Titel: | Der Schutzbereich eines Combinationspatentes. |
Autor: | F. H. Haase |
Fundstelle: | Band 290, Jahrgang 1893, S. 229 |
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Der Schutzbereich eines
Combinationspatentes.
Von F. H. Haase, gepr. Ingenieur, Patentanwalt
in Berlin.
Der Schutzbereich eines Combinationspatentes.
Es ist eine eigenthümliche Thatsache, dass manche Patentrechtsfragen fortwährend
Gegenstand der Erörterung in Zeitschriften sind und trotz zweifellos bestimmter
reichsgerichtlicher Entscheidungen dennoch als offene Frage behandelt werden. Unter
diesen Fragen steht obenan die Frage über den Rechtsbereich eines
Combinationspatentes.
Dieser Rechtsbereich wird nicht nur von Erfindern und Industriellen, sondern nicht
selten auch von Personen, welche dazu berufen sind, vor Gericht ihr Urtheil als
Sachverständige abzugeben, in der willkürlichsten Weise ausgelegt. Als Beispiel
führe ich ein Gutachten eines Patentanwaltes an, welcher auf den Titel eines
gerichtlichen Sachverständigen Anspruch erhebt. Dieses Gutachten lag mir vor kurzem
in einer Streitsache vor, deren Gegenstand in kurzen Zügen folgender ist:
Zur Herstellung der Eckverbindung von Kartons benutzt ein Fabrikant seit nahezu 2
Jahren ein Stück eines Reibeisens ältester Art, indem er nur die Vorsprünge
desselben durch etwas energische Ausübung des vor 30 Jahren schon gebräuchlichen
Verfahrens so weit auftreibt, dass deren Zähnchen etwa senkrecht zur Blechbasis
stehen. Mit Hilfe einer besonderen maschinellen Vorrichtung wird ein solcher
Reibeisenstreifen rechtwinkelig gebogen und gleichzeitig in die in der Ecke an
einander anstossenden Theile des Kartons derart hineingeschlagen, dass die durch den
Pappdeckel hindurchdringenden Zähnchen innerhalb des Kartons umgebogen werden.
Nun machte vor kurzem der Inhaber eines Combinationspatentes geltend, dass die Herstellung der soeben beschriebenen Eckbleche in
den Rechtsbereich seines Patentes eingreife. Dieses Patent betrifft ein Verfahren
zur Herstellung von Eckblechen in folgender Weise:
Es wird zunächst ein Reibeisenblech in der vor 30 Jahren schon gebräuchlichen
Weise hergestellt und sodann werden die Zähnchen der Vorsprünge des Reibeisenbleches
mittels eines sehr schlanken spitzen Dornes von der Reibflächenseite her aus
einander getrieben. Der erwähnte gerichtliche Sachverständige führt in seinem
Gutachten aus, der erste Theil dieses geschützten Verfahrens sei zwar allerdings für
die Herstellung von Reibeisen gebräuchlich gewesen, bevor das Patent angemeldet
wurde, aber es sei früher reiner Zufall gewesen, wenn die Reibeisenvorsprünge hin
und wieder so weit aufgetrieben wurden, dass deren Zähnchen senkrecht zur Blechbasis
standen; es sei dies jedenfalls nicht beabsichtigt gewesen, während die
Senkrechtstellung bei der Benutzung eines Stückes „des Reibeisenbleches“ zur
Eckbildung von Kartons unbedingt nothwendig sei, und aus diesem Grunde sei die
Herstellung der Eckbleche des Beklagten in der oben erwähnten Weise als dem
Rechtsbereich des klägerischen Patentes zugehörig zu erachten, weil jenes
beklagtische Verfahren in der Combination, welche der erste Patentanspruch
kennzeichne, mit angeführt sei.
Der Begutachter geht hierbei von der Ansicht aus, dass die Verwendungsart maassgebend
sei.
Dagegen ist nun in erster Linie zu bemerken, dass dem Patentinhaber nicht allgemein
die Verwendung von mit aus einander gesprengten Vorsprüngen versehenen Blechstreifen
zu Eckblechen geschützt ist, sondern nur die Verwendung von Blechen, die nach seinem
patentirten Verfahren hergestellt sind; dieses Verfahren aber ist ein
combinatorisches und ist zusammengesetzt aus einem altgebräuchlichen Verfahren,
dessen Ausübung Niemandem verwehrt werden kann, und aus einem neuen, in der
Patentschrift zum ersten Mal öffentlich gekennzeichneten Verfahren, welches dem
Patentinhaber aus diesem letzteren Grunde nicht bloss in
gemeinschaftlicher Ausübung mit dem erstgenannten altbekannten, sondern auch für sich allein zweifellos geschützt ist;
dagegen hat der Patentinhaber auf das in seine Combination mit hereingenommene alte
Verfahren allein keinerlei ausschliessliches Anwendungsrecht, was einem
gerichtlichen Sachverständigen in Patentangelegenheiten übrigens hätte bekannt sein
können.
