 Th. Blösse erhielten wir nach der
Gerbung 38,33 Th. Ledertrockensubstanz mit 10,16 Proc. Stickstoff. In den 38,33 Th.
Ledertrockensubstanz sind also 3,89 Th. Stickstoff enthalten, und diese Menge
Stickstoff entspricht 21,90 Th. fett- und aschefreier organischer Hautsubstanz. Wir
haben also nach der Gerbung die in der Blösse enthalten gewesene Menge Stickstoff
oder organischer Hautsubstanz im Leder ohne Verlust wieder nachweisen können. Es
stellt sich sogar ein geringer Zuwachs heraus, der aber nicht mehr als 1,57 Proc.
der ursprünglichen Stickstoffmenge beträgt und der auf unvermeidliche Versuchsfehler
zurückzuführen ist. Uebersichtlich stellt sich dieses Resultat in folgenden Zahlen
dar:
OrganischeHautsubstanz
Stickstoff
In 100 Th. Blösse waren ent- halten
21,54
3,83
In dem aus dieser Blössenmenge erhaltenen Leder
wurden ge- funden
21,90
3,89
–––––––––––––––––––––––––––––––––
Differenz:
+ 0,36
+ 0,06
Wenn man bedenkt, wie ausserordentlich schwierig es ist, in der nassen Blösse eine
scharfe Wasserbestimmung zu machen, so wird man die
Uebereinstimmung in den vorstehenden Zahlen als eine sehr befriedigende bezeichnen
können. Jedenfalls lässt sich daraus berechtigter Weise der Schluss ziehen, dass bei der ausgeführten Gerbung des Rossleders während des
eigentlichen Gerbeprocesses, in den Farben und Versenken, eine irgend
nennenswerthe Zersetzung oder ein Verlust an Blössensubstanz nicht stattgefunden
hat.
Bevor wir die Resultate der beiden anderen Gerbeversuche betrachten werden, wollen
wir die vollständigen Analysen der einzelnen Ledersortimente mittheilen, da
dieselben auch einen Einblick in den Process der Lederbildung gewähren. Bei diesen
Lederanalysen wurden 20 g des gemahlenen Leders nach dem Trocknen zuerst zur
Fettbestimmung mit Schwefelkohlenstoff extrahirt. Darauf wurde mit kaltem Wasser im
Koch'schen Extractionsapparat auf 1 l extrahirt und
in dieser Flüssigkeit die Gesammtmenge der auswaschbaren Stoffe: die gerbenden
Substanzen und die Nichtgerbstoffe nach der indirect gewichtsanalytischen
Gerbstoffbestimmungsmethode und der Zuckergehalt ermittelt.
Auf 100 Th. Ledertrockensubstanz ergaben die Analysen folgende Resultate:
Spiegel
Kern
Seiten-undHals-theile
GanzesLeder
FettMineralstoffe
Proc. 0,44 0,40
Proc. 0,71 0,54
Proc. 1,12 0,43
Proc. 0,83 0,45
Durch Wasserextrahirbare or-ganische Stoffe
Gerbende StoffeNichtgerbstoffe
3,70 1,55
3,66 1,62
3,45 1,40
3,57 1,40
Reine Ledersubstanz
93,91
93,47
93,60
93,60
100,00
100,00
100,00
100,00
Zucker (als Traubenzucker
be- rechnet)Stickstoffgehalt des LedersStickstoffgehalt
der reinen Leder- substanz
0,17 10,69 11,42
0,12 10,08 10,78
0,07 9,93 10,61
0,11 10,16 10,85
Die reine Leder-substanz
besteht aus:
HautsubstanzGerbstoff
59,89 34,02
56,21 37,26
56,13 37,47
57,14 30,52
Wir wollen nun sehen, welche Stoffe und wie viel davon bei der Lederbildung von der
Blösse aufgenommen oder abgegeben worden sind. Aus 100 Th. Blösse mit 77,83 Proc.
Wasser erhielten wir 38,33 Th. Ledertrockensubstanz, oder aus 100 Th.
