Titel: Untersuchung einer Erdöl-Reinigungslauge (Abfallauge).
Autor: Roman Zaloziecki
Fundstelle: Band 290, Jahrgang 1893, S. 259
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Untersuchung einer Erdöl-Reinigungslauge (Abfallauge). Von Roman Zaloziecki. Untersuchung einer Erdöl-Reinigungslauge (Abfallauge). In der Hoffnung, nähere Auskünfte über die Natur der saueren Körper im Erdöl zu erhalten, und um überhaupt die Rolle, welche Natronlauge bei der Reinigung der Erdöldestillate spielt, festzustellen, habe ich diesbezügliche Versuche angestellt mit einer Abfallauge von der Leuchtölraffinirung, die ich der Güte des Herrn Directors J. Zahler der Firma Schreier und Co. in Jaslo zu verdanken hatte. Das mit der Versuchslauge raffinirte Destillat entstammt dem Rohöle von Potok, gemischt mit dem Rohöle von Turzepole im Verhältnisse von 5 : 1, und wurde in gewöhnlicher Weise zuerst mit Schwefelsäure und darauf mit Natronlauge von 5° B. gereinigt. Eine grössere Probe dieser Lauge (50 k) wurde mir nach vorbereitendem Absitzenlassen zur Untersuchung abgetreten. Beim ruhigen Stehen durch einige Wochen haben sich in derselben drei Schichten gebildet. Obenauf eine sehr beträchtliche, fast die Hälfte des Volumens ausmachende gelb gefärbte Erdölschichte, zu unterst eine braun gefärbte, Krystalle von Natriumsulfit und Sufat absetzende wässerige Lauge und in der Mitte ein stark emulsionirtes zähes Gemisch der öligen Flüssigkeit mit der Lauge. Das obenauf schwimmende Erdöl wurde abgeschieden, die untere Schichte abgehebert und die zähe emulsionirte Masse, welche freiwillig sich nicht sondern wollte, durch Einleiten von Dampf geschieden in ansehnliche Mengen von Oel und wässerige Lösung. Sämmtliche wässerige Laugen wurden nach längerem Klärenlassen und Abfiltriren von mechanischen Verunreinigungen der Verarbeitung unterworfen. Durch Ansäuern und Erwärmen, am besten durch Einleiten von Dampf schieden sich aus den Lösungen dunkelbraun gefärbte ölige Schichten ab, welche sich sauer verhielten, während die neutralisirte Lauge nur noch schwache Färbung zeigte. Die dunklen Oele durch Stehenlassen in der Wärme blank ausgeschieden gaben vollständige, wenn auch trübe Lösungen im Wasser und wurden von Laugen verseift, jedoch auch mit einem opalisirenden Charakter, so dass es den Eindruck machte, als ob ein Theil unlöslicher, eventuell unverseifbarer Substanz durch den löslichen, eventuell verseifbaren in Lösung gehalten wäre, in ähnlicher Art, wie man Seifenlösungen beträchtliche Mengen Kohlenwasserstoffe (Theeröle, Erdölbestandtheile) einverleiben kann. Das specifische Gewicht des Oeles wurde zu 0,9850 (20°) bestimmt; eine qualitative Probe auf Schwefel durch Glühen mit Natrium und Versetzen der Lösung des Glührückstandes mit Nitroprussidnatrium hat reichliche Gegenwart von Schwefel angezeigt und deshalb der Vermuthung Raum gegeben, dass in der fraglichen Substanz Schwefelverbindungen sulfo- oder äthersäureartiger Natur zu suchen wären, natürlich herrührend von der zur Reinigung gebrauchten Schwefelsäure und nachträglich aus der Lösung in Erdöl durch Natronlauge als Sulfo- oder Aethersalze ausgewaschen. Ein Versuch, die fraglichen Substanzen durch Kochen mit viel Wasser oder durch Destillation mit Wasserdampf bei eventuellem Vorhandensein von Aethersäuren zu spalten, scheiterte an der nicht zu überwindenden Tendenz zum Aufschäumen, welche jedes diesbezügliche Beginnen aussichtslos machte. Ueberhaupt ist dieses eigenthümliche wasserlösliche Oel durch ein starkes Emulsionirungsvermögen und Schäumungstendenz nicht zum Vortheil ausgezeichnet und die Verarbeitung stark erschwert. Schliesslich habe ich eine theilweise Zersetzung dieses Oeles durch Erhitzen mit Wasser im Autoclaven auf 160° durchgeführt, indem durch einige Stunden dauernde Erhitzung sich eine obenauf schwimmende dunkle Schichte vom specifischen Gewichte 0,9241 (20°) bildet, welche nicht vom Wasser gelöst wird. In der unteren opalisirenden wässerigen Flüssigkeit wurde viel