Titel: | Die Dampfmaschinen der Weltausstellung in Chicago 1893. |
Autor: | Fr. Freytag |
Fundstelle: | Band 291, Jahrgang 1894, S. 145 |
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Die Dampfmaschinen der Weltausstellung in
Chicago 1893.
Von Fr. Freytag, Lehrer
für Maschinenbaukunde an der königl. höheren Gewerbschule zu Chemnitz i. S.
(Schluss des Berichtes S. 53 d. Bd.)
Mit Abbildungen.
Die Dampfmaschinen der Weltausstellung in Chicago 1893.
Willems and Robinson, Limited, in Thames Ditton, Surrey
(England), stellten drei Willans-Maschinen aus,
deren Construction 1893 288 * 220 gegeben ist. Von diesen
Maschinen ist die stärkste eine Dreifach-Expansionsmaschine, während die beiden
anderen mit zweifacher Expansion des Dampfes arbeiten.
Textabbildung Bd. 291, S. 145Dreifach-Expansionsmaschine von Fraser and Chalmers.a Ausguss der Luftpumpe; b
Haupteinspritzsaugleitung aus einem Brunnen; c Hilfseinspritzung mit
Druckwasser aus einem Basin; d Dampfeintritt; e Auspuff. (Fig. 17.);
Maasstab 1/200 Die Dreifach-Expansionsmaschine besitzt Cylinder von 508, 305 und 216 mm
Durchmesser für 229 mm Kolbenhub und entwickelt mit 350 minutlichen Umdrehungen 360
indicirte ; sie unterscheidet sich von der 1893 288 * 220 beschriebenen Zwillings-Verbundmaschine dadurch, dass drei
Reihen zu je drei über einander liegender Cylinder angeordnet sind, deren Kolben auf
drei um 120° gegenseitig versetzte Kurbeln arbeiten. Die Gesammthöhe der Maschine
von Unterkante Sohlplatte bis Oberkante Schieberkasten beträgt 3,050 m, die Länge
einschliesslich der überhängenden Riemenscheibe und der Lager ungefähr 3,355 m, die
Breite 1,830 m. Die Maschine dient mitsammt einer 165pfedigen
Verbund-Willans-Maschine mit zwei Reihen Cylindern von je 432 und 305 mm Durchmesser
für 203 mm Kolbenhub zum Betreiben zweier Wellenstränge in der britischen Abtheilung
der Maschinenhalle. Beide Maschinen arbeiten mit Einspritzcondensatoren.
Die dritte Verbundmaschine mit drei Cylinderreihen leistet mit 350 minutlichen
Umdrehungen 300 indicirte und ist mit einer Dynamo von Siemens Bros. in London direct gekuppelt.
Ausser diesen drei Maschinen sind von der Bullock
Manufacturing Co. in Chicago, der Licenzträgerin der Firma Willams and Robinson in den Vereinigten Staaten
Nordamerikas, noch mehrere kleinere, mit Dynamos verschiedener Typen direct
gekuppelte Willans-Maschinen mit Leistungen von je 80 indicirten in
der Maschinenhalle ausgestellt. Diese Maschinen arbeiten mit 460 minutlichen
Umdrehungen auf zwei Kurbeln; die Hochdruckcylinder haben 254, die
Niederdruckcylinder 356 mm Bohrung.
Einen Glanzpunkt nicht nur der deutschen, sondern der gesammten internationalen
Maschinenbauausstellung bilden zwei von E. Schichau in
Elbing ausgestellte stehende Dreifach-Expansionsmaschinen, die im Vergleich zu der,
bedeutenden Raum einnehmenden, langgestreckten 2000pferdigen
Vierfach-Expansionsmaschine von Allis in Milwaukee und
der 1000pferdigen Dreifach-Expansionsmaschine von Fräser and
Chalmers in Chicago ungemein klein und zierlich erscheinen. Die
eigenartigen Maschinen sind aus den Raum und Gewicht beschränkenden Bedingungen des
Baues von Torpedoschiffen hervorgegangen und trotz ihrer gedrängten Anordnung
überall leicht zugänglich; sie dienen für elektrische Beleuchtungszwecke bezieh. zum
Betreiben von Arbeitsmaschinen in der deutschen Abtheilung der Maschinenhalle.
