Titel: | Ueber die Beurtheilung der Rentabilität elektrischer Anlagen. |
Fundstelle: | Band 292, Jahrgang 1894, S. 111 |
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Ueber die Beurtheilung der Rentabilität
elektrischer Anlagen.Der Redaction zur
Benutzung frdl. zugesandt vom Verein deutscher
Maschineningenieure.
Vortrag, gehalten in der Februarsitzung des Vereins deutscher Maschineningenieure von Dr. Müllendorf.
Ueber die Beurtheilung der Rentabilität elektrischer
Anlagen.
Zur Beurtheilung der Rentabilität einer elektrischen Anlage pflegt man die Kosten der
16kerzigen Glühlampenstunde zu Grunde zu legen. Diese ergeben sich für den
Jahresdurchschnitt, wenn man die jährlichen Betriebskosten einschliesslich
Amortisation und Verzinsung des Anlagekapitals durch die Zahl der Lampenstunden in
dem gleichen Zeitabschnitte theilt.
Es ist jedoch ein Irrthum, wenn man allgemein die Rentabilität einer elektrischen
Anlage nach dem so gefundenen Werth, der zwischen 1 und 4 Pf. zu variiren pflegt,
beurtheilt. Denn je grösser die Zahl ist, durch welche man die jährlichen Kosten
theilt, um so kleiner fällt der Werth aus. Man braucht also nur alle elektrischen
Lampen doppelt so lange brennen zu lassen, als nöthig ist, um scheinbar eine doppelt
so günstig arbeitende Anlage herauszurechnen. Nun beeinflusst aber auch die Zahl der
Lampenbrennstunden die einzelnen Posten, aus denen sich die Betriebskosten
zusammensetzen, ganz verschieden. Die Verzinsung und Amortisation des
Anlagekapitals, die Kosten der Verwaltung, Gehälter der mit Fixum angestellten
Beamten, Abgaben, Versicherungsgebühren, Revisionen u.s.w., werden z.B. gar nicht
geändert, selbst wenn die Anlage das ganze Jahr hindurch still steht. Die
Stundenlöhne der nach Arbeitsstunden bezahlten Arbeiter, das in der Betriebsstunde
verbrauchte Putzmaterial, das Kohlenquantum und das Schmiermaterial, welches für die
Stunde erforderlich ist, um die Maschinen unbelastet laufen zu lassen, inclusive
Anheizen der Kessel und Anwärmen der Maschinen sind schon aufzuwenden, wenn die
Anlage nur in Betrieb ist, auch ohne dass die Lampen brennen. Nur der Kohlen- und
Oelverbrauch für jede wirkliche Lampenstunde, natürlich abzüglich des Verbrauchs bei
Leerlaufsarbeit, der Verschleiss an Lampen, sowie der mittlere Stromverlust im
Leitungsnetz, der mit zunehmendem mittleren Wirkungsgrade des Netzes abnimmt, schon
im directen Verhältniss zur Zahl der Lampenbrennstunden. Es ist klar, dass es viel
wichtiger und rentabler ist, durch möglichste Einschränkung des Lichtconsums die
jährlichen Betriebskosten auf einem Minimum zu erhalten, als einen möglichst
günstigen Werth für die durchschnittliche Lampenbrennstunde zu erzielen. Auch der
Stromverbrauch der 16kerzigen Glühlampen ist sehr verschieden, aber die so
ökonomisch erscheinenden Lampen sind es in der That nur während ihrer ersten
Brennstunden. Der Kohlenfaden wird bei ihnen schnell verflüchtigt, und es wird
dadurch nicht allein die Lebensdauer der Lampe erheblich verkürzt, sondern der
Widerstand des Fadens schnell so erhöht, dass zur Erzielung gleicher Leuchtkraft
eine weit höhere Stromspannung erforderlich wird; während bei gleichbleibender
Spannung die Leuchtkraft abnimmt.
Wenn schon in diesen einfachen Fällen sich zeigte, dass die Lampenstunde als Maass
nicht geeignet ist, so tritt dies in noch höherem Maasse dann hervor, wenn
Glühlampen verschiedener Art, oder daneben noch Bogenlampen oder Elektromotoren von
der nämlichen Energiequelle aus mit Strom versorgt werden, da deren Energieverbrauch
ebenfalls in 16kerzigen Lampenstunden ausgedrückt werden müsste.