Allerdings sind die Reichsgerichtsentscheidungen gewöhnlich nur so formulirt, wie sie
dem Urtheilsspruch entsprechen und fügen dazu nicht auch noch eine ausführliche
Auseinandersetzung für die Kehrseite der dem Gericht vorgelegten Streitfrage. Eine
der neuesten Reichsgerichtsentscheidungen in Sachen eines Combinationspatentes, vom
19. December 1892 datirend, ist übrigens derart abgefasst, dass man leicht versucht
sein könnte, in dem vorstehend erwähnten Streitfalle noch mehr zu Ungunsten des
Klägers zu urtheilen. In dieser Entscheidung heisst es wörtlich:
„Allerdings erstreckt sich, wenn ein aus verschiedenen Bestandtheilen
zusammengesetztes Verfahren patentirt ist, der Patentschutz zunächst auf die
gesammte Anordnung als solche. Es kann aber, wie vom Reichsgericht bereits
früher ausgesprochen ist, auch in der theilweisen Aneignung eines combinirten
Verfahrens eine Patent Verletzung enthalten sein. Dies
ist anzunehmen, sofern die nachgebildeten Theile des patentirten Verfahrens
auf einem in der Patentschrift zum Ausdruck gebrachten Erfindungsgedanken
beruhen. Ist der Erfinder bei Ertheilung des Patentes von der
Voraussetzung ausgegangen, dass diese Theile seines Verfahrens nur in Verbindung
mit anderen Operationen die gewünschte Wirkung hervorzubringen im Stande sind,
so mag, wenn sich demnächst herausstellt, dass die letzteren unwesentlich sind oder dass bei Weglassung
derselben eine bessere Wirkung zu erreichen ist, hierin eine eigene zu einem
Verbesserungspatente berechtigende Erfindung zu finden sein. Dieselbe steht
aber, in so weit die Bestandtheile des älteren Verfahrens nachgebildet werden,
in Abhängigkeit von dem ursprünglichen Erfindungsgedanken. Liegt dieser
Thatbestand vor, so ist der Patentschutz gegen die theil weise Nachbildung eines
combinirten Verfahrens nicht deswegen zu versagen, weil der Patentanspruch nur
in Betreff der Gesammtanordnung, nicht auch für die einzelnen Bestandtheile
derselben formulirt ist.“
Diese ganze Entscheidung ist nach dem Rechtsbegriff eigentlich so selbstverständlich,
dass man sich wundern könnte, dass deswegen ein Process angestrengt werden konnte,
wenn eben die Erfahrung nicht lehrte, dass in Sachen des Patentrechtes selbst in
Sachverständigenkreisen noch sehr viel Unklarheit herrscht. Die letzten aus dieser
Entscheidung citirten Sätze sind indessen geeignet, neue Unklarheit zu schaffen, da
sie nur von dem Falle handeln, in welchem das der Combination zugehörende ältere Verfahren überflüssig ist. Es möchte hiernach
leicht der Meinung Raum gegeben werden, dass nur in diesem
Falle dasjenige, was wirklich als Neuheit der Combination zugehört, für
sich allein geschützt sei; dem ist jedoch nicht so, sondern jeder selbständige
Erfindungsgedanke, welcher in Beschreibung und Patentanspruch zum Ausdruck
gebracht ist, steht unter allen Umständen auch für sich allein unter Schutz. Um dies
scharf hervorzuheben, ist der dritte Satz des vorstehenden Citates cursiv
gedruckt.
Dass die Nothwendigkeit eines solchen Sonderschutzes durch das ganze Patentgesetz
bedingt ist, ergibt sich ganz von selbst, wenn man beachtet, dass es auch Verfahren
gibt, die in getrennten Handlungen, sogar an verschiedenen Orten, zur Ausführung
gebracht und ohne Schwierigkeit an drittem Orte vereinigt werden können. Wenn es in
solchem Falle dem Patentinhaber nur um den Schutz der
Fabrikation in Deutschland zu thun war, um vortheilhaft in einen
ausländischen Staat zu exportiren, in welchem vielleicht gar keine Patente ertheilt
werden, so würde ohne den Einzelschutz auf denjenigen Theil der Combination, welcher
für sich allein als Neuheit zu erachten ist, das ganze Patent illusorisch sein, da
dann Niemand verhindert werden könnte, die Einzelhandlungen ebenfalls in Deutschland
vorzunehmen und in dem betreffenden ausländischen Staat selbst vereinigen zu
lassen.
Wenn aber auch hiernach die Nothwendigkeit des Einzelschutzes für den wirklich neuen
Bestandtheil einer Combination durch den Zweck des Patentgesetzes selbst bestimmt
ist, so kann doch nun und nimmermehr der an sich altgebräuchliche Einzeltheil einer
Combination für sich allein als schutzberechtigt erachtet werden, ohne den Zweck des
Patentgesetzes selbst in Frage zu stellen.