Titel: | Ueber die Farbenänderung des aus Sulfitstoff hergestellten Papiers auf dem Lager. |
Autor: | E. Muth |
Fundstelle: | Band 291, Jahrgang 1894, S. 236 |
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Ueber die Farbenänderung des aus Sulfitstoff
hergestellten Papiers auf dem Lager.
Von Dr. E.
Muth.
Ueber die Farbenänderung des aus Sulfitstoff hergestellten Papiers
auf dem Lager.
Dass Papier, welches geschliffenes Holz enthält, seine Farbe ändert und dunkler wird,
besonders wenn die äusseren Einflüsse von Licht und Feuchtigkeit sich ändern, ist
längst bekannt, und erklärlich ist auch diese Aenderung bei Papier, welches aus
Sulfitstoff hergestellt ist, der schlecht aufgeschlossen, also noch Incrusten
enthält, wie sie im Holzschliff vorkommen, denn diese verursachen auch im
holzschliffhaltigen Papier die Aenderung. Phloroglucin dient als Reagens auf solch
mangelhaft aufgeschlossenen Zellstoff und färbt die Faser schwach röthlich bis
zwiebelroth, während die Färbung bei Holzschliff tief dunkelroth wird. Dass aber
auch prima Sulfitstoff, welcher keine Incrusten mittels Phloroglucinlösung erkennen
lässt, diese Aenderung im Papier verursacht, ist vielfach beobachtet, doch wurden
hierfür verschiedene Gründe angegeben.
Bemerkt soll hier noch werden, dass die Fabrikation des Papiers unter normalem
Verhältniss geschah, dass die dazu verwendeten Chemikalien sowie das Wasser rein
waren, dass also jede Einwirkung dieser auf die Farbenänderung des Papiers
ausgeschlossen ist, sowie auch dass das zu den Beobachtungen dienende Papier sogen.
Naturpapier war, das ohne jeden Farbenzusatz gearbeitet war.
Im J. 1888 wurden von einer der bedeutendsten Sulfitstoffabriken, als Zeichen für die
Qualität ihres Stoffes, Papierproben eingesandt, die wegen ihrer Weisse und Reinheit
so sehr die Aufmerksamkeit auf sich zogen, dass sie mit vorhandenem, nur aus Lumpen
gefertigtem Papier verglichen wurden. Mit dem in der Farbe gleichen und aus Lumpen
gefertigten Papier zusammen, wurden beide Proben auf die Seite gelegt, in einem
Carton aus Pappe aufbewahrt, der auch verschiedene andere Papierproben enthielt. Als
nun in letzter Zeit die Farbenänderung des aus Sulfitstoff gefertigten Papiers
vielfach besprochen wurde, wurden auch die zurückgelegten Papierproben mit einander
verglichen, und es zeigte sich, dass das aus
Sulfitstoff gearbeitete Papier in der ganzen Fläche gleichmässig dunkler geworden
war, während an dem unter ganz den gleichen Umständen aufbewahrten Papier aus Lumpen
keine Farbenänderung beobachtet wurde. Unter den Papierproben aus Sulfitstoff
befanden sich gerippte und glatte Papiere und war hierbei auffallend, dass die
gerippten Papiere in der Farbe weit dunkler waren, und nicht etwa nur diejenigen
Stellen, bei welchen die feuchte Papierbahn
durch die Drähte der Rouleaux eine Pressung erlitten hatte; auch die anderen
Stellen erschienen weit dunkler in Farbe, ein Vorgang, wofür jede Erklärung
fehlt.
Unter den Proben befand sich auch eine solche von gebleichtem Sulfitstoff aus der
gleichen Fabrik, die auch den Stoff zu den Papierproben lieferte; am Rande zeigte
dieselbe eine gelbliche Färbung, nach der Mitte zu liess sich aber an dem Stoff
keine Farbenänderung beobachten, wodurch man zu der Annahme berechtigt zu sein
scheint, dass die Harzleimung der Grund für die Farbenänderung ist, indem die
gelbliche Färbung des Papierrandes nur den in der Luft enthaltenen Stoffen
zuzuschreiben ist. Gegen einen Vergleich des Rohstoffes mit dem Papier lässt sich
einwenden, dass auch in den best geleiteten Fabriken nicht alle Kocher gleich
ausfallen und der Stoff nach der Bleiche nicht immer die gleiche Weisse habe.
Hierauf ist jedoch zu erwidern, dass es sich beim Vergleich nicht um Spuren von
Farbenänderung gehandelt hat, der Unterschied in der Farbe war sehr bedeutend, so
dass schwache Differenzen unberücksichtigt bleiben können und der Vergleich zulässig
ist, da Papier und Rohstoff aus der gleichen Fabrik stammen.