Es muss daher bei. Feststellung der Rentabilität aber eine constante Grösse zu Grunde
gelegt werden, nämlich die Wattstunde.Wattstunden
ist für elektrischen Kraftverbrauch eine ähnliche Maasseinheit wie
Pferdekraftstunden für mechanischen Kraftverbrauch. Für deren
Feststellung gibt es besondere Instrumente: Wattstundenzähler. Bei deren Verwendung
spielt aber noch wegen der Verluste in den Leitungen die Stelle der Anbringung eine
grosse Rolle. Der Stromverkäufer wird den Zähler möglichst nahe bei der Dynamo, der
Käufer möglichst dicht bei den Lampen haben wollen. Das Richtige ist ein
doppelpoliger Elektricitätszähler an der Stelle, wo die dem Abnehmer gehörige
Leitung beginnt. Dann kommt jeder Fehler, der lediglich vor oder lediglich hinter
dem Zähler ist, auch ausschliesslich auf Conto des betreffenden Besitzers der
Leitungen; Stromverluste in Folge von beiderseits liegenden Fehlern aber sind von
beiden zur Hälfte zu tragen, und so allein ist es recht und billig.
Wenn aber alledem Rechnung getragen ist, und die unter solchen Umständen eich
ergebende Rentabilität ist höher, als der unter gleichen Umständen gefundene Werth
einer anderen Anlage, so ergibt sich die Aufgabe, nach den Ursachen dieses
Unterschiedes zu forschen und Mittel zur Abhilfe anzugeben, also die einzelnen
Posten der Betriebskosten, die wir schon kennen lernten, herabzusetzen.
Gegen zu hohe Anlagekosten lässt sich zwar keine nachträgliche Abhilfe schaffen, wohl
aber können dieselben oft vermieden werden, wobei man sich bei allen denjenigen
Theilen der Anlage, von deren Gediegenheit die Unterhaltungs- und Betriebskosten
abhängen, vor minderwerthigem Material zu hüten haben wird. Dagegen können zu grosse
Reserven die Anlagekosten unnöthig hoch gestalten.
Eine zu hohe Amortisationsquote kann durch ein theures Leitungsnetz, durch die
Nothwendigkeit der Verlegung unterirdischer Kabel, durch Aufstellung von
Accumulatoren bedingt werden; und eine Accumulatorenbatterie kann andererseits die
Höhe der Verwaltungskosten dadurch ermässigen, dass an Betriebspersonal gespart
wird. Allgemeine Berechnungen sind hier zwecklos, und jede Entscheidung muss von
Fall zu Fall nach ziffermässigen Belegen getroffen werden.
Dampf- und Dynamomaschinen müssen in richtigem Verhältniss zu einander stehen und
jede für sich ökonomisch arbeiten. Die Normalleistung der Dampfmaschine muss der
Hauptbeanspruchung der Dynamo entsprechen. Ist diese Beanspruchung von der
Maximalleistung wesentlich verschieden, so ist eine Theilung der Maschinenanlage zu
erwägen. Ein häufig vorkommender Fehler wird dadurch begangen, dass die maschinelle
Anlage von vornherein viel zu gross gemacht wird, weil auf Erweiterungen Rücksicht
genommen wird, die wer weiss wann einmal zur Ausführung kommen.
Sehr wichtig ist das Leitungsnetz. Je stärker die Leitungen werden, desto theurer
wird zwar die Anlage, aber desto weniger Strom geht für die Nutzarbeit verloren. Der
zweckmässigste Leitungsquerschnitt wird vom Vortragenden sehr eingehend mathematisch
und zeichnerisch auf der Grundlage entwickelt, dass die Kosten, also auch die
Amortisations- und Verzinsungsquote der Leitung dem Leitungsquerschnitt direct, die
Stromverluste ihm umgekehrt proportional sind.
An Beispielen wird gezeigt, wie falsch es ist, statt dessen nach praktischen Regeln
zu verfahren, z.B. auf eine bestimmte Stromdichte (2 Ampère) einen bestimmten
Querschnitt zu rechnen (25 qmm), oder nur den Umstand zu beachten, dass der Draht
bei ruhiger Luft noch nicht um 5° C. über die Temperatur der Umgebung sich
erwärme.