Blössentrockensubstanz sind 172,9 Th. Ledertrockensubstanz hervorgegangen. Da wir
die Zusammensetzung der Blösse und des Leders festgestellt haben, so lässt sich im
Einzelnen ersehen, durch welche Veränderungen der Blösse das Leder aus derselben
hervorgegangen ist. Folgende Zusammenstellung zeigt die betreffenden Resultate:
In 100
Th.Blössen-trocken-substanz
In 172,9
Th.Leder-trocken-substanz
Bei derLederbil-dung vonder
Blösseaufgenom-men (+)oder abge-geben (–)
FettMineralstoffe
1,10 1,73
1,44 0,78
+ 0,34– 0,95
Durch Wasseraus dem
LederauswaschbareStoffe
Gerbende StoffeNichtgerbstoffe
––
6,17 2,58
+ 6,17+ 2,58
Organische fettfreie
Hautsub- stanzGerbende Stoffe in der
reinen Ledersubstanz
97,17–
98,79 63,14
+ 1,62+ 63,14
100,00
172,90
Stickstoff
17,29
17,57
+ 0,28
Zucker (als Traubenzucker
be- rechnet)
–
0,19
+ 0,19
Eine Verminderung tritt nur bei den Mineralstoffen ein, und zwar ist eine deutliche
Abnahme derselben zu ersehen, welche sich leicht erklären lässt. Die Blösse ist
nicht ganz kalkrein gewesen, und durch die Einwirkung der Säuren, namentlich in den
Farben, ist ein Theil des Kalkes in Lösung gebracht worden. Bei dem Fett ist eine
kleine Vermehrung zu verzeichnen. Von einer wirklichen Fettzunahme während des
Gerbeprocesses kann natürlich nicht die Rede sein. Diese kleine Zunahme ist entweder
durch eine geringe Aufnahme von harzigen Stoffen, die aus dem Gerbmaterial
herstammen könnten, oder durch unvermeidliche Analysenfehler zu erklären. Die
organische fettfreie Hautsubstanz hat, wie bereits erwähnt, nach unseren Versuchen
eine kleine Zunahme erfahren, die natürlich nicht thatsächlich stattgefunden haben
kann, sondern auf die Schwierigkeit einer exacten Wasserbestimmung in der nassen
Blösse und auf die damit verbundenen Versuchsfehler zurückzuführen ist. Die
Hautsubstanz hält eine gewisse grössere Menge Gerbstoffe energischer zurück, während eine
kleinere Menge Gerbstoff und auch eine kleinere Menge Nichtgerbstoffe sich durch
Wasser aus dem Leder leicht auswaschen lassen. Auf 98,79 Th.
organische fettfreie Hautsubstanz sind bei der Lederbildung hier im Ganzen
63,14 + 6,17 = 69,31 Th. Gerbstoff aufgenommen
worden; es haben demnach 100 Th. Hautsubstanz 70,2 Th. Gerbstoff
aufgenommen. Da wir aus unseren früheren Untersuchungen wissen, dass die
Hautsubstanz im Maximum etwa ihr gleiches Gewicht Gerbstoff zu absorbiren vermag, so
ist ersichtlich, dass bei dem vorliegenden Gerbeversuche die Haut mit Gerbstoff noch
lange nicht gesättigt ist. Aus 100 Th. Hautsubstanz haben wir 172,9 Th.
Ledertrockensubstanz erhalten. Wäre die Hautsubstanz mit Gerbstoff vollständig
gesättigt gewesen, so hätten wir auf 100 Th. Hauttrockensubstanz etwas über 200 Th.
Ledertrockensubstanz erhalten können. Bei Oberleder wird jedoch nie eine so starke
Durchgerbung angestrebt.
Aus den Analysen der einzelnen Sortimente ist ferner noch ersichtlich, dass die Menge
des Fettes, der Mineralstoffe und der auswaschbaren organischen Stoffe bei allen
dreien ziemlich gleich ist. Der Zuckergehalt, der aus dem Gerbmaterial stammt, ist
sehr gering und beträgt bei allen drei Sortimenten ungefähr 0,1 Proc. Eine
auffallende Verschiedenheit zeigt sich dagegen im Stickstoffgehalt, mithin auch in
der Durchgebung. Das aus dem Spiegel hervorgegangene Leder enthält ungefähr 0,70
Proc. Stickstoff mehr als das aus dem Kern und aus den Seiten- und Halstheilen
hervorgegangene. Kern und Seiten- und Halstheile sind als
die dünneren Hauttheile stärker durchgegerbt als der Spiegel.
(Fortsetzung folgt.)