Titel: | Zur Extraction der Gerbmaterialien. |
Autor: | v. Schroeder, A. Bartel |
Fundstelle: | Band 291, Jahrgang 1894, S. 259 |
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Zur Extraction der Gerbmaterialien.
Von Prof. Dr. v.
Schroeder und A. Bartel in Tharand.
Zur Extraction der Gerbmaterialien.
Vor kurzem haben wir in dieser Zeitschrift eine Reihe von Versuchen über Extraction
der Gerbmaterialien mitgetheilt.D. p. J. 1893 289
Heft 5. Aus diesen Versuchen ergab sich, dass bei kurzer
Kochdauer von einigen Stunden, unter Anwendung hinreichender Wassermengen, die
gerbenden Stoffe zum allergrössten Theil in Lösung gebracht werden können; was an
gerbenden Stoffen bei weiterem Kochen später noch hinzukommt, sind nur
verhältnissmässig geringe Mengen. Bei längerem Kochen werden dagegen an sich
unlösliche Nichtgerbstoffe durch die Einwirkung des Wassers in der Siedhitze löslich
gemacht und gelangen, je länger die Extraction dauert, mehr und mehr in die Lösung.
Bei der Extractfabrikation darf man daher die Auslaugung nicht zu weit treiben, denn
wenn man dadurch auch eine etwas bessere Ausnutzung des Gerbstoffes erreicht, so
verschlechtert sich doch die Qualität des erhaltenen Extractes in hohem Grade, weil
bei zu langem Kochen und Anwendung grosser Wassermengen an sich unlösliche
Nichtgerbstoffe der Rohmaterialien löslich werden und in den Extract übergehen. Das
erzielte Rendement ist dann wohl ein höheres, der Gerbstoffgehalt des Productes
nimmt aber ab und die gerbenden Stoffe treten gegen die Nichtgerbstoffe mehr und
mehr zurück. Bei der Extractfabrikation muss die richtige Mitte eingehalten
werden, – man darf nicht zu kurze Zeit auslaugen, weil man dann das Rohmaterial
nicht hinreichend ausnutzt, – man darf aber auch nicht zu lange und mit zu grossen
Wassermengen kochen, weil man sonst minderwerthige, gerbstoffarme Extracte
erhält.
Die Versuche, aus denen diese Schlüsse gezogen sind, hatten wir in der Weise
angestellt, dass die abgewogenen Mengen der fein gepulverten Gerbmaterialien zuerst
innerhalb 2 Stunden im Extractionsapparat mit 1 l Wasser in der Siedhitze ausgezogen
wurden, und dass dann, unter fortwährendem Kochen, eine zweite und dritte Extraction
mit je 1 l Wasser folgte, von denen die zweite Extraction 48 Stunden und die dritte
ebenfalls 48 Stunden dauerte. Im Ganzen sind die Gerbmaterialien hier also bei
fortdauerndem Kochen innerhalb 98 Stunden auf 3 l ausgezogen worden.
Wir haben diese Versuche nun fortgesetzt, dieselben aber zunächst in der Weise
abgeändert, dass wir die Wassermengen wie früher nahmen, die Dauer der zweiten und
dritten Extraction dagegen von je 48 Stunden auf je 2 Stunden herabsetzten. Zugleich
wurde in Bezug auf die Menge des zu extrahirenden Materials bei Quebrachoholz von 20
g auf 10 g, bei Eichenholz von 30 g auf 25 g und bei Valonea von 10 g auf 7 g
heruntergegangen, – während Eichenrinde und Fichtenrinde wie früher zu je 20 g und
Myrobalanen und Sumach zu je 10 g angewendet wurden. Während die drei Extractionen
bei den ersten Versuchen zusammen 98 Stunden dauern, beträgt die Kochdauer der drei
Extractionen hier, bei gleicher Wassermenge, zusammen nur 6 Stunden, – aus dem
Vergleiche der beiderseitigen Resultate lässt sich daher ersehen, welchen Effect
eine längere Kochdauer hat und welche Erfolge mit der Anwendung grösserer
Wassermengen bei kürzerer Kochdauer erzielt werden können.
Die in Folgendem unter I aufgeführten Zahlen geben die Zusammensetzung des
Gerbmaterials an, wie sie sich bei Extraction auf 1 l nach 2stündigem Kochen ergibt.
