Titel: | Selbsthätiges Blocksignal der Rowell-Potter Safety Stop Co. in Boston, Mass., für Neben- und Strassenbahnen. |
Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 62 |
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Selbsthätiges Blocksignal der Rowell-Potter
Safety Stop Co. in Boston, Mass., für Neben- und Strassenbahnen.
Mit Abbildungen.
Selbsthätiges Blocksignal der Rowell-Potter Safety Stop
Co.
Ein ganz eigenthümliches, für Neben- und Strassenbahnen, und zwar insbesondere für
elektrische Eisenbahnen bestimmtes selbsthätiges
Blocksignal, welches von den fahrenden Zügen bezieh. von den verkehrenden Fahrzeugen
auf mechanischem Wege thätig gemacht, aber elektrisch zurückgestellt wird, führt die
Rowell-Potter Safety Stop Company in Boston
(Massachusetts) aus. Hinsichtlich der Anwendbarkeit dieser Anordnung ist allerdings
vorausgesetzt, dass die Züge bezieh. die Fahrzeuge mit einer selbsthätigen Bremse,
etwa mit der Sir-Brake-Co.- oder mit der Westinghouse-Bremse oder mit einer
ähnlichen Bremsvorrichtung, versehen seien, welche durch das Umlegen eines Hebels
oder vielmehr zufolge des dadurch herbeigeführten Oeffnens von Ventilen u. dgl. in
Wirksamkeit gesetzt werden kann.
Textabbildung Bd. 292, S. 62Selbsthätiges Blocksignal. Das Wesentlichste der mechanischen Anordnung des Blocksignals sind drei
neben dem Gleise an den je 15 m von einander entfernt liegenden Bahnstellen I, II und III (Fig. 1) angebrachte, auf
den Drehachsen v1, v2 und v3 festsitzende,
zweiarmige Winkelhebel W11, W2 und
W3, deren nach
aufwärts gekehrte Arme durch je ein Gelenk mit einer von W1 bis W3 reichenden Rohrstange R in Verbindung gebracht sind, so dass alle drei Winkelhebel gleichzeitig
um denselben Winkel nach rechts oder nach links gedreht werden, wenn das Rohr nach
vorwärts oder nach rückwärts verschoben wird, und umgekehrt, dass sich das ganze
Rohrgestänge nach der einen oder anderen Richtung bewegt, wenn einer der Winkelhebel
durch eine angemessene Kraft gedreht wird. Auf dem zweiten Arm des Winkelhebels W1 hängt ein schweres
Gewicht Q, durch welches das Gestänge, vorausgesetzt,
dass dies nicht etwa eine grössere Gegenkraft verhindert, stets in die rechtseitige
Endlage gedrückt und in derselben festgehalten wird. Ein weitaus geringeres Gewicht
q hängt in ähnlicher Weise auf dem zweiten Arm
des Winkelhebels W3, wirkt aber vermöge der Hebellage, wie es auch die
Zeichnung ersichtlich macht, dem Gewichte Q entgegen
und hat lediglich den Zweck, beim Hin- und Hergehen des Gestänges mitzuhelfen, die
Reibungen zu überwinden und die Bewegungen sicherer und strammer zu machen.
Das eigentliche Signalmittel, ein einarmiges Mastsignal S (Fig. 2),
ist zwar etwas kleiner ausgeführt, sonst aber ganz ebenso angeordnet, wie die
gewöhnlichen in Amerika in Verwendung stehenden Signale solcher Gattung. Dasselbe
hat seinen Standpunkt beiläufig in der Mitte zwischen II und III, und die das Stellen des
Signalarmes A besorgende Zugstange z greift an dem einen Arm eines Winkelhebels W4 an, dessen zweiter
Arm durch eine regulirbare Gelenksstange t an das die
Winkelhebel W1, W2 und W3 (Fig. 1) verbindende
Rohrgestänge E angeschlossen ist. Aus der Darstellung
in Fig. 2 lässt sich
ersehen, dass der Signalarm A auf Halt (wagerecht) gehoben wird, wenn das Rohrgestänge
R entsprechend weit nach links gerückt worden ist,
dagegen auf Frei (beiläufig 60° schräg nach abwärts)
zeigt, wenn R genügend weit nach rechts geschoben
wurde. Das sind die beiden möglichen Endstellungen des Gestänges, welche durch
passende Anschläge begrenzt werden; und da nun, wie schon erwähnt, während des
Ruheverhältnisses das ganze Gestänge durch das in I
(Fig. 1) wirksame
Gewicht Q dauernd nach rechts gedrückt wird, steht also
das Signal unter dieser Voraussetzung stets auf Frei.