Schwefelsäure nachgewiesen und durch Aussalzen daraus eine Schichte der theilweise unveränderten Substanz wiedergewonnen, welche ein ähnliches Verhalten wie die ursprüngliche zeigte, d.h. in Wasser sich trübe löste und auf Zusatz einer grösseren Menge Säure oder eines Salzes wieder zur Ausscheidung gelangte. In der Art, nachdem das Erhitzen mit Wasser unter Druck nochmals wiederholt wurde, habe ich zwei verschiedene Producte bekommen, von welchen eines in Wasser unlöslich war, das zweite sich in Wasser trübe löste, sich verseifen liess und leicht ausgesalzen werden konnte. Zur besseren Scheidung wurde die eine und die andere Substanz durch Verseifen gereinigt und der unverseifbare Theil durch wiederholtes Schütteln mit Aether aufgenommen. Sowohl der ätherische Auszug, als auch die aus den Seifen ausgeschiedenen Säuren wurden dieser Procedur nochmals unterworfen, um das Verseif bare von dem Unverseifbaren möglichst zu trennen. Nach einer vorläufigen Speculation dürften in den verseifbaren Antheilen nicht zerlegbare sauere Schwefelverbindungen, also Sulfosäuren zu suchen sein, während die Zersetzungsproducte, welche in einer nicht verseifbaren und wasserunlöslichen Form zum Vorschein kommen, der Spaltung vorhandener Aethersäuren in Schwefelsäure und Alkohole ihre Gegenwart verdanken mochten, wobei freilich unter dem grossen andauernden Drucke und Einwirkung der aus der Zersetzung hervorgegangenen Schwefelsäure Condensationen und Polymerisationen nicht ausgeschlossen wären. Das unverseifbare dunkle dickliche Oel fing im rohen Zustande erst über 230° zu sieden an und bis zum Ende der gewöhnlichen Quecksilberscala war noch nicht die Hälfte übergetrieben. Bei der Destillation zeigte es theilweise Zersetzung mit Entwickelung von Schwefelwasserstoff als Zeichen, dass die Scheidung von Schwefelverbindungen nicht vollständig durchgeführt werden konnte. Darauf zeigte auch der Umstand, dass ein gewisser Theil des Destillates verseift werden konnte, denn die Annahme der Bildung sauerer Verbindungen bei der Zersetzung durch Destillation ist nicht wahrscheinlich. – In diesen saueren Verbindungen lagen sogen. Erdölsäuren vor, d.h. Sauerstoffverbindungen gewisser Bestandtheile des Erdöles mit sauerem Charakter, welche sowohl in dieser Portion als auch später in grösserer Menge in dem zweiten Untersuchungsantheil festgestellt wurden. Das durch Reinigung des Gesammtdestillates bis 360° mit in Kalilauge gelöstem Bleioxyd erhaltene lichtgelbe Oel zeigte das specifische Gewicht 0,8547 (20°) gegen 0,8677 in ungereinigtem Zustande und einen in seinen unteren Gliedern scharfen, sonst an Erdöl erinnernden Geruch, siedete gleichmässig in sehr weiten Grenzen, vorzüglich zwischen 250 bis 360°. – Der Rückstand war dickflüssig, fast zähe, von schwachem Gerüche und wurde auch bei der Abkühlung nicht fest, sondern blieb stark viscos. In dem rohen Destillate konnten durch alkoholische Sublimatlösungen weisse Niederschläge erzielt werden, welche jedoch nicht weiter verfolgt wurden, weil Sulfide oder Merkaptane, worauf diese Doppelverbindungen weisen, eventuell secundären Vorgängen bei der Zersetzung ihre Entstehung verdanken konnten und überdies sehr unbeträchtlich waren. Proben in verschiedenen Fractionen des von 5° bis 5° geschiedenen Destillates mit sauerem Natriumsulfit, Phenylhydrazin und Hydroxylamin haben kein Resultat ergeben, so dass in denselben nur das Vorhandensein von indifferenten Körpern eventuell von Alkoholen gemuthmaasst werden konnte, was mit der früheren Annahme übereinstimmte. Da eine Scheidung von Alkoholen secundärer und tertiärer Natur, denn um solche hat es sich nur handeln können, und Kohlenwasserstoffen unbekannter Art ein schwieriges Beginnen vorstellt, habe ich einen anderen Weg eingeschlagen, um die Gegenwart dieser Körper festzustellen, und zwar gestützt auf die jüngste MittheilungTheodor Richard Krüger, Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, Bd. 26 S. 1203., dass auch secundäre Alkohole in Aethersäuren