Titel: | Bemerkungen über neue Kriegswaffen. |
Fundstelle: | Band 291, Jahrgang 1894, S. 1 |
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Bemerkungen über neue
Kriegswaffen.
Mit Abbildungen.
Bemerkungen über neue Kriegswaffen.
Gewehre.
Beibehaltung der eingeführten
Gewehre oder Anschaffung neuer?
1893 wurde in den Staaten, welche noch ältere Gewehre mit einem
Geschossdurchmesser von mehr als 8 mm besassen, die Einführung von Gewehren
kleinerer Bohrung begonnen oder fortgesetzt. Die neuen Gewehre fast sämmtlicher
Staaten zeigen demzufolge eine grosse Uebereinstimmung; fast überall sind
Cylinderverschlüsse mit Magazinladung eingeführt; der Geschossdurchmesser liegt
zwischen den verhältnissmässig engen Grenzen von 8 bis 6,5 mm und die
Anfangsgeschwindigkeit zwischen 600 und 730 m. Eine kurze, leicht verständliche
Angabe, welche ein umfassendes Urtheil über die Leistungen der heutigen Gewehre
erlaubt, liegt in den Trefferzahlen, welche aus 1 k Munition gegen ein
Schützenziel von 0,4 m im Quadrat auf 300 (oder 400) m zu erzielen sind. Da der
1892 durch das Mannlicher-6,5-mm-Gewehr festgestellte „Record“ bis jetzt
nicht geändert ist, so seien die Zahlen wiederholt (1893 288 2).
Es ergeben sich Treffer mit dem
Auf300 m
(Auf400 m)
InMinuten
Mannlicher-Gewehr von 6,5 mm bei 730
m Anfangsgeschwindigkeit
42
(36)
2,6
österreichischen Gewehr von 8 mm bei 620 m
Anfangsgeschwindigkeit
26
(18)
1,8
ehemaligen französischen Gewehr von 11 mm bei 450
m Anfangsgeschwin- digkeit
5
(3)
2,1
Nach dieser Tabelle übertrifft das 8 mm-Gewehr das von 11 mm um das 5- (bezieh.
6-)fache, während es selber vom 6,5 mm-Gewehr nur um das 1,7fache (bezieh. das
Doppelte) übertroffen wird. Ein solches 8 mm-Gewehr durch eins von 6,5 mm zu
ersetzen, liegt demnach nicht dieselbe Dringlichkeit vor, wie sie bei der
Abschaffung der 11 mm-Gewehre 1886 vorgelegen hatte.
Von verschiedenen Seiten, besonders von französischer, wird bezweifelt, ob
augenblicklich überhaupt eine Dringlichkeit vorhanden ist, neue Gewehre
einzuführen. Da das französische Gewehr das schlechteste unter denen von 8 mm
ist, weil es ein veraltetes Rohrmagazin unter dem Laufe hat, so fallen die
französischen Aeusserungen besonders ins Gewicht. Aus Veränderungen an den
Gewehren, welche kürzlich befohlen worden sind, und aus einer in Aussicht
gestellten Verbesserung der Flugbahnen bis zu 1800 m durch Verkürzung der
Geschosse scheint entnommen werden zu dürfen, dass man in Frankreich das
bisherige Gewehr mit Verbesserungen beibehalten will, welche seine Brauchbarkeit
erhöhen und seine Minderwerthigkeit ausgleichen. (Die befohlenen
Abänderungen finden am Seitengewehre statt, am Schlosse, um eine Verletzung des
Schützen durch geplatzte Patronenhülsen zu verhindern, und am Visir durch
Befestigung des Visirfusses mittels Ringen; vielleicht wird mit letzterer
Aenderung auch die verbunden, welche die angedeutete Geschossverkürzung nöthig
machen können. Nach neueren Bekanntmachungen haben am deutschen Gewehre auch
Abänderungen [eine „Umbewaffnung“] stattgefunden, wobei solche am
Schlosse vorgekommen sind, welche Aehnliches wie die entsprechenden
französischen bezweckt haben dürften.)