Die Zahlen unter II a geben die Zunahme des Extractes an bei Anwendung eines zweiten
Liters Wasser innerhalb weiterer 2 Stunden Extractionszeit. Die Zahlen unter II b
geben die Summe der ersten und zweiten Extraction, d.h. wie die Zusammensetzung des
Gerbmaterials sich herausstellt bei Extraction von 2 l in 4 Stunden. Ebenso findet
man unter III a die Zunahme des Extractes bei Anwendung eines dritten Liters Wasser
während weiteren 2 Stunden und unter III b die Zusammensetzung, wie sie sich ergibt,
wenn das Gerbmaterial in 6 Stunden auf 3 l ausgezogen wird. Berechnet sind die
Zahlen überall auf den durchschnittlichen mittleren Wassergehalt des betreffenden
Gerbmaterials.
I
II
III
a
b
a
b
Eichenrinde
WasserGerbende StoffeOrg.
Nichtgerb- stoffeExtractascheUnlösliches
13,00 11,52 6,22 0,97 68,29
–0,580,090,09–
13,00 12,10 6,31 1,06 67,53
–0,370,160,06–
13,00 12,47 6,47 1,12 66,94
100,00
100,00
100,00
GesammtextractAuf 100 Theile ger- bende
Stoffe kom- men Nichtgerbstoffe
18,71 Proc.54,0
––
19,47 Proc.52,1
––
20,06 Proc.52,1
I
II
III
a
b
a
b
Fichtenrinde
WasserGerbende StoffeOrg.
Nichtgerb- stoffeExtractascheUnlösliches
14,50 13,13 9,22 0,75 62,40
–0,730,520,06–
14,50 13,86 9,74 0,81 61,09
–0,380,560,06–
14,50 14,24 10,30 0,87 60,09
100,00
100,00
100,00
GesammtextractAuf 100 Theile ger- bende
Stoffe kom- men Nichtgerbstoffe
23,10 Proc.70,2
––
24,41 Proc.70,3
––
25,41 Proc.72,3
Valonea
WasserGerbende StoffeOrg.
Nichtgerb- stoffeExtractascheUnlösliches
14,50 28,26 8,26 2,24 46,74
–1,560,190,07–
14,50 29,82 8,45 2,31 44,92
–0,92–0,06–
14,50 30,74 8,45 2,37 43,94
100,00
100,00
100,00
GesammtextractAuf 100 Theile ger- bende
Stoffe kom- men Nichtgerbstoffe
38,76 Proc.29,2
––
40,58 Proc.28,3
––
41,56 Proc.27,5
Myrobalanen
WasserGerbende StoffeOrg.
Nichtgerb- stoffeExtractascheUnlösliches
13,00 35,44 15,28 2,54 33,74
–0,390,110,11–
13,00 35,83 15,39 2,65 33,13
–0,22–0,04–
13,00 36,05 15,39 2,69 32,87
100,00
100,00
100,00
GesammtextractAuf 100 Theile ger- bende
Stoffe kom- men Nichtgerbstoffe
53,26 Proc.43,1
––
53,87 Proc.42,9
––
54,13 Proc.42,7
Sumach
WasserGerbende StoffeOrg.
Nichtgerb- stoffeExtractascheUnlösliches
12,00 21,39 12,21 3,52 50,88
–1,090,270,32–
12,00 22,48 12,48 3,84 49,20
–0,55–0,18–
12,00 23,03 12,48 4,02 48,47
100,00
100,00
100,00
GesammtextractAuf 100 Theile ger- bende
Stoffe kom- men Nichtgerbstoffe
37,12 Proc.57,1
––
38,80 Proc.55,5
––
39,53 Proc.54,2
Quebrachoholz
WasserGerbende StoffeOrg.
Nichtgerb- stoffeExtractascheUnlösliches
14,50 22,46 1,71 0,28 61,05
–1,56–0,05–
14,50 24,02 1,71 0,33 59,44
–0,970,050,13–
14,50 24,99 1,76 0,46 58,29
100,00
100,00
100,00
GesammtextractAuf 100 Theile ger- bende
Stoffe kom- men Nichtgerbstoffe
24,45 Proc.7,6
––
26,06 Proc.7,1
––
27,21 Proc.7,0
Eichenholz
WasserGerbende StoffeOrg.