Um den Einfluss von Licht, Feuchtigkeit und Luft auf das Papier bei einer neuen Probe
zu constatiren, wurde folgendes Verfahren gehandhabt: Auf einen aus Holz
gearbeiteten Rahmen wurde ein sehr dünnes und gleichmässig starkes Glimmerblättchen
von schwach rubinrother Farbe gelegt, so dass die ganze Holzfläche damit bedeckt
war. Die Grösse des Glimmerblättchens war 12/15 cm, und ebenso gross war auch das
Blatt Papier, welches zur Untersuchung auf das Glimmerblättchen gelegt wurde. Um zu
verhindern, dass der in der Luft fein vertheilte Staub und die Russtheilchen sich
auf dem Papier absetzen und dadurch dasselbe dunkler färben oder dessen Farbe
ändern, wurde das Papier mit einem gleich starken Glimmerblättchen bedeckt, in der
Grösse von 10/12 cm, so dass das Papier an allen Seiten etwas über das obere
Glimmerblättchen hervorstand. Auf diese Art war die grösste Fläche des Papiers vor
der directen Einwirkung der Luft geschützt, während die Feuchtigkeit sich demselben
durch den vorstehenden Rand mittheilte und auch die Luft seitlich zwischen den
Glimmerblättchen eindringen konnte, indem zur Befestigung von Glimmer und Papier auf
dem Holzrahmen sowie unter einander Heftstifte verwendet wurden. Die Proben wurden,
auf die beschriebene Art hergestellt, zwischen zwei Fenstern aufgehängt, wodurch sie
auch dem directen Sonnenlichte ausgesetzt waren, und blieben so ohne weitere
Beobachtung etwa 6 Wochen hängen bei einer Tagestemperatur von etwa 10° C. und einem
Feuchtigkeitsgehalt von 60 Proc. Beim Abnehmen der Proben war der freiliegende
Papierrand bei allen Proben durch die in der Luft enthaltenen Stoffe dunkler
gefärbt, auch diejenigen Stellen des Papiers, wo dasselbe nicht dicht an den
Glimmerblättchen anlag und die Luft circuliren konnte, sonst aber war das aus Lumpen
hergestellte Papier auf beiden Seiten ohne erkennbare Farbenänderung, während das
aus Sulfitstoff sich stark dunkler färbte, wie der Vergleich mit den im Carton
befindlichen Papierproben ergab. Dass die Harzleimung die Farbenänderung des Papiers
nicht verursacht hat, zeigt sich daran, dass eine Papierprobe aus Leinen und
Baumwollestoff keine Aenderung bemerken liess, obgleich das Papier eines besonderen
Zweckes wegen mit nahezu der doppelten Harzmenge geleimt war. Dass aber die
Harzleimung bei Gegenwart von anderen Stoffen zur Farbenänderung beitragen kann,
soll später gezeigt werden.
Die Farbenänderung in sulfitstoffhaltigem Papier muss also durch Stoffe verursacht
sein, die auch im Holz enthalten sind und durch Säuren oder saure Salze nicht
vollständig zersetzt oder ausgezogen werden. Ausser der Holzfaser sind im Holz
enthalten Stärke und Gummiarten sowie Harz. Was die ersten beiden betrifft, so
werden diese beim Kochen mit Säure sehr leicht in die lösliche Form übergeführt, in
welcher sie später ausgewaschen werden, während die Wirkung des Harzes bereits oben
besprochen ist. Ausser diesen Stoffen sind in Wasser unlösliche Incrustationsstoffe
vorhanden, die auch Gerbstoffe der verschiedensten Art enthalten, in mehr oder
weniger löslicher Form. Da die Aschenbestandtheile und die im Wasser löslichen
Theile des Holzes zum Theil bei der Fabrikation leicht ausgewaschen werden und die
Mineralstoffe erwiesenermaassen ohne jeden Einfluss, so sind es also nur die
Incrustationsstoffe und die vorhandenen Gerbstoffe, welche die Farbenänderung im
Papier verursachen können. Die Kochlauge des Holzes hat stark dunkle Färbung,
besteht aus humusartigen Stoffen, die durch Umsetzung von Stärke, Gummi, Zucker
u.s.w. entstanden sind. Um ausserdem vorhandene Körper nachzuweisen, wurden die
Farbstoffe und humusartige Stoffe durch Alaun oder durch basisch-essigsaures
Bleioxyd ausgefällt und die hiervon ablaufende heller gefärbte Flüssigkeit mit Kohle
zur vollständigen Entfärbung durchgeschüttelt. Die ablaufende helle Flüssigkeit
wurde mittels Gelatinelösung auf Gerbstoffe geprüft und, nachdem zuerst die
gemischten Flüssigkeiten hell und klar waren, opalisirten dieselben beim Schütteln
stark und beim Stehen entstanden aus Leim und Gerbstoffen bestehende Flocken, die
als in Wasser unlöslich sich abschieden. Der Gerbstoffgehalt in den Kochlaugen war
hierdurch nachgewiesen. Um das Verhalten von Tannin gegen Säure zu ermitteln, wurde
1 g desselben mit 8proc. Schwefelsäure auf dem Wasserbade 2 Tage erhitzt und das
verdampfende Wasser durch eine Tropfvorrichtung soviel als möglich zu ersetzen
gesucht. Der Inhalt des Kölbchens färbte sich mehr und mehr dunkler und, nachdem
später die Flüssigkeit wie angegeben entfärbt war, konnte mittels Eisenvitriol sehr
leicht das Vorhandensein von Gerbstoffen nachgewiesen werden. Aus Lumpen gefertigtes
Papier wurde mit dieser Lösung von Gerbstoffen befeuchtet, getrocknet und auf die
gleiche Art, wie bereits angegeben, der Einwirkung von Luft, Licht u.s.w.