Wenn die Nachrichten aus Frankreich richtig sind, dann werden andere Mächte sich
nicht zu sehr mit Abschaffung der bisherigen Gewehre beeilen. Sie werden
vielleicht dem Beispiele Frankreichs folgen und ihre Waffen zu verbessern
suchen. So werden diejenigen Gewehre, welche sehr lange Geschosse verfeuern,
durch Verkürzung der Geschosslänge (also durch Verminderung des Gewichtes und
der Querschnittsbelastung) eine grössere Anfangsgeschwindigkeit, eine flachere
Flugbahn mit besserer Trefffähigkeit auf kleinen und mittleren Entfernungen
erhalten können; allerdings werden die Leistungen bei grossen Schussweiten
schlechter werden. Man thut dann also dasselbe, was Preussen 1871 mit dem
Zündnadelgewehr gethan hat (vgl. Fig. 1, b). Durch Ersatz verbrauchter Läufe durch
neue von Nickelstahl oder einem ähnlichen verbesserten Material lässt sich nicht
nur die Haltbarkeit der Waffe, sondern vielleicht auch die Pulverladung und
damit die ganze Leistung erhöhen. Die Wirkung der Geschosse kann durch
Beseitigen lockerer, ungleichmässiger Stellen im Kern erhöht werden, indem statt
des bisherigen recht ungünstigen Einpressens der Kerne in die Geschossmäntel
durch Stempel ein Einsaugen, ein Einpressen der Kerne eingeführt wird durch die
in jeder Stärke anwendbare Fliehkraft (Centrifugalkraft). Weitere Verbesserungen
werden wohl bei jeder Waffe noch herausgefunden werden können. Ein Herabdrücken
des Gewichtes der 8 mm-Patronen auf das der 6,5 mm-Patronen wird sich wohl nicht
erzielen lassen und die Munition eines 8 mm-Gewehres wird die Soldaten und die
Transportfahrzeuge mehr belasten, als die eines 6,5 mm-Gewehres. Die Nachtheile
dieser grösseren Belastung werden aber vielleicht reichlich aufgewogen durch die
Ersparung der Kosten für eine Neubewaffnung. Wenn man als Kostenpreis eines
neuen Gewehres mit 500 Patronen nur 100 M. ansetzt, so wird die Ausrüstung von 1
Million Soldaten mindestens 100 Millionen Mark kosten. Es ist nicht gerade
wahrscheinlich, dass die Heeresverwaltungen ohne zwingende Gründe derartige
ungeheure Beträge von ihren Volksvertretungen erkämpfen wollen.
Aussichten für die Versuche mit kleineren Kalibern und
grösseren Anfangsgeschwindigkeiten, Anders würde die Sache liegen, wenn
durch Versuche ein kriegsbrauchbarer Mehrlader gefunden werden sollte, der nicht
mehr Laufbeschädigungen, nicht mehr Ladehemmungen als die jetzigen Gewehre und bei
einem kleineren Kaliber von etwa 5 mm Laufweite 200 m mehr Anfangsgeschwindigkeit hat. Fast bei
allen Staaten und wahrscheinlich bei vielen Fabriken werden derartige Versuche
gemacht. Es ist indess nicht unmöglich, dass dieselben noch lange ergebnisslos
bleiben; denn das Verhalten der Munition und des Gewehres bei grossen
Geschossgeschwindigkeiten in allen nur denkbaren Verhältnissen des Krieges, bei
besonderen Veränderungen, Verletzungen, Anstrengungen und Beschmutzungen des
Laufinnern macht diese Aufgabe besonders schwierig.
Wenig Schwierigkeiten zwar bietet die Herstellung einer 5 mm weiten Bohrung des
Laufes (vgl. 1893 288 174, Gewehrlaufriffelmaschine).