übergeführt werden können, wurde das Gesammtdestillat bis 300°, im Ganzen 200 g, mit ebenso viel Schwefelsäure unter Abkühlen nach und nach vermischt, wobei ein Theil des Oeles sich löste, ohne dass aber eine gewisse Verharzung sich verhindern liess. Ein Theil der Aethersäuren wurde nach Verdünnung mit Wasser mit Wasserdampf destillirt und eine gewisse Menge eines scharf riechenden Oeles erhalten, welches durch metallisches Natrium in weisse Verbindungen (Alkoholate) grösstentheils übergeführt wurden. Die Natriumverbindung habe ich abgesaugt, mit Aether gewaschen und durch Wasser zerlegt. Durch Fractionirung des ausgeschiedenen Oeles liess sich eine grössere Portion (4 g) zwischen 250 bis 255° siedend nach mehrmaligem Destilliren herausschälen, welche bei der Analyse Zahlen ergab, welche mit einem Dodekylalkohol eine ziemliche Uebereinstimmung zeigten. Berechnet für C12H25OH Gefunden C = 77,42 C = 77,05 H = 9,13 H = 10,02 Der von Schwefelsäure nicht angegriffene, bei weitaus grössere Antheil zeigte nach dem Waschen mit Natronlauge und Wasser, Trocknen mit Chlorcalcium ein specifisches Gewicht von 0,8444 (20°). Er stellte ein lichtgelb gefärbtes indifferentes Oel von hohen Siedetemperaturen und anscheinend gesättigtem Charakter dar. Bei der von 5 bis 5° wiederholten Fractionirung wurde eine niedrig siedende Fraction erhalten (specifisches Gewicht 0,829, 265 bis 270°), verbrannt und folgende Ergebnisse erzielt: 1) C = 85,60 Proc. 2) C = 85,48 Proc. H = 14,48 H = 14,38 Die Resultate stimmen für einen Kohlenwasserstoff von der allgemeinen Formel CnH2n, welche bekanntlich die gleiche procentische Zusammensetzung C = 85,71 Proc., H = 14,29 Proc. besitzen. Der gesättigte Charakter würde bei dieser allgemeinen Formel auf Naphtene hinweisen und jedenfalls auf ein höheres Homologe, wie Pentadekanaphten, das höchste bekannte Glied dieser Reihe, welches nach MarkownikowUntersuchungen des kaukasischen Oeles, S. 66 (russisch). Naphtene und deren Derivate, deutsch im Journal für praktische Chemie, 1892 Bd. 46 S. 570. bei 246 bis 248° siedet und ein specifisches Gewicht von 0,8210\,\frac{18,8^{\circ}}{4^{\circ}} besitzt. Die Entscheidung ist schwer auf Grund der Analyse und der wenigen bestimmten physikalischen Merkmale zu treffen, denn das von Cahours und PelouzeCompt. rend., Bd. 57 S. 62. isolirte Pentadekan (Paraffin) siedet bei 258 bis 262° und hat ein specifisches Gewicht von 0,825 bei 19°. Es scheint jedoch festzustehen, dass diese Kohlenwasserstoffe erst nachträglich durch Erhitzen unter Druck eventuell durch Condensation entstanden sind, denn wären dieselben bloss mechanisch beigemengt, so würde sich darin die ganze Scala der Erdölkohlenwasserstoffe finden und nicht bloss höchstsiedende (condensirte) Glieder. Meine neuesten Untersuchungen über dieselben Körper aus der Ligroinlauge machen es wahrscheinlich, dass diese Kohlenwasserstoffe den Terpenen oder deren Isomeren nahe stehen, dieses möchte auch ihre leichte Polymerisation erklären. Dem hier vorliegenden Kohlenwasserstoff dürften jedenfalls andere beigemischt gewesen sein, von denen die Trennung nicht bewerkstelligt wurde. – Eine nähere Aufklärung dieser Beziehungen behalte ich mir vor. Die zweite, die verseif baren Körper enthaltende Portion stellte sich nach Abtreiben des Aethers als eine dicke Masse dar, welche bedeutende Mengen Wasser zurückhält, durch Chlorcalcium sich jedoch nicht trocknen lässt, denn es entstehen Calciumsalze, welche mit dem rückständigen Oele einen zähen Teig bilden. Die Verseifung mit Lauge ist glatt, vollzieht sich unter gelindem Erwärmen vollständig und die Natriumsalze sind klar wasserlöslich. Die freien Säuren geben in Wasser eine trübe milchige Lösung, welche selbst nach wochenlangem Stehen sich nicht klären will; beim Erhitzen scheidet sich auf der Oberfläche eine dünne Schichte Oeles ab, welches in Wasser unlöslich ist, doch wird die Trübung nicht aufgehoben. Es scheinen deshalb hier gleichfalls mehrere Substanzen vorzuliegen und zwar