Das Umstellen des Signals von Frei auf Halt geschieht in der Bahnstelle II durch den Zug selbst, indem dessen erstes
rechtsseitiges Rad auf eine unmittelbar neben dem Gleise angebrachte Anlaufschiene
s2 einwirkt; dieser
Druck auf s2 wird
mittels eines einfachen Drehhebels h auf den
Winkelhebel W2
übertragen und auf diese Weise das Rohrgestänge trotz der von Q ausgeübten Gegenkraft nach links gerückt, also auch
der Arm des Mastsignals in die Haltlage gehoben. Bei diesem Vorgange ist
gleichzeitig ein Riegel r, welcher sonst vom Arm t des Winkelhebels W2 hochgehalten wird, beim Ausweichen des letzteren
niedergeglitten; dieser Riegel kann aber jetzt nicht wieder durch i in seiner Ruhelage nach aufwärts zurückgedrückt
werden, wenn auch der Druck der Fahrzeuge auf s2 aufhört, weil ihn ein Stahlhebel d, dessen vorderes schneidenförmiges Ende in eine
Einkerbung des federnden Elektromagnetankers a
eingeschnappt ist, festklemmt. Da r vor i steht, so bleibt also auch das ganze Gestänge in der
linksseitigen Endstellung und das Mastsignal in der Lage auf Halt festgehalten. Eine Veränderung dieses Verhältnisses tritt erst ein,
bis ein Strom durch die Spulen des Elektromagnetes M
gelangt, demzufolge der Anker a angezogen und somit d losgelassen wird; jetzt kann das Gestänge wieder dem
Drucke des Gewichtes Q folgen und in die rechtsseitige
Endstellung zurückkehren, wobei gleichzeitig das Signal die Lage auf Frei erhält und der Arm i
den Riegel r wieder nach aufwärts in seine Ruhelage
zurückschiebt.
Zu den weiteren wichtigen Theilen der Einrichtung zählen die an den Bahnstellen I und II parallel zum
Gleise angebrachten, um einen Zapfen x1 bezieh. x3 drehbaren, gebogenen Anlaufschienen s1 und s3. Dieselben sind
wesentlich weiter vom nächsten Schienenstrange entfernt als s2, und unter ihnen befindet sich je ein
Hebedaumen, welcher auf der Drehachse v1 des Winkelhebels W1 bezieh. v3 des Winkelhebels W3 festsitzt. Davon ist in I der auf v1
angebrachte Daumen so aufgesetzt, dass er senkrecht unter s1 steht und sonach diese Schiene
hochgehoben hält – wie es die Zeichnung zeigt –, wenn das Gestänge nach links
gerückt wurde und das Signal die Stellung auf Halt
einnimmt; dieser Daumen weicht jedoch zur Seite aus und s1 bleibt in seiner tiefen Lage liegen,
wenn das Rohrgestänge nach rechts gerückt und das Signal auf Frei gestellt ist. Hinsichtlich des unter s3 in III
befindlichen Daumens gilt jedoch genau das Umgekehrte, d.h. er hält die
Anlaufschiene hoch, wenn das Signal Frei zeigt, und
belässt sie in ihrer tiefsten Lage, so lange das Signal sich in der Stellung auf Halt befindet. Diese Anlaufschienen in I und III haben mittelbar
auf die Zugsbremse zu wirken. Zu diesem Ende ist an einem geeigneten Fahrzeuge jedes
Zuges ein mit der selbsthätigen Bremse in Verbindung gebrachter Hebelarm angebracht,
der nach abwärts reicht und am unteren Ende eine Gleitrolle trägt, mit welcher er
bei der Vorbeifahrt in I oder in III auf die Schiene s1 bezieh. s3 auflauft, falls diese durch den vorerwähnten
Daumen hochgehoben wäre; hierbei wird der Bremshebel aus seiner Ruhelage ausgerückt.
