Titel: | Die Bodenreichthümer Sibiriens. |
Autor: | F. Thiess |
Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 90 |
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Die Bodenreichthümer Sibiriens.
Die Bodenreichthümer Sibiriens.
Der Bau der sibirischen Eisenbahn ist im Westen und Osten des Reiches in Angriff
genommen und lenkt die Aufmerksamkeit mehr und mehr auf das gewaltige Ländergebiet,
welches im Süden vom Altai mit den zusammenhängenden Bergketten und im Westen durch
das Ural-Gebirge begrenzt wird, die Hauptabdachung nordwärts nach dem Eismeere
besitzt und im Osten sich bis zum Ochotskischen und Japanischen Meere erstreckt. Mit
den Vorarbeiten für die sibirische Eisenbahn hat die geologische Erforschung
Sibiriens weitere Fortschritte zu verzeichnen und sich insbesondere auf diejenigen
Gebiete erstreckt, welche von der Bahn durchschnitten werden sollen. Aus den
Berichten russischer Bergingenieure und Geologen, welche mit der Erforschung
einzelner Gegenden Sibiriens betraut waren, sind die Mittheilungen über das
Vorkommen, über die Ausbreitung und gegenwärtige Ausnutzung der Bodenreichthümer
Sibiriens verschiedenen Zeitschriften entnommen und in Nachfolgendem theilweise
wiedergegeben.
Nach den vorliegenden Quellen benutzen die Hüttenwerke des Staates fast
ausschliesslich die aus alter Zeit bekannten Roth- und Brauneisensteinlager und
schreiten nur selten an die Ausbeutung neuer Erzlager, während die von
Privatpersonen ausgeführten Schürfarbeiten stets nach Gold streben, die örtliche
Bevölkerung dagegen in mangelhafter Weise nur die Oberschichten verschiedener
Thonlager abbaut. Dabei stösst man meistentheils auf Eisenerze, welche leider keiner
Beachtung gewürdigt werden. Es ist daher erklärlich, dass in Folge dieser
Gleichgültigkeit die Nachrichten über das Vorkommen von Eisenerzen in Sibirien nur
spärlich bekannt wurden. Genauere geologische Erforschungen sind erst in neuerer
Zeit in einzelnen Gebieten, meistentheils in der Nähe von Bergwerken des Staates,
vorgenommen. Auf Grund dieser Forschungen kann man annehmen, dass in den gebirgigen
Theilen Sibiriens Lager von Roth- und Brauneisensteinen mit einem Gehalt von 60 bis
70 Proc. Eisen vorhanden sind. Im Flachlande ist Sphärosiderit in Nestern gefunden
worden, doch sind diese Erze noch wenig untersucht, obgleich sie in Folge ihres
Eisengehaltes und durch die Abwesenheit schädlicher Beimengungen von Schwefel und
Phosphor die grösste Beachtung verdienen. Magneteisenstein ist bisher nicht
aufgedeckt, dagegen aber Chromeisenstein, auch fand man beim Abbau eines Bergwerkes
im Altai recht grosse Stücke Glimmereisen, welches 90 Proc. Eisen enthielt.
Die zur Zeit in Sibirien bestehenden Privateisenhütten arbeiten unter Anwendung von
Wasserkraft und liefern mangelhafte Erzeugnisse. Die Eisenhütten des Staates sind
zwar besser eingerichtet, bedürfen aber noch in hohem Grade technischer
Vervollkommnung. Nach dem letzten Jahresbericht wurden in Sibirien nur 12447,96 t
Eisenerze gefördert und 4337,79 t Schmiedeeisen, 20,50 t Stahl und 7180,70 t
Gusseisen erzeugt.
Da die im Besitze des Staates befindlichen Eisenhütten Sibiriens ausschliesslich für
Fabriken und Bergwerke des Staates arbeiten, so kann man annehmen, dass von der
Gesammtmenge des sibirischen Eisens kaum 0,3 in die Hände der Bevölkerung gelangt.