ausgesetzt, nach 2 Tagen wurde schon eine gelbliche Färbung des Papiers bemerkt,
nach 4 Wochen war das Papier stark braun. Diese Beobachtungen wurden gemacht mit
einer Tanninlösung, die 1 Th. Tannin auf 100 Th. Wasser vor der Behandlung mit
Säuren enthielt. Als die Verdünnung 1 auf 400 war, zeigte sich nach beendeter
Versuchszeit das Papier nur schwach gelblich gefärbt. Auf die gleiche Art wurde die
geklärte Kochlauge zum Versuch benutzt, mit dieser wurde Papier befeuchtet und dem
Lichte u.s.w. ausgesetzt, hier zeigte sich bereits nach 14 Tagen stark dunkler
gefärbtes Papier.
Um die verschiedenen Gerbstoffarten auf dieses Verhalten zu prüfen, wurde eine 1proc.
Lösung derselben hergestellt, mit dieser Papier getränkt und weiter behandelt.
Die stärkste Färbung nahm Papier an, welches Pyrogallussäure enthielt; je
schwerer die Löslichkeit der Gerbstoffarten im Wasser war, desto weniger färbte sich
auch das damit behandelte Papier. Diese Erscheinung wurde anders, als das zum Lösen
dienende Wasser einen Zusatz von Glycerin erhielt; hierdurch wurde die Löslichkeit
der Gerbstoffe erleichtert. Da aber in allen Fällen nur vollständig helle und klare
Lösungen beim Versuch verwendet wurden, von einer concentrirteren Lösung also nicht
die Rede sein kann, so ist die Wirkung, welche hier das Glycerin verursacht, nicht
zu erklären. Reines Glycerin verursachte keine Farbenänderung im Papier, was für
dieses und die folgenden Verfahren mitgetheilt werden soll; für alle Ergebnisse
wurden die nöthigen Controlversuche gemacht, durch welche festgestellt, dass nur die
jeweils gefundenen Stoffe der Grund sind für die Farbenänderung.
Die in der Kochlauge enthaltenen Gerbstoffe, sowie das Verhalten derselben bei
Anwendung von Glycerin gaben den Anlass, dass eine Partie ungebleichter Sulfitstoffe
in einer Porzellanreibschale mit Glycerin verrieben und auf dem Wasserbade einige
Zeit erwärmt wurde. Die Masse wurde auf einen Trichter gebracht und um möglichst
concentrirte Flüssigkeit zu erhalten, mit wenig Wasser nachgespült und die helle
klare Flüssigkeit abgepresst. Der Nachweis von Gerbstoff mit Eisensalzen wollte
nicht gelingen, mittels Gelatinelösung aber entstand bei längerem Schütteln das
opalisirende Aussehen der Flüssigkeit und beim Stehen der Niederschlag, durch
welchen Gerbstoff nachgewiesen war. Die concentrirte Lösung wurde benutzt, um den
Versuch am Papier aus Lumpen zu machen, und auch hier trat Färbung des Papiers ein.
Durch die hier gemachten Beobachtungen ist das Vorhandensein von Gerbstoffen im
Sulfitstoff nachgewiesen und damit der Grund angegeben für die Farbenänderung des
Papiers. Dass diese in den einzelnen Sorten verschieden ist, dürfte seinen Grund
darin haben, dass das Rohmaterial entweder mehr oder weniger Gerbstoff enthält oder
dass diese sich in mehr oder weniger leicht löslicher Form im Holz finden.