Nichtgerb- stoffeExtractascheUnlösliches
13,00 7,68 1,91 0,27 77,14
–0,900,080,03–
13,00 8,58 1,99 0,30 76,13
–0,370,020,01–
13,00 8,95 2,01
0,31 75,73
100,00
100,00
100,00
GesammtextractAuf 100 Theile ger- bende
Stoffe kom- men Nichtgerbstoffe
9,86 Proc.24,9
––
10,87 Proc.23,2
––
11,27 Proc.22,5
Vergleicht man diese Analysen mit den früher mitgetheilten Zahlen, wie sie sich
ergaben, wenn die zweite und dritte Extraction je 48 Stunden dauerte, so ist als
wesentlicher Unterschied zu constatiren, dass die Menge der in die Lösung
übergeführten Nichtgerbstoffe bei den späteren Extractionen hier nur sehr
unbedeutend ist, während sie dort ausserordentlich gross war. Setzt man die bei der
ersten 2stündigen Extraction in Lösung gegangene Menge organischer Nichtgerbstoffe =
100, so berechnen sich die Gesammtmengen der Nichtgerbstoffe, die am Ende der
dritten Extraction gelöst sind, für die kurze und lange Kochdauer, wie aus der
folgenden Zusammenstellung zu ersehen ist:
Kochdauer
6 Stunden
98 Stunden
Eichenrinde
109
243
Fichtenrinde
112
228
Valonea
102
206
Myrobalanen
101
136
Sumach
102
165
Quebrachoholz
103
268
Eichenholz
105
420
Es ist hiernach also ganz klar, dass die grössere Wassermenge zur Löslichmachung an
sich unlöslicher organischer Nichtgerbstoffe so gut wie nichts beigetragen hat, denn
bei kurzer Kochdauer erscheint die Menge der ausgezogenen Nichtgerbstoffe bei
Anwendung von 3 l Wasser nicht viel grösser als bei Anwendung von 1 l. Bei längerem Kochen werden dagegen unter Einwirkung des
Wassers in der Siedhitze unlösliche Nichtgerbstoffe mehr und mehr löslich
gemacht, – sie gehen in den Extract über und verschlechtern denselben.
Vergleichen wir dagegen das Verhalten der gerbenden Stoffe, so stellt sich heraus,
dass hier, bei Benutzung gleicher Wassermengen, die Extraction mit sehr langer
Kochdauer vor der Extraction mit kürzerer Kochdauer keinen ersichtlichen Vortheil
bietet. Die Gerbstoffmengen, die im zweiten und dritten Auszuge noch enthalten sind,
stellen sich bei langer Kochdauer keineswegs ausnahmslos grösser. Letzteres müsste
aber der Fall sein, wenn das länger anhaltende Kochen wesentlich zur vollständigeren
Auslaugung des von der ersten Extraction rückständigen Gerbstoffes beigetragen
hätte. Stellen wir in Folgendem die im zweiten und dritten Liter noch gefundenen
Mengen, berechnet im Procentsatz auf das lufttrockene Gerbmaterial, zusammen, so
haben wir folgende Uebersicht:
Kochdauer
4 StundenProc.
96 StundenProc.
Eichenrinde
0,95
0,80
Fichtenrinde
1,11
1,30
Valonea
2,48
0,91
Myrobalanen
0,61
0,80
Sumach
1,64
2,59
Quebrachoholz
2,53
2,95
Eichenholz
1,27
1,57
Abgesehen von Sumach und Valonea sind die Differenzen bei kurzer und langer Kochdauer
ganz unbedeutend. Das Resultat für Sumach wäre das einzige, welches sich dahin
deuten liesse, dass bei länger anhaltendem Kochen von dem rückständigen schwer
löslichen Gerbstoff etwas mehr in Lösung gebracht wird, als bei kürzerem Kochen.