wasserlösliche und unlösliche, welch letztere in hartnäckiger Suspension erhalten werden. Eine qualitative Probe ergab die Anwesenheit von Schwefel, in Anbetracht der stark saueren Eigenschaft der Substanz und der Wasserlöslichkeit eines Theiles davon, herrührend voraussichtlich von einer Sulfogruppe. Eine Bestätigung dieser Ansicht kann man erblicken in dem Verhalten der Bariumsalze. Durch Sättigen mit Bariumcarbonat in der Hitze erhält man eine zähe schmierige Masse, welche durch Auskochen mit Wasser bedeutende Mengen löslicher Bariumsalze liefert, welche zwar eine schmierige Beschaffenheit zeigen, nach dem Austrocknen jedoch leicht von kaltem Wasser und Alkohol gelöst werden, während ein grosser Theil Bariumsalze überhaupt unlöslich zurückbleibt. Es eignet sich jedoch dieses Verfahren nicht zur Trennung der beiden saueren Gruppen, denn die honigartige Beschaffenheit des Bariumsalzniederschlages erschwert ungemein die Trennung des löslichen von dem unlöslichen Antheile. Die Scheidung wurde daher in anderer Weise bewerkstelligt und zwar durch längeres heftiges Ausschütteln der stark verdünnten wässerigen Emulsion freier Säuren mit Aether. Beim längeren Stehenlassen (wochenlang) sondert sich ganz klar die ätherische Lösung von der wässerigen ab und der aus der ersten nach dem Abtreiben des Aethers erhaltene Rückstand ist in Wasser vollständig unlöslich, enthält nur geringe Spuren Schwefel und gibt unlösliche Bariumsalze. Bei der Destillation, die fast ohne Zersetzung vor sich geht, fing dieser Theil erst bei 250° zu sieden an, doch wurde bis 310° fast sämmtliches übergetrieben. Das Destillat hat eine schwach gelbliche Farbe, specifisches Gewicht 0,9408 (20°), schwachen fettsäureähnlichen Geruch, röthet schwach blaues Lackmuspapier, gibt weiche Seifen mit Alkalien, solche von honigartiger Beschaffenheit mit Erdalkalien und wird in charakteristisch fruchtähnlich riechende Aether mit Alkohol und Schwefelsäure verwandelt, welche sich mit alkoholischem Kali verseifen lassen. Nach Allem scheinen diese Körper identisch zu sein mit von mir beschriebenen ErdölsäurenBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft, Bd. 24 S. 1808. Chem.-Ztg. (Cöthen), Bd. 16 Nr. 51., welchen ich vorerst den Carbonsäurecharakter abgesprochen habe. Erdölsäuren aus russischen Oelen haben auch Markownikow und Ogloblinl. c., in neuerer Zeit O. AschanBerichte der deutschen chemischen Gesellschaft. Bd. 28 S. 867, und Bd. 24 S. 2710. untersucht und dieselben für Naphtensäuren, alias hexahydrogenisirte Carbonsäuren erklärt. Neuerdings hat AschanIbid. Bd. 25 S. 3661. seine Ansicht geändert und rechnet die Erdölsäuren zu den Polymethylencarbonsäuren (mit Ausschluss des Hexamethylens), wie er denn überhaupt in den Naphtenen Polymethylene erblicken will. Diese Ansicht, welche nur in den weitgezogenen Consequenzen neu ist, entbehrt vorläufig der strengen Begründung; für mich ist sie jedoch viel ansprechender als die Behauptung, Erdölsäuren wären hydrogenisirte aromatische Carbonsäuren, gegen welche Auffassung ich vorzüglich aufgetreten bin. Doch müssten noch ausgedehnte Versuche darüber angestellt werden, und auch die Frage, ob Säuren des kaukasischen und galizischen Erdöles identisch sind, entbehrt der Beweise. Ich habe leider bis jetzt nur höher siedende Homologe in Händen gehabt, erst gegenwärtig bin ich in die Lage gekommen, mir ein reichliches Material für die entsprechende Arbeit zu verschaffen in einer von der Ligroinreinigung derselben Quelle stammenden Fabrikslauge, in welcher nach der Analogie mit der verarbeiteten Leuchtöllauge sich grössere Mengen niedrigst siedender Säuren finden werden. Es soll mir dieses Material zu gleicher Zeit zur näheren Erforschung der Bestandtheile der Lauge dienlich sein, welche im vorliegenden Aufsatze der grossen Schwierigkeit halber keine erschöpfende Behandlung erfahren haben, so z.B. die Sulfosäuren, deren Natur noch gar nicht erforscht wurde. Leinberg, Versuchsstation für die Erdölindustrie, im September 1893.