Dieses Verstellen des Hebels macht aber die Bremse wirksam und der Zug kommt dadurch
von selbst zum Stehen.
Nach Vorherschickung dieser Einzelheiten lässt sich nun die Gesammtleistung und
Wirkungsweise der Einrichtung leicht verfolgen: Ist die Blockstrecke nicht besetzt
und alles in Ordnung, so liegt die gebogene Schiene s1 in I
flach; das optische Signal zeigt Frei und s3 in III ist hochgehoben. Nähert sich unter diesen
Verhältnissen dem Blockposten ein Zug, so kann derselbe ohne weiteres an I vorüber, gelangt dann nach II und stellt hier durch das Ueberfahren der Anlaufschiene s2 das Signal auf Halt. Der Zug hat sich dadurch selbst gedeckt, zugleich
aber auch die bis jetzt hochgehoben gewesene Anlaufschiene s2 flach gelegt, so dass nunmehr bei III der Vorbeifahrt gleichfalls kein Hinderniss mehr
entgegensteht; dagegen wurde gleichzeitig mit der Signalumstellung s1 hochgehoben und
hierdurch jedem nächsten Zuge vorläufig die Nachfahrt unmöglich gemacht. Dieser
Blockabschluss verbleibt so lange, bis der die Strecke befahrende Zug das nächste Blocksignal in gleicher Weise auf Halt gestellt, dieses etwa 150 m hinter sich gelassen
hat und endlich einen an dieser Stelle in das Gleis eingelegten gewöhnlichen
Schienencontact überfährt, in Folge dessen ein elektrischer Strom über eine
Drahtleitung seinen Weg in den Elektromagneten M
zurückfindet und in der schon oben angegebenen Weise die Freigabe des
Blockverschlusses bewirkt. Würde bei der Einfahrt eines Zuges in eine freie
Blockstrecke die Umstellung des Signals von Frei auf
Halt zufolge eines zufälligen Gebrechens der
Vorrichtung nicht erfolgen, so bleibt die Anlaufschiene in III hochgehoben; der Zug kann hier nicht vorüber, ohne durch Auslösung
seiner Bremse angehalten zu werden, und der Zugführer wird hierdurch veranlasst, für
die Deckung des Zuges nun persönlich die geeigneten Maassnahmen zu treffen.
Nähert sich ein Zug dem Blockposten, während die Strecke, in welche eingefahren
werden soll, von einem vorausgegangenen Zuge noch besetzt ist, so findet er schon in
I die Anlaufschiene hochgehoben, wird also gleich
hier angehalten und muss zwischen I und II die Freigabe abwarten.
Der Zug kann also für alle Fälle den Blockposten nicht
überfahren, wenn die betreffende Strecke nicht wirklich frei ist – auch das Versagen der elektrischen
Rückstellung könnte eben nur eine Verzögerung, aber keine Gefahr mit sich bringen –
oder wenn er bei der Einfahrt sich nicht selbst ordnungsmässig gedeckt hat.
Diese hier geschilderte Blockeinrichtung hat bereits gelegentlich der Weltausstellung
in Chicago, wo es auf der von der Western Dummy Railroad,
Company und der General Electric Company in
Chicago ausgeführten elektrischen Hochbahn der Ausstellung (vgl. Elektrotechnische Zeitschrift, 1893 S. 697)
unausgesetzt im Betriebe stand, seine praktische Verwendbarkeit für derlei
Bahnanlagen – das Vorhandensein selbsthätiger Bremsen gleichfalls vorausgesetzt – in
der befriedigendsten Weise dargelegt.