Wenn bei Valonea das Ergebniss ein umgekehrtes ist und bei längerem Kochen weniger
ausgelaugt wurde, so ist dieses ganz abweichende Verhalten schwer zu erklären, und
wäre es wohl möglich, dass hier ein analytisches Versehen vorliegt. Im Mittel wird
man aus den vorstehenden Zahlen aber gewiss nichts anderes schliessen können, als dass die von der ersten Extraction rückständigen Meinen
Gerbstoffquantitäten durch Anwendung weiterer Wassermengen allmählich in Lösung
gebracht werden können, dass es hierzu aber keines sehr lange anhaltenden
Kochens bedarf. Ein Gerbmaterial kann also für praktische Zwecke gewiss ganz
ausreichend erschöpft werden, ohne dass man die Kochung so lange fortzusetzen
braucht, bis grössere Mengen unlöslicher Nichtgerbstoffe löslich werden und den
Extract verschlechtern. Zur möglichst vollständigen Ausnutzung der
Gerbmaterialien muss man daher bei der Extraction in Gerbereien und
Extractfabriken hinreichende Wassermengen vertuenden, indem man dafür Sorge
trägt, dass in den Batterien bei kürzerer Kochdauer ein ausreichender
Brühwechsel stattfindet. Zu langes Kochen bietet keine grössere Ausbeute an
Gerbstoff und setzt ausserdem die Qualität der Extracte in hohem Grade
herab.
Es möge uns gestattet sein, an vorstehende Ergebnisse noch einige analytische
Bemerkungen anzuknüpfen.
Die Büchse unseres Extractionsapparates fasst etwa 200 cc. In dieselbe kommt das
abgewogene gepulverte Gerbmaterial hinein, die Büchse wird mit Wasser gefüllt,
bleibt einen halben Tag lang stehen, wird darauf im Wasserbade zum Sieden erhitzt
und bei einer Kochdauer von 2 Stunden 1 l Extract abgezogen.Vgl. den Artikel: „Selbsthätiger
Extractionsapparat u.s.w.“ von Dr. R.
Koch in D. p. J. 1887 267 513. Bei Eichenrinde, Fichtenrinde
u.s.w., wo 20 g extrahirt werden, wird die Büchse von dieser Menge so weit erfüllt,
dass dieselbe nicht gut kleiner als zu etwa 200 cc Inhalt genommen werden kann. Bei
den gerbstoffreicheren Materialien dagegen, wo etwa 7 bis 10 g auf 1 l extrahirt
werden, versuchten wir die Extraction dadurch vollständiger zu machen, dass wir eine
ebenso hohe, aber nur halb so grosse Büchse zu etwa 100 cc Inhalt nahmen. Unter
diesen Verhältnissen muss das zu extrahirende Material, in derselben Zeit und bei
dem gleichen absoluten Flüssigkeitsquantum, von der doppelten Menge frischem Wassers durchzogen werden, indem in dem
kleineren Extractionsgefäss schneller ein vollständiger Brühwechsel eintritt.
Ausserdem wurde das mit Wasser und dem abgewogenen Gerbmaterial gefüllte
Extractionsgefäss zuerst zum Sieden erhitzt, darauf nach erfolgter Abkühlung einen
halben Tag stehen gelassen, und dann erst, nachdem es wieder zum Sieden erhitzt
wurde, die Extraction in gewöhnlicher Weise durchgeführt. Durch das erstmalige
Erhitzen und Aufkochen glaubten wir vor der Extraction eine gründlichere
Durchdringung des Gerbmaterials mit dem Wasser und eine bessere vorläufige Lösung
des Gerbstoffes erreichen zu können. Die Resultate, die mit diesen Abänderungen
erzielt wurden, sind in Procenten gerbender Stoffe aus folgender Zusammenstellung zu
ersehen:
Inhalt des Extractionsgefässes
200 cc
100 cc
Valonea
1.2.3.
Auszug„„
28,26 1,56 0,92
28,27 0,77 0,28
––––––
–––––––
Summa
30,74
29,32
Sumach
1.2.3
Auszug„„
21,39 1,09 0,55
22,27 1,19 0,62
––––––
–––––––
Summa
23,03
24,08
Quebracho-holz
1.2.3.