Wie arg man hier mit übel angebrachter Sparsamkeit sündigt, erhellt daraus, dass in
einem bestimmten Falle die erste Anlage der Leitung, welche die geringsten jährlichen Ausgaben fordert, 260 M. kostet, während
Leitungen nach den genannten praktischen Regeln für 33 bezieh. 67 M. zu beschaffen,
also scheinbar erheblich billiger sind.
Namentlich in Hinsicht der Feuersicherheit ist es aber auch verwerflich, zu schwache
Leitungen zu wählen.
Ein interessantes Beispiel der Anwendung elektrischer Licht- und Krafterzeugung
bieten die neuen Betriebsanlagen der Stearinlichtfabrik von A. Motard und Co. in Sternfeld bei Spandau.
Wegen der feuergefährlichen Fabrikationsstoffe ist hier jede offene Flamme verboten.
Deshalb mussten die Arbeitsräume durch elektrisches Glühlicht erleuchtet werden, und
dies hat weiter dazu geführt, die stromerzeugende Quelle gleichzeitig als
Betriebskraft zu benutzen. Die Anlage wurde von der Firma Gebrüder Naglo zu Berlin ausgeführt. Die Elektromotoren dienen für den
Schlosserei- und Tischlereibetrieb, für den Antrieb einer Centrifuge, sowie für 80
Kreissägen zum Abschneiden der gegossenen Lichte. Der Wegfall jeglicher Wellen- und
Riemenübertragungen hat in Anbetracht der Beschäftigung vieler Arbeiterinnen (über
200) in den dortigen Räumen unberechenbare Vortheile für die Unfallverhütung,
was im Jahresbericht der Aufsichtsbehörde für 1892 lobend anerkannt wird.
Zweifellos wird die elektrische Arbeitsübertragung in absehbarer Zeit dem grössten
Theil der Maschinenarbeit ihr charakteristisches Gepräge verleihen; sie wird bald
das eigentliche Absatzgebiet der elektrotechnischen Industrie bilden, dem gegenüber
die elektrische Beleuchtung nur eine Nebenrolle spielt. Das sind keine
Zukunftsphantasien eines Elektroschwärmers, sondern sehr nüchterne Gedanken mit der
denkbar realsten Unterlage, nämlich dem Geldpunkt. Die elektrische
Arbeitsübertragung ist, abgesehen von allen sonstigen Vortheilen, die billigste, das
ist das ganze Geheimniss. Darum gehen auch die elektrotechnischen Firmen selbst mit
gutem Beispiel voran. An der Köpenicker Landstrasse, gegenüber vom Treptower Park,
sehen wir die im grossen Styl angelegte neue elektrotechnische Fabrik der Firma Gebrüder Naglo ihrer Vollendung entgegengehen, und auch
da wird der gesammte Effect der Dampfmaschinen ausschliesslich in elektrischen
Effect verwandelt, um in dieser Form den einzelnen Arbeitsmaschinen, Krahnen,
Aufzügen u.s.w. zugeführt zu werden, und nebenbei natürlich auch während der
Dunkelheit für Licht zu sorgen.
Die Actiengesellschaft für Locomotivbau „Hohenzollern“ in
Düsseldorf-Gravenberg hat seit dem 1 November 1893 die Modellschreinerei und
Giesserei elektrisch betrieben. Ein Vergleich der Betriebskosten des Monats November
mit denen des gleichen Zeitabschnittes im Vorjahr fiel so günstig aus, dass die
Einrichtung der elektrischen Arbeitsübertragung für die gesammte Fabrik ungesäumt in
Angriff genommen wurde. Es ergab sich nämlich, dass man unter Berücksichtigung aller
Verhältnisse dadurch auf eine Jahresersparniss von 20000 M. würde rechnen können.
Insbesondere ist die elektrische Arbeitsübertragung auch für Webereien und
Spinnereien von hoher Bedeutung, und zwar nicht allein schon aus den oben genannten
Gründen, sondern auch wegen besonderer Eigenthümlichkeiten dieser Betriebe. Freilich
das wichtigste und ausgedehnteste Feld für die Kraftcentralisirung, die Eisenbahnen,
werden wohl so lange auf die elektrische Vertheilung der zur Zugsbeförderung im
Fernverkehr erforderlichen Arbeit verzichten, bis ein genialer Kopf eine annehmbare
Stromzuführung zur elektrischen Locomotive ersinnt.