Die Beschaffung des Materials für einen Lauf, der nur auf dem Scheibenstande bei
vorsichtiger Behandlung gebraucht wird, würde gar nicht in Frage kommen. Bekannt
gewordene Versuche mit doppelten Pulverladungen, doppeltem, dreifachem
Geschossgewicht und sehr heftig verbrennenden (brisanten) Pulversorten setzen es
schon ausser Zweifel, dass der bisherige Laufstahl unter günstigen Verhältnissen
wohl 800 m Geschossgeschwindigkeit liefern kann und der Nickelstahl 1000 m
ergeben wird. Ausserdem muss man annehmen, dass, wenn Schnellfeuerkanonen 800 m
Anfangsgeschwindigkeit haben, die Gewehrläufe aus besserem Stahl nicht bei 650
bis 700 m zu beharren brauchen.
Für die Haltbarkeit des Gewehrstahles ist ein österreichischer Versuch
beachtenswerth (Mitth. über Gegenst. d. Art.- u.
Gen.-Wesens, 1893 Heft 7).
Es sollten die Leistungen von sechs Gewehren mit denen anderer Waffen im
Schnellschiessen verglichen werden. In Gestellen liegend, feuerten die Gewehre
so schnell sie konnten. Hierbei erhitzte sich ein Gewehrlauf so, dass er seinen
Holzschaft nach 200 Schuss vollständig verkohlt hatte; die Erwärmung muss
demzufolge mehrere Hundert Grad betragen haben. Während auf der einen Seite die
Anstrengungen des Laufes dadurch gesteigert worden sind, dass die Pulvergase
sich mehr erhitzten und ein grösseres Ausdehnungsbestreben bekamen, musste auf
der anderen Seite das Laufmaterial selber durch die erhebliche Wärmesteigerung
an Festigkeit verlieren.
Bei der grossen Haltbarkeit des sorgsam reingehaltenen Laufmetalles muss es
Staunen erregen, dass dieselben Läufe, die das Schiessen mit scharfen Geschossen
aushalten, schon beim Verfeuern von Platzpatronen, also von hohlen
Holzgeschossen, platzen oder sich aufbauchen. Es wird angenommen, dass meist
„fremde Körper im Laufe, Sand, Wischpolster u. dgl.,“ dieses
Unbrauchbarmachen verschulden. Diese Vorkommnisse waren jedenfalls bei den 11
mm-Gewehren mit 200 m weniger Anfangsgeschwindigkeit seltener, noch seltener
aber bei den älteren Gewehren von grösserem Durchmesser und noch geringerer
Geschossgeschwindigkeit. Wenn aber solche Vorkommnisse jetzt schon bei 8
mm-Gewehren von 600 bis 650 m Geschossgeschwindigkeit unangenehm werden, wie
viele werden dann erst bei einem Zukunftsgewehr von 5 mm und von 800 m
Geschossgeschwindigkeit stattfinden? (Vielleicht geben gerade die so sehr
grossen Geschwindigkeiten der leichten Holzgeschosse in den Platzpatronen der
jetzigen Gewehre einen Fingerzeig dafür, was von wirklichen Geschossen bei
800 m Geschwindigkeit zu erwarten ist.) Nach Berichten aus Frankreich, wo der
Lauf keinen Mündungsverschluss mehr hat, sollen ausserdem Regentropfen die
Gebrauchsfähigkeit eines Laufinnern von kleiner Bohrung beträchtlich schädigen,
wahrscheinlich, weil sie verhältnissmässig grosse Rostflecke erzeugen, welche in
Abschürfungen (Erosionen) durch die nachfolgenden Geschosse verwandelt werden;
diese Abschürfungen werden dann wahrscheinlich die Ursache zum Platzen des
Laufes, wenn sie weiter nachfolgende Geschosse zu einer Querstellung und zu
einem Aufenthalte veranlassen.
Eine zuverlässige Aufklärung darüber, wie in den eben aufgeführten Fällen das
Platzen der Läufe hervorgerufen wird, ist zur Zeit unbekannt. Eins ist ziemlich
sicher: dass die Gase im Laufe ein grosses Bestreben haben, nach vorwärts zu
gehen, aber nur ein kleines, zur Seite zu arbeiten, wenn das Geschoss keinen
grossen Widerstand entgegensetzt. (Durch Schiessversuche aus geschlitzten Läufen
von 6 bis 18 mm ermittelt.) Man darf vielleicht vermuthen, dass die Zermalmung
eines fremden Körpers im Laufe eine Schrägstellung, einen gewissen kleinen
Aufenthalt des Geschosses verursacht und dass dieser die Gase unmittelbar hinter
demselben veranlasst, sich pilzhutartig seitlich auszubreiten; diese Ausbreitung
kann dann möglicher Weise so schnell geschehen, dass das Rohr gesprengt wird;
die Wirkung würde dann eine rein örtliche (locale) sein, wie sie es bei
Knallquecksilber und anderen heftigen Sprengstoffen ist.
Im Uebrigen sind Untersuchungen über den Widerstand, den ein „fremder
Körper“ im Laufe verursacht, sehr leicht auszuführen; die
Geschwindigkeitsmessung und eine Messung der Wärme des Laufes an der
„unreinen Stelle“ würden vielleicht die nöthigen Anhaltspunkte
geben.
In Bezug auf die Wärmesteigerung des einen Laufes bei dem österreichischen
Versuch muss übrigens die Frage gethan werden: Würde das Gewehr auch bis zum
200sten Schuss gekommen sein, wenn es statt 600 m Anfangsgeschwindigkeit 800 m
gehabt hätte? Würden die „Zukunftsgewehre“ nicht auf geringe Schusszahlen
für solche im Festungskriege vielfach vorkommenden Aufgaben beschränkt werden
müssen?
Aus dem Vorhergehenden dürfte zu schliessen sein, dass man Läufe für neue
kleinkalibrige Gewehre mit stark erhöhten Geschossgeschwindigkeiten für den Fall
leicht herstellen kann, dass man die Gewehre nur auf dem Scheibenstande bei
sorgsamer Behandlung gebraucht. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass diese
Gewehre für den Krieg nicht geeignet sind, wenn sie bei einer Anzahl von
Gefechtsverhältnissen gar nicht oder nur mangelhaft gebraucht werden können.
Eine solche ungünstige Gefechtslage ist z.B. vorhanden, wenn bei einem Schiessen
in starkem entgegenwehendem Winde vom Dünensande aus die Sandbewegungen gegen
die Läufe noch durch feindliches Shrapnel- und Gewehrfeuer gesteigert werden.
Wenn z.B. 100 5 mm-Gewehre auf 1000 Schuss in dieser Lage zehn
Rohrbeschädigungen hätten, die bisherigen 8 mm-Gewehre aber gar keine, so würde
man doch die bisherigen trotz geringerer Leistung vorziehen müssen.
Die Beurtheilung der Frage, ob ein neues Gewehr nur eine Zierde des Scheibenstandes oder eine kriegsbrauchbare Waffe ist, dürfte aber nicht durch
den Waffentechniker, sondern nur durch die Truppe zu entscheiden sein auf Grund praktischer
Versuche.
Ladehemmungen würden wahrscheinlich ein weiteres schwer überwindliches Hinderniss
für die Einführung der gewünschten neuen Gewehre bilden, aber für alle, auch für
die „Scheibenstandszierden“. Aus der oben angedeuteten Schlossveränderung
des französischen Gewehres; um Gase aus gerissenen Patronen unschädlich zu
machen, und aus einer ähnlichen an unserem Gewehre geht hervor, dass jetzt schon
bei nur 645 m Anfangsgeschwindigkeit die Haltbarkeit der Patronenhülsen schwer
zu erreichen ist. Aus England ist bekannt geworden, dass die Gewehre, welche
zuerst 700 m Anfangsgeschwindigkeit geben sollten, bei 610 m noch immer keine
haltbaren Hülsen haben. Wenn schon bei diesen Geschwindigkeiten die Hülsen nicht
immer halten, wie viel „Reisser“ und „Klemmer“ werden dann erst
bei 800 m zu erwarten sein? Ein langsam feuerndes Einzelladegewehr dieser Art
würde zur Zeit wohl erreichbar sein, nicht aber ein schnell feuerndes
Mehrladegewehr, das nur bei haltbaren Hülsen möglich ist.
Ein weiteres Hinderniss zur Einführung eines 5 mm-Gewehres könnte möglicher Weise
auch das Verhalten dünner Geschosse auf grossen Entfernungen bilden. Schon 1893
288 2 wurde nachgewiesen, wie beim 6,5 mm-Gewehr
zuerst die Treffähigkeit viel grösser ist als beim 8 mm-Gewehr, dann aber stetig
abnimmt, bis sie auf 2000 m gleich dieser und von da ab rasch geringer wird.
Wenn in Bezug auf Treffähigkeit ein 5 mm-Gewehr sich so zum 6,5 mm-Gewehr
verhalten würde, wie dieses sich zum 8 mm-Gewehr verhalten hat, so würden seine
Leistungen auf grossen Entfernungen geringer als bei den jetzigen Gewehren sein.
Wollte man etwa die 5 mm-Geschosse verlängern, um ihnen eine gleich grosse oder
grössere Querschnittsbelastung zu geben, als den jetzigen, so würde man ihren
Widerstand im Laufe gegen Fremdkörper vergrössern, die Haltbarkeit des Gewehres
verringern; dadurch würde man ausserdem die Geschossfabrikation und die
Drallfrage erheblich erschweren.
Nach dem Vorhergehenden dürfte die Einführung eines kriegsbrauchbaren 5
mm-Gewehres nicht so bald zu erwarten sein, und es fragt sich sehr, ob nicht das
6,5 mm-Gewehr mit 700 m Anfangsgeschwindigkeit schon an der Grenze der
Kriegsbrauchbarkeit angelangt ist und ob nicht die spanische Regierung, welche
ein solches Gewehr einführen konnte, begründete Ursache gehabt hätte, ein
grösseres Kaliber, das von 7 mm, anzunehmen.
Die nordamerikanische Marine will bekanntlich ein Gewehr von 5,9 mm mit 672 m
Anfangsgeschwindigkeit einführen; vielleicht werden die nach einiger Zeit wohl
stattfindenden Versuche Auskunft darüber geben, ob eine weitere Verkleinerung
des Kalibers Nachtheile oder Vortheile hat.
Röhrenförmige Geschosse von
Krnka-Hebler.
Die Entwürfe dieser wahrscheinlich unausführbaren Geschosse verdienen vielleicht
Erwähnung, weil sie einestheils ein Bild davon geben, in welcher Weise
waffentechnische Entwürfe aufgestellt werden können, und andererseits, weil sie
zeigen, wie nothwendig es ist, dass bestimmte Erscheinungen in der Lehre vom
Geschossfluge klar gestellt werden.
In einem Aufsatze der Allgemeinen schweizerischen
Militärzeitung, 1893 Nr. 27, sind Zahlen und
Andeutungen für röhrenförmige Geschosse von 8 und 5 mm-Gewehren gegeben, in dem
D. R. P. Nr. 70644 eine Zeichnung (vermuthlich für letztere). Es ist versucht
worden, aus diesen Angaben die nebenstehende Fig.
1a anzufertigen. Die Flugbahnen derartiger Geschosse soll ungemein
günstig sein, weil der Luftwiderstand nur sehr gering sein soll, da der Raum der
Höhlung im Innern gar keinen Luftwiderstand verursachen und die Aussenfläche,
besonders die Abrundung nach hinten ein besseres Abfliessen der Luft gestatten
soll. In dem Aufsatze werden auf Grund von selbst verfassten Formeln die
merkwürdigsten Ergebnisse errechnet; von sehr urtheilsfreien Zeitungen und
besonders von der United Service gazette sind dann
diese Rechnungsergebnisse für erschossene Angaben gehalten und demzufolge die
Entwürfe für höchst epochemachende Thatsachen erklärt worden. Die Schweizerische Zeitschrift für Artillerie- und
Ingenieur-Officiere, der man ein gesundes Urtheil zugestehen muss, gibt
eine Kritik über diese Entwürfe im Augusthefte von 1893 unter der Ueberschrift:
„Ballistische Wunder – Wunder der Ballistik“; dem absprechenden
Inhalte derselben muss man in vollstem Maasse beipflichten. (Nebenbei verdient
noch erwähnt zu werden, dass der englische Kriegsminister auf eine Anfrage im
Parlament vom 6. December 1893 bemerkte, er bedauere, dass er keine
Versuchsergebnisse über die Krnka-Hebler-Geschütze habe erlangen können.)
Textabbildung Bd. 291, S. 3Fig. 1.Geschosse.a) Röhrenförmiges Geschoss
von Krnka-Hebler nebst Führungtspiegel; b) Zündnadelgeschoss von 1871
nebst Spiegel; c) Zündnadelgeschoss der Kriege 1864 bis 1871; d)
Zündnadelgeschoss von 1848 Es fällt zuerst auf, dass diese Entwürfe dem Beurtheiler beträchtliche
Schwierigkeiten dadurch bereiten, dass Einrichtungen mit wenigen Worten
angedeutet werden, welche kaum ausführbar erscheinen und zum Theil gar nicht in
der beabsichtigten Weise arbeiten können. So besteht das Geschoss (Fig. 1a) aus drei Stücken, einem äusseren Rohre,
einem Kerne von Blei oder anderen Metallen und einem inneren Kanalrohre. Wie das
äussere Rohr mit der Aufweitung in der Mitte und den „Aufbörtelungen“ an
den „scharfen“ Enden auf den Kern gebracht werden soll, wie das innere
Rohr beim Stoss der Pulvergase im Laufe sich im Kerne festhalten soll, ist
nirgends erwähnt. Zur Führung des Geschosses soll der links gezeichnete Körper
von Pappe oder einem ähnlichen Material dienen (Fig.
1a). Wie verhindert wird, dass die Pulvergase die Mitte desselben
durch das Geschoss treiben, wie derselbe eine sichere Führung abgeben soll, ist
sehr ungenügend erwähnt, trotzdem doch unangenehme Vorgänge bei einem ganz ähnlichen,
praktisch schon verwertheten Körper, dem sogen. Spiegel der Zündnadelgeschosse,
vorlagen (Fig. 1b).
Ueberhaupt nahmen die Aufsteller der Entwürfe vom Vorhandensein der
Zündnadelgeschosse gar keinen Vermerk, trotzdem gerade dieses Geschoss dem
Luftwiderstande hinten einen leichten Abfluss verschaffen sollte und trotzdem
das erste dieser Geschosse, das 1848 gebrauchte (Fig.
1c), gleichzeitig durch einen Vorsprung und durch einen Spiegel
geführt wurde, d.h. fast ebenso, vielleicht nur etwas besser, als das patentirte
Geschoss. Eine kleine Entschuldigung für letzteres würde vielleicht darin
liegen, dass Jahrzehnte lang die meisten Waffentechniker eine „Steuerung“
der Langgeschosse durch Einschnitte und Vorsprünge im hinteren cylindrischen
Theil für allein richtig hielten. So sind in einem Werke: Des armes de guerre rayées von Mangeot (Brüssel 1861), 72 verschiedene
Gewehrgeschosse gezeichnet, und von diesen haben 51 Vorrichtungen zum
„Steuern“, nur 2 begünstigen den Luftabfluss nach hinten (das
Zündnadelgeschoss und die damalige württembergische Karabinerkugel). – Höchst
eigenthümlich muss es aber berühren, wenn Krnka-Hebler in ihrem Patentgesuche in Berlin, also in der Stadt, wo
gerade das Zündnadelgeschoss mit seiner Spiegelführung noch gut bekannt sein
musste, die Behauptung aufstellen: „Um die Verdünnung der Luft hinter dem
Geschoss zu beseitigen, ist bisher so gut wie gar nichts geschehen, dieser
Widerstand fast gar nicht untersucht und nicht erörtert. Erst durch das
Bekanntwerden vorliegender Erfindung werden sich Erörterungen hörbar machen,
welche zur Adoption führen dürften.“ Durch Weglassung dieser Aeusserung
würden es Krnka-Hebler vermieden haben, dass man
sie in der Geschichte der Waffentechnik für wenig bewandert ansehen muss.
Der Gedanke Krnka-Hebler's, ein Geschoss von vorn
nach hinten zu durchbohren, gibt ein weiteres bezeichnendes Bild von den
Vorstellungen, welche manche Waffentechniker von den Geschossbewegungen haben.
Man braucht nur die Frage zu stellen: „Wird der Kanal die Flugbahn des
Geschosses verbessern oder nicht?“ Jeder, der annimmt, dass die
Geschossachse genau in der (Tangente zur) Flugbahn sich bewegt, muss diese Frage
unbedingt bejahen, also die Erfindung für werthvoll halten. Jeder aber, der
nicht begreifen kann, dass dies wirklich der Fall, wird diese Construction für
durchaus werthlos ansehen müssen. Im J. 1892 hat Prof. Neesen (1893 288 50) praktisch bewiesen,
dass ein Geschoss um die Flugbahn Bewegungen macht, bei welchen die Ausschläge
in wagerechter Richtung 40°, in senkrechter sogar 90° betragen; die Revue d' Artillerie hält für bewiesen, dass sich
das Geschoss in einem Winkel von 7° zur Flugbahn stellen könne, und selbst Siacci gesteht in seiner Ballistik zu, dass ein Geschoss nicht genau in der Flugbahn bleibt.
Wenn man nun nur die von der Revue d'Artillerie
angeführte Grösse des Ausschlages von 7° für möglich hält (in der Fig. 1a angedeutet), so würde ihr Vorkommen nicht
eine Verminderung des Luftwiderstandes, sondern eine beträchtliche Vermehrung
und wahrscheinlich ein Umwerfen des Geschosses zur Folge haben.
Da eine durchaus unbewegliche Lage eines rotirenden Geschosses in der Flugbahn
eine höchst auffallende Neuerung in der Physik bezieh. Mechanik sein würde, so
hätte Prof. Hebler einige wissenschaftliche
Erörterungen darüber geben müssen.
Erleichterte Geschosse für
Friedenszwecke.
Die grosse Geschwindigkeit und die Zähigkeit der heutigen Mantelgeschosse, beim
Aufschlagen ihre Form beizubehalten und dann noch grosse Strecken weiter zu
fliegen, machen grosse Flächenräume für Schiesstände nothwendig. Ebenso ist der
Gebrauch der normalen Geschosse von Wachposten in Städten mit grossen Gefahren
verbunden. Es sind deshalb Versuche mit erleichterten Geschossen ausgeführt
worden, und zwar in Oesterreich mit solchen, welche nur zwei Durchmesser Länge
und nur auf dem hinteren (cylindrischen) Theile einen Mantel hatten. Bis 400 m
war die Treffähigkeit gut, auf 500 bis 600 m aber schlecht und der Raum von 800
m hinter der Scheibe erschien doch noch gefährdet, v.
Förster hat ein Aluminiumgeschoss in einer besonderen Waffe versucht.
Wenn ein solches Geschoss in einem Dienstgewehr verwandt werden könnte, würde es
vielleicht gute Dienste leisten können.
(Fortsetzung folgt.)