Das für Sibirien erforderliche Eisen muss daher aus dem Ural und nicht selten sogar
aus den westlichen Gouvernements bezogen werden. Eine bemerkenswerthe Betheiligung
der Eisenhütten und Fabriken Sibiriens an dem Bau der Eisenbahn steht nach den
obwaltenden Umständen nicht zu erwarten.
Das Kupfer wird in Sibirien nur in den Hüttenwerken des Staates gewonnen. Da das Erz
erst in bedeutender Tiefe zu finden ist, wodurch die Aufbereitungs- und
Förderungskosten sich vergrössern, hat die Privatindustrie an der Kupferausbeute
Sibiriens sich nur in geringem Maasse betheiligt und dabei stets durch Mangel an
Kapital oder aus Unkenntniss das Unternehmen aufgeben müssen. Die Kupferproduction
Sibiriens steht daher auf einer weitaus niedrigeren Stufe als die Eisenproduction.
Die Gesammtausbeute betrug im J. 1890 nur 316,75 t.
Die Gebiete der Silbergewinnung befinden sich hauptsächlich im Altai-Gebirge, ferner
im Gouvernement Tomsk, im Bezirk von Nertschinsk und in der Gegend von
Ssemipalatinsk, auch sind in dem noch wenig erforschten Amurgebiet und in den
östlichen Küstengebieten Silbergruben entdeckt, während Silberbergwerke im
Gouvernement Jenisseisk bereits im vorigen Jahrhundert ausgebeutet wurden. In den
südlichen Ausläutern des Altai, unweit der mongolischen Grenze, findet man im
freiliegenden Gebirge einen äusserlich sichtbaren, silberhaltigen Bleiglanzstreifen,
der wie ein dickes Band das Gebirge durchzieht. Mongolen, welche die Grenze
ungehindert überschreiten, und Pelzjäger benutzen dieses Erz, um aus demselben
Bleikugeln für ihre Büchsen zu giessen. Das Erz muss den Mongolen seit vielen Jahren
bekannt gewesen sein, worauf die vielen ofenartigen Erdlöcher und die metallhaltigen
Schlacken hindeuten. Proben desselben wurden vor Jahren von Goldsuchern mitgebracht,
und trotz des hohen Silbergehaltes sah sich Niemand veranlasst, an eine Ausbeutung
dieser Erzlager zu schreiten. Auch hat man silberhaltige Bleiglanzlager zu Gendebal
im Kreise Werchojansk des Gouvernements Jakutsk bereits in den 40er Jahren
erforscht, wegen Mangel an Heizmaterial damals aber noch nicht ausgebeutet. Die
örtliche Bevölkerung der Jakuten benutzte in ähnlicher Weise das Erz wie die
Pelzjäger und Mongolen an der Grenze. Seitdem unweit dieser Erzlager Steinkohlen
entdeckt worden sind, hat auch die Ausbeutung begonnen.
Nach den vorliegenden Quellen wird auf den alten, bald ein volles Jahrhundert
bestehenden staatlichen Silberbergwerken zu Ssalaïrsk, Syrjansk und Nertschinsk die
Erzförderung und Verhüttung in mangelhafter Weise betrieben. Ungeachtet vorhandener
Schwierigkeiten und wachsender Ausbeutungskosten auf den alten Werken werden
ernstliche Schürfarbeiten zur Auffindung neuer, einträglicher Erzlager nicht
unternommen, obgleich alle Anzeichen für das Vorkommen solcher Lager in vielen
Gegenden Sibiriens vorhanden sind.