Hinsichtlich der Aufstellung von Accumulatorenbatterien kommt es darauf an, die
Batterie so zu wählen, dass an Personal, also an Löhnen, gespart werden kann. Kann
das durch die Batterie nicht erreicht werden, so wird in den allermeisten Fällen
besser von der Aufstellung einer Batterie abzusehen sein. Kann dagegen z.B. ein Mann
mit einem Lohne von 1000 M. jährlich erspart werden, so darf ein Accumulator bis
7000 M. kosten, um bei 10 Proc. Amortisation und 4 Proc. Verzinsung eine Ersparniss
zu ergeben, vorausgesetzt, dass während der Zeit seiner Stromlieferung der
Stromverbrauch auf mindestens ein Viertel des Vollbetriebes herunter gegangen ist.
Freilich muss dabei die Ladezeit so gewählt werden, dass durch die Ladung nicht etwa
noch besondere Kosten entstehen, die jenen kleinen Vortheil wieder aufwiegen. Eine
zu kleine Batterie kann ebenso die Wirthschaftlichkeit des Betriebes beeinträchtigen
wie eine zu grosse. Auch bleibt zu beachten, dass Accumulatoren verhältnissmässig
theuer sind und mit 75 Proc. Nutzeffect arbeiten.
Eine Anlage mit Accumulatorenbetrieb ist von der Firma Gebrüder Naglo im hiesigen städtischen Krankenhause „Am Urban“
ausgeführt. Dieses Krankenhaus ist ausschliesslich mit elektrischer Beleuchtung
versehen und zwar mit 1220 Glühlampen und 30 Bogenlampen. Nach dem
Verwaltungsbericht des Magistrats ist diese Anlage im Vergleich mit der
ursprünglichen Gasbeleuchtung sehr vortheilhalt.
Aus dem Vorgesagten nun wird zur Genüge einleuchten, dass nicht die einfachste und
kleinste Anlage die billigste ist, sondern dass vielmehr nur die beste,
vollkommenste und richtig bemessene Anlage Anspruch auf diese Bezeichnung erheben
darf. Man möge sich daher nicht durch niedrige Anschlagssummen täuschen lassen, und
nicht durch den Werth, den man lediglich auf massige Anschaffungskosten legt, den
Lieferanten zwingen, immer nur das Billigste ohne Rücksicht auf die Kosten des
Betriebes anzubieten. Beide Theile, Consument und Producent, würden sich besser
dabei stehen, und die stellenweise noch als Neuling misstrauisch angesehene,
theilweise durch fehlerhaft entworfene Anlagen in Misscredit gekommene
Elektrotechnik könnte sich alsdann das allgemeine Vertrauen rasch erwerben und
dauernd erhalten.
In der anschliessenden Besprechung des Vortrages wird betreffs der
Wirthschaftlichkeit auf den Unterschied hingewiesen zwischen dem Verkäufer
elektrischer Energie und dem Selbstconsumenten. Ersterer hat natürlich ein
besonderes Interesse an einem möglichst hohen Stromverbrauch, während der letztere
diesen auf das niedrigste Maass zu beschränken suchen muss.
Beiden gemeinsam ist nur das Bestreben nach möglichst billiger
Stromerzeugung.
Auch der Bericht der Fabrik „Hohenzollern“ und des Krankenhauses „Am
Urban“ werden einer Kritik unterzogen und hinsichtlich des letzteren
gefragt, wie die für die elektrische Beleuchtung günstigen Zahlen ermittelt worden
sind.
Wenn man nämlich den Vergleich in der Weise zieht, dass man die Kosten einer durchaus
auskömmlichen Beleuchtung gegenüberstellt, dann dürfte sich im Allgemeinen ein
günstiges Ergebniss für die Gasbeleuchtung herausstellen. Sagt man aber, die
elektrische Beleuchtung hat so und so viel Kerzenstärken, was würde eine gleiche
Lichtstärke bei der Gasbeleuchtung kosten, dann stellt sich der Vergleich günstig
für die elektrische Beleuchtung. Es wird gut sein, nach der ersten Methode zu gehen,
wenn man sich nicht finanziellen Enttäuschungen aussetzen will, und es wird
richtiger sein, sich lieber klar zu machen, dass selbst ein grösserer Aufwand für
die elektrische Beleuchtung durch deren mannigfache Vorzüge in vielen Fällen
reichlich aufgewogen wird.