Auszug„„
22,46 1,56 0,97
22,46 1,73 0,77
––––––
–––––––
Summa
24,99
24,96
Durch die Verkleinerung des Extractionsgefässes ist die Extraction also nicht
wesentlich verbessert worden, denn die im zweiten und dritten Auszuge noch
gefundenen rückständigen Gerbstoffmengen sind beiderseits ziemlich gleich. Obgleich
eine vollständigere Extraction auf diese Art bei der Analyse demnach nicht zu
erzielen ist, so bleibt es principiell immerhin doch
richtig, den Inhalt des Extractionsgefässes nicht zu gross und stets im
Verhältniss zu der Menge des zu extrahirenden Gerbmaterials zu nehmen. Wird
das Extractionsgefäss zu gross, so muss die Auslaugung natürlich eine ungenügende
sein. Bei den Mengen, wie wir sie bei der Analyse extrahiren, d.h. etwa 7 bis 20 g,
wird man den Inhalt des Extractionsgefässes wie bisher zweckmässig zu 100 bis 200 cc
nehmen, das Gefäss aber nicht noch grösser machen.
Die Art, wie bei den beschriebenen Versuchen der erste Auszug auf 1 l hergestellt
wurde, ist genau das Verfahren, welches wir bei der Analyse der Gerbmaterialien
anwenden. Das gepulverte abgewogene Gerbmaterial wird mit Wasser in die
Extractionsbüchse gebracht und zur hinreichenden Durchfeuchtung mit dem Wasser einen
halben Tag lang stehen gelassen. Darauf wird zum Sieden erhitzt und unter
fortwährendem Kochen innerhalb 2 Stunden die Extraction auf 1 l ausgeführt. Wird
dieses Verfahren immer möglichst gleichmässig durchgeführt, so erhält man, wie die
Erfahrung gelehrt hat, recht gut übereinstimmende Resultate, und diese sind für die
praktischen Zwecke, für welche derartige Analysen ja in den allermeisten Fällen
ausgeführt werden, auch hinreichend genau genug. Betrachtet man aber die in den
zweiten und dritten Auszügen noch gefundenen Gerbstoffmengen, so muss man doch
zugeben, dass die Extraction in der angegebenen Weise keine ganz vollständige ist.
Gewisse Mengen bleiben auf diese Art immer zurück und werden bei den Analysen daher
nicht mitbestimmt. Bei manchen Gerbmaterialien, wie z.B. bei Eichenrinde und
Fichtenrinde, sind diese rückständigen Mengen kleiner, bei anderen dagegen, wie z.B.
bei Quebrachoholz und Sumach, sind sie grösser und übersteigen schon im zweiten
Auszuge 1 Proc. Durch längeres Kochen allein lässt sich hier natürlich keine
Besserung schaffen, – die Extraction des Gerbstoffes wird, wie aus dieser ganzen
Untersuchung hervorgeht, keine vollständigere werden, man würde nur riskiren,
Nichtgerbstoffe löslich zu machen und in dieser Beziehung ein schwankenderes
Resultat zu erhalten. Nur durch Anwendung grösserer Wassermengen würde eine
weitergehende Erschöpfung zu erreichen sein. Wollte man aber, statt wie bisher bei 2
Stunden Kochdauer 1 l, immer 3 l extrahiren, so würde die Extraction sehr viel
umständlicher werden, und man würde ausserdem auch so verdünnte Lösungen erhalten,
dass dieselben nicht direct analysirt, sondern vorher auf ein geringeres Volumen
eingedampft werden müssten. Eine solche Complication des Verfahrens würde den
praktischen Zwecken dieser Analysen wenig entsprechen, und man könnte dadurch weiter
nichts gewinnen, als dass man den Gerbstoffgehalt um eine bei jedem Gerbmaterial
durchschnittlich gleich bleibende, nicht allzu sehr ins Gewicht fallende Grösse
höher bestimmen würde. Es ist daher gewiss richtiger, bei dem bisherigen einfacheren
Verfahren zu bleiben, und das um so mehr, da es nach allen Erfahrungen feststeht,
dass man auf diese Art bei gleichmässig er Arbeit gut
übereinstimmende und vergleichbare Resultate erhaltenkann. Für specielle wissenschaftliche Zwecke ist es dabei ja nicht
ausgeschlossen, die Extraction unter Umständen durch Anwendung grösserer
Wassermengen noch weiter zu treiben.
Bemerken möchten wir noch, dass die nach der ersten Extraction rückständigen, im
zweiten und dritten Auszuge gefundenen Gerbstoffmengen thatsächlich nicht so gross
sind, als es nach den hier mitgetheilten Zahlen den Anschein hat. Die von uns
analysirten zweiten und dritten Auszüge sind sehr verdünnte Lösungen, und wenn man
solche nach der indirect gewichtsanalytischen Gerbstoffbestimmungsmethode
untersucht, so fallen die Resultate immer ungenau, und zwar bezüglich des
Gerbstoffgehaltes zu hoch aus. Bei solchen kleinen Mengen gibt die Löwenthal'sche Titrirmethode mit Chamäleon ein viel
zuverlässigeres Resultat. Wir haben deswegen, um die absoluten Mengen des
rückständigen Gerbstoffes besser beurtheilen zu können, die zweiten und dritten
Auszüge auch titrirt und die Löwenthal'schen
Gerbstoffprocente festgestellt. Um einen noch weiteren Anhalt zu haben, wurde
jedesmal auch die Eisenreaction ausgeführt und dabei stets gleichmässig in folgender
Weise verfahren: Zu 10 cc des Auszuges setzten wir zunächst 10 Tropfen einer Lösung
von essigsaurem Natron (100 g in 1 l gelöst) hinzu, – und darauf wurde von einer
Eisenchloridlösung (20 g in 1 l gelöst) zuerst ein Tropfen und nach einiger Zeit ein
zweiter und dritter Tropfen hinzugefügt. Die Resultate der Titrirungen mit Chamäleon
und die Ergebnisse der Ausführung der Eisenreaction stellen wir nachstehend in einer
Tabelle zusammen, in welcher zum Vergleich auch angegeben ist, wie viel
Gesammtrückstand und gerbende Stoffe in 100 cc des zweiten und dritten Auszuges
noch vorhanden waren. In dieser Tabelle sind die Procentgehalte nicht auf den
mittleren Wassergehalt der lufttrockenen Substanzen umgerechnet, sondern beziehen
sich auf den Wassergehalt, mit welchem die Proben zur Untersuchung kamen, – die
Zahlen weichen daher etwas von den früher mitgetheilten ab. Die zweiten Auszüge
waren in den meisten Fällen farblos, – selten schwach gefärbt. Die dritten Auszüge
waren immer ganz farblos und erschienen auch in dickerer Schicht wasserhell.
Textabbildung Bd. 291, S. 262Inhalt des Extractionsgefässes;
Extrahirt pro Liter; Zweiter Auszug; Dritter Auszug; Eisenreaction;
Gesammtrückstand; Gerbende Stoffe; Chamäleonverbrauch; Gerbstoff-Löwenthal;
Eichenrinde; sehr schwach, aber deutlich; kaum eine Reaction; Fichtenrinde;
Valonea; schwach, nach einiger Zeit geringer Niederschlag sehr schwach, aber
deutlich; sehr schwache Reaction kaum merkliche Reaction; Myrobalanen; kaum
merkliche Reaction; Sumach; ziemlich starke Färbung, – später geringer
Niederschlag ziemlich starke Färbung; schwach, aber deutlich schwach, aber
deutlich; Quebrachoholz; ziemlich starke Färbung, – nicht unbedeutender
schwarzer Niederschlag ziemlich starke Reaction; Eichenholz; ziemlich starke
Färbung, – später flockiger Niederschlag; schwache Färbung Betrachten wir in der vorstehenden Tabelle die Gesammtmenge des Extractes,
der in 100 cc des zweiten und dritten Auszuges noch vorhanden ist, so erscheinen
Fichtenrinde und Eichenholz am unvollständigsten ausgezogen, dass bei der
procentischen Berechnung die Menge des Gesammtextractes sich bei Sumach, Valonea und
Quebrachoholz aber am höchsten stellen, liegt daran, dass hier viel geringere Mengen
extrahirt wurden. Thatsächlich sind diese letzteren Gerbmaterialien auch weniger gut
ausgelaugt, – man würde aber nichts gewinnen, wenn man die Mengen viel grösser
nehmen wollte, denn dann würde die Extraction schlechter ausfallen. Vergleicht man
die Menge des Chamäleonverbrauches mit dem Resultat der Eisenreaction, so steht beides in guter Uebereinstimmung, – wo
die Eisenreaction stärker ist, findet auch der grössere Chamäleonverbrauch statt,
und umgekehrt. Es stehen daher auch die Löwenthal'schen
Procente mit der Eisenreaction im Allgemeinen in guter Uebereinstimmung, während bei
dem Vergleich der Eisenreaction mit den gefundenen Procenten gerbender Stoffe sich
einige Abweichungen, wie z.B. bei der Valonea, ergeben. Die Löwenthal'schen Procente sind in den meisten Fällen sehr viel kleiner als die
Procente gerbender Stoffe, – das liegt zum geringeren Theil daran, dass die auf
Tannin bezogenen Gerbstoffprocente gegenüber den Procenten der Gewichtsmethode immer
kleiner ausfallen, zum grösseren Theil liegt es aber daran, dass man mit sehr
verdünnten Lösungen nach der Gewichtsmethode nicht genau arbeiten kann und leicht zu
hohe Zahlen findet. Dass hier zwischen den jedenfalls genaueren Löwenthal'schen Zahlen und den Procenten nach der
Gewichtsmethode kein richtiges Verhältniss stattfindet, ergibt sich aus dem
Vergleich der beiderseitigen Resultate, wenn man Gerbstoffbestimmungen nach beiden
Methoden bei grösserer Concentration der Lösungen ausführt. Man wird daher in dem
vorliegenden Falle die richtigste Schätzung für die in den späteren Auszügen
wirklich noch vorhandenen Gerbstoffmengen erhalten, wenn man die Löwenthal'schen Zahlen durch Multiplication mit den
erfahrungsgemäss feststehenden Factoren in gerbende Stoffe umrechnet. Wir
multipliciren zu diesem Zweck die Löwenthal'schen
Zahlen für Eichenrinde mit 1,36, für Fichtenrinde mit 1,58, für Valonea und
Myrobalanen mit 1,20, für Quebrachoholz mit 1,29 und für Eichenholz mit 1,11,
während die Zahl für Sumach unverändert bleibt. Auf diese Art erhält man folgende
Uebersicht für die noch rückständigen Mengen gerbender Stoffe:
Zweiter Auszug
Eichenrinde
0,29
Fichtenrinde
0,38
Valonea
0,540,30
Myrobalanen
0,22
Sumach
1,110,65
Quebrachoholz
1,521,69
Eichenholz
0,72
Wie man sieht, sind die nach der ersten Extraction auf 1 l noch rückständigen
Gerbstoffmengen bei den leichter auszulaugenden Gerbmaterialien, wie Eichenrinde,
Fichtenrinde, Valonea und Myrobalanen, thatsächlich nicht sehr bedeutend. Bei
anderen, schwer extrahirbaren Gerbmaterialien, wie Sumach und Quebrachoholz, bleiben
bei unserer Art der Analyse aber doch grössere Mengen un-ausgelaugt zurück, die 1
bis 1,5 Proc. betragen können. Aus diesem Grunde das Verfahren der praktischen
Analyse abzuändern und dieselbe complicirter zu machen, halten wir nicht für
angezeigt, denn abgesehen davon, dass bei dem jetzigen Verfahren bei gleichmässiger
Arbeit für alle Gerbmaterialien sehr gut vergleichbare und auch übereinstimmende
Resultate erhalten werden, können die letzten so ausserordentlich schwer
auslaugbaren und immerhin doch kleinen Gerbstoffmengen für die gerberische Praxis
gar nicht in Betracht kommen. Es ist aber natürlich nothwendig; dass man das
Verhalten der einzelnen Gerbmaterialien bezüglich ihrer mehr oder weniger
vollständigen Extrahirbarkeit bei der Analyse genau kennt. Bei wissenschaftlichen
Arbeiten über neue Gerbmaterialien wird es sich daher immer empfehlen, genaue
Voruntersuchungen anzustellen und sich nicht damit zu begnügen, eine Extraction und
Analyse lediglich nach der praktischen Schablone auszuführen. Für praktische Zwecke dagegen ist die Einhaltung eines
gleichmässigen Verfahrens der erste und wichtigste Gesichtspunkt, und es kann
dagegen wenig in Betracht kommen,
ob die Resultate constant etwas zu hoch oder etwas zu
niedrig ausfallen.