Bereits vor Jahren wurde von Privatpersonen darauf hingewiesen, den Schlich und die
Abfälle, welche beim Abspülen des Goldes auf den Wäschereien erhalten werden, nicht
mit den nutzlosen Steinen fortzuwerfen, sondern zu sammeln und den Silberschmelzen
einzusenden, da bekanntlich solche Abfälle Gold enthalten, welches nur durch eine
chemische Bearbeitung erhalten werden kann. Die mit Silbererz gemischten Schliche erleichtern nicht
allein das Schmelzen, sondern scheiden auch im Schmelzofen das Gold aus, welches
sich wiederum mit dem erhaltenen Silber verbindet und im Laboratorium der Münze
davon getrennt werden kann, wodurch der Werth des eingelieferten Silbers bedeutend
erhöht wird. Wie nützlich und einträglich die Verarbeitung solcher Schliche und
Abfälle auf chemischem Wege sich gestalten kann, wurde auf der Ausstellung von
Hüttenerzeugnissen in Jekaterinburg bewiesen; trotzdem werden auf den sibirischen
Wäschereien nach wie vor alle Abfälle der Goldgewinnung und mit diesen eine Menge
des werthvollsten Materials fortgeworfen.
Die Silberausbeute Sibiriens betrug nach dem letzten Jahresbericht (Kulibin, Statistik der Montanindustrie Russlands.)
auf dem Altai
11158,88 k
im Gebiet von Ssemipalatinsk
1191,07 k
und
in Nertschinsk
898,63 k
–––––––––
insgesammt:
13248,58 k
(Rohproduct),
während 685,03 t Blei verschmolzen wurden.
Die Goldlagerstätten Sibiriens befinden sich in den westlichen Gouvernements Tomsk
und Irkutsk, in den östlichen Jenisseisk, Jakutsk und Transbaikalien, sowie im Amur-
und Küstengebiet. Das Gold stammt mit wenigen AusnahmenDer jährliche
Gewinn aus Adern ist in Sibirien seit 1886 zurückgegangen. Von der
Gesammtausbeute des Jahres 1890 entstammten den Adern etwas mehr als 7 v.
H., wovon 86 v. H. auf den Ural und 14 v. H. auf Sibirien
entfielen. aus dem Schwemmlande und die Production beruht somit auf
den Erträgnissen der Wäschereien. Sowohl in West- als auch in Ostsibirien werden die
meisten Goldlagerstätten noch immer nach alter überlieferter Schablone bearbeitet,
nur selten findet man Goldwäschereien, welche die Erde nach den Regeln der neueren
Technik an der Hand geologischer Forschungen ausbeuten. Das Abräumen der oberen
werthlosen Erdschichten, das Herausschaffen des goldhaltigen Sandes, die Anfuhr des
Goldsandes und die Abfuhr der Waschrückstände – alle diese Arbeiten werden auf den
sibirischen Wäschereien fast ausnahmslos unter Anwendung der alten russischen
zweirädrigen Karre verrichtet. Transportable Feldbahnen gelangen in seltenen Fällen
zur Anwendung, die Dampf kraft arbeitet nur auf einigen grossen Wäschereien, fast
ausnahmslos dient das Wasser als Motor.
Ist die Oberschicht, welche gewöhnlich aus Kies, Sand und Lehm besteht, nicht sehr
dick, so wird dieselbe unter Verwendung von Hacke und Spaten gelockert, abgeräumt
und die goldführende Unterschicht blossgelegt, welche, auf Karren verladen, zur
Waschmaschine gelangt. Dieselbe besteht aus einem grossen eisernen, mit einem
durchlöcherten Boden versehenen Behälter. Ein Wasserstrom treibt, alle grösseren
Steine auf dem Boden zurücklassend, die kleineren Bestandtheile durch die
Bodenlöcher, welche über eine geneigte hölzerne Brücke in stufenförmigen Absätzen
durch einen Reisigwall und zum Schluss über ein grobes Tuch geführt werden. Diese
Hindernisse halten die Bestandtheile der Trüben, als Gold, Schwefelkies, Magneteisen
u. dgl., zurück, während der Rest mit dem Wasser in das Flussbett geleitet wird.
Alle Bestandtheile, welche nach dieser Procedur auf der Brücke zurückgeblieben sind,
werden auf die Waschherde gebracht, wo Arbeiter die Schlacken vom Golde trennen und
die Goldtheilchen trocknen. Hierauf wird das Gold sofort gewogen, verschlossen und
von Soldaten bewacht. Hat man etwa 500 bis 600 k Gold angesammelt, so. wird dasselbe
unter militärischer Bedeckung nach einer Goldschmelze transportirt, im Laboratorium
zu Barren verschmolzen und darauf nach St. Petersburg in den Münzhof gebracht.