Nachdem das Verhalten der Gerbstoffarten, die im Sulfitstoff enthalten sind, gegen
Säuren u.s.w. constatirt ist und auch hervorgehoben ist, dass prima gebleichter
trockener Sulfitstoff beim Befeuchten mit einigen Tropfen Aetznatron schwach
röthlichbraune Färbung annimmt, die im Aussehen die grösste Aehnlichkeit hat mit der
Farbe, die entsteht, wenn verdünnte Gerbstofflösung mit etwas Aetznatron
zusammenkommt, so ist anzunehmen, dass diese Färbung durch Zersetzung der im
Sulfitstoff enthaltenen Gerbstoffe entsteht. Bei Natron- oder Sulfatstoff entsteht
beim Befeuchten des trockenen Stoffes mit etwas ätzendem Natron ebenfalls eine
schwach gelbliche Färbung; durch Auswaschen mit heissem Wasser wird dieser Farbstoff
jedoch entfernt und der Stoff erhält nach dem Trocknen seine zuerst gehabte Weisse
wieder. Wird jedoch Natron oder Sulfatstoff mit verdünnter 5proc. Schwefelsäure
schwach erwärmt, die Säure ausgewaschen und der Stoff getrocknet, so verhält sich
diesem gegenüber das Aetznatron indifferent, d.h. wie in dem mit Säuren
aufgeschlossenen Zellstoff nicht alle vorhandenen Stoffe in die lösliche Form
gebracht oder umgesetzt sind, ohne dass ein unnöthig grosser Stoffverlust entsteht,
ebenso verhält sich auch das mit Natron behandelte Holz, es bleiben auch hier Stoffe
zurück, die reiner Zellstoff nicht enthält. Ob der Körper, welcher die gelbliche
Färbung des Natron- oder Sulfatstoffes mittels Aetznatron verursacht, auch Schuld
ist am Nachdunkeln dieses Papiers, ist noch nicht festgestellt, indem bisher
meistens nur vom Nachdunkeln des mit Zellstoffen im allgemeinen hergestellten
Papiers die Rede war. Jedenfalls lässt sich aber annehmen, da die Färbung dieser
Stoffe mit Aetznatron bedeutend schwächer ist als bei Sulfitstoff, dass auch weit
weniger von den das Nachdunkeln bedingenden Stoffen vorhanden sind.
Das Entfernen oder das Unschädlichmachen dieser Stoffe ist bisher durch starke
Bleiche angestrebt, wobei jedoch die Faser nicht nur sehr an Festigkeit einbüsst,
ein nicht unbedeutender Theil derselben wird gelöst und geht auf diese Art verloren.
Wird der Stoff dagegen auf eine der angegebenen Arten behandelt, so wird nicht nur
Bleichmaterial und Stoff gespart, auch die Festigkeit des erhaltenen Papiers ist
grösser und die hierdurch entstandene Mehrarbeit weit mehr als eingebracht. Ein
Beweis hierfür mag durch Folgendes erbracht werden: Aus gebleichtem Sulfitstoff
sollte ein Pergamynpapier von 30 g per 1 qm gearbeitet werden. Bei aller Sorgfalt,
die auf das Mahlen des Stoffes verwendet wurde, war es jedoch nicht möglich, ein so
schwaches Papier aus dem vorgeschriebenen Rohmaterial herzustellen; die Verwendung
von ungebleichtem Stoff, welcher weit fester ist, war nicht angängig, da hierdurch
die Weisse des Papiers gelitten hätte. Es wurde deshalb ungebleichter Stoff aus der
gleichen Fabrik, aus welcher auch der gebleichte stammte, wie angegeben behandelt,
mit einer 15proc. Bleichflüssigkeit gebleicht und dieser Stoff jetzt auf Pergamyn
verarbeitet; das Papier arbeitete sich jetzt nicht nur mit grösster Leichtigkeit, ja
es konnte dessen Gewicht sogar auf 24 g für 1 qm gebracht werden, während zuerst 30
g nur Ausschuss lieferten.
Die hier gemachten Angaben tragen vielleicht dazu bei, die grossen Fortschritte,
welche in der Herstellung des Sulfitstoffes gemacht wurden, um etwas zu vermehren;
denn wenn es in der Zeit gelungen ist, die Bedenken, welche sich betreffs der
Aenderung in der Festigkeit dieses Papiers auf dem Lager zeigten, etwas zu
zerstreuen, so wird es auch gelingen, den weit weniger ins Gewicht fallenden
Misstand zu beseitigen, welcher in der Farbenänderung des Papiers besteht.
Berlin, December 1893.