Die grössere der beiden Maschinen, welche mit einer Dynamo direct gekuppelt ist,
besitzt, wie Fig. 15
bis 17 erkennen lassen,
drei neben einander liegende Cylinder von 580, 950 und 1450 mm Durchmesser für 700
mm Kolbenhub und leistet mit 100 minutlichen Umdrehungen 1000 . Die Cylinder
sind sammt den Receivern und Schieberkasten aus einem Stück gegossen und ruhen auf
einem schmiedeeisernen Gestell, welches zur Verbindung derselben mit der auf dem
Fundament verankerten Grundplatte dient und bei leichter Zugänglichkeit zu allen
Theilen eine feste und sichere Verbindung bildet. In der Grundplatte ist die
dreifach gekröpfte Kurbelwelle aus Stahl gelagert, deren Kurbeln unter Winkeln von
120° zu einander stehen. An die Kurbelwelle ist mittels Flanschverbindung die Dynamo
angekuppelt. Die Kreuzköpfe, Kolbenstangen, Pleuelstangen, Schieberstangen,
Excenterstangen und sämmtliche Zapfen sind aus Stahl gefertigt; die Kolben aus
Stahlguss; alle Lagerstellen haben Metallfutter oder eine Einlage von
Weissmetall.
Der Hochdruckcylinder hat Kolbenschiebersteuerung nach Rider; die Cylinderfüllungen werden durch den von der Kurbelwelle aus mittels
konischer Räder angetriebenen Regulator zwischen Null und 70 Proc. selbsthätig
verstellt. Mittel- und Niederdruckcylinder arbeiten mit constanten Füllungen, die
von entlasteten Trick'schen Flachschiebern eingestellt
werden, und sind behufs Ingangsetzen der Maschine noch mit besonderen Anlasschiebern
versehen. Die Maschine arbeitet mit Einspritzcondensation und wird die über der Erde
angeordnete Luftpumpe vom Gestänge des mittleren Cylinders aus mittels eines
Balanciers betrieben.
Die Schmierung sämmtlicher bewegten Theile erfolgt mittels Tropfrohrchen, welche von
gemeinsamen Oelbehältern ausgehen. Das verbrauchte Oel fliesst unten in einen
Behälter zusammen.
Der Dampfverbrauch der Maschine soll sich auf 5,5 k für 1 indicirte und
Stunde stellen.
Textabbildung Bd. 291, S. 146Kriebel-Maschine von Rice and Whitacre. Die zweite in Chicago ausgestellte Dreifach-Expansionsmaschine derselben
Construction hat Cylinder von 300, 490 und 750 mm Durchmesser für 350 mm Kolbenhub;
sie trägt zum Zwecke der Arbeitsübertragung auf einer an die Kurbelwelle mittels
Flanschverbindung angekuppelten Welle ein als Seilscheibe ausgebildetes
Schwungrad.
Fig. 18 und 19 stellen einen mit
schwingendem Cylinder arbeitenden, nach dem Erfinder als Kriebel-Maschine benannten
stationären Motor, der von der Rice and Whitacre Mfg.
Co. in Chicago in verschiedenen Grössen ausgestellt ist und auch zu
Schiffszwecken Verwendung findet, dar.
Der Motor unterscheidet sich von einer gewöhnlichen Schiebermaschine dadurch, dass
der Cylinder beweglich, der Schieber hingegen festliegend angeordnet ist; bei dieser
Bauweise können Excenter, Schieberstange, Kreuzkopf und Pleuelstange in Fortfall
kommen, und da die Maschine in Folge dessen nur wenig arbeitende Theile besitzt, ist
auch ihre Wartung eine entsprechend einfache.
Der aus einem Stück gegossene Maschinenständer O besitzt
zur Aufnahme der Kurbelwelle M wie auch zum Tragen der
beiden am oberen Cylinderdeckel F angegossenen
Schwingzapfen E je zwei mit Babbittmetall ausgegossene
Lager. Der Kolben H ist durch die Kolbenstange I mit dem Kurbelzapfen L
verbunden, und da diese drei Stücke stets in einer Geraden liegen, führt der
Cylinder, je nachdem sich der Kolben H auf- oder
abwärts bewegt, entsprechende Schwingungen um die Zapfen E aus. Der Schieber D bildet ein mit
Aushöhlungen versehenes cylindrisches Gusstück, welches sich in einer Bohrung des
auf dem Maschinenständer liegenden Gehäuses A führt.
Die Bodenfläche des Schiebers ist nach einem Kreisbogen gekrümmt und gegen dieselbe
legt sich das entsprechend convex gestaltete, aufgeschliffene obere Ende des
Cylinderdeckels F. Beide Flächen bilden eine
vollständig dampfdichte Verbindung, wobei etwaigen Abnutzungen durch über dem
Schieber F in dem Gehäuse A liegende Spiralfedern U, sowie eine
Flachfeder selbsthätig begegnet wird; die Spannung der letzteren lässt sich mittels
Mutter einstellen. Zur Ein- und Ausströmung des Dampfes dienen zwei kurze
Messingrohre R und R1, welche in den Schieber eingeschraubt sind und mit
den Kanälen X und Q Q1 desselben in Verbindung stehen. Die Kanäle P und P1 des Cylinders kommen dann beim Hin- und
Herschwingen desselben abwechselnd mit dem mittleren Einströmkanale X, sowie den Ausströmkanälen Q und Q1 des
Schiebers in Verbindung.
Textabbildung Bd. 291, S. 146Fig. 20.Kriebel-Maschine von Rice and Whitacre. Die aus Stahl gefertigte Kolbenstange ist in einer langen Stopfbüchse N geführt und das untere Ende derselben bei Cylindern
über 115 mm Bohrung mit einem Stahlstück verschraubt, welches durch zwei Bolzen mit
den Messingschalen des Kurbelzapfens verbunden ist. Die oberen Enden der
Messingrohre R und R1 sind in Stopfbüchsen C geführt. B ist ein mit der Kurbel
verbundenes Gegengewicht.
Die Geschwindigkeit des Motors, der auch für Leistungen von 4 bis 40 als
Zwillingsmaschine gebaut wird, regelt ein Centrifugalregulator, dessen Spindel auf
ein Drosselventil wirkt.
Soll der Motor als Schiffsmaschine dienen, so ist er noch mit einer
Umsteuerungsvorrichtung zu versehen; diese besteht, wie Fig. 20 erkennen lässt, aus einem einfachen Muschelschieber Z, der in dem aufgesetzten Gehäuse W mittels eines aussenliegenden Hebels I1, sowie der auf der
Abbildung ersichtlichen Verzahnung von einer Endstellung in die andere bewegt werden
kann. Hierdurch wird der Einströmdampf veranlasst, entweder durch den Kanal X oder die Kanäle Q Q1 in den Cylinder zu treten, was eine Umkehr der
Kurbelbewegung veranlasst. Der Umsteuerungsschieber kann übrigens auch als
Drosselorgan, sowie, wenn er in die Mittellage gebracht wird, zum Abstellen der
Maschine dienen.
Die kleinsten Grössen der stationären Kriebel-Maschine werden mit den Fig. 21 und 22 ersichtlichen
Sicherheitskesseln combinirt in den Handel gebracht.
Jeder Kessel besteht aus einem weiten, gusseisernen Dom, dessen beide Theile S und S1 durch Flanschverschraubung mit einander verbunden
sind, ferner aus einem ringförmigen Untertheil T, sowie
einer unterhalb der Feuerthür K liegenden Wasserkammer
R. Diese mit Wasser angefüllten Theile stehen durch
eine Anzahl schmiedeeiserner Rohre P, die kreisförmig
angeordnet und von einem starken schmiedeeisernen Mantel umgeben sind, mit einander
in Verbindung und werden behufs Erreichung genügender Heizfläche von den
Verbrennungsgasen unmittelbar umspült. Der Rost ist mit G und der Aschenkasten, auf welchem der ganze Kessel steht, mit U bezeichnet. Das Speisewasser tritt durch das inmitten
eines der Rohre liegende Rohr Y, welches am Boden des
Kessels ausmündet, in diesen letzteren. In die Bodenplatte des Domes ist ein
schmelzbarer Sicherheitspfropfen 8 geschraubt. V ist das Abblaseventil, I1 und Q je
ein Wasserstandshahn.
Textabbildung Bd. 291, S. 147Sicherheitskessel zur Kriebel-Maschine. Bei dem 1pferdigen Kessel (Fig. 21) treten die
abziehenden Gase durch eine der Feuerthür K
gegenüberliegende Oeffnung M direct in den
Schornstein.
Der 2pferdige Kessel (Fig.
22) unterscheidet sich von dem 1pferdigen hauptsächlich dadurch, dass die
beiden Domtheile ringförmigen Querschnitt besitzen; ihr innerer Hohlraum W bildet einen weiten Heizkanal, auf dessen oberes Ende
der Schornstein zu sitzen kommt. Eine mit der Zugklappe 5 des Schornsteins verbundene Stange 6 trägt
an ihrem unteren Ende eine runde Scheibe 7, die,
ähnlich wie die gusseiserne Birne beim Field-Kessel, verhindern soll, dass die
Heizgase vom Rost direct in den Schornstein gelangen, sondern erst durch die
Zwischenräume der Rohre streichen.
Die unteren Enden der Rohre sind in den Ring T bezieh.
die Wasserkammer R eingeschraubt, während die oberen
Enden derselben durch doppelte Schraubenmuttern mit der Bodenplatte des Domes
verbunden sind.
Die Kessel sind auf einen Wasserdruck von 8 bis 10 at geprüft und lassen sich mit
jedem Brennmaterial heizen. Der Betriebsdruck stellt sich auf 5 bis 6 at.
Die Eisenwerke Gaggenau A.-G. in Gaggenau (Baden)
stellten zwei stehende Kleinmotoren (System Friedrich) aus, von denen der eine mit einfach wirkendem Dampfcylinder die
1890 280 113 in Fig. 3 ersichtliche Gestalt besitzt,
während der andere mit doppelt wirkendem Cylinder eine zweimalige Expansion des
Dampfes zulässt, indem dieser erst auf der einen, dann auf der anderen Kolbenseite
zur Wirkung kommt und damit eine Leistung von 15 entwickelt. Ein
Plungerkolben von 220 mm äusserem Durchmesser bildet gewissermaassen die hohle
Stange eines mit ihm zusammengegossenen grösseren Kolbens von 320 mm Durchmesser,
der sich mittels zweier Sprengringe dampfdicht in der Bohrung des Cylinders führt,
während der Plunger seine Führung in dem entsprechend ausgebohrten Maschinenständer
findet. Der Hub beträgt 240 mm. In den durch Plunger und Cylinder gebildeten
ringförmigen Raum tritt der vom Kessel kommende Dampf und treibt den Kolben nach
aufwärts; nachdem strömt der Dampf durch den cylindrischen Schieberkasten, in
welchem ein Steuerorgan mit Doppelkolben liegt, in den oberen Theil des Cylinders
und wirkt hier derart auf die Fläche des grösseren Kolbens, dass sich dieser wieder
abwärts bewegt und bei seiner zweiten Aufwärtsbewegung den Dampf in einen neben der
Maschine aufgestellten Oberflächencondensator treibt.
Die Geschwindigkeit der Maschine; welche normal mit 180 minutlichen Umdrehungen
läuft, regelt ein auf ein Drosselventil wirkender Tangye-Regulator. Das zur Bewegung
des Kolbenschiebers dienende Excenter betreibt auch gleichzeitig eine an der
Fundamentplatte der Maschine befestigte Speisepumpe.
Behufs Schmierung des Kurbelzapfens taucht derselbe bei jeder Umdrehung in ein im
Maschinenständer eingeschlossenes Oelbad; ausserdem ist an diesem Zapfen noch ein
Centrifugalschmierrohr befestigt, welches von einem ausserhalb des Maschinenständers
liegenden Tropföler mit Oel versorgt wird.
Der zur Maschine gehörige Kessel mit 6 at Arbeitsspannung und 16 qm Gesammtheizfläche
besteht aus 52 geschweissten, an dem einen Ende geschlossenen Röhren von je 89 mm
äusserem Durchmesser und 1010 mm Länge, deren offene Enden in eine gemeinschaftliche
Kammer ausmünden, auf welche sich mittels zweier Stutzen ein Dampfsammler von 320 mm
innerem Durchmesser und 850 mm Länge setzt. Die Röhren liegen etwas geneigt, um der
Wasser- und Dampfbewegung kein Hinderniss zu bieten. Der Dampfsammler trägt ausser
dem gewöhnlichen noch ein offenes Sicherheitsventil, bei dessen Inkrafttreten der
Dampf durch ein Rohr in den Schornstein geleitet und von hier, nach unten
ausströmend, zum Löschen des Feuers bezieh. zur Hinderung der Weiterentwickelung von
Wärme benutzt wird.
Die Feuerung ist eine selbsthätige Schüttfeuerung mit geneigtem Rost und kann durch
eine Klappe geschlossen werden. Das im Oberflächencondensator condensirte Wasser
wird der Pumpe direct zugeleitet und etwaige Verluste werden durch gleichzeitige
Zuführung geringer Quantitäten von Kühlwasser ausgeglichen.