Dem Pächter oder zeitweiligen Besitzer der Goldwäscherei wird aus der
Gebirgsverwaltung eine Anweisung auf eine entsprechende Anzahl Goldimperiale
ausgestellt, welche der Münzhof zu St. Petersburg nach 6 Monaten auszuzahlen hat.
Sind die werthlosen oberen Erdschichten sehr dick, so gelangt der Schachtbau zur
Anwendung. Im Gebiet der Olekminskischen Gruben des Gouvernements Jakutsk, wo sich
ewig gefrorener Boden vorfindet, müssen die Erdschichten durch Dynamit gesprengt
oder durch Feuer aufgethaut werden.
Auf vielen Wäschereien Sibiriens besteht noch immer die verderbliche Einrichtung,
dass die Arbeiter nicht im Jahreslohn stehen, sondern nach der abgelieferten Menge
Solotnik (= 4,265 g) Gold bezahlt werden. Je mehr Solotnik ein Arbeiter im Laufe
eines Tages erbeutet, desto vortheilhafter gestaltet sich das Geschäft für ihn. Die
sogen. Solotnikarbeiten, wie sie auf vielen Gruben Sibiriens betrieben werden,
bilden eine räuberische Ausbeutung der besten Goldlagerstätten, wobei die minder
reichhaltigen Lager unwiederbringlich verloren gehen oder doch derartig
verwirthschaftet werden, dass eine nachträgliche regelrechte Bearbeitung nicht mehr
lohnend erscheint. Ueberall, wo das Gold in Erzgängen aufgedeckt wird, ist die
Einrichtung der sogen. „Solotnikarbeit“ für die Entwickelung der
Goldindustrie von grösstem Uebel. Bekanntlich sieht man in den Golderzen das
metallische Gold nicht immer mit den blossen Augen und findet oft Erze, welche
selbst durch ein Vergrösserungsglas kein Gold zeigen, weil die Theilchen zu fein
sind oder durch fremdes Gestein verdeckt werden. Nur durch vervollkommnete
mechanische Einrichtungen, durch sorgfältige Zerkleinerung der Erze, durch
aufmerksames Verwaschen und Amalgamation ist die Gewinnung dieses Goldes zu
erzielen. Alles das kann der Solotnikarbeiter nicht ausführen, der nur im Stande
ist, das Erz mit seiner Hacke loszubrechen, in einer Art Handmühle zu zerkleinern
und im primitiven Holztrog auszuwaschen, wobei mindestens 50 Proc. an feinem Metall
verloren geht.
In Sibirien hat die Privatindustrie sich grösstentheils der Goldlagerstätten
bemächtigt. Goldindustrie-Gesellschaften und Privatpersonen bemühten sich in den
Besitz einer möglichst grossen Zahl von Gruben zu gelangen. Hörte man, dass Jemand
eine Goldlagerstätte entdeckt hatte, so genügte dies, um unverzüglich eine Menge der
gesetzlich vorgeschriebenen Gesuche für eine grosse Fläche um den bestimmten Ort
einzureichen. Unter Beobachtung gewisser Bestimmungen der gesetzlichen Vorschriften
wurden dann die Gesuche der Unternehmer auf den Namen ihrer Frauen und Beamten
eingereicht. Dadurch gelangte nicht selten eine Gegend von einigen Quadratkilometern
in den Besitz weniger Personen, die nicht einmal den ernstlichen Willen besassen,
das erworbene Land auch thatsächlich auszubeuten. Ostsibirien gerieth durch seine
geographische Lage und durch örtliche Verhältnisse in den Besitz grosser
Gesellschaften und einzelner Kapitalisten; im Gouvernement Jenisseisk wird die
Goldgewinnung unter fast denselben Umständen betrieben. Das linke Ufer des Flusses
Tom, eine Fläche so gross wie etwa die Provinz Posen, gelangte in die Hände zweier
Gesellschaften, so dass für die Kleinindustrie nur die entfernten Theile
unwirthbaren Waldes, deren Erforschung ebenso theuer als unsicher ist, übrig
blieben.
Verfolgt man den Gang der Goldausbeute Sibiriens, so zeigt es sich, dass einst im
Gebiete des Gouvernements Jenisseisk die reichsten Goldlagerstätten Sibiriens
vorhanden waren, welche Mitte der 40er Jahre insgesammt bis 19700 k Gold
(Rohproduct) jährlich erzielten, gegenwärtig aber nicht mehr als 3500 k im Jahr
aufweisen, dass ferner die Goldlagerstätten Ostsibiriens im Gouvernement Jakutsk im
Bezirk von Olekma-Witimsk, wenngleich auch hier die Ausbeute gegen früher erheblich
abgenommen hat, noch immer zu den reichsten Lagerstätten Sibiriens gerechnet werden
müssen, und dass endlich die Ausbeute auf den Goldfeldern des Amur- und
Küstengebietes in stetiger Zunahme begriffen ist. Der mittlere Goldgehalt des Sandes
in den einzelnen sibirischen Goldlagern nimmt mehr und mehr ab.
Nach dem letzten Jahresbericht betrug auf 1000 k Goldsand das mittlere Gewicht des gewonnenen Goldes
in Westsibirien
0,8 bis 1,0 g
in Ostsibirien
0,8 bis 6,20 g
und zwar im Bezirk von Olekma-Witimsk auf 1000 k Goldsand 6,20
g Gold, im Amurgebiet auf 1000 k 4,30 g und im Küstengebiet auf 1000 k 1,35 g Gold,
während der grösste Gehalt des Waschgoldes auf 1000 k
Goldsand 14,406 g Gold betrug.
Verfolgt man die statistischen Angaben über die Goldproduction Russlands, so zeigt es
sich, dass trotz der Erschöpfung der Goldlager in vielen Gebieten Sibiriens doch
eine Zunahme in der Gesammtausbeute zu beobachten ist. Eine Erklärung dafür dürfte
in dem Umstände zu finden sein, dass die Verarmung des Goldsandes in den
Gewinnungsorten einzelner Gebiete bis in die Gegenwart durch Inangriffnahme neuer
Arbeiten auf reicheren Goldstätten anderer Gebiete aufgehoben wurde. Berücksichtigt
man dabei, dass die Goldproduction Russlands am Ural begonnen, den Weg immer weiter
nach Osten verfolgt hat, und dass die östlichen Goldgebiete fast durchgängig die
reicheren sind, so wird, ungeachtet der Verarmung eines grossen Theiles der
Fundorte, ein Wachsthum in der Gesammtausbeute erklärlich.
Die unvollkommene Technik, die Einrichtung der Solotnikarbeit und die
Mangelhaftigkeit der Gesetzesbestimmungen für den Erwerb der Goldlagerstätten bilden
ein grosses Hinderniss in der Entwickelung der Goldindustrie Sibiriens. In
Anbetracht dieser Umstände ist das Bergdepartement jetzt bestrebt, vervollkommnete
Apparate für das Verwaschen des goldführenden Sandes und für die Abscheidung des
Goldes ins Leben zu rufen, die chemische Methode (das Gold aus den Rückständen
mittels Chlors zu gewinnen) auch in Sibirien einzuführen und neue Gesetzesbestimmungen
hinsichtlich des Erwerbes von Goldlagerstätten und des Verbotes der Solotnikarbeiten
vorzuschreiben. Die allgemeine Einführung des Maschinenbetriebes (wenigstens auf
allen grösseren Wäschereien) und die Anwendung
vervollkommneter Apparate auf den sibirischen Wäschereien steht aber vor Vollendung
und Inbetriebsetzung der sibirischen Eisenbahn kaum zu erwarten, weil bei den
mangelhaften Verkehrs Verbindungen des Landes die Beschaffung von Maschinen und
Apparaten mit ausserordentlichen Schwierigkeiten und grossen Kosten verknüpft ist,
die einheimische Industrie auch nicht sobald in der Lage sein dürfte, grössere und
schwierigere Reparaturen auszuführen.
Die Gouvernements Tomsk, Jenisseisk, Irkutsk. sowie die Gebiete von Akmolinsk und der
Kirgisensteppe sind reich an Kohle. Die Steinkohlenlager in der Niederung des
Kreises Kuznetzk im Gouvernement Tomsk, zwischen den Ssalaïrskischen Bergen und dem
Höhenzuge des Altai, umfassen ein Gebiet von etwa 5620 qkm. In den Gouvernements
Irkutsk und Jenisseisk lagert die Steinkohle in den Thälern der Angara und des
Jenissei, in den Niederungen des Irkut und der Bolaja, sowie im Stromgebiet der
unteren Tunguska. Etwa 250 km hinter Irkutsk sind Steinkohlenlager entdeckt, deren
Vorräthe auf 6,8 Millionen Tonnen geschätzt werden. Auch das noch wenig erforschte
Gebiet von Transbaikalien besitzt Steinkohlenlager. Im Küstengebiet Ostsibiriens,
nicht weit von der Stadt Wladiwostok, sind solche bei den Nachforschungen, die das
Marineministerium im J. 1888 wegen Versorgung der Kriegsflotte im Stillen Ocean mit
Kohle veranlasst hat, aufgefunden worden. Etwa 30 km hinter der Stadt Krassnojarsk,
in der Nähe des Dorfes Kamakowo, sind neuerdings grosse Lager von Braunkohle
entdeckt. Man ersieht hieraus, dass Sibirien über grosse Kohlenvorräthe zu verfügen
hat. Trotzdem wird die Steinkohle nur auf den Hüttenwerken des Staates ausgenutzt,
weil das Holz in Sibirien noch ein zu wohlfeiles Brennmaterial ist.
Die Steinkohlenausbeute ist daher in Sibirien gering, sie betrug nach dem letzten
Jahresbericht nur 34000 t. Obgleich in vielen Gegenden Sibiriens Urwälder vorhanden
sind, so hat man in den besiedelten Gebieten bereits die Beobachtung gemacht, dass
die Wälder sich hier zu lichten beginnen. Die riesigen Waldbrände verzehren oft
gewaltige Strecken des herrlichsten Fichtenwaldes. In den an die Mongolei grenzenden
Urwäldern findet man unabsehbare Flächen, die förmlich von verkohlten Baumstämmen
bedeckt sind. Veranlassung zu diesen Waldbränden geben entweder die von Jägern,
Schmugglern oder Hirten angezündeten und nicht wieder sorgsam ausgelöschten
Lagerfeuer, sodann die Bauern, welche ihre Aecker im Frühling ohne vorhergegangenes
Pflügen durch Feuer vom Unkraut reinigen, und endlich die Gewohnheiten der Jäger,
einen Theil des Waldes zur leichteren Erlangung ihrer Jagdbeute niederzubrennen. Die
Nachfrage nach mineralischem Brennmaterial wird über kurz oder lang auch in Sibirien
auftreten, um so mehr, da gegen die Wälder ein neuer Feind, die Eisenbahn, ins Land
zieht.
Die Salzausbeute Sibiriens hat bisher nicht einmal den eigenen Bedarf gedeckt,
während die reichen Salzlager in den Gouvernements Irkutsk, Jenisseisk, Tomsk,
Tobolsk, sowie in der Kirgisensteppe (die auch das Salzreich genannt wird) die
Ausfuhr von Salz gestatten würden.
Aus Allem geht hervor, dass das gewaltige Ländergebiet über grosse Bodenreichthümer
zu verfügen hat, welche, mit Ausnahme der Goldlagerstätten, bisher nur in geringem
Umfange ausgenutzt, theils gänzlich unberührt, die zukünftige Entwickelung der
sibirischen Industrie ausser Frage stellen, sobald die grosse Eisenbahn vollendet
sein wird.